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12.
Gebet um Sammlung

Mein Gott, ich will, den Geist gesammelt, mich zu dir erheben.
Beschwichtigung, reich mir Beschwichtigung!
Ich will an Bächen, in entschlafner Wälder Dämmerung
Nur noch der sanften Wollust der Betrachtung leben.

Mein Gott, die Zweifel habe ich aus dem Herzen weggejagt,
Des Dichtens und die andern – gib, daß ich mich selbst vergesse,
Mehr nicht als wie die niedere Ameise mich zu sein vermesse,
Die durch den Hügel weise ihren Weg sich bahnt.

Nur wer sich selbst vergißt, dem wird das Glück geschenkt:
Denn wir sind nichtig und die Welt ist jämmerlich.
Nicht wir sind's, sondern du, o Gott, der leise spricht: ich liebe dich,
Wenn unsre Liebe einschläft, süß und eng verschränkt.

Ich gürte keinen Strick um meine Lenden:
Denn wer das Fleisch ertötet, greift Gott selber an.
Mein Herz, den Dirnen und den klaren Bräuten zugetan,
Singt einen Angelus dem Weib und will nicht enden.
Mich wird es nie nach härenem Gewand gelüsten,
Denn wer die Schönheit zudeckt, hat Gott selber zugedeckt:
Ich möchte, daß die Jungfrau mit den steilen harten Brüsten
Wie eine Lilie blühe, die sich in den bräutlich blauen Himmel reckt.

Mein Gott, ich will mich sammeln … Will mein Ohr hinneigen
Dem Schnee der Lämmer, die am Rasen schreiten,
Und atmend wiederkosten in Septembergleisen
Den Duft der Liebe aus vergangnen Jahreszeiten.

Ich kehre wieder, ohne Stolz, das Herz voll Einigkeit,
Den Geist geläutert in Betrachtens Stille,
Nichts mehr begehrend als nur Brot und Wasser und von Zeit zu Zeit
Das trockne Schreien einer armen Grille.


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