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Einleitung.

Dogmatische Untersuchungen über religiöse Fragen sind gegenwärtig nicht in Gunst, weder bei denen, welche an die Religionswahrheiten glauben, noch bei denen, die nicht daran glauben. Ersteren bieten sie bestenfalls einen Beweis für Dinge, die ihnen viel sicherer als irgendein Beweis sind, letzteren sind es Antworten auf Fragen, die zu stellen sie längst aufgehört haben; in diesen Kreisen wird nicht gefragt: sind diese Vorstellungen wahr, sondern: wie konnten sie entstehen? für sie sind die religiösen Meinungen nur noch Gegenstand einer psychologisch-historischen Erklärung.

So notwendig und wichtig die letztere Behandlungsweise ist, so scheint sie doch nicht die einzige sein zu dürfen. Wäre es auch nur aus dem Grunde, daß sie unfähig ist, eine Verständigung zwischen den vorgeschrittensten Geistern und der Menge, für welche die Religionswahrheiten, wenn überhaupt ein Interesse, ein dogmatisches haben, anzubahnen. Die vielen fragen zunächst allein: sind die auswendig gelernten Artikel des Katechismus wahr oder nicht? Wer es verschmäht auf die so gestellte Frage zu antworten, hat keine Aussicht, ihnen verständlich zu werden. Und doch wird niemand hiergegen gleichgültig sein dürfen. Die Vornehmheit der Philosophie, ein charakteristisches Merkmal jener gegen die Aufklärung des 18. Jahrhunderts gerichteten Reaktion, welche die Anknüpfung an das gemeine Bewußtsein vernachlässigte oder ausdrücklich verschmähte, hat zu dem auf die Dauer unerträglichen Zustand geführt, der heute das Verhalten unseres Volkes zur Religion kennzeichnet: eine sehr kleine Minderheit wird gebildet von jenen Philosophen, denen die Religion bloß Objekt pathologischer Psychologie ist; ein anderer, freilich auch nicht großer Teil hängt am Götzendienst des Buchstabens oder folgt blindlings dem Priester, Wissenschaft und Zweifel für Sünde und Teufelsblendwerk haltend; endlich die Masse besteht aus solchen, die weder Religion noch Wissenschaft, noch Interesse für eines von beiden haben, für Wissenschaft nicht, denn sie wendet sich nicht an ihr Fassungsvermögen, für Religion nicht, denn sie erscheint ihnen als abgetragene Mode. Die Philosophie hat auf diese Weise die geistige Führerschaft fast ganz verloren; sie ist der Herde zu weit voraus, als daß ihre Stimme sie noch erreichte. Das Jahrhundert der Aufklärung war hierin ohne Zweifel glücklicher: die Literatur des philosophisch-theologischen Rationalismus, so wenig sie unserer wissenschaftlichen Untersuchung als Muster dienen kann, schuf ein allen Klassen des Volks gemeinsames Gebiet geistigen Verkehrs und Verständnisses.

Aber nicht bloß durch solche Nützlichkeitsrücksicht, sondern auch durch die Sache selbst ist die dogmatische Untersuchung der religiösen Fragen gefordert. Nicht in dem Sinne freilich scheint sie heute noch notwendig, daß durch die Kritik die Zuversichtlichkeit der bejahenden Beweisführung herabgestimmt werde. An die Stelle der völligen Überzeugtheit, mit welcher das 18. Jahrhundert an die Möglichkeit glaubte, Gottes Dasein und die Unsterblichkeit der Seele durch die natürliche Vernunft als die allergewissesten Wahrheiten zu demonstrieren, sind längst bescheiden zweifelnde Versuche getreten, Wahrscheinlichkeitsgründe zu finden, die mehr auf Empfindungen als auf Schlüsse sich stützen, mehr überredend sich an das Gemüt als überzeugend an den Verstand wenden. Dagegen ist die Zuversicht der Verneinung entsprechend gewachsen. Nicht nur aus der Beschäftigung mit der Aussenseite der Dinge, welche den physikalischen Wissenschaften eigen ist, sondern noch mehr aus der historischen Untersuchung der Religion entspringt ein negativer Dogmatismus, indem der Nachweis, daß Religion nicht in physikalischen und historischen Tatsachen begründet sei, sondern in dem Bedürfnis des menschlichen Gemüts wurzele, zugleich für einen Beweis genommen wird, daß ihre Gegenstände überall nichts anderes, als in die Wirklichkeit hineingeschaute Phantasiegebilde seien. Aber offenbar wird durch die Aufdeckung des psychologischen Ursprungs der Religion noch gar nichts über ihre objektive Realität ausgemacht. Es hindert nichts, dass eine Ansicht wahr sei, wenn sie auch aus Ursachen entsprang, die nicht Gründe sind. Ursachen und Gründe von Meinungen sind ganz verschiedene Dinge. Welche Ansicht, auch in den Wissenschaften, wäre nicht zuerst auf Veranlassungen konzipiert worden, die nicht zu Gründen taugen? Man verwirft Keplers Gesetze nicht, weil sie auf Grund gewisser ästhetischer Anforderungen an die Konstitution des himmlischen Systems gesucht und vorausgesetzt wurden. Freilich wir nehmen sie auch nicht darauf hin an, sondern weil sie bei der Verifizierung an den Tatsachen sich als geeignete Formeln für deren Darstellung erwiesen haben. Nun, dasselbe Verfahren ist den religiösen Konzeptionen gegenüber angemessen.

Aber haben nicht eben hier die Tatsachen gesprochen, und zwar zu Ungunsten jener Konzeptionen? Das wollen uns manche glauben machen: die Naturwissenschaften hätten Himmel und Erde durchsucht und den Finger Gottes nicht darin gefunden. Das mag sein; es beweist aber nicht, daß er nicht darin ist. J. St. Mill, den niemand in Verdacht haben wird, daß er durch Hinweisung auf die Begrenztheit unserer Einsicht den Aberglauben zu fördern die Absicht habe, sagt einmal, das uns Bekannte im Universum gleiche einer kleinen Insel in dem unermeßlichen Ozean des Unbekannten. In der Tat, so groß die Fortschritte sind, welche die Wissenschaft in der Erkenntnis der Naturgesetze der Erscheinungen in neuerer Zeit gemacht hat, so ist dennoch die Welt auch heute noch das große Rätsel, als welches sie dem ersten sinnenden Menschengeist erschien. Es ist eine sehr oberflächliche Ansicht, welche meint, daß die Newtonsche Lehre uns das Warum der kosmischen und tellurischen Gravitationserscheinungen durchsichtig gemacht habe, oder daß durch die Darwinsche Theorie das Wunder der Organisation völlig aufgeklärt sei. Beide Theorien geben uns Gesetze der Bewegungen, aber warum Bewegung der materiellen Teile gegeneinander überhaupt stattfinde, was die Ursache der Organisation oder Organisierbarkeit der Materie sei, sagen sie nicht. Sehr unnötig war die Besorgnis Jacobis, daß die Wissenschaften die Welt allzu rational, allzu verständlich, allzu platt machen würden. Sie bringen das Wunder des Daseins auf Formeln, aber sie eliminieren es nicht. Die Unendlichkeit nach beiden Seiten, das unendlich Große und das unendlich Kleine, werden stets dafür sorgen, daß es dem menschlichen Verstand an Aufgaben nicht fehle. Unsere Einsicht in die Konstitution des Universums als Ganzen und in die Konstitution der kleinsten Teile ist so wenig vollendet, daß ein Absprechen über das Mögliche und Unmögliche in diesen Dingen wenig Einsicht in den Stand unserer Erkenntnis verrät. Der Versuch der Rettung des Glaubens vor dem Verstand, welchen in schwachen Augenblicken sich selbst mißverstehend Kant für sein eigentliches Verdienst ausgab, ist sehr unphilosophisch; aber durchaus philosophisch ist das Bestreben, das Recht des Verstandes und der Zukunft gegenüber Voreiligkeiten der Weltauslegung zu wahren, mögen diese nun, wie im 18. Jahrhundert, in Form eines kritiklosen Theismus, oder, wie hie und da in unserem Jahrhundert, in Form eines kritiklosen Atheismus auftreten.

Aus diesen Gründen scheint die dem deutschen Leser hier gebotene Schrift aus dem vorigen Jahrhundert noch keineswegs veraltet. Sie vertritt in ausgezeichneter Weise diesen Standpunkt eines philosophischen Skeptizismus. Ihre Absicht ist freilich zunächst gegen die dogmatische natürliche Theologie ihrer Zeit gerichtet. Sie ist hierin Vorgängerin der Kantischen Dialektik, welche auch zunächst und ursprünglich eine Widerlegung der Beweise für die Glaubensartikel der natürlichen Religion ist. Aber wie Kant zugleich den negativen Dogmatismus abweist, so halten auch Humes Dialoge die Möglichkeit einer anderweiten Interpretation der Welt als durch Atomismus und Materialismus offen. Der Skeptizismus Humes ist ganz aufrichtig und wendet sich nach beiden Seiten. In der Tat, Hume kann nicht anders; der Empirismus muß sich gegenüber den letzten Fragen der Metaphysik skeptisch verhalten. Beruht alle Erkenntnis von Tatsachen lediglich auf Erfahrung, so ist natürlich ein definitiver Abschluß nicht erreichbar, ehe die Erfahrung selbst abgeschlossen ist. So lange die Analysis des Weltalls im Ganzen und an jedem einzelnen Punkt noch unvollendet ist, so lange müssen es notwendig auch die ersten Elemente und die letzten Synthesen unserer Welterkenntnis sein.

Durch ihre Beziehung zu einer solchen Erkenntnistheorie ist zugleich die Richtung der Humeschen Kritik im einzelnen vorgezeichnet. Sie wird sich mit apriorischen oder ontologischen Beweisen für das Dasein Gottes gar nicht zu befassen brauchen; dieselben sind alle gerichtet durch den allgemeinen Grundsatz, daß über Tatsachen nur durch Erfahrung, nicht durch bloße Vernunft etwas ausgemacht werden kann. Ein wirklicher Versuch eines Beweises ist allein der teleologische. Auf diesen bezieht sich daher die Humesche Kritik so gut wie ausschließlich. Die Frage ist: sind die Tatsachen, welche die Erfahrung über die Welt an die Hand gibt, derart, daß sie die Folgerung auf einen intelligenten, nach Absichten wirkenden Urheber der Welt notwendig machen? Nur wenn dies ist, darf das Dasein eines solchen Wesens für erwiesen gelten. Es wird gegenwärtig die Behauptung kaum noch auf Widerspruch stoßen, daß diese Behandlungsweise des Gegenstandes die einzig angemessene ist. Was später in Deutschland Kant noch für notwendig hielt, eine ausführliche Widerlegung der scholastischen Beweise für Gottes Dasein aus Begriffen, das durfte Hume, der auf den Schultern Lockes stand, schon als gänzlich abgetan mit Stillschweigen übergehen. Die apriorischen Beweise beweisen in der Tat nichts als die Tatsache, daß die Menschen, wenn sie einmal an eine Sache glauben, es mit den Beweisen dafür sehr leicht zu nehmen pflegen.

