Jean Paul
Der Komet
Jean Paul

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Ernste Ausschweife des vierten Vorkapitels

Der unverwelkliche Brautkranz

Rosa hatte am Brauttage ihren Geliebten sterben sehen; aber ein sanfter Wahnsinn kam zu ihr und wurde ihr Tröster. Sie suchte jeden Tag weiße Blumen zu einem Kranze und stellte sich damit geputzt auf sein Grab und blickte umher und sagte: »Ei, wird schon kommen, wenn er mich im Mondschein mit dem Brautkranz sieht, und wird mich heimführen.« – Sie ging den ganzen Tag mit den weißen Blumen herum, wurde aber sehr betrübt, wenn sie abends welkten und Blätter fallen ließen. »Er kommt bloß nicht, weil mein Brautkranz nicht hält«, sagte sie und nahm statt der Lilien weiße Rosen – aber auch ihnen flatterten Blätter davon, wenn sie auf dem Grabe stand und ihm entgegenschauete, und sie sagte: »Oh! es wollen nur die Dornen bleiben, und der Geliebte wird nicht kommen.« –

Da suchte eine Freundin sich ihres Irrtums zu erbarmen und spielte ihr statt der wahren Rosen seidene, mit einem Tröpfchen Rosenöl beseelt, in die Hand. Sie trug nun den ganzen Tag einen Rosenkranz, woraus kein Blättchen entfiel, und stellte sich abends mit froh-zitterndem Herzen recht früh auf den Hügel und blickte umher und sagte. »Heute kommt er, gewiß, gewiß; denn mein Brautkranz hält.« Sie stand im seligsten Vertrauen und Umherblicken so lange, bis sie ermattet, aber nicht verzagend zum Halbschlummer niedersank. Als endlich der Vollmond aufging und mit scharfen Strahlen ihre Augen traf: da fuhr sie entzückt zusammen und griff nach dem Rosenkranze und sagte. »Siehst du meinen Brautkranz, Geliebter?« Und sie sank unter im Wonnemeer der Freude und starb.

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Erstarkung der milden Jungfrau

Bringet das weiche biegsame Herz in die Ehe und gebt ihm Kinder: so wird es euch unerwartete Kräfte des Widerstandes zeigen und statt des jungfräulichen Gehorchens vielleicht Befehle. Im süßen Fleische des Pfirsichs bildet der Kern eine beschirmende Steinrinde um sich; und nicht dem äußeren Schläge, bloß dem warmen linden Drucke des Keimes von innen gibt der harte Panzer nach und tut sich auf.

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Weibliche Reize in der Ehe

Mit bloßen Reizen, leiblichen oder geistigen, in der Ehe zu fesseln hoffen, ohne das Herz und ohne die Vernunft, welche allein anknüpfen und festhalten, heißt eine Blumenkette oder einen Blumenkranz aus bloßen Blumen ohne ihre Stengel machen wollen.


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