Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Es werde nicht eher anders werden, schrieb Pappenheim an Wallenstein, als bis er den Oberbefehl über das kaiserliche Heer wieder übernehme. Nach der herrlichen Viktoria von Magdeburg, habe er gehofft, werde man sich flugs auf den Feind werfen, allein Tilly lasse sich zu keiner heroischen Tat bewegen und verliere die teure Zeit mit Schwanken und Zaudern. Sei es nun die Unvermöglichkeit des Alters oder die Angst vor dem Schweden, dieser sonst so vortreffliche Mann sei einer Gemütsperplexität verfallen, aus der niemand und nichts ihn zu reißen vermöge. Die Ungeduld steche ihn, Pappenheim, wie ein Schwarm giftiger Mücken; er habe seine Hoffnung nächst Gott auf Wallenstein gesetzt, wenn er nicht hervortrete und helfe, so stehe der Ruin des katholischen Glaubens und des Reiches bevor.

Am 25. Mai gab Tilly den geretteten Magdeburger Dom dem katholischen Gottesdienst zurück. Aus dem Schutt der gefallenen Stadt stieg hie und da ein zartes Wölklein von Rauch und Staub in die Luft, um spurlos im heißen Blau zu versiegen. Glorreich schwang sich das steinerne Riesenbild aufwärts, als dürste es, sich in die ungetrübte Quelle des Lichtes einzutauchen. »Die Kathedrale steht über diesen ausgebrannten Trümmern Magdeburgs, wie das himmlische Jerusalem über unserer armen irdischen Welt schwebt,« sagte Schönberg, der neben Tilly herging, »und Eure Exzellenz mögen froh sein, als erster Bürger in die selige Stadt einzuziehen.«

»Es ist schwerer,« antwortete Tilly, »den Himmel zu erobern als eine Festung auf Erden, und muß mit anderen Mitteln versucht werden.«

Während die Zeremonie ausgeübt wurde, saß er klein und verschrumpft auf seinem Sitze, kniete schwerfällig nieder, wenn die Zeichen gegeben wurden, und hatte Mühe, wieder aufzustehen.

An den Kaiser und an den Herzog von Bayern schrieb er, daß man das zugefallene Kriegsglück nützen könne, um den Frieden zu erzielen. Kursachsen habe ein großes Heer geworben, ebenso Hessen-Kassel, und er habe Ursache zu fürchten, daß sie es mit dem Schweden hielten. Ihnen zusammen sei er nicht gewachsen, wenn er nicht mit mehr Geld versehen würde. Sollte er nun aber auch in einer Feldschlacht siegen, was damit gewonnen sein würde? Holland und Frankreich hätten immer noch Geld, und der Soldaten würden stets mehr statt weniger. Jetzt, jetzt solle man Frieden machen, bevor ein allgemeiner Brand entstehe, den niemand mehr zu löschen vermöge. Würde aber der Friede nicht beliebt, so wolle er seine ihm übrigbleibende Kraft weiter an den Krieg setzen, dringe dann aber darauf, daß er instand gesetzt werde, den Sold auszuzahlen, und bitte um Erlaubnis, Kursachsen und Hessen-Kassel als Feinde behandeln zu dürfen, damit nicht er das Opfer ihrer Praktiken würde.

Als die Erlaubnis des Kaisers eintraf, Tilly dürfe Kursachsen, wenn es beim Leipziger Schluß verharre, als Feind behandeln, stand die Einwilligung Bayerns noch aus, die Tilly durchaus erwarten wollte. Das wären die Prinzipien der alten Schule, sagte Pappenheim ärgerlich, womit große Dinge nicht könnten ausgerichtet werden. Die Herren in der Residenz könnten nicht wissen, wie allemal die Lage auf dem Kriegsschauplatz sei, und Schnelligkeit des Entschlusses sei mehr wert als ein ganzes Regiment.

Das sei richtig, sagte Tilly, wenn es darauf ankomme, ein feindliches Heer zu vernichten.

Worauf es denn sonst ankomme? fragte Pappenheim erstaunt.

In diesem Kriege, sagte Tilly, ständen die Glieder des Reichs gegen das Haupt und ein Glied gegen das andere; dabei könne das ganze Reich zugrunde gehn, und es komme darauf an, es zu erhalten.

Vor allen Dingen müsse der König von Schweden geschlagen werden, entgegnete Pappenheim, der Reichsfeind sei.

Inzwischen richtete Tilly Mahnschreiben an Kursachsen und Hessen-Kassel und erinnerte sie an ihre Pflicht gegen den Kaiser und wie das uralte heilige Reich, an dem Jahrhunderte gebaut hätten und das so lange die Krone und der Hort aller Völker gewesen sei, nun durch die Felonie seiner Fürsten zu wanken beginne. Im geheimen wurmte Tilly das Verhalten der geistlichen Fürsten und vor allen Dingen das seines Herrn, des Herzogs von Bayern. Sie, die als katholische Kurfürsten des Kaisers vornehmste Stütze sein sollten, paktierten mit Frankreich, das dem Kaiser nachstellte, und wollten Kursachsen als ihren Mitkurfürsten geschont wissen, der vom Kaiser abzufallen im Begriffe war. Lange lag er vor dem Bilde des Gekreuzigten auf den Knien und betete, ohne seine Gedanken dabeihalten zu können, die zu einer Wolke von Schwermut geballt auf seinem Herzen lasteten.

Um die Mitte des September endlich forderte Tilly den Kurfürsten von Sachsen auf, sich zu erklären, ob er Freund oder Feind des Kaisers sei, und im ersteren Falle die von ihm geworbenen Truppen mit denen des Kaisers zu vereinigen, damit sie zusammen den Reichsfeind angreifen könnten. Johann Georg antwortete, er sei von jeher dem Kaiser getreu und gehorsam gewesen und wolle es auch ferner sein; aber als ein freier Kurfürst des Reichs habe er das Recht, ein Heer zu unterhalten, wie dasselbe den Fürsten der Liga gestattet sei. Wie die Notdurft es erfordere, behalte er sich vor, es zu verwenden.

Nunmehr rückte Tilly in Sachsen ein und zog vor Leipzig, das ihm nach kurzen Verhandlungen die Tore öffnete. Das den Schweden geneigte niedere Volk hatte die Vorstädte abgebrannt, und so traf es sich, daß nur des Totengräbers Haus in einem geeigneten Zustande war, um die Offiziere zu einem Kriegsrate aufzunehmen. Da es schon dunkelte, forderte Tilly den Totengräber auf, Licht zu machen, worauf dieser ein brennendes Scheit von einem nebenan befindlichen Herde holte, auf einen Stuhl kletterte und einige Öllämpchen anzündete, die im Inneren mehrerer von der Decke herabhängender Totenschädel befestigt waren. »Das sind wunderliche Ampeln«, sagte Oberst Erwitte, indem er erschrocken zurücktrat; er habe sie in der Dämmerung für Kürbisse angesehen. »Dies liebe Gebein wächst mir auf meinem Acker zu wie Unkraut,« sagte der Totengräber, »und so mache ich einen schönen Gebrauch davon, indem ich den ausgeblasenen Köpfen einstweilen wieder ein Lichtlein einsetze, womit sie vielleicht besseren Nutzen als zu ihren Lebzeiten stiften.« Es zeigte sich bei der trüben Beleuchtung, daß auch auf einer Truhe kleine Pyramiden von Schädeln errichtet und andere Knochen als Zieraten an der Wand aufgehängt und verteilt waren. »Ich möchte den Herren zu bedenken geben,« sagte Schönberg, »ob diese Totenlaternlein nicht als Omina oder Vorzeichen zu betrachten seien, welche Gott ausgehängt hat, um uns vor Schaden zu bewahren. Wir können es billig nicht als einen Zufall betrachten, daß wir in diese Höhle geraten sind, die mehr einem Grabe als einer menschlichen Behausung gleicht und uns ein Bild dessen vorstellen zu sollen scheint, was uns nach einer mutwillig ertrotzten Schlacht erwartet.«

Das sei kein guter Soldat, sagte Pappenheim, der sich durch den Gedanken des Todes von der Schlacht zurückschrecken lasse.

Nicht der Tod dürfe den Soldaten schrecken, fiel Tilly ein, aber Gottes Hand. Ein Feldherr dürfe Gott nicht versuchen und das ihm anvertraute Heer nicht in offensichtliche Gefahr stürzen; denn es sei eine kostbare lebendige Waffe und lasse sich nicht so schnell ersetzen wie eine eiserne. Er sei der Meinung, daß eine Schlacht jetzt stattfinden müsse; aber er halte es für gut, zuvor den aus Italien zurückkehrenden Aldringen zu erwarten, damit man dem Feinde besser gewachsen sei. Man dürfe den Feind nicht verachten und habe keine Ursache, sich wegen bisher erfochtener Siege zu überheben. Gustav Adolf habe seine ganze Regierung hindurch Kriege geführt und dabei Kunst, Umsicht und Tapferkeit bewiesen. Auch werde viel von einer neuen Kriegsweise und neuen Kriegswaffen gesprochen, deren er sich bediene, um den Gegner zu überraschen.

Er solle auch eine solche Gewalt über die Soldaten besitzen, setzte Schönberg hinzu, daß es der Zauberei gleichkomme; sei ja auch nicht wie ein Mensch, sondern wie ein Sturmwind oder eine Meerflut jählings einhergebraust und habe das Reich überschwemmt.

