Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

XI. Kapitel

Die junge Frau, die, eine Riesengießkanne in den kräftigen Händen, zwischen den Tomatenbeeten die schmalen Stiege entlang ging und die Pflanzen begoß, fand doch dabei Zeit, sich mit ihrer Nachbarin zu unterhalten.

»Ihr habt's jut!« sagte die Gärtnersfrau, »wenn ihr beide eure zwanzig Ziegen abgemilcht habt, du mit dein' Mann, dann braucht ihr bloß noch die Milch nach Berlin fahren, denn seid ihr fertig ... Un habt jeden Tag euer schönes Jeld ... wir ... bei uns wird die Arbeit nich alle ... un wenn's denn noch so heiß is wie jetzt, un man muß ejal jießen, denn ist's rein zum Hinwerden!«

Dabei sah sie so gesund, so blühend mit ihren Apfelwangen aus, die junge Gärtnerin, ihre Arme hoben sich, die schwervolle Zinnkanne fassend, mit solch einem Schwung von dem prallen Mieder, daß es war, als schreite der Sommer selber zwischen Baum und Pflanze dahin.

Die andere, eine magere Brünette, mit leidenschaftlichen, dunkelumrandeten Augen, lachte geschmeichelt. Ihre Ziegenwirtschaft brachte Geld ein, und die Arbeit war wirklich nicht schwer, aber sie hatte einen alten Mann, den sie nicht liebte, und sagte das der Freundin ungeniert.

Die lachte.

»Ich wer' dir von meinem 'n Stück abjeben! – – Der is mehr wie zu jung ... Auf'n Wochenmarkt in Lichterfelde muß ich die Augen überall haben. Da is' so 'ne Fleischermamsell ... so'ne Dicke ... ich weiß janich, was er an der find't ... aber die Hauptsache is doch's Geld ...«

»Na, ihr müßt doch jetzt schön verdienen an eure Sommerjäste, nich wahr?«

»Na ja ... jeht ja so ... aber wir haben doch auch unsere besten Stuben hinjejeben ... die janze Unterwohnung ... dafür 100 Mark 's Monat ...«

»Hundert Mark?!«

»Na ja, is dis etwa viel? ... Dafor wohnen wir jetzt in die Brummhitze uf'n Dachboden!«

»Was is'n der Herr?«

»Ach, der war früher son Professor ... weißte, er hat sone jroßen Ölbilder jemalt un muß viel Jeld dafür jekriecht haben ... ja ... aber nu hat er 'n Augenleiden ... ja ... am Tag darf er überhaupt nich ausjehn, bloß bei Nachtens ... Und denn führt ihn seine Frau, wenn er doch mal rauskommt. Und weißte, Jenny, das is gerade son Alter wie deiner, aber sieht noch janz statiös aus, un sie is ooch so jung, höchstens zwanzig, mehr is se bestimmt nich ... Na, du hast se ja schon geseh'n ... So was von Scheenheit wie die!«

»Ja, neulich, wie se bei uns vorbeikam, hinten uff'n Feldweg ... wegjehn tut die woll och so jut wie janich?«

»Nee, wo kann se denn? Er läßt se ja nich een Oogenblick aus seine Mache! ... Is woll ooch eiffersüchtig ... ick weeß bloß nich uff wen? ... Uff mein' Mann etwa? ... Na, det is doch nischt for den! ... So'ne feine Dame! ...«

»Na, weißte, de Feinen sind manchmal jrade so! ...«

Die Gärtnerin strich über ihr prachtvolles, korngoldenes Haar und lachte:

»Ha! ... die nich! ... Die is überhaupt wie'n Engel! ... So schön wie se is', so jut is se ooch. Wie neilich unser Kleiner krank war, da hat sen jepflegt un gemacht un an sein Bettcken jesessen – am liebsten wär se janich wieder wechjejangen von ihm! ...«

»Liebt se denn ihren Mann nich? ...«, fragte die in ihrer Ehe Unzufriedene.

»Ich weiß ja ooch nich ... bei sone reichen Leute, da weiß man ja nie! ...«

»Is er denn so reich?«

»Janz furchtbar ... Ich habe neilich 'ne Halskette uff'n Tisch liegen seh'n aus lauter Diamanten, un da, da hab' ich jefragt, die Frau Professorn, un se sagte, 's hat zwanzigtausend Mark jekost! ... Zwanzigtausend Mark ... soviel is unser janzet Haus nich wert! ...«

»Un dis hat er ihr jeschenkt?«

»Na, muß doch woll! Aber se hat noch viel mehr ... Ringe und Armbänder, un allens in son jroßen, silbernen Kasten, mit Engelken un Blumen drauf, un alles aus Silber! ...«

»Aber er liebt ihr?« fragte die Dunkelhaarige mit den Flackeraugen.

»Muß doch woll ... Wenn se bloß mal en bisken bei mir in Jarten kommt, denn schreit er schon: »Ilona, Ilona!« Ooch 'n komischer Name, was? ... Die is nämlich aus Ungarn ...«

»Un wie heißt er?«

»Professor Koloman, er is aus Böhmen, aus Prag, glaub ich ...«

»Wie du dis bloß alles so behältst!« staunte die Ziegenwirtin.

»Na, ich hab'n doch selbst anjemeldet uffs Amt«, meinte die andere selbstbewußt. »Aber nu muß ich rein bei se un fragen, ob se Salat haben will ... den essen se nämlich furchtbar jerne, zu jede Mahlzeit! – –«

»Is es wahr, daß er schon janz weiße Haare hat?« fragte die Brünette, die Freundin zum Hause hinbegleitend.

Sie nickte.

»Jawoll, und sogar Locken! Sone janz langen, weißen Locken un 'n weißen Bart, der reicht 'n bis auf de Brust ... un dabei sone schwarzen Oogen ... wie deine! ... Wenn der een ankuckt, des jeht einen durch un durch!«

Die Ziegenwirtin lachte: »Na du, nimm dich man bloß in acht!«

Die runde Hand der Blonden winkte weit ab: »Ach der ... dis is ja doch schon 'n Jreis!«

»Na, du siehst doch, er hat doch ooch ne jan Jungsche!«

Sie standen am Hauseingang, die Brünette mit neugierig verlangenden Augen in den dämmrigen Stiegenflur blickend, daß die andere leise spottete: »Soll ich 'n dir mal rausschicken. Käthe, ja?«

»Um Jottes willen!« rief die Ziegenwirtin und rannte in gespielter Angst den Heckenweg hinauf bis an den von Fliederbüschen bewachsenen Zaun; da verschwand sie durch eine Lücke im Gebüsch.

Die Blonde lachte noch, wie sie ins Haus trat. Und war eben auf dem Treppenabsatz, als die Tür, die in die Parterrewohnung führte, aufging und ein Frauenbild heraustrat, dessen feiner blasser Mund von vielem Leide sprach. Die Wangen schmal und blutlos, die Nase so fein, in ihrem zarten Flügelpaar wie von Schmerz gezeichnet, und darüber unter herrlichen Brauen zwei Augen von einer unergründlichen Tiefe ...

Man konnte eine ganze Weile hineinsehen in diese seltenen Sterne; dann fand man erst, daß sie blau waren, veilchenblau, aber durchsichtig und nicht zu ergründen, tief wie ein Märchenbrunnen ...

Und wenn sie lächelte, wenn dieser kleine, sanfte, unschuldige Mund lachen wollte, dann war's dem, der sie ansah, als küßten ihn die Anmut und die Lieblichkeit selber ...

Sie trug ein glattes Kleid aus silbrigem Samt mit einem buntgestickten Gürtel, und ihre langen, schwarzen Haare waren zu Zöpfen geflochten, die bis weit über den Gürtel fielen. Das machte sie noch jünger; wirklich wie ein junges Mädchen war sie oder wie eine reine Jungfrau, die doch schon allen Weibes Weh erfahren hat.

Die Gärtnersfrau wunderte sich mit ihrem frohen, blonden Gesicht immer wieder ... Und wie die andere sprach und sich dieser süße Menschenlaut in das Ohr der Blonden schmeichelte, da hätte diese, die sonst recht geizig war, gern alles gegeben, um länger bei der Schönen zu sein und noch mehr mit ihr reden zu dürfen.

Aber nachdem die Frau mit den schwarzen Zöpfen ihre Wünsche für das Abendessen genannt hatte, verschwand sie wieder in der Wohnung, die der Professor Koloman für sich und seine Gattin den Sommer über dem Gärtnerehepaar abgemietet hatte.

Die Türe ging hinter ihr ins Schloß, da stand Ilona Sebraczety in der Stube und hörte, wie nebenan eine Stimme auf Französisch sagte:

»Du erbärmlicher Spitzbube! Tête cochon! ... Kommst du her, um mir mein ganzes Geld abzunehmen?!«

Ein anderer lachte, Karten fielen auf den Tisch, Geld klirrte, und der erst gesprochen, fluchte in allen Sprachen.

Plötzlich rief er: »Ilona!«

Die Frau ging bis zur Tür, die wohl offen, doch mit einem schweren Vorhang verdeckt war.

»Bitte«, sagte sie, und ein Schatten des Abscheus und der Furcht machte ihr schönes Angesicht erbeben.

»Du mußt in die Stadt und Geld besorgen! Ich bin blank ... nimm das Rubinenarmband und geh' zu Schalljahn ... der gibt dir drauf ... tausend Mark ... fünfhundert ... ich lös es wieder ein nach der nächsten Sitzung ...«

Man hörte die andere Mannesstimme mit einem häßlichen Gelächter sagen: »Die Geister brauchen Geld!«

»Im Gegenteil!«

Der erste, dessen hartes Organ die Frau zittern machte, stand auf. Man hörte einen Stuhl rücken.

»Die Geister bringen welches! Sie kennen ihren Herrn!«

Die Frau wich mit einer entsetzten Gebärde von der Tür zurück; ihr war, als käme der, der ihr so unnachsichtliche Befehle gab, näher und wollte aus dem Zimmer.

Doch der andere kam wohl dazwischen, er sagte:

»Ich kann aber nicht länger bleiben, Salvi! ... ich habe mich für heute abend mit Feinglas verabredet ... pünktlich um zehn Uhr im Janitscharenkeller ... ich muß endlich die Sore Diebesgut. verschwenken Verkaufen. ... wenn mir die Faulen Kriminalbeamte. auf den Hals kommen, bin ich futsch! ...«

»Tatjo de Dios! Du willst dich drücken! ... Ich verlange Revanche! ... 's ist erst sieben Uhr ...«

»Ich komme morgen bestimmt wieder, Salvi! ... Parole d'honneur! ... Auf Wort ...«

»Schuft du ... Sonefabitsch! ... Du Halunke! ... Du Leichenräuber! ...«

Der mit der harten Stimme konnte sich nicht genug tun im Schimpfen ... Aber es half ihm nichts, der Spießgeselle zog mit seinem Raub ab.

Da entschloß sich der Verlierer zum letzten: »Alles, was du gewonnen, Mac Duffre, gegen das Rubinenarmband! – – Ilona, gib das Armband her!« sagte er zornig.

Und gehorsam, ohne auch nur den Versuch zur Weigerung zu machen, entnahm die arme Frau der großen silbernen Schmuckschatulle, die auf dem einfachen Sofatisch der Gärtnersleute stand, ein wundervolles Kleinod, ein Armband aus den seltensten Taubenblutrubinen, das Geschenk eines liebenden Verschwenders an die Einzige seines Herzens, und trug es hinein ins Nebenzimmer.

Sie kam gleich wieder aus dem durch die herabgeladenen Rouleaus in Dämmer gehüllten Raum. Doch so sehr sie sich beeilte, die Spieler zu verlassen – sie war noch nicht nebenan, da hatte ihr Peiniger ihr Juwelenarmband ebenfalls verloren.

Er raste, tobte und rief alles Unheil auf den Partner herab. Die Frau nebenan bat durch den Vorhang:

»Pierre! ... Um des Himmels willen! ... Pierre! ... Denk an die Leute!«

»Still!«, knirschte er, »ich erwürge dich! ... Bring' Wein! ... zum Abschied ...«

Aber als sie schon gehen wollte, sagte er:

»Mort de Dieu! ... laß! ... Gib ihm lieber Gift! ... Der Hund braucht sich hier nicht vollzusaufen! ...«

Dann kam der Spielpartner, ein nach englischer Manier gekleideter Mensch, mit einer Fechtergestalt und brutalen, aber schönen Zügen, heraus.

Er wollte sich der Frau nähern, streckte seinen Arm nach ihr aus ... Da hatte sie im Nu einen kleinen, blitzenden Dolch aus dem Kleide.

»Schlange, du stichst?!« – Er lachte böse.

Sie folgte ihm mit ihren großen, starren Augen bis zur Tür, durch die er verschwand.


 << zurück weiter >>