Jean Paul
Der Komet
Jean Paul

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Ernste Ausschweife des ersten Vorkapitels für Leserinnen

Die Erinnerung an Dahingegangne

Ein Polymeter

Kein Toter, so rieten die Alten, mache mit den Lebendigen die Fahrt, sogar seine Asche erregt die Wogen und droht den Sturm und Untergang. O wie anders und schöner begleitet ein Dahingegangner das Herz auf der Fahrt des Lebens, das ihn in sich aufbewahrt, und das im Geschrei und Gepränge des Außen immer zu ihm hineinblickt! – Wie erwärmt und erhebt den Sterblichen ein geliebter Unsterblicher, gleichsam ein überirdisches Herz in einer Erdenbrust!Ein Mensch, der einen unersetzlichen Verlust fortliebend in sich tragen muß, erhält gegen jeden andern, aber Glücklichern eine höhere Stellung im Handeln.

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Trost der Greise

Verzage nicht, edler Menschengeist, wenn deine Kräfte sich verdunkeln, weil dein Erdenleib sich vor den Jahren beugt und entfärbt und endlich niederlegt. In einer Sommernacht schimmerten einst die Blumen in ihrem Tau vor dem blendenden Monde, jede mit silbernen Perlen geschmückt; als der Morgen nahte, wurden sie trübe, die Perlen verloren den Glanz, denn ihr Mond erblich und ging unter, und nur kalte Tränen blieben in den Blumen. Siehe! es ging die Sonne auf; da glänzten die Blumen wieder, aber Juwelen statt der Perlen spielten in ihnen und schmückten den neuen Morgen. – – Auch dir, o Greis, wird künftig eine Sonne aufgehen und deine verdunkelten Tautropfen verklären.

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Unverlierbarer Seelenadel

Es gibt einen Seelenadel, dessen der Glückliche, dem er angeboren ist, sich nie entsetzen kann selber durch ein Leben voll Verirrung; und immer werden ihn Glanzspuren davon sogar in den heißesten Tagen der Jugend und in den frostigsten eigennützigsten des Alters von gewöhnlichen Seelen in ihrem Fallen und ihrem Steigen unterscheiden, so wie ein mit wenigen Goldblättchen umlegter Kupfer- oder Silberstab immer mit dem Golde bedeckt erscheint, werde er auch durch immer engere Löcher dünner gezogen und meilenlang ausgedehnt.

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Sittliche Vollendung

Der Triumphbogen der Sittlichkeit ist ein Regenbogen, durch welchen noch kein Sterblicher gegangen und den keiner über seinem Haupte gehabt, einen ausgenommen, der aber selber als Sonne unter den Wolken stand.

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Wärme- und Kälte-Entwicklung aus andern Menschen

Wie wenig braucht der Mensch Wärme oder Kälte, um sie dem andern mitzuteilen und sich und ihn heiter oder trübe zu machen. Der Morgen wandelt Reif zu Tau, der Abend Tau zu Reif. Mensch, willst du der Morgen oder der Abend sein, unter Edelsteinen oder auf Schnee wandeln?


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