Im Kriegswesen gebe es keine andere Hexerei, sagte Pappenheim, als drauf, dran und vorwärts. Wenn der König ein Magnet und er, Pappenheim, ein Stück Eisen wäre, könne es ihn nicht ungeduldiger ihm entgegentreiben, gerade weil der König ein Held sei. Mit der Erwartung Aldringens werde wiederum die unersetzliche Zeit verloren.

Indessen fand trotz Pappenheims Widerspruch Tillys Ansicht Anklang, daß bei Breitenfeld eine feste Stellung genommen, die Schlacht aber nicht angeboten werden solle, bevor man sich mit Aldringen vereinigt hätte. Nachdem dieser Beschluß gefaßt war, wurde sofort aufgebrochen und das Heer zwischen zwei Hügel verteilt, die besetzt wurden; den Rücken deckte die Stadt Leipzig.

*

An einem lieblichen Septembernachmittage kam Kaiser Ferdinand mit dem Oberjägermeister Grafen Bruno von Mansfeld von der Jagd zurück, ließ sich einen bequemen Schlafrock und Socken anlegen und Obst und Mandelmilch zur Erfrischung bringen. Viel dürfe er nicht nehmen, sagte er abwehrend zu seinen Töchtern, die ihn nötigten, das wüßten sie ja, er müsse mäßig sein. Wäre seine Schwester von Spanien mäßiger gewesen, so lebte sie vielleicht noch; aber sie hätte nie auf die Warnungen des Beichtvaters und der Ärzte hören wollen. Dies Gespräch wurde durch den Grafen Mansfeld unterbrochen, der etwas betreten hereinkam und mitteilte, es sei eben ein Rittmeister mit einem Brief des Aldringen angekommen; er wolle gleich vorausschicken, daß nichts Vergnügtes darin stehe, er behandle ein ungeschicktes Treffen, das Tilly mit dem Schwedenkönige gehabt habe.

Kaiser Ferdinand ließ die Feige sinken, die er gerade in der Hand hielt. Ach, sagte er, wäre er nur lieber statt zur Jagd in den Nachmittagsgottesdienst zu den Franziskanern gegangen, wie er eigentlich gewollt hätte; wenn er aus der Kirche käme, erhielte er immer Glücksbotschaften vom Kriegsschauplatze.

Ja, sagte Mansfeld, das sei wahr, es sei schon jedermann aufgefallen; aber das leidige Treffen habe schon am 17. stattgefunden, und es sei nun doch wohl nichts mehr daran zu ändern gewesen.

Auf des Kaisers Befehl las Mansfeld den Brief vor, welcher meldete, Tilly habe sich bei Leipzig gut verschanzt gehabt und sei durch Pappenheim wider Willen in die Schlacht verwickelt worden. In währender Schlacht sei der Wind umgesprungen und habe dem kaiserlichen Heere den Staub ins Gesicht getrieben, das habe sehr zu dem unglücklichen Ausgang beigetragen. Der erste Kartaunenschuß von schwedischer Seite habe den kaiserlichen Obersten Baumgärtner getötet, was billigerweise als ein häßliches Vorzeichen gedeutet worden sei. Außerdem wären Schönberg, Erwitte und der Herzog Adolf von Holstein, an Obersten noch Blankard, Lerma und Gonzaga gefallen. Tilly selbst sei durch einen schwedischen Rittmeister schwer verwundet und würde den Todesstreich von demselben empfangen haben, hätte Herzog Max von Lauenburg nicht jenem den Garaus gemacht; mit diesem Herzog und dem Grafen Egon von Fürstenberg sei dann Tilly in einer Kutsche glücklich nach Halle gekommen, wo er nun krank liege.

Der arme alte Mann, sagte der Kaiser, er wolle ihm schreiben, daß er herzliches Mitleiden mit ihm trage.

Inzwischen war Werdenberg dazugekommen und sagte, da sei man in einen hübschen Sumpf geraten, der Schwedenkönig im Anzuge und Wallenstein nicht am Platze!

Er wolle gleich vierzigstündige Gebete in allen Kirchen anordnen, sagte der Kaiser, damit die Gefahr aufgehalten werde.

Und dann erscheine es ihm als das beste, bei Wallenstein anzufragen, was er rate, sagte Werdenberg.

Allmählich kamen nähere Nachrichten von dem erlittenen Verluste, von der unaufhaltsamen Furie der schwedischen Soldaten und Gustav Adolfs Verwegenheit, daß die sächsischen Regimenter davongelaufen wären, der König aber, um dem Kurfürsten die Laune nicht zu verderben, sich angestellt habe, als wisse er nichts davon. Tilly, hieß es, sei so perplex, daß nichts Tröstliches von ihm zu erwarten sei.

Gesandte eilten nach allen katholischen Höfen, um Geld aufzutreiben, und erhielten auch eine namhafte Summe von Spanien sowie vom König von Ungarn, dem Sohne des Kaisers, und seiner Gemahlin. Besonders große Vorschüsse spendeten Fürst Eggenberg und ferner der Kardinal Dietrichstein, der Bischof von Wien und der aus Mecklenburg eingewanderte Vizekanzler von Strahlendorff.

Was jedoch den Kaiser sehr bekümmerte, war die schlechte Aufnahme, die der an den Papst abgeordnete ungarische Kardinal Pazmany, Erzbischof von Gran, bei Urban VIII. fand. Derselbe sagte mit dem Anschein der Unbefangenheit, es nehme ihn wunder, daß der Kaiser in Italien Geld zu finden hoffe, da er doch wisse, wie es durch den letzten grausamen Krieg in gänzlichen Ruin gestürzt sei. Damit spielte er auf die Eroberung und Plünderung Mantuas durch die kaiserlichen Truppen unter Aldringen an, wobei es sehr räuberisch zugegangen war und weswegen der Papst dem Kaiser grollte. Auf das Zureden des Kardinals, Seine Heiligkeit möge doch die gefährdete Religion bedenken, antwortete der Papst, er finde nicht, daß es in diesem Krieg um die Religion gehe, was man daraus sehen könne, daß der katholische König von Frankreich mit Schweden verbündet sei. Spanische Kardinäle hätten ihm im Vertrauen erzählt, berichtete Kardinal Pazmany in Wien, der Papst gebärde sich fast verliebt in den Schwedenkönig und habe gesagt, der nordische Löwe solle nur noch einmal brüllen, damit gewisse schnappende Hunde den Schwanz einzögen.

Wallenstein unterhielt um diese Zeit durch Vermittelung des Obersten Heinrich Holk eine lebhafte Korrespondenz mit dem König von Dänemark; es war derselbe Holk, der im Jahre 1628 Stralsund gegen die Kaiserlichen hatte verteidigen helfen sollen und der damals mit Wallenstein bekannt geworden und in seinen Dienst getreten war. Christian IV. wünschte einige feste Plätze in Mecklenburg zu besitzen, die ihm abzutreten Wallenstein auch erbötig war. Es würde ihm nichts lieber sein, schrieb er, als sich dem Könige gefällig zu erweisen; freilich, seit der Kaiser ihn abgedankt habe, könne er über die in Mecklenburg eingelagerten Offiziere nicht mehr verfügen, wolle aber den Kaiser bitten, sie anzuweisen, daß sie die Plätze dem Könige zedierten. Übrigens, schrieb er, nachdem die Lage des Kaisers kürzlich so verfänglich geworden sei, scheine ihm der Zeitpunkt geeignet für den König, nach den Bistümern Bremen und Verden zu greifen. Wenn der König dazu geneigt sei, so sei er erbötig, die Sache beim Kaiser zu betreiben.

*

Der neuerwählte Fürstbischof von Würzburg, Graf Franz von Hatzfeld, erhielt in der Frühe des 11. Oktober die Nachricht, daß die würzburgische Grenzfestung Königshofen an den König von Schweden übergegangen sei, womit diesem denn der Weg gegen die Hauptstadt freigelegt war. Die Entrüstung des Bischofs über den Kommandanten der Festung war außerordentlich: so übel lohne er das in ihn gesetzte Vertrauen, sei ohne Pflichtgefühl und Gottesfurcht, habe den Untergang des ganzen Landes verschuldet und den Tod verdient. Zwar vertröstete ein gleichzeitig eintreffender Brief des Abtes von Fulda, Tilly solle in der Nähe sein; aber da dies doch unsicher war, beschloß der Fürstbischof, wenn er bis zum Abend keine Gewißheit über das Vorhandensein des ligistischen Heeres hätte, bei Nacht in der Stille nach Frankfurt zu entweichen und die dort wegen eines Universalfriedens versammelten katholischen Reichsfürsten um Hilfe anzugehen oder solche in Mainz und Köln zu betreiben. Er berief Stadtrat und Bürgerschaft in das Juliusspital, setzte sie von dem vorgefallenen Unglück und der bevorstehenden Gefahr in Kenntnis und schalt auf den Kommandanten von Königshofen. Der Stadtrat war erschrocken und sagte, wenn nur wenigstens die Traubenernte vorüber wäre, ehe die Schweden kämen; denn sie würden gewiß alles verwüsten. Ja, sagte der Fürstbischof, es solle sich nur jeder schicken, daß es damit vorwärtsginge, das sei besser, als mit Sack und Pack davonzulaufen, wie so viele täten. Sie wollten gewiß ausharren, versprach der Stadtrat, und sich auf Gott und den Fürstbischof verlassen, der ihr Vater und ihr Schild sei. So sei es recht, sagte der Fürstbischof, auf ihn könnten sie bauen, er sei am Platze, wolle das Unwetter mit seinem Volke bestehen und es womöglich von ihnen abwenden. Sie sollten sich nicht zur Flucht bereden lassen, es sei schimpflich genug, daß die Jesuiten ihr Kloster verlassen hätten und aus der Stadt gezogen wären.