Die Beschränkung auf den teleologischen Beweis hängt mit einer andern Beschränkung zusammen: Humes Untersuchung geht bloß auf einen anthropomorphistischen Theismus; die pantheistische Auffassung vom Wesen Gottes wird kaum berührt. Der rationalisierte Kirchengott des 18. Jahrhunderts ist Gegenstand der Kritik, nicht der Gott des tieferen philosophischen Gedankens. Ein paar Bemerkungen hierüber seien gestattet.

Es gibt zwei in sich klare Auffassungen von dem Wesen Gottes und seinem Verhältnis zur Welt: entweder er steht außer und neben ihr, wie der Künstler neben seinem Kunstwerk, von ihr Wirkungen empfangend und auf sie Wirkungen ausübend, oder er ist nicht neben ihr als Teil unter andern Teilen, sondern in ihr und sie in ihm, so daß sie nicht zwei sind, sondern Eines, die Welt nur die Selbstentfaltung seines Weseninhalts. Letztere Ansicht wollen wir Pantheismus nennen, erstere Theismus. Der Theismus ist klar und bestimmt in den sogenannten heidnischen Religionen ausgeprägt: neben der Welt viele Götter, welche aufeinander und auf die Welt gelegentlich wirken. Der Pantheismus ist die Lehre der Philosophen. – Die christliche Kirchenlehre versucht zwischen Theismus und Pantheismus eine mittlere Stellung einzunehmen; sie sagt: Gott schafft und erhält, d. h. schafft fortwährend alle Dinge; aber sie sagt zugleich: die Welt hat Selbständigkeit Gott gegenüber, die Natur ist von Gott abgefallen, er wirkt auf sie gelegentlich durch Wunder (welche offenbar voraussetzen, daß sie sonst ihrem eigenen Lauf, der nicht Gottes Wille war, gefolgt wäre), die Menschen tun, was sie selbst wollen, nicht was Gott will, sie können auf Gott wirken (im Gebet) und ihn zu Rückwirkungen bewegen. – Freilich dieser allmächtige Gott, dem eigenwillige Menschen gegenüberstehen, ist ein Widerspruch. Gedacht werden kann nur eines: entweder man macht mit Gottes Allmacht Ernst, dann können die Dinge nicht aus ihm heraus zu Selbständigkeit und Selbsttätigkeit kommen, oder die Selbständigkeit der Dinge ist ernst gemeint, dann werden sie nicht von Gott erschaffen und erhalten, sondern sind und dauern aus eigenem Vermögen.

In der gemeinen Vorstellung wird dieser für das konsequente Denken auf der Hand liegende Widerspruch durch das Herabsinken auf die Seite des heidnischen anthropomorphistischen Theismus (oder Polytheismus, denn selbständige Dinge sind dem Wesen nach Götter) gelöst: Gott ist nicht eins und alles, sondern eines neben anderem, nicht alles, was geschieht, ist sein Tun, sondern nur hie und da greift er ein, meist sieht er bloß zu, wie es in der Welt hergeht. So ist auch der Gott des philosophisch-theologischen Rationalismus: Gott ist zwar vor der Welt da, überlegend, welche von vielen möglichen er wirklich machen wolle; nachdem er sich für eine entschieden, setzt er sie aus sich heraus und sie steht nun reinlich getrennt neben ihm.

Auf diesen allmächtigen Gott, der Himmel und Erde nach einem überlegten Plan geschaffen hat, bezieht sich Humes Kritik. Auf ihn allein führt der teleologische Beweis. Der Gott des Pantheismus kann auf diese Weise gar nicht gefunden werden. Spinozas Gott ist nicht vor der Welt, überlegend, wie er sie einrichten wolle, denn er ist nicht vor sich selbst, überlegend, wie er sich entwickeln wolle; er ist nicht neben der Welt ihr zusehend und gelegentlich auf sie wirkend, sondern er ist in jedem Ding, in jedem Vorgang innerlich gegenwärtig. Die ganze Trennung von Absicht und Verwirklichung hat in dieser Ansicht keinen Platz. Gott erlebt selbst den Inhalt der Weltgeschichte, nicht aber hat er ihn vorher in unwirklichem Ausdenken zusammengestellt, um dann hinterher das Puppenspiel der Wirklichkeit aufzustellen und am Faden des Mechanismus sich abspielen zu lassen. Die göttliche Gedankenentwicklung ist zugleich die physische Weltentwicklung, beide bloß verschiedene Seiten, vielleicht bloß verschiedene Ansichten derselben Sache.

Diesen tieferen Gedanken streift Humes Untersuchung kaum; sie bleibt stehen bei dem anthropomorphistischen Gott und den Beweisen für sein Dasein aus seinen in der Natur verwirklichten Absichten. Zum Pantheismus würde sich Hume vielleicht weniger negativ verhalten haben. Wäre ich genötigt, läßt er Philo sagen, ein bestimmtes System zu verteidigen, so erachte ich keines annehmbarer als das, welches der Welt ein ewiges immanentes Prinzip der Ordnung zuschreibt, mag es dem Denken oder der Materie inhärieren (Abschn. VI. am Schluß). Aber Hume wollte nicht eine Theorie, sondern nur eine Kritik geben. Und da war die nächste und notwendigste Aufgabe, der platten und absurden Teleologie des 18. Jahrhunderts entgegenzutreten.

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Hume hat seinen Untersuchungen die Form eines Dialogs gegeben. Diese Form wird mit Meisterschaft gehandhabt. Es sind drei Teilnehmer am Gespräch, jeder von ihnen vertritt einen historisch vorhandenen Standpunkt: Demea den Offenbarungsglauben, Cleanthes die sogenannte natürliche Theologie, Philo den philosophischen Skeptizismus. Die innere Struktur der Schrift bloßzulegen, sei es gestattet etwas weiter auszuholen und aus einem allgemeinen Gesichtspunkt die möglichen Verhaltungsweisen zu den Religionswahrheiten zu entwerfen.

Das Verhältnis zwischen Vernunft und religiösem Glauben kann zunächst in doppelter Weise bestimmt werden, als Einstimmigkeit oder als Zwiespalt. Um aber auf anwendbare Kategorien zu kommen, muß man gleich einen andern Gegensatz hinzunehmen, vor welchem jener erste in der wirklichen Parteibildung entschieden zurücktritt: gläubig oder ungläubig. Der erste Gegensatz trennt nicht: die Überzeugungen, welche auf beiden Seiten sich gegenüberstehen, können inhaltlich identisch sein. Bald ist die konziliatorische Richtung, welche Einstimmigkeit von Vernunft und Glauben lehrt, bald die skeptische, welche ihre Unverträglichkeit behauptet, orthodox gewesen, je nachdem die Umstände das eine oder das andere geraten erscheinen ließen. Dagegen ist Feindschaft zwischen den beiden als gläubig und ungläubig bezeichneten Tendenzen; ihr Endziel ist verschieden, wenn sie auch gelegentlich in der Wahl der Mittel zusammenkommen: der Gläubige verlangt zuletzt auf jeden Fall Annahme der autorisierten Meinungen; der Unterschied in der Ansicht, ob dieselben Meinungen auch durch die Vernunft empfohlen werden oder nicht, ist sekundärer Art; der Ungläubige verlangt absolute Freiheit und Selbständigkeit der Vernunft; ob er ihre Ergebnisse mit den Glaubensartikeln übereinstimmend findet oder nicht, begründet keinen wesentlichen Unterschied.

Aus der Kreuzung der beiden Gegensätze geht ein viergliedriges Schema von Kategorien hervor. Nennen wir die Ansicht, welche Einheit von Vernunft und Religion behauptet, Dogmatismus und die entgegengesetzte Skeptizismus, so haben wir einen gläubigen und einen ungläubigen Dogmatismus und ebenso Skeptizismus. Der gläubige Dogmatismus ist die Scholastik, deren charakteristisches Merkmal ist, daß sie die Identität des Inhalts von Glauben und Vernunft unter dem Übergewicht des Glaubens behauptet. Ihre Maxime ist: es kann und darf nichts gedacht werden, was wider die Religion ist, doch führt die Vernunft in den ersten und wesentlichen Stücken zu denselben Resultaten wie der Glaube, oder der Glaube kann bewiesen werden. Als Repräsentant dieser Richtung sei Anselmus genannt, der alle Dogmen, Fleischwerdung und Versöhnung nicht minder als Gottes Dasein und Unsterblichkeit der Seele als notwendige Vernunftwahrheiten darzutun unternimmt.

Der ungläubige Dogmatismus mag Rationalismus genannt werden: er behauptet dieselbe Identität unter dem Übergewicht der Vernunft; seine Maxime ist: es kann und darf nichts geglaubt werden, was wider die Vernunft ist; doch ist allerdings das Wesentliche der Glaubensartikel nicht nur nicht wider die Vernunft, sondern durch sie beweisbar. Locke, der Verfasser der »Vernünftigkeit des Christentums« mag als Vertreter dieser Richtung genannt werden; der ganze Schwarm der philosophischen Theologen und theologischen Philosophen des 18. Jahrhunderts folgt ihm, einige mehr die Vernunftgemäßheit und wohl auch die Über- aber nicht Widervernünftigkeit des Christentums hervorhebend, andere mehr das Dogma zugunsten der Ansprüche der natürlichen Vernunft interpretierend und beschneidend. – Zwischen beiden steht das Geschlecht der Mystiker, welche auch Einheit und gegenseitige Bestätigung von wahrer Religion und wahrer Philosophie behaupten, deren Vernunft aber auf individueller Begabung mit höherer Anschauung, deren Religion auf individueller Offenbarung beruht; daher sie in der Kirche wie in der Philosophie für heterodox gelten. Mystizismus oder Individualismus begleitet Scholastik und Rationalismus in ihrem ganzen Verlauf: neben dem breiten Strom der katholischen Scholastik fließt durch das Mittelalter ein schmales Bächlein neuplatonisch-kabbalistischer Emanationsphilosophie, hie und da sichtbar werdend wie in Joh. Scotus, in David von Dinant; neben der neuprotestantischen Scholastik Jacob Böhme u. a., neben dem Rationalismus des 18. Jahrhunderts Männer wie Hamann und Jacobi.

Die beiden andern Kategorien waren gläubiger und ungläubiger Skeptizismus. Ersterer ist das Verhalten tief religiöser Gemüter zur Vernunft. Diese erscheint ihnen als Ausfluß des natürlichen, weltlichen, antigöttlichen Prinzips, als verführerisch und verderblich. Der Apostel Paulus setzt in solchem geistigen Habitus göttliche und menschliche Weisheit einander entgegen: die menschliche Weisheit ist Torheit vor Gott, freilich ist auch die göttliche Weisheit, welche er predigt, den Griechen eine Torheit. Luther schilt die Vernunft »eine von Natur und Art schädliche Hure. – – Es gefällt einem nichts sowohl als die philautia, wenn einer seine eigne Lust an seiner Weisheit hat, die Begierde eines Geizigen ist nichts dagegen, wenn einem sein eigener Dünkel herzlich gefällt und bringet dann die schönen Gedanken in die Schrift, das ist der Teufel ganz und gar. – – Die Vernunft ist und soll in der Taufe ersäuft sein.« Das credo quia absurdum ist eigentlich die Maxime aller Religiösen: die Beglaubigung des Göttlichen liegt darin, daß es dem Weltlichen an jedem Punkt widerspricht, der intellektuellen Kultur sowohl als der ästhetischen und moralischen. Daher ist der Skeptizismus auf den Kanzeln und in der theologischen Literatur eine zu allen Zeiten wiederkehrende Erscheinung. – Aber in diesen selben Skeptizismus, der den Widerspruch zwischen Vernunft und Glauben urgiert, kann sich auch die entgegengesetzte Tendenz kleiden: und dies pflegt das Verhalten der eigentlich Irreligiösen zu sein, so lange der Glaube noch eine Macht ist. Natürlich der Widerspruch kann gerade so gut verwertet werden, die Religion wie die Vernunft zu diskreditieren. Pierre Bayle mag als Beispiel für diese Richtung genannt werden. Er schärft die Irrationalität des Dogmas bis zur Absurdität, um dann Unterwerfung zu fordern, die er natürlich von seinem Leser so wenig erwartet, als er sie selbst innerlich vollzieht.

Fügen wir diesem Schema die drei Personen des Humeschen Dialogs ein. Demea gehört in die Kategorie des gläubigen Skeptizismus, Philo vertritt den ungläubigen Skeptizismus, Cleanthes, vermutlich nach dem gleichnamigen Stoiker genannt, den konziliatorischen Rationalismus. Die vierte Kategorie, die Scholastik, bleibt leer. Durch das Ausfallen dieses vierten Gegensatzes sind kleine Verschiebungen auch der andern drei Standpunkte gegeneinander, wenigstens in der Erscheinung, verursacht. In dem Rationalismus des Cleanthes tritt mehr die konziliatorische als die ungläubige Seite hervor: die letztere, antiautoritative Tendenz wäre mehr zur Erscheinung gekommen, wenn ein vierter Mitunterredner als Vertreter der ebenfalls konziliatorischen Scholastik den Unterschied hervorzukehren aufgefordert hätte. Eben deshalb tritt die Verwandtschaft Philos und Cleanthes' zurück gegen die Verwandtschaft Philos und Demeas; die beiden Skeptiker machen gegen den Dogmatiker in beiden Hauptstücken der Untersuchung, sowohl bezüglich der intellektuellen als der moralischen Eigenschaften des Welturhebers, gemeinsame Sache. Ein hinzutretender Scholastiker hätte Demea aufs lebhafteste angezogen und Philo und Cleanthes einander angenähert zu gemeinsamer Abwehr gegen eine autoritative Metaphysik.

Daß Philo Humes eigenen philosophischen Standpunkt vertritt, daran kann niemand zweifeln, der Humes Philosophie kennt oder auch nur diesen Dialog aufmerksam liest. Nur muß man natürlich von Hume nicht die Geschmacklosigkeit erwarten, daß er am Schluß eine Demaskierung seiner Figuren in Szene setze. Man darf sich nicht, wie sein Biograph Burton tut, durch gelegentliche Äußerungen täuschen lassen, wie sie in einem Brief an einen Freund vorkommen Burton, Life and correspondence of D. Hume I, 331 ff. Der Brief ist an Gilbert Elliot gerichtet.: »Aus der Probe, die ich Euch geschickt habe, werdet Ihr merken, daß ich Cleanthes zum Helden des Dialogs mache: was immer Ihr beibringen könnt, diese Seite der Sache zu verstärken, wird mir sehr angenehm sein. Eine etwaige Neigung für die andere Seite, die Ihr bei mir vermuten könntet, überschlich mich wider meinen Willen, und es ist nicht lange her, daß ich ein altes Manuskript verbrannte, welches ich vor meinem 20sten Jahre schrieb; es enthielt Seite für Seite die allmähliche Entwicklung meiner Gedanken über diesen Punkt. Es begann mit einem ängstlichen Suchen nach Beweisen für die gemeine Meinung; Zweifel stahlen sich ein, wurden zerstreut, kehrten wieder, wurden wieder zerstreut, kehrten wieder zurück, und es war ein beständiger Kampf einer ruhelosen Einbildung gegen die Neigung, vielleicht gegen die Vernunft.« »Ich wünschte, des Cleanthes Beweis könnte so analysiert werden, daß er ganz formal und streng konkludent wäre. Die Neigung des Geistes dafür wird, fürchte ich, für eine verdächtige Begründung erachtet werden müssen. Hierin wünschte ich Euren Beistand; wir müssen bestrebt sein, zu beweisen, daß diese Neigung nicht dieselbe ist mit der andern, unsere eigenen Gestalten in den Wolken, unser Gesicht im Mond, unsere Gefühle und Empfindungen auch in den leblosen Dingen zu finden.« Natürlich muß Hume wünschen, den Beweis, dessen Unkräftigkeit er dartun will, in seiner stärksten Form zu geben. Übrigens sagt er eben dort, daß er im wirklichen Gespräch mit dem Freunde, dem die Rolle des Cleanthes zugesagt hätte, den Charakter des Philo übernommen haben würde, und daß er glaube, sie würden beide in ihre Rollen sehr wohl gepaßt haben.

Da im Dialog die Gliederung des Inhalts nicht so deutlich als in systematischer Darstellung hervortreten kann, so mag eine analysierende Disposition die Übersicht über den Inhalt erleichtern. Dieser gliedert sich erkennbar genug in zwei Hauptuntersuchungen: die erste behandelt die Frage: ob die Folgerung auf Absicht und Intelligenz des Weltursprungs in den Erfahrungstatsachen begründet sei? (Abschn. II-VIII). Die zweite fragt: ob durch diese Tatsachen die Annahme begründet sei, daß der Weltursprung durch Rücksicht auf das Glück und Unglück bei der Schöpfung geleitet worden sei, also ob ihm die moralischen Eigenschaften des Wohlwollens und der Güte beizulegen seien? (Abschn. X-XI). Hierzu treten die Einleitung (Abschn. I), ein Epilog (Abschnitt XII) und eine Zwischenrede über die apriorischen Beweise (Abschnitt IX).

Die Einleitung enthält eine allgemeine historisch-dogmatische Erörterung über den Skeptizismus. Demea und Philo empfehlen ihn, jener als Erziehung zum Glauben, dieser als wissenschaftliches Verhalten zu Gegenständen, die nicht oder noch nicht innerhalb unseres Erkenntnisvermögens liegen. Cleanthes dagegen hält ihn für praktisch unmöglich und für wissenschaftlich ungerechtfertigt.

In Abschn. II führt Demea das eigentliche Problem ein: es handle sich um die Bestimmung der Natur des Ursprungs aller Dinge, also da wir diesen Gott nennen, um die Bestimmung der Natur Gottes. Er selbst halte dieselbe nicht für erkennbar. – Cleanthes stellt dagegen seine Ansicht fest: aus der Ähnlichkeit der Welt mit einem Kunsterzeugnis lasse sich auf die Ähnlichkeit ihres Urhebers mit einem Künstler schließen. – Philo exponiert diesen Schluß und läßt sich von Cleanthes ausdrücklich zugestehen, daß derselbe nach dem Schema aller empirischen Schlüsse überhaupt, nämlich dem Schluß aus der Ähnlichkeit der Wirkungen auf Ähnlichkeit der Ursachen gemacht sei, folglich in derselben Weise, wie solche Schlüsse überhaupt, geprüft werden müsse. Er führt dann seine Kritik vorläufig und im allgemeinen ein: die Ähnlichkeit der Welt mit einem Kunstwerk sei weit entfernt von inhaltlicher Gleichheit, daher auch keine Gleichheit der Ursache folge: man habe kein Recht, »die unbedeutende Bewegung des Gehirns« zum Modell der Weltentstehung zu machen. Man müßte überhaupt Welten durch intelligente Schöpfung haben entstehen sehen, um aus der Formgleichheit unserer Welt mit jenen Welten auf formgleiche Entstehung einen voll begründeten Erfahrungsschluß ziehen zu dürfen.

Hierauf erwidert Cleanthes (Abschn. III) durch rhetorisch ausgeführte Gleichnisse, welche die Ähnlichkeit der Welt mit einem Kunstwerk eindrücklich machen sollen; er verlangt, daß man diesem unmittelbaren Eindruck nachgehe, ohne Rücksicht auf spitzfindige skeptische Einwendungen.

In kurzer Zwischenrede besteht Demea auf der, auch von den größten theologischen Autoritäten gelehrten erhabenen Unbegreiflichkeit der göttlichen Natur, welche auf das Maß menschlichen Begreifens herabzuziehen frevelhafte Vermessenheit sei. – Dagegen führt Cleanthes (Abschn. IV) aus, daß diese mystische Ansicht sich von einer skeptisch-atheistischen gar nicht unterscheide: leugnet man die Erkennbarkeit der Natur Gottes, so ist die Frage nach seinem Dasein gegenstandslos; der Glaube an ihn ist dann der Glaube an das Dasein eines Irgendetwas, also ganz inhaltleer.

Nach dieser Zwischenrede folgt Philos ausführliche Kritik des teleologischen Beweises für Weltentstehung aus Intelligenz.

1. Der anthropomorphische Theismus, auf welchen der empirisch-teleologische Beweis führt, nennt als erklärende Ursache der Ordnung der materiellen Welt einen Plan im Geiste Gottes. Ein Plan ist eine genau so komplizierte Zusammensetzung von Teilvorstellungen, als das materielle Universum von Teildingen. Ordnung in jenem ist um nichts erklärlicher, als in diesem. Wenn der Theismus also nicht ein Unerklärliches durch ein anderes ebenso Unerklärliches erklären will, so muß er auch wieder die Entstehung des Weltplanes im göttlichen Geist erklären. Kann er dies? das heißt: kann er eine allgemeine Formel angeben, nach welcher Weltpläne entstehen?

2. (Abschn. V.) Der teleologische Beweis kann weder Gottes Unendlichkeit erschließen, denn die beobachteten Wirkungen sind endlich, noch seine Vollkommenheit, denn die Natur erscheint uns nicht als vollkommen, noch Einheit, denn warum sollen nicht viele Götter nach einem gemeinsamen Plan die Welt gebaut haben?

3. (Abschn. VI.) Der teleologische Beweis kann und hat auf die Theorie geführt, nach welcher Gott die Weltseele ist, deren organisierter Leib das Universum. – Auf Cleanthes' Gegenbemerkung, daß dadurch die Ewigkeit der Welt gesetzt werde, deren Unwahrscheinlichkeit unter anderem aus der erst kürzlichen Entstehung der intellektuellen und materiellen Kultur gefolgert werden könne, führt Philo die Möglichkeit des Gegenteils aus: unendliche periodische Umwälzungen, gestaltet durch ein ewiges immanentes Prinzip der Ordnung, das sei wohl gar die wahrscheinlichste Theorie.

4. (Abschn. VII.) Auch könnte man nach derselben Schlußweise an tierartige Entstehung der Welt durch Zeugung oder pflanzenartige Entstehung durch Wachstum denken; beides wäre so verständlich als Absicht oder Vernunft.

5. (Abschn. VIII.) Auch sei die Epikureische Theorie nicht ausgeschlossen; ein begrenztes Quantum ursprünglich bewegter Materie – ein erster Beweger macht die Tatsache der Bewegung nicht im mindesten erklärlicher – muß in unendlicher Zeit notwendig alle möglichen Formationen annehmen, also auch die jetzt vorliegende Ordnung, wo in bleibenden Formen Stoffwechsel und periodische Bewegung stattfinden. Und notwendig muß die so zufällig entstandene Ordnung den Schein einer Anpassung von Mitteln zu Zwecken darbieten: die Teile müssen zur Erhaltung des Ganzen angemessen sein, sonst wäre das Ganze eben längst zugrunde gegangen.

Mit dem Zugeständnis, daß auch diese Hypothese vieles einzelne unerklärt lasse, daß daher der Skeptizismus, die Enthaltung vom Urteil, das allein angemessene Verhalten sei, schließt dieser Teil.

Abschn. IX enthält eine episodische Kritik des sogenannten kosmologischen Beweises, welchen Demea vorträgt: die Kausalkette führe zuletzt zur Annahme der Begründung der Welt in einem notwendigen Wesen. – Cleanthes vollzieht die Kritik: notwendige Existenz ist ein Widerspruch, es gibt keine Demonstration von Tatsachen, denn die Nichtexistenz jeder Tatsache ist vorstellbar. – Und weshalb soll nicht Materie das ewige »notwendige« Urwesen sein?

Abschn. X beginnt die zweite Reihe von Betrachtungen: über die moralischen Eigenschaften des Weltursprunges. Demea und Philo wechseln ab in einer lebhaften Schilderung des Elends der Welt, im besonderen der Menschheit. Philo argumentiert daraus dann gegen des Cleanthes Gottesbeweis: die Tatsache des Übels und Schmerzes ist in unlösbarem Widerspruch mit Gottes Allmacht und Güte; ist Gott allmächtig, so ist das Glück lebender Wesen nicht seine Absicht, denn dieselben sind nicht glücklich. – Demea will den Widerspruch durch die Unbegreiflichkeit des göttlichen Wesens beschwichtigen. Demgegenüber gibt Cleanthes zu: nur durch Beseitigung eines jener Stücke, entweder der Allmacht, oder der Güte, oder des Übels, kann hier geholfen werden. Er findet nun zuerst das Übel nicht so schlimm. Auf Philos Drängen: es darf gar keines vorkommen, wenn die Folgerung von Güte und Allmacht gerechtfertigt sein soll, entschließt er sich dann (Abschnitt XI), die Unendlichkeit Gottes zu reduzieren: er mag an Macht und Weisheit endlich oder beschränkt sein. Philo erkennt die Verträglichkeit eines beschränkten Gottes mit der Tatsache des Übels an. Aber, drängt er weiter, es handelt sich für Cleanthes nicht um Verträglichkeit eines anderweit gegebenen Gottes mit den Tatsachen, sondern um Erweisung von Gottes Dasein aus den Tatsachen. Und diese Erweisung wird durch die Erwägung sehr erschwert, daß das Übel ganz allgemein, ohne daß wir die Notwendigkeit desselben im mindesten einsehen. Vier Umstände sind Ursachen fast aller Übel: daß Schmerz der Stachel zur Selbsterhaltung und Vervollkommnung, daß der Weltlauf durch allgemeine Gesetze regiert wird, daß die Ausstattung der lebenden Wesen eine so knappe und dürftige ist, endlich daß die Wirkung der allgemeinen Prinzipien nicht das Glück der Geschöpfe hervorzubringen strebt. Alle vier Umstände scheinen nicht eben notwendig. Vielleicht sind sie verträglich mit dem Dasein Gottes, aber sicher läßt sich dasselbe aus ihnen nicht ableiten. Sie scheinen eher auf ein manichäisches System zu führen, oder vielmehr, da dies durch den durchgehenden Zusammenhang der Weltordnung unwahrscheinlich wird, auf ein System, welches dem Ursprung der Dinge gar keine Rücksicht auf Lust und Schmerz der Geschöpfe beilegt. –

Damit ist die Untersuchung eigentlich beendet; was auch durch den Abgang Demeas markiert wird.

Im Abschn. XII gibt Philo dem Cleanthes nach, daß die Betrachtung der Anordnung im Weltall in allen kleinsten Teilen natürlicherweise eine große Geneigtheit zu einem Schluß auf einen intelligenten Urheber hervorbringe. Da jedoch dessen Natur zu bestimmen uns nicht möglich sei, so komme der Streit zwischen Theisten und Atheisten zuletzt auf einen Wortstreit hinaus: der Theist gestehe zu, daß die ursprüngliche Intelligenz von menschlicher Vernunft sehr verschieden sei, der Atheist gestehe zu, daß das ursprüngliche Prinzip der Ordnung einige entfernte Ähnlichkeit mit ihr habe. Wozu also streiten?

Den Schluß bildet eine kurze Erörterung des Einflusses des religiösen Glaubens auf Moral und Gemütsstimmung, welche in eine lebhafte Anklage dessen, was gewöhnlich Religion genannt wird, ausläuft.

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Der Dialog ist wahrscheinlich um das Jahr 1751 geschrieben, wie aus dem oben erwähnten Brief an Elliot hervorgeht. Erst zwei Jahre nach Humes Tode ist die Schrift gedruckt worden (1779). Die Ausführung der ursprünglichen Absicht, sie gleich drucken zu lassen, unterblieb, wahrscheinlich aus Rücksicht auf die Freunde. Hume hatte guten Grund zu der Befürchtung, daß er dadurch bei ihnen großen Anstoß erregen werde. Wie ängstlich ihnen die Sache erschien, geht daraus hervor, daß sie selbst noch gegen die posthume Veröffentlichung sich erklärten (s. Burton, life II, 490 ff.). Adam Smith deprezierte die Herausgabe, zu welcher Hume in der ursprünglichen Fassung seines Testaments ihn verpflichtet hatte. Aus Rücksicht auf den Freund, der in seiner öffentlichen Stellung dadurch kompromittiert werden möchte, sah Hume später davon ab und überließ in einem Kodizill das Manuskript seinem Buchhändler Sir W. Strahan mit der Verpflichtung, es binnen zwei Jahren zu veröffentlichen. Endlich in einem ferneren Nachtrag ordnete er an, daß, wenn die Dialoge aus irgendeinem Grunde im Verlauf von 2 ½ Jahren nach seinem Tode nicht veröffentlicht sein sollten, das Eigentumsrecht daran auf seinen Neffen David Hume (den Universalerben) zurückkehren solle, dessen Pflicht sie zu veröffentlichen als letztes Begehren seines Onkels von aller Welt anerkannt werden müsse. – Was Hume vorausgesehen hatte, trat ein: Strahan lehnte ab und so wurde die Schrift von seinem Neffen herausgegeben.

Diese Tatsachen, wie sie charakteristisch für den Geist des Jahrhunderts sind, zeigen gleichzeitig, wie großen Wert Hume auf diese Schrift legte, worin er zu dem Zeitbewußtsein sich in so schroffen Gegensatz gestellt hatte. Er hat das Buch in der vollen Manneskraft geschrieben, in den Jahren des reiferen Alters revidiert, endlich in seinen letzten Lebenstagen die Veröffentlichung desselben vorsorglich gesichert.

Die Schrift erregte auch in Deutschland bald Teilnahme: im Jahre 1781, also in demselben Jahre mit der Kritik der reinen Vernunft, erschien eine von Platner herausgegebene, angeblich ihm anonym zugesendete deutsche Übersetzung. Er begleitete dieselbe, da er leicht eingesehen habe, »daß die Übersetzung dieser trostlosen Schrift doch nicht unterbleiben würde« mit einem »Gespräch über den Atheismus«. Auch Hamann hatte gleich nach dem Erscheinen eine Übersetzung der Dialoge gemacht, seine Briefe erwähnen dieselbe oft; sie ist aber, trotz dem Zureden von Herder und Kant, dem er das Manuskript vorlegte, nicht gedruckt worden. Es ist dadurch auch äußerlich die Tatsache bezeugt, daß Kant bei der endlichen Redaktion seiner Kritik der spekulativen Theologie mit Humes Kritik bekannt war.

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Den Dialogen sind zwei kleine Aufsätze, über Unsterblichkeit der Seele und über Selbstmord, beigegeben. Es veranlaßte dazu, außer dem Inhalt der kleinen gedankenreichen Entwürfe und ihrer Verwandtschaft mit dem religiösen Thema der größeren Arbeit, der zufällige Umstand, daß sie in Deutschland nicht sehr zugänglich sind: die bei uns gewöhnlichen älteren englischen Ausgaben enthalten sie nicht. Ich gebe die Übersetzung aus der Gesamtausgabe in 4 Bänden, Edinburg 1826.

Über die eigentümlichen äußeren Schicksale der beiden Aufsätze mag hier das folgende beigebracht werden (nach Burton, life of Hume, II, 13 ff., 202). Sie waren ursprünglich in einer kleinen Sammlung von Aufsätzen, welche außerdem the natural history of religion, of the passions, of tragedy enthielt und 1757 erschien, abgedruckt. Hume entschloß sich aber im letzten Augenblick zur Unterdrückung der beiden Stücke (welches Schicksal auch die beigegebene Dedikation traf), ohne Zweifel mit Rücksicht auf die Anstößigkeit des Inhalts gegenüber den herrschenden Überzeugungen oder doch üblichen Behandlungsweisen dieser Fragen. In einem Brief an A. Smith aus dieser Zeit (bei Burton II, 17) spricht er die Erwartung aus, daß er demnächst feierlich exkommuniziert werden würde. – Die beiden Aufsätze wurden also aus den fertigen Exemplaren wieder herausgeschnitten und vernichtet. Aber ein vollständiges Exemplar rettete sich. Der Buchhändler hatte es ausgeliehen. Die spätere Vernichtung auch dieser Kopie half nicht mehr: der Entleiher hatte eine Abschrift genommen. Diese wurde im Jahre 1783 veröffentlicht unter dem Titel: Essays on Suicide and the Immortality of the Soul, ascribed to the late David Hume, Esq. Never before published. With remarks, intended as an antidote to the poison contained in these performances, by the editor. Der letztere, sagt Burton, ist vergessen. An der Echtheit dürfte aber kein Zweifel sein.

Berlin, Mai 1877.

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Ich füge dem noch hinzu, daß in der schon im Vorwort erwähnten Abhandlung die Herausgeber der Philosophical Works D. Humes, T. H. Green und T. H. Grose, über die Geschichte der Ausgaben, sich eine Angabe findet (III, 71), wodurch die Authentizität der beiden Abhandlungen sicher gestellt wird. Es befindet sich in der Advocates Library zu Edinburg ein Abdruck der ersten, vollständigen Sammlung, mit einem handschriftlichen Inhaltsverzeichnis, vielleicht von Hume selbst geschrieben: Five Dissertations, to wit. The Natural History of Religion. Of the passions. Of Tragedy. Of Suicide. Of the Immortality of the Soul. Die Abhandlung über den Selbstmord ist herausgeschnitten; dagegen ist die über die Unsterblichkeit vollständig darin enthalten. Als ich die erste Auflage veröffentlichte, war mir diese Abhandlung, wie die Ausgabe der Essays, unbekannt geblieben; ich entnehme daraus jetzt auch ein paar Verbesserungen des Textes, welche die Herausgeber vorgenommen haben, sowie die Mitteilung, daß die beiden Aufsätze schon im Jahre 1777 zum erstenmal gedruckt worden sind.

Steglitz, 1. Mai 1905.

Dialoge über die natürliche Religion.


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