Der Oberschultheiß Truchseß von Henneberg sagte, das dumme Volk halte die Schweden gar für Teufel oder Riesen und nehme Reißaus, bevor sie noch da wären; die Festung Marienberg könne durch ein paar Männer, es müßten nur rechte Männer sein, verteidigt werden. Dahin könne ja jeder seine Habe, oder was ihm am teuersten sei, flüchten.

Den ganzen Tag über war ein Hinundwiderlaufen und -fahren, indem viele sich aus der Stadt entfernten, um nach Mainz oder München zu ziehen, andere vom Lande in die Stadt hineinkamen, wieder andere sich auf die Festung retteten. Um Mitternacht bestieg der Fürstbischof, in einen Mantel gehüllt, mit einem Diener und einem Vorrat von 300 000 Gulden eine Kutsche und fuhr davon, nachdem er den Domdechanten zum Statthalter ernannt hatte.

Zu diesem eilten, sowie die Flucht des Bischofs bekannt geworden war, die beiden Bürgermeister und einige Stadträte in banger Sorge und fragten, was für Befehle der Bischof wegen etwaiger Übergabe der Stadt hinterlassen habe oder was er, der Domdechant, ihnen in solchem Falle zu tun riete. Befehle, sagte der Domdechant verdrießlich, habe der Bischof keine hinterlassen, er habe es sehr eilig gehabt und alles ihm aufgebuckelt. Was sie denn aber tun sollten? fragte der Bürgermeister; ob sie ohne weiteres kapitulieren sollten? Die Stadt könne sich ja doch nicht verteidigen, und sie würden den König, der sehr empfindlich sein solle, durch fürwitzigen Widerstand nur reizen.

Da hätten sie recht, sagte der Domdechant, und er wisse nichts weiter dazu zu sagen. Übrigens sei er ja da und werde zur Zeit schon einen Entschluß fassen. Er finde zwar bei niemandem Dank oder Gehorsam, wie denn der Kommandant der Marienburg, Hauptmann Keller, ganz tue, was ihm beliebe, und seinen Rat in den Wind schlage; aber er wolle ausharren und ein Exempel geben, wie man sich in solchen Okkasionen verhalten solle.

Indessen ärgerte er sich im Laufe des Tages über den Hauptmann Keller dergestalt, daß er sich von dem zufällig anwesenden Bamberger Domdechanten bereden ließ, mit ihm gemeinsam die Stadt zu verlassen, was die übrigen Domherren als ein Zeichen betrachteten, gleichfalls die Flucht zu ergreifen. Einzig der älteste von ihnen, Ehrhard von Lichtenstein, blieb zurück, indem er meinte, es werde ja nicht zum Äußersten kommen, jedenfalls wolle er das Seine tun, um das Unglück entweder abzuwenden oder zu mildern.

Nachdem der König am Sonntage Schweinfurt genommen hatte, das als eine vornehmlich protestantische Stadt, die unter dem Reformationseifer des letzten Bischofs sehr gelitten hatte und da außerdem Widerstand aussichtslos gewesen wäre, sogleich kapituliert hatte, zog er am Montag weiter und erschien am Dienstag, dem 14. Oktober, vor Würzburg. Im Gasthof zum Kleebaum am Spitaltor waren der Hauptmann Keller, der Oberschultheiß Truchseß, die Bürgermeister und Stadträte versammelt und berieten wegen der Übergabe, zu welcher die letzteren so gut wie entschlossen waren. Dazu könne er nur pfui sagen, rief der Oberschultheiß, wenn er Männer von Übergabe reden höre. Er habe gemeint, die Pfaffen wären jetzt draußen; aber es schienen immer noch nichts als Weiberröcke vorhanden zu sein. – Es wären mehr Exempel aus diesem Kriege vorhanden, sagte der eine Bürgermeister spitz, wo sich Besatzung und Bürgerschaft mit vollem Maule gebrüstet hätten; wenn es dann zum Sturme gekommen wäre, hätten Weiber und Kinder es büßen müssen, und der Kommandant sei wohl gar für seine unverschämte Widersetzlichkeit vom feindlichen Feldherrn gehängt worden.

Das viele Klügeln und Bedenken stehe Untertanen schlecht an, sagte Truchseß von Henneberg, wenn er der Fürstbischof wäre, würde er solche rebellische Köpfe springen lassen.

Er wäre der Fürstbischof nicht, sagte der Bürgermeister, und er glaubte, der hätte sich mit der Kapitulation nicht so lange besonnen.

Da in diesem Augenblick der schwedische Trompeter wiederkam und bereits ziemlich aufgebracht die Entscheidung zu beschleunigen mahnte, begannen die Stadträte die Bedingungen aufzusetzen, indessen Hauptmann Keller und der Oberschultheiß Truchseß beschlossen, die Festung Marienberg bis aufs äußerste zu verteidigen.

Am folgenden Tage jedoch mußte nach kurzer Beschießung auch diese kapitulieren, und als der König, bald nach sieben Uhr, oben anlangte, fand er die Burg voll Geschrei, Blut und Leichen und seine Soldaten im Taumel der Siegesfreude hierhin und dorthin laufen, Gold, Gewänder und Schmuckstücke aus Kisten reißen und umherwerfen oder mit Gefangenen um das Lösegeld feilschen. An der Tür der Kapelle, wohin er sich hatte retten wollen, lag der noch röchelnde Leichnam des ermordeten Schultheißen Truchseß von Henneberg und auf den Stufen des Altars der tote Geistliche, der die Frühmesse gehalten hatte. Der König runzelte die Stirn und befahl einem Adjutanten, dem Blutvergießen schleunig Einhalt zu tun; er habe daran kein Wohlgefallen, besonders nicht am Morde von Geistlichen. Indem er weiterging, sah er in einem Seitengemach drei Soldaten um einen ledernen Beutel herum knien, den sie mit ihren Messern aufzutrennen bemüht waren und aus welchem ein beträchtlicher Haufen von Goldstücken bereits auf den Boden gesickert war. Der König sprang schnell hinzu und rief, das sei Staatsgut und komme ihm zu, sie sollten den Beutel fahren lassen, und da sie nicht hörten, schlug er den einen von ihnen mit der flachen Klinge seines Schwertes auf den Rücken. Auf starkes Schütteln sah sich endlich einer flüchtig nach dem Könige um, fuhr aber, ohne ihn zu erkennen, hastig fort, das Gold in Haufen zu ordnen und zu teilen. »Die sind besessen, so mögen sie ihren Raub behalten«, sagte der König lachend zu seinem Begleiter, trug aber Sorge, daß von den vielen auf der Burg befindlichen Schätzen nichts weiter entwendet wurde. Nachdem einige Ordnung hergestellt war, trat er an ein Fenster und blickte auf das hingestreckte Maintal hinunter, das die Sonne mit einem Morgenbad warmen Lichtes überschüttete. Die Hügel waren mit Rebengärten übersponnen, zwischen denen Apfelbäume zum Teil schon lachende Früchte trugen; es quoll, strömte und duftete von allen Seiten, als ob irgendwo im Laube ein Götterherd stände, wo Ambrosia kochte. »Diesen goldenen Becher«, sagte der König, indem er sich lächelnd zum Herzog Bernhard von Weimar wendete, »kredenzt die Erde gewiß lieber einem Ritter als einem Pfaffen.«

Unterdessen war der Fürstbischof von Frankfurt nach Mainz gefahren, wo sein Bericht Angst und Schrecken erregte. Der Erzbischof rang die Hände und richtete seine blauen Augen verzweifelnd gegen den Himmel; in was für einer Bedrängnis das Unglück ihn treffe, sagte er, könne niemand sich einbilden. Die Stadt Mainz sei durch die Übergriffe der spanischen Besatzung ganz verkehrt und widerspenstig geworden, es sei ja auch ein Kreuz, daß man sich mit diesen Schelmen beladen müsse, ihm werde es übel, wenn er eine von den gelben Fratzen sehe, er glaube, die sogenannten Chinesen und Japaner wären in der Art. Die Mainzer liefen sicherlich dem Teufel zu, wenn sie nur der Spanier ledig würden, und ob die ebensoviel Lust zum Kämpfen wie zum Huren und Müßiggehn hätten, wisse er auch nicht. Was er aber mit seinem Kapitel für eine Not habe, das sei vollends nicht zu beschreiben; Löwen und Bären könnten ihre junge Brut nicht hitziger verteidigen als die Domherren ihr Geld; wo sie den lieben Gott verstauten, wisse er nicht, das Kalb, um das sie tanzten, sei einzig und allein der leidige Mammon.

Der Erzbischof sei wahrscheinlich zu milde, meinte Würzburg; diese Herren gehörten gemeinhin unter eine eiserne Hand, sonst täten sie nicht gut.

Er möchte doch nicht, sagte Mainz, daß es mit ihm dahin komme wie mit Trier, der sich mit seinen Domherren gegenseitig verfluchte. Jedenfalls sei er zu hilflos, um anderen zu helfen, Köln habe ja seinen Bruder von Bayern hinter sich und einen noch größeren Herren dazu; denn soviel er wisse, wollten die ihre Zuflucht zu Frankreich nehmen. Von Frankreich hänge eigentlich alles ab, indem Schweden mit französischem Gelde kriege, und lieber als Spanien sei Frankreich ihm auch. Köln behaupte, Frankreich ziele nur gegen den Kaiser, nicht gegen die Liga, und wolle dieser gern eine gute Neutralität bei Gustav Adolf verschaffen, wenn sie sich nicht in seine Angelegenheit mit dem Kaiser mischte.

Dies bestätigte der Kurfürst von Köln, welcher dem Fürstbischof seine ganze Korrespondenz mit Frankreich vorlegte und dem er vorschlug, er solle nach Paris reisen und dem König und Richelieu die klägliche Lage der rheinischen Fürsten auseinandersetzen. Er wisse durch den Pater Joseph genau, daß der König von Frankreich sehr ungehalten über den Schweden sei wegen seines Angriffs auf die rheinischen Fürstentümer und daß er ihm schleunig einen Zügel anlegen wolle. Es sei ja gewiß bedauerlich, daß die geistlichen Kurfürsten nicht zum Kaiser halten könnten, aber jetzt frage es sich, ob man stehen oder fallen solle, und da sei die Antwort bald gegeben. Der Kaiser würde einem doch noch den Wallenstein über den Hals schicken, das heiße den Teufel mit Beelzebub austreiben; sei man einmal mit Frankreichs Hilfe den Schweden losgeworden, könne im Reich die alte Ordnung wieder hergestellt werden. Übrigens müßten alle Verhandlungen mit Frankreich im tiefsten Geheim betrieben werden, der Kaiser wisse natürlich nichts davon und brauche es auch nicht zu wissen, im Grunde geschehe ja alles zu seinem Besten.

*

In Mailand sah Pfalzgraf Wolfgang Wilhelm von Neuburg, nunmehr Herzog von Jülich-Cleve, die Augen eines jungen Fräuleins aus dem Hause Crivelli auf sich gerichtet und fühlte unter ihrem Feuerblick ein angenehmes Erschauern. Seit dem Tode seiner Gemahlin, der bayrischen Magdalena, war ihm zuweilen so zumute, als sei ihm eine Kerkertür geöffnet worden. Er war der Meinung, er habe die Prüfung dieser Ehe wohl bestanden, und Gott werde ihm nun zum Lohne ein außerordentliches Glück bescheren. In den Palästen der mailändischen Aristokratie fühlte er sich sehr wohl; er erzählte seinen Gastgebern, wie er sich im Norden gar nicht heimisch fühle und was er schon getan habe, um das Düsseldorfer Schloß zu einer Stätte feinen Geschmacks umzuschaffen, beschrieb die Bilder, die er hatte malen lassen, und verglich sie mit den italienischen aus gegenwärtiger und früherer Zeit. Daß die Gräfin Crivelli den Wunsch aussprach, das ferne, von ihm beherrschte Land kennenzulernen, gab ihm die Gewißheit ihrer Zuneigung, und er vergaß in ihrer Gesellschaft zuweilen, daß er bei seinem Vetter, dem Pfalzgrafen Johann von Zweibrücken, bereits um dessen zweite Tochter geworben hatte. Zu dem Plane dieser Verbindung hatte ihn die Nachricht von dem bevorstehenden Einfall Gustav Adolfs bewogen; denn durch die mit dem Schwedenkönig nah verwandten Zweibrückner würde er sich mit diesem gefährlichen Monarchen gut stellen können, was ihm um so wichtiger war, als er weder beim Kaiser noch bei seinem Schwager von Bayern genügende Berücksichtigung fand. Einstweilen kehrte er also, ohne daß er sich ein bindendes Wort hätte entschlüpfen lassen, nach Deutschland zurück, beschloß aber, wenn die zweibrückensche Heirat sich etwa zerschlüge, der welschen Leidenschaft weiteren Raum zu geben. Als er, etwas übellaunig, in Zweibrücken einkehrte, empfing ihn die Nachricht, daß seine Erwählte, weil er, Wolfgang Wilhelm, so lange nichts von sich habe hören lassen, überhaupt so dunkel und verwickelt in seinen Ausdrücken gewesen sei, sich inzwischen mit einem anderen Vetter, dem Pfalzgrafen von Birkenfeld, vermählt habe. Obwohl Johann II. dem Herzog die Mitteilung im Beisein seiner Mutter machte, konnte Wolfgang Wilhelm einen Ausbruch der Entrüstung nicht ganz zurückhalten. Was das heißen solle? fragte er. Ob man ihm einen Schimpf antun wolle? Ob Treu und Glauben gar nichts mehr gelte? Pfalzgraf Johann fühlte sein Gewissen nicht ganz frei, weil er in Wahrheit die Hochzeit beschleunigt hatte, um die Möglichkeit einer Verbindung mit dem konvertierten Vetter ein- für allemal abzuschneiden; aber er konnte doch das unschlüssige Verhalten Wolfgang Wilhelms für sich anführen und daß man in dieser bösen Zeit darauf sehen müsse, seine Töchter zu versorgen. Wolfgang Wilhelm nahm diese Entschuldigungen nicht an; er habe geglaubt, jeder Fürst des Reiches könne sich durch seine Werbung geehrt fühlen, er sei nicht der, welcher mit sich spielen lasse, und werde noch am selben Tage abreisen. Er bemerkte, daß dies seinem Vetter gar nicht so unlieb sein würde, und gerade deshalb verging ihm sehr bald die Lust, die Drohung auszuführen. Die Crivelli zog er ohnehin nicht mehr recht in Betracht, wohingegen die Wichtigkeit einer evangelischen Heirat sich ihm immer mehr aufdrängte; vor allen Dingen aber hielt er es für nicht vereinbar mit seinem Ansehen, schimpflich als ein abgewiesener Freier abzuziehen. Wie er darüber nachdachte, fiel ihm plötzlich ein, daß der Pfalzgraf noch eine Tochter hatte, die zur Zeit seines letzten Besuches noch ein Kind gewesen war, jetzt aber etwa soweit sein mochte, und daß die Sache sich einfach erledigen lasse, wenn er diese anstatt der älteren Schwester heiratete. Er erinnerte sich eines kleinen Mädchens, das mit klugen dunklen Augen in scheuer Ehrfurcht zu ihm aufgesehen hatte, und er malte sich aus, wie das unverhoffte Glück sie überwältigen würde. Wenn sie seine Frau wäre, würde er sie in den Schoß der Kirche führen, und diese Himmelsgabe von ihm empfangen zu haben, würde ihre Dankbarkeit gegen ihn noch vermehren. Er nahm sich vor, ihr weder ihre Jugend noch ihre Unscheinbarkeit oder ihre Armut nachzutragen, sondern Milde und Nachsicht gegen das Kind zu üben.

Der Pfalzgraf und seine Frau waren über den Vorschlag Wolfgang Wilhelms nicht erfreut und schützten Katharinas Jugend vor; sie sei fünfzehn Jahre alt, dazu von zarter Gesundheit, leide an Kopfschmerzen, es könne ihm mit einer solchen Gemahlin unmöglich gedient sein. Der Anblick der kleinen Prinzessin indessen bestärkte ihn in seinem Wunsche; in ihrem schwarzen Kleid glich sie einer Nonne, prunken konnte er nicht mit ihr, aber er war stolz darauf, nicht zu den albernen Männern zu gehören, die sich durch eitle, aufgeputzte, pfauenhafte Weiber den Kopf verrücken lassen. Die wenigen Worte, die sie sprach, zeugten davon, daß sie verständig und anspruchslos war und ihre eigenen Gedanken hatte, und das gefiel ihm; für das fürstliche Repräsentieren wollte er selbst aufkommen. Durch vieles Zureden erreichte er endlich, daß er mit der Kleinen eine Viertelstunde allein gelassen wurde, welche er benützte, ihr von seinen Absichten zu sprechen. Ihr Erschrecken und Zittern, ihre angstvollen Worte, daß sie, ein unscheinbares, unerfahrenes kleines Mädchen, seiner nicht würdig sei, befriedigten ihn durchaus, und er beschloß, seinen Willen um jeden Preis durchzusetzen. Freilich ging es nicht so glatt, wie er gehofft hatte; denn der Pfalzgraf stellte die Bedingung, daß seine Tochter in Ansehung der Religion keine Kränkung oder Gewalt leiden dürfe, und darauf beharrte auch Katharina selbst, obwohl es ihr sichtlich schwer wurde, ihm zu widersprechen. Er setzte ihr auseinander, die Frau müsse dem Manne unbedingte Hingabe weihen, mehr als ihren Eltern; er sehe, daß sie ihn nicht so liebe, wie seine Zuneigung es verdiene. Sie könne ihm doch vertrauen, daß er ihr nichts Unrechtes oder wider ihr Gewissen zumuten werde; oder ob sie ihn für unedel und grausam halte?

Sie halte ihn für den edelsten und großmütigsten aller Menschen, sagte das Kind, und wenn er ihr nichts wider ihr Gewissen zumuten wolle, so könne er sich die Bedingung ja gefallen lassen.

Er sehe aber darin einen Mangel an Hingabe ihrerseits, sagte Wolfgang Wilhelm, und daß sie ihrem Vater mehr als ihm folge.

Sie sei doch noch in ihres Vaters Hause, sagte Katharina, und sei ihm kindlichen Gehorsam schuldig, liebe und verehre ihn. Sie werde ihm, Wolfgang Wilhelm, in allen irdischen Dingen eine gehorsame Frau sein; aber Gott stehe über ihnen allen, von seinem Wort werde sie nie weichen, und wenn es sie Glück und Leben kosten sollte. Er solle doch barmherzig sein und sie nicht ferner versuchen.

Im Grunde zweifelte Wolfgang Wilhelm nicht an Katharinas Liebe und auch nicht daran, daß sie sich von ihm würde bekehren lassen, wenn sie seine Frau sei; aber heikler war es mit den Eltern, welche ihm vorhielten, daß der Papst in die Ehe mit einer Protestantin nicht willigen würde und daß Wolfgang Wilhelm eine Ehe ohne päpstlichen Konsens nicht schließen könne, davon zu schweigen, daß sie dann für ihn gar keine Gültigkeit hätte. Er beschied sie dahin, daß er bereits mit seinem Beichtvater gesprochen und dessen Zustimmung erhalten habe, es stehe dem Vollzuge der Ehe nichts im Wege. Katharina solle einen Geistlichen ihres Glaubens mitnehmen und den Gottesdienst in ihrer Weise, wenn auch nicht öffentlich, ausüben. Er wolle sie nicht auf Tyrannenweise zwingen, Gott könne ja einen jeden erleuchten, wie er es mit ihm getan habe. Nebenbei ließ es sich Wolfgang Wilhelm angelegen sein, die Mutter des Pfalzgrafen zu gewinnen, und brachte sie denn auch bald so weit, daß sie erklärte, man würde unrecht tun, wenn man einem so edlen Manne mißtraute, womit die Sache entschieden war.

Johann II. benützte die Frist bis zur Hochzeit, die am sechzehnten Geburtstage seines Kindes stattfinden sollte, um sie noch durch einen Geistlichen in der Religion unterweisen zu lassen, ihr selbst die Wahrheit des reformierten Bekenntnisses einzuprägen und daß sie als Christin und Fürstin doppelt zur Standhaftigkeit verpflichtet sei. Es könne ja Gottes Wille sein, sagte er ihr, daß der Herzog durch sie dem alten Glauben wiedergewonnen werde, jedenfalls werde sie den armen evangelischen Untertanen ihres Gatten Erleichterung verschaffen können. Sie dürfe zwar nicht drängen und trotzen, denn das würde ihr als Frau nicht anstehen, sondern müsse bescheiden die Gelegenheit suchen, wozu sie ja verständig genug sei. Sollte sie aber Gott und Gottes Wort verleugnen, so würde sie nicht nur den Ehrenschild ihrer fürstlichen Ahnen beflecken, die von jeher Kämpfer für die Wahrheit gewesen wären, sondern sein Herz brechen, da er demjenigen Wesen werde fluchen müssen, das er auf Erden am meisten liebe.

Wolfgang Wilhelm verbrachte diese Zeit in großer und mühevoller Geschäftigkeit; es verhielt sich nämlich keineswegs so, daß der Papst in seine Heirat gewilligt hätte, und er mußte die Trauung auf Umwegen zu erreichen suchen, wobei ihm sein Beichtvater zur Seite stand. Er verfuhr dabei so, daß er dem Erzbischof von Utrecht seinen Fall schilderte und sich auf eine gewisse kirchenrechtliche Abhandlung eines spanischen Jesuiten berief, auf die sein Beichtvater ihn aufmerksam gemacht hatte; in diesem Schreiben nannte er sich Wilhelm von Bleienstein und seine Braut Charlotte von Lichtenberg, weil in ihren beiderseitigen Gebieten Grafschaften dieses Namens lagen und es also, nach seiner Ansicht, nicht gelogen war. Gleichzeitig verehrte er dem Erzbischof ein Faß Rotwein und seinem Vertreter, mit welchem er verhandelte, ein Faß Moselwein; und da dieser dem Erzbischof die Angelegenheit in günstigem Lichte darstellte und sie dem Erzbischof nicht wichtig schien, erteilte er den gewünschten Dispens, worauf sich leicht ein Kaplan fand, der gegen geringes Entgelt die Trauung in der Stille vollzog. Wolfgang Wilhelm war stolz auf die feine und gelinde Art, wie er seinen Zweck erreicht hatte; denn es war sein Grundsatz, stets alles zu seinem Vorteil, aber ohne Geschrei und so, daß er tadelfrei dabei dastände, zu lenken. Freilich erschrak der Erzbischof nicht wenig, als er erfuhr, wer sich hinter dem Namen Bleienstein versteckt hatte; aber er sah ein, daß er selbst unvorsichtig gehandelt hatte, und ließ sich deshalb durch das Versprechen des Herzogs, er werde ihm gelegentlich beim Papst eine Prälatur erwirken, begütigen. Nicht so leicht war es, mit dem Papst fertig zu werden, der die Ehe voll Zorn für null und nichtig erklärte; hier, sagte der Beichtvater, müsse man Geduld haben und warten, bis die junge Frau sich zur Kirche bekehrt hätte, worauf der Papst den Konsens nachträglich erteilen würde. Wolfgang Wilhelm nahm sich den Groll des Papstes nicht sehr zu Herzen, weil er die Jesuiten für sich hatte und weil er der Meinung war, der Papst wäre gerade ihm gegenüber zu viel größerer Rücksichtnahme verpflichtet gewesen; hingegen war es ihm nicht angenehm, daß er seine nunmehrige Frau in die Sache einweihen mußte, was ihre Unerfahrenheit und die Schlichtheit ihres Geistes schwierig machte. Sie wußte durchaus nicht, wie sie es anstellen sollte, dies Verfahren zu rechtfertigen oder die lebhafte Abneigung zu überwinden, die es ihr einflößte; aber sie gab sich Mühe, zu begreifen, daß der Herzog es aus Liebe zu ihr, um sie heiraten zu können, getan hatte und daß sie ihm dafür dankbar sein mußte, um so mehr, als er ihr nicht mit Strenge, wie er es wohl hätte tun können, sondern höchstens durch Blicke und gelegentliche Andeutungen ihr liebloses, überhebliches Bekritteln vorwarf. Auch übrigens warf er ihr Lieblosigkeit und Überheblichkeit vor; denn eine wahrhaft liebende Frau würde es nicht ertragen, einen anderen Glauben als ihr Mann zu haben, und sie scheine sich für klüger als ihn zu halten, da sie ihre Gründe für besser als seine achten müsse. So weh ihr das tat, blieb sie doch fest bei der Antwort, daß man eine Person liebhaben und doch anderes Glaubens sein könne, wisse er ja aus sich selbst; daß ein jeder seine Gründe für besser halte als die des andern, sei bei Meinungsverschiedenheiten nicht anders möglich, sonst wäre ja sogleich einer vom andern überzeugt; übrigens habe sie den evangelischen Glauben und seine Gründe nicht erfunden, sondern sie seien ihr gelehrt worden. An sein Versprechen, sie ungekränkt bei ihrem Glauben zu lassen, erinnerte sie ihn nicht, da ihr das dem Gehorsam und der Bescheidenheit einer Ehefrau nicht zu entsprechen schien.

*

Im Pfarrhause von Wernsbach standen der Pfarrer Treu und mehrere Bauern mit ihren Frauen an einer Dachluke und betrachteten eine große Feuersbrunst, von der sich dicker Rauch über den südlichen Himmel wälzte. Es leide keinen Zweifel, sagte der Pfarrer, daß Eschenbach brenne, die Kroaten hätten es angezündet und würden wahrscheinlich am folgenden Tage ihren Marsch nach Wernsbach fortsetzen. Sie müßten nun beschließen, was sie tun wollten. Kämen die Kroaten ins Dorf, so müßten sie Leib und Leben Gott befehlen, sie hätten von diesen Teufeln keine Gnade zu erwarten. – Was der Pfarrer angebe, das wollten sie tun, riefen einige Frauen, ihm wollten sie sich in Gottes Namen unterwerfen. Wohlan, sagte der Pfarrer, so wollten sie miteinander über den Berg nach Ansbach wandern, das sei ein ummauerter Platz, wo sie dem Feinde nicht so preisgegeben wären. Sie sollten sich aber nicht mit allen ihren Habseligkeiten beladen, wodurch sie im Gehen behindert sein würden, sondern nur das Notwendige mitnehmen und das übrige vergraben oder verstecken, wo es ihnen gut schiene. Einer wandte ein, es gebe etliche böse Buben, die würden aufmerken und zurückbleiben, um zu rauben. Er wolle ihnen allen ins Gewissen reden, sagte der Pfarrer nach einigem Nachdenken; übrigens habe der Mensch nicht Macht über alles, er müsse einiges auch Gott anheimstellen. Sie sollten nun ihr Haus bestellen, vor Mitternacht müßten sie aufbrechen. Der Pfarrer ging zu seiner Frau, die hochschwanger war, berichtete ihr, was ausgemacht war, und fragte, ob sie den Weg wohl zu Fuß zurücklegen könne. Er wolle sie gern auf einem Karren ziehen, nur über den Berg, fürchte er, werde es sich nicht tun lassen. Er solle nur den Karren lassen, sagte die Frau, sie sei gut auf den Füßen. Wenn nur die Wehen sie nicht unterwegs anfielen, so werde es gewiß gut gehen. Die beiden Kleinen freilich könne sie nicht die ganze Zeit tragen, da müsse er helfen. Ja freilich, sagte der Pfarrer, und sie noch dazu, wenn es nötig sei, er habe starke Arme.

Dann ging er in die Kirche, um den Kelch zum Mitnehmen zu richten und einige Heiligtümer zu verbergen, und trug dem Küster auf, inzwischen die Dorfleute zusammenzurufen, daß keiner fehle. Nachdem er vor dem Altar ein kurzes Gebet verrichtet hatte, trat er aus der Kirche auf den Platz, wo sich die Bauern inzwischen versammelt hatten. Sie standen in einem Haufen unter den kahlen Linden und Kastanien, an deren vom Winde bewegten Zweigen der Mond wie ein aufgespießter und zerfetzter Schmetterling hin und her wehte.

Gott suche sie schwer heim, so etwa redete er sie an, und es werde gewiß ein jeder wissen, um welcher Sünde willen er die Strafe verdient habe. Sie wollten zuversichtlich als rechte Christen das Kreuz auf sich nehmen ohne Wehklagen und Winseln. Er werde sie wie ein Vater zu einem sicheren Obdach führen; wenn sie ihm folgten, so könnten sie mit Gottes Hilfe das Leben retten und, nachdem das Wetter vorübergebraust sei, umkehren und sich in ihrer lieben Heimat wieder zusammenrichten.

Plötzlich unterbrach er sich mit der lauten Frage, wo denn der Rodemacher sei? Und wo der Hans Bacher und der Schlenker? Man solle sie eilend suchen und herbeibringen. Als die Vermißten nach einer Weile auf den Platz geschleppt waren, fuhr er mit erhobener Stimme fort: Wenn etwa sich etliche das allgemeine Verderben wollten zunutze machen und sich nach dem Auszuge der andern ans Plündern begeben, etwa gar mit den Teufelskroaten unter einem Decklein arbeiten wollten, so wolle er diesen sagen, sie sollten nicht etwa meinen, daß ihre Übeltat in der Finsternis unentdeckt bliebe. Der Satan sei von allen Betrügern der ärgste, führe seine Diener an, locke sie in den Schlamm und lasse sie stecken, wenn Gott seinen allmächtigen Arm zur Strafe ausrecke. Die bleibe niemals aus, sei es hier oder dorten. Die Strahlen von Gottes Augen führen wie Spieße durch die dickste Mitternacht, so daß es vor Gott nicht einen Winkel in der Welt gebe, der nicht im hellsten Sonnenfeuer stände. Daneben sollten sie aber auch bedenken, daß sie nicht für immer auszögen, sondern bald wiederkämen und wohl wüßten, wer zurückgeblieben sei, und daß er es zwar gut mit ihnen allen meine wie ein Vater, aber auch Fäuste habe, die einen Missetäter schütteln könnten, daß ihm die Knochen wie alte Roßkastanien in einem Sack im Leibe klapperten. Nun, fuhr er fort, wollten sie noch miteinander beten, und fing an: »Herr, der du dein Volk aus der Knechtschaft in Ägypten in das Gelobte Land geführt hast, geleite uns aus Gefahr durch Nacht und Wildnis in den Frieden«, und so weiter.

Nach diesen Vorbereitungen machten sich alle auf den Weg, so daß der Pfarrer mit Weib und Kind den Zug beschloß. Es wolle kälter werden, sagte der Totengräber, der neben dem Pfarrer herschritt, besorglich, die Luft rieche nach Schnee. Das möge wohl sein, antwortete der Pfarrer, im vorigen Jahr sei der erste Schnee schon vor dem heiligen Leodegar gefallen. Er habe gestern auch schon eine Meise am Fenster gesehen, die sich einzustellen pflegten, wenn Schnee komme. Nach Verlauf von zwei Stunden verspürte die Frau Wehen, verbiß aber den Schmerz, bis sie nicht mehr weiterkonnte und es also ihrem Manne sagen mußte. Er übergab das Kind, das noch nicht laufen konnte, dem Totengräber und stützte seine Frau, trug sie auch zuweilen, wenn es nicht anders ging, so daß sie langsam von der Stelle kamen. Von einer Anhöhe blickten sie zurück und glaubten wiederum eine Röte am Himmel zu sehen; der Pfarrer meinte, es sei die Feuersbrunst in Eschenbach, die noch nicht erloschen sei; aber die Pfarrerin sagte, es sei Wernsbach, und die Kroaten wären gewiß schon angelangt, und sie müßten eilen, daß sie sie nicht einholten. So wollten sie Waldpfade einschlagen, sagte der Pfarrer, wo sie niemand entdeckte; der Totengräber, der des Weges kundig sei, solle einstweilen voranlaufen und das Häuflein führen; er folge mit der Frau nach. Als noch ein paar Stunden vergangen waren, sagte die Pfarrersfrau, sie könne nun nicht mehr weiter, ihr Mann solle gehn und sie hier liegen lassen. Ach, sagte der Pfarrer, das könne er nicht übers Herz bringen, er wolle sie lieber auf den Armen tragen, Gott werde ihm die Stärke geben. Nein, erwiderte die Frau, das sei nicht möglich, selbst wenn er sie tragen könnte, was er doch höchstens eine Viertelstunde lang vermöchte, so könne sie es nicht aushalten, denn die Geburt stehe nah bevor. Auch sei ja das Kind da, das schon übermüde sei. So wolle er bei ihr bleiben, sagte der Pfarrer, er könne nicht weitergehen, wenn er sie hier hilflos in der kalten Frühe in ihren Schmerzen wisse. Aber er habe ja der Gemeinde versprochen, sie zu führen, sagte die Frau, und sie wären wie verirrte Schafe ohne ihn. Sie könnten hier vom Feind überfallen und erschlagen werden, und was dann aus dem kleinen Kind werden solle, das er dem Totengräber gegeben habe? Er solle doch ein Christ sein! Wenn sie sterben müsse, werde er ein anderes Weib finden, das ihren Kindern eine Mutter sein werde; er solle es Gott anheimgeben. Nun wohlan, sagte der Pfarrer, kniete nieder und betete mit starker Stimme: »Herr, in deine Hände befehle ich mein liebstes Gut. Behüte und bewahre es. Sieh, wir gehorchen dir als deine Knechte, verlasse du uns auch nicht. Du hast verheißen, daß du uns nicht über unsere Kraft versuchen wollest.« Dann nahm er seinen Mantel ab und deckte ihn über die Frau, hob das weinende Kind auf den Arm und ging fort; aber nachdem er einige Schritte getan hatte, kehrte er wieder um, kniete noch einmal nieder und betete: »Du gerechter, du allmächtiger Gott, halte deine Hand über dieser Frau, daß Frost und Nässe und die Wut des Feindes ihr nicht schaden. Halte mir deinen Bund, wie ich ihn dir gehalten habe!« Die Frau, die sich in Schmerzen wand, versuchte zu lächeln und sagte: »Geh! Geh mit Gott!«, worauf er aufstand und mit großen Schritten in den Wald hineinging, um die andern einzuholen.

Als er am übernächsten Tage zurückkam, fand er die Frau mit dem neugeborenen Kinde tot unter dem Schnee, der seitdem unablässig gefallen war, und grub sie einstweilen an der Stelle ein, hoffend, daß er sie einst christlich in Wernsbach bestatten könne, wenn wieder Friede und er heimgekehrt sei.

*

Als Gustav Adolf nach dem großen Siege bei Breitenfeld zwischen Hanau und Frankfurt lagerte, erwartend, welche Antwort ihm seine in die Reichsstadt abgesandten Deputierten bringen würden, baten einige aus der Oberpfalz vertriebene Pfarrer, dem König ihre Aufwartung machen zu dürfen, und wurden vor ihn gelassen. Es war ein Novembermorgen, und noch hatte die eben aufgehende Sonne den Nebel nicht durchdrungen. Der König, der in seinem Zelt vor einem Tische sitzend in der Bibel las, begrüßte die Eintretenden freundlich und fragte sie nach ihren Schicksalen. Sie hatten zuerst bei dem Landgrafen von Hessen-Kassel neue Anstellung gefunden, waren aber, da die betreffenden Landesteile bald hernach an seinen Vetter von Darmstadt kamen, als Kalvinisten auch von dort wieder vertrieben worden und lebten seitdem in Frankfurt von spärlichen Almosen. Einer von ihnen war sehr alt, hatte die Hände eingewickelt und humpelte an zwei Krücken, die weißen Haare hingen in Strähnen um seinen zitternden Kopf.

»Warum seid ihr nicht bei der Augsburgischen Konfession geblieben!« sagte der König streng. »Ich liebe das Tüfteln und Haarspalten nicht. Aber laßt es gut sein,« fuhr er freundlicher fort, »wir sind alle rechte Christen und bieten dem Papst und Teufel Trotz, wir sollen zusammenhalten!«

Die Prediger lobten den König, daß er niemanden um des Glaubens willen verfolge. Sie erzählten, es sei kürzlich ein alter vertriebener Pfarrer aus Siebenbürgen nach Frankfurt gekommen; der habe ein Büchlein bei sich gehabt, das ihm ein Pestkranker auf dem Totenbett gegeben, weil der Prediger bei dem von allen Verlassenen ausgeharrt habe. In diesem uralten Büchlein sei eine Prophezeiung gedruckt gewesen, die habe gelautet: Es werde sich ein Löwe aus Mitternacht erheben, der werde des Pfauen bunte Federn ausreißen. Dann werde jeder Acker zwiefältig Frucht tragen und das Deutsche Reich seiner Drangsal vergessen, auch die ganze Christenheit in unaussprechlicher Freude stehn.

Nun sei diese Prophezeiung durch des Königs herrliche Taten erfüllt. Er, der König, sei wie der Heiland, da er dem Lazarus zugerufen habe: »Stehe auf und wandle!« So werde sich das arme gekreuzigte Volk, das erwürgte und begrabene Römische Reich auf sein Wort wieder erheben und in neuer Jugend und Schöne über der Erde ausbreiten.

Die Feldmarschälle Banér und Horn und der alte Graf Thurn, welche diese feierlichen Worte gehört hatten, blickten voll Bewunderung auf den König, und Thurn sagte, wenn man zurückblicke, wie die Szene sich durch sein Auftreten verändert habe, wie der mächtige Feind in einer einzigen Schlacht niedergeworfen sei und die Städte sich vor ihm beugten, so müsse man freilich sagen, daß die Schweden eines solchen Königs wegen glücklich zu preisen wären.

»Nein,« rief der König, indem er aufsprang und seine blauen Augen zornig auf die Anwesenden richtete, »das sind sie wahrlich nicht! Wohl dem Volk, dessen Fürst ein stiller, einfältiger Mann ist, der sich genügen läßt und mit seinen Untertanen im Frieden grau wird. Ein Held ist einem Feuer gleich, das einen Wald oder eine Steppe ergreift und unersättlich rast, bis es alles Lebendige gefressen hat und dann sich selber verzehrt!«

»Da sei Gott vor,« sagte der eine Prädikant nach einer Pause, »daß wir des Königs Majestät mit einer verderblichen Brunst vergleichen sollten!«

»Ich sage das auch nicht von mir,« sagte der König langsamer, nachdem er sich wieder gesetzt hatte, »sondern von den ehrgeizigen Königen, die Gott nicht vor Augen haben. Ihr seht, ich suche mir mein Gesetz in der Bibel bei Gott, da die Menschen es einem Könige nicht geben können. Wenn ich auch jetzt Krieg bringe, so tue ich es doch um des Friedens willen, wie ja auch Christus Krieg entzündete, um das Reich Gottes zu stiften.« Darum, fuhr er fort, sei es notwendig, daß alle, die den Frieden wünschten, zu ihm hielten und ihm gehorchten. Ob die Frankfurter Bürgerschaft, fragte er die Prädikanten, sich dessen wohl bewußt wäre und wie sie ihn zu empfangen gedächte?

Die Frankfurter, antwortete zögernd der eine, lebten vom Handel, und der König wisse wohl, daß aller Krämer Gott das Geld und der Nutzen sei. Sie fürchteten auch, als Reichs- und Krönungsstadt, von ihren Privilegien und Einkünften vieles einzubüßen, wenn sie den Kaiser gegen sich aufbrächten. Der gemeine Mann aber, dessen höchstes Gut Gottes Wort sei, frage nichts nach dem Jesuitenkaiser und habe alle Hoffnung auf den König von Schweden gesetzt.

Diese Aussage des Prädikanten bestätigten die mit den zurückkehrenden Abgeordneten des Königs eintreffenden Frankfurter Ratsherren; nachdem sie den König zu seinem Siege beglückwünscht hatten, sagten sie, sie hofften von der Großmut des Königs, er werde sie bei ihrer gelobten und verpflichteten Neutralität lassen, da sie als vornehme Reichsstadt in der Devotion des Kaisers verbleiben müßten.

Gustav Adolf runzelte die Stirn und sagte, er verwundere sich, daß er in Deutschland so oft das Wort Neutralität vernehmen müsse. Was denn das für ein Ding sei? Das sei nicht kalt, nicht warm; nicht weiß, nicht schwarz; nicht gut, nicht böse; ein unaufrichtiger, unbrauchbarer Zwitter; damit wolle er sich nicht abgeben. Was sie sich von ihrem Kaiser einbildeten? Ob sie nicht wüßten, daß er sie den Jesuiten in die Hände spielen wolle? Ob sie sich einer solchen Tyrannei unterwerfen möchten?

Dergleichen, sagten die Ratsherren, glaubten sie sich von der kaiserlichen Majestät nicht versehen zu müssen, die Augsburger Konfession sei durch unangreifliche Reichsgesetze geschützt. Der König solle doch bedenken, daß sie vom Handel lebten und daß die Messe gleichsam ihre Lunge sei, ohne welche sie den Atem nicht ziehen könnten. Was denn aus ihnen werden sollte, wenn durch Auflehnung gegen den Kaiser und das leidige Kriegswesen ihre Messen in Abgang kämen?

»Was Messen!« rief der König. »Hier handelt es sich um Freiheit und Gewissen!«

Wenn der Mensch auf die Welt komme, sagten die Ratsherren bedächtig, sei er nicht viel mehr als ein Bäuchlein, das man füllen müsse, wenn er bestehen wolle; hernach komme das Gewissen.

Darum eben taufe der Christ das heidnisch Geborene, rief der König triumphierend, um es zu heiligen. Sie sollten doch zu Gott und zu ihm Vertrauen haben. Anfangs hätten sie wohl zweifeln dürfen; aber jetzt habe Gott weithin sichtbare Zeichen gegeben, und jeder könne sehen, wo Gott sei. Den alten bösen Teufel Tilly, vor dem der Erdkreis gezittert habe, den habe er aufs Haupt geschlagen und kümmere sich nicht einmal darum, wohin er geflohen sei, so wenig fürchte er ihn. Die Stadt Erfurt habe ihm gehuldigt, ebenso Aschaffenburg, wo des Kurfürsten von Mainz herrliche Burg stehe, er habe Schlüssel, die jede Stadt aufschließen könnten, nämlich seine Kanonen. Solche Schlüssel hoffte er aber bei der Stadt Frankfurt, deren Weisheit weltberühmt sei, nicht anwenden zu müssen. Er liebe die Stadt und werde ihren Flor treiben, statt ihn zu zerstören, habe darüber schon viel gedacht und geplant. Er habe in Schweden eine Ostindische Kompagnie gegründet, zu der schon viel Geld geflossen sei, die werde den Handel in der Neuen Welt an sich bringen und werde den Goldstrom, der bisher Spanien zugeflossen sei, auch nach Deutschland leiten, wenn die großen Städte ihren Vorteil wahrnähmen und beiträten.

Sie wollten sich mit dem Kurfürsten von Mainz bereden, antworteten die Ratsherren ausweichend.

Was Kurfürst von Mainz! rief der König aus, der sei jetzt er, nachdem er Aschaffenburg erobert habe.

Noch niemals, seit Frankfurt stehe, fuhren die Frankfurter fort, habe ein fremder Eroberer den Fuß hineingesetzt, auch der Kaiser sei nie eingezogen, ohne zuvor die Privilegien zu bestätigen. Als ein pflichtbewußter Magistrat müßten sie darauf bedacht sein, daß die Stadt unter ihrem Regiment nicht ihrer edelsten Kleinodien beraubt und daß ihre Herrlichkeit nicht verringert werde.

Die Zeiten wären geschwind, sagte Gustav Adolf, wer einstmals Schritte gegangen sei, müsse jetzt laufen lernen.

Am folgenden Tage ritt der König in Frankfurt ein, lüftete rechts und links grüßend den weißen Filzhut mit der grünen Feder, den er in der Schlacht bei Breitenfeld getragen hatte. Die vornehmen Familien, die abschätzig gespöttelt hatten und beiläufig von den Fenstern heruntersahen, konnten ein gewisses Wohlgefallen nicht unterdrücken; man brauche nicht zu fragen, welcher der König sei, sagten sie, kein andrer sei so stattlich gewachsen oder trage eine so festliche Miene.

Freilich sah der Schultheiß und kaiserliche Geheimrat Baur von Eyseneck, der dem König zur Seite ritt, im schwarzen Staatsgewande mit goldener Kette pompös genug aus; aber sein Gesicht glich einem strafenden Ungewitter, das noch ein wenig anhält, um sich desto ausgiebiger zu entladen. Als sie bei ihrem Umritt durch die Stadt an einer wüsten, durch eine Schandsäule bezeichneten Stelle vorbeikamen und der König fragte, was das zu bedeuten habe, erklärte der Bürgermeister, hier habe das Haus des Lebküchlers Fettmilch gestanden, der das Volk gegen die Regierung aufgehetzt habe und im Jahre 1616 rechtgemäß justifiziert worden sei. Dieser habe der Stadt viel zu schaffen gemacht und sich zuletzt in diesem Hause verschanzt, wo niemand ihn anzugreifen sich getraut habe, bis er, damals Zeugherr, es sich mit Gott unterfangen und auch endlich den Sieg davongetragen habe. »Das muß ein Goliath gewesen sein,« rief der König laut lachend, »daß er Euch so hat schwitzen machen.« Das blinde Volk in seiner Wut sei in der Tat einem gefährlichen Riesen zu vergleichen, sagte Baur, die Stirne faltend. Nicht einmal dem Kaiser hätten sie sich beugen wollen und hätten schimpflich diejenigen, die gehorcht hätten, die Parierer genannt. Er habe den Vorwitzigen das Parieren beigebracht, und seit er das Regiment führe, wären die Böcke allesamt zu folgsamen Lämmern geworden.

»Ihr seid ein trefflicher Mann, und ich lobe solche Grundsätze«, sagte Gustav Adolf. Bei einem großen Werk müsse einer der Führer sein, die andern müßten unbedingt gehorchen. Auch er habe sich in den schweren Krieg nur so begeben wollen, daß er der einzige und unbeschränkte Direktor desselben sei und die übrigen parieren müßten, sonst könne er für ein glückliches Ende zu allgemeinem Nutzen nicht stehen. – Dies und Ähnliches sprach der König deutlich mit lauter Stimme, so daß es alle hören mußten.

Vor dem Ehrenmahle, zu dem der König geladen war, führte ihn der Bürgermeister in den Römer, zeigte ihm die Bilder der Kaiser, eine in Kupfer gestochene Darstellung der Krönung des Kaisers Matthias aus der berühmten Merianschen Offizin und den Krönungsmantel.

»Das ist ein Stück, um eine kaiserliche Vogelscheuche auszustaffieren,« sagte Gustav Adolf lustig, »ich meine, ihr Frankfurter hättet Geld genug zu einem neuen.« Der Bürgermeister zog die dichten Brauen über seine Adlernase zusammen und sagte ernst: »Gerade weil er alt ist, ist er uns heilig.« Der König antwortete nichts darauf; aber nach einer Weile sagte er: »Ihr habt mir mit Eurem staubigen Trödel Hunger und Durst gemacht«, und wünschte zu speisen und auszuruhen.

Trotz aller Einwände des Rates setzte der König durch, daß die Bürgerschaft den Treueid leisten mußte; nur so viel erreichte der Bürgermeister, daß keine schwedische Besatzung in die Stadt gelegt wurde, außer 600 Mann in die Vorstadt Sachsenhausen. »Ein lahmer Gaul«, sagte der König, »trabt wohl auch so mit; aber einem edlen Rosse muß man einen kleinen Sattel aufzäumen, wenn es parieren soll.«

In Frankfurt vereinigte sich Oxenstierna mit dem Könige und sagte ihm, er freue sich, ihn, den König, im Mittelpunkte des Reiches zu treffen, lieber aber hätte er ihn in der kaiserlichen Hofburg zu Wien aufgesucht. – Im Kriege müsse man sich nach der Gelegenheit richten, entgegnete der König. Er brauche Geld, das habe er hier gefunden und würde am Rhein und Main noch mehr auftreiben; in Wien wäre es ihm vielleicht wie jenem Räuber gegangen, der den Überfallenen aus Barmherzigkeit mit einem Almosen entlassen habe.

Oxenstierna sagte, was dieser Feldzug ihm einbringe, könne er ihn auf der anderen Seite kosten. Es werde Frankreich mißfallen, daß er die zugestandene Neutralität der Ligafürsten verletze, und es werde deshalb vielleicht mit der versprochenen Geldsumme zurückhalten.

Das müsse er, Oxenstierna, dem Richelieu ausreden, sagte Gustav Adolf. Er wolle jetzt auf München, hätte er Bayern, müsse der Kaiser von selbst fallen. Wolle man ein Gebäude umwerfen, müsse man zuerst an der morschesten Stelle rütteln, das wären im Reich die Kirchenfürsten.

Wenn einem nur die herabfallenden Balken nicht den Kopf dabei zerschlügen, wandte Oxenstierna ein.

Der König wurde ungeduldig. »Ich sage dir,« rief er, »daß ich diesen Weg eingeschlagen habe, weil der Weiser in meiner Brust dahin zeigte.«

Das sei ein Grund, womit er immer recht behalte, erwiderte Oxenstierna lächelnd. An ihm solle es nicht liegen, daß es nicht zum Guten ausschlage.

*

Auf den Befehl Gustav Adolfs hatte Sachsen die Eroberung Schlesiens übernommen, Arnim jedoch zog es vor, in Prag einzurücken, einige meinten, weil er von Wallenstein heimlich dazu aufgefordert und weil es kaum verteidigt gewesen sei, andere, weil er gewußt hätte, daß es in Prag mehr zu rauben gäbe. Von dort aus meldete er Wallenstein, der sich auf das dem alten Grafen Terzka gehörende Schloß Kaunitz zurückgezogen hatte, er werde seine Fürstentümer, Güter und Besitzungen mit jeder Kontribution oder Einquartierung verschonen, und bat um die Erlaubnis, ihm persönlich seine Aufwartung machen zu dürfen. Um die Mitte des November traf er, von Wallenstein eingeladen, auf dem Schlosse ein; der Wind schnob kalt um die Mauern und jagte Regen und braune Blätter in Wirbeln gegen die Fenster. Auf der Mittagstafel brannten Wachskerzen in silbernen Leuchtern und erhellten doch den düsteren Saal nicht; von den geschliffenen Gläsern und Kannen zückten diamantene Strahlen durch den Raum.

Arnim nahm einen mit Wein gefüllten gläsernen Pokal in die Hand, auf dem eine Jagd der Diana und ihrer Nymphen eingeätzt war; jubelnd umkreisten die amazonenhaften Gestalten die stille, goldgelbe Flamme. Arnim betrachtete das Kunstwerk aufmerksam und sagte, es stamme wohl aus Kaiser Rudolfs Zeit; derselbe müsse doch ein kluger Herr gewesen sein, daß er die Künste in Böhmen so hochgetrieben habe.

Er hätte einiges getan, sagte der alte Terzka, aber es hätte sich nun wieder verlaufen. Weil es nichts Einheimisches gewesen sei, habe es keinen Bestand gehabt. Wenn die Böhmen einmal mit ihren reichen Erzeugnissen allein gelassen würden, dann solle die Welt Wunder sehen.

Wallenstein sagte, es sei immerhin noch manches aufzutreiben, er besitze viel aus dem Nachlasse seiner ersten Gemahlin und wolle Arnim damit ein Zeichen seiner Freundschaft geben.

Arnim bedankte sich eifrig; er habe an keinem andern Fürstenhofe so viel Pracht und Geschmack gesehen, sagte er.

Der alte Terzka erklärte, daß der gesamte Tafelschmuck Wallenstein, nicht ihm gehöre; denn heute habe Wallenstein der Wirt sein wollen, habe auch seine Küche aus Prag mitgeführt. Aber er bemerke, sagte er, daß es keine Rebhühner gebe, und es sei doch Wallenstein nichts anderes zuträglich; ob er sie für heute nicht befohlen habe?

Ein paar Diener liefen hin und her, worauf ein Küchenmeister erschien und sich angstvoll entschuldigte, es seien keine Rebhühner von den fürstlichen Gütern eingetroffen, obwohl er sie rechtzeitig bestellt hätte. Wallensteins Gesicht war zornrot geworden; Graf Terzka erhalte alle Tage Rebhühner, sagte er, werde also besser bedient als er. Seine Diener schienen ihn für eine Vogelscheuche zu halten. Der Schuldige solle auf der Stelle gehängt werden, ob es der Jägermeister oder ein Knecht oder sonst jemand sei.

Einstweilen sollten Rebhühner in seiner Küche für den Herzog gebraten werden, sagte Terzka begütigend. Er solle die Schuldigen gehörig bestrafen, sich's aber nicht weiter zu Gemüte ziehen. Bei ihm könne leicht gute Ordnung herrschen, er sei ja nichts weiter als ein Gutsbesitzer, könne sich mit Wallenstein nicht vergleichen. Auf ihn blicke ganz Böhmen, dazu noch Kaiser und Reich. »Ja,« sagte er zu Arnim, »der Herr hätte keinen Fuß in Böhmen gesetzt, wenn der Herzog es nicht gewollt hätte.«

Er habe schon gemerkt, sagte Arnim, daß kein Wallenstein wider ihn gestanden sei. Es gehe aber das Gerücht, daß Wallenstein wieder kaiserlicher Generalissimus zu werden gedenke; ob etwas an dem sei?

Wallenstein warf über den Tisch herüber seinen langen, verschleierten Blick auf Arnim. Er sei krank, sagte er, mit dem Kriegswesen werde er sich schwerlich wieder beladen können. Wenn er es aber doch täte, fuhr er in schärferem Tone fort, so geschehe es deshalb, weil dem Kaiser seine Verhandlungen mit Gustav Adolf bekannt geworden wären. Die Buben pfiffen sein Sekretissimum auf der Gasse und legten es nach ihrem Verstande aus. Um des Kaisers Argwohn zu widerlegen, werde er zuletzt gezwungen, das Generalat zu übernehmen.

Wallenstein werde wohl wissen, sagte Arnim, wem er das zu verdanken habe, dem geschwätzigen alten Thurn, dem löcherigen Sieb, der zum Staatswesen weniger tauge als irgendeine alte Vettel. Er sei hart mit ihm aneindergeraten in Prag. Der hätte am liebsten alle Katholiken auf der Stelle ausgeschafft, hätte sich überhaupt wie der Herr im Hause gebärdet und die Köpfe der justifizierten Rebellen von 1621 vom Tore herunternehmen lassen.

Nun, das sei wirklich an der Zeit gewesen, fiel Terzka heftig ein; er hätte nur ein paar Papistenköpfe an die leeren Stellen stecken sollen.

An Thurns gutem Willen dazu habe es nicht gefehlt, sagte Arnim; aber davor sei er, Arnim, gestanden.

Er habe gemeint, Graf Arnim sei lutherisch, sagte Terzka.

Ja, das sei er auch, antwortete Arnim, und er habe gemeint, Graf Terzka sei katholisch.

Ja, das sei er auch, rief Terzka höhnisch lachend, und vom Kaiser geprägt noch dazu; ob er die Art kenne?

Wallenstein fuhr dazwischen; die, denen man 1621 die Köpfe abgeschlagen habe, sagte er, wären Rebellen gewesen, und es wäre ihnen ihr Recht geschehen; aber daß man das Tor einmal gesäubert habe, finde er in der Ordnung. Der Kaiser brauche die Toten nicht mehr zu fürchten.

Besonders mit Wallenstein als General, setzte Arnim hinzu. Es schien ihm, als gebe Wallenstein dem Grafen Terzka, der wütende Blicke um sich warf, ein verstohlenes Zeichen mit den Augen; aber in dem düsteren Raume war nichts genau zu unterscheiden. Falls er sich des kaiserlichen Heeres annehme, sagte Wallenstein, so wünsche er, daß der König von Schweden das nicht als eine Feindseligkeit gegen ihn auffasse. Er habe große Achtung vor dem König von Schweden und möchte ihm gefällig sein, hoffe auch noch, Gelegenheit dazu zu haben. Er werde sich der Armee nicht bedienen, um das Kriegsübel zu vermehren, sondern um Ordnung und dauernden Frieden zu schaffen.

Der alte Terzka legte laut seine Bewunderung für den Schwedenkönig an den Tag; seine Frau, sagte er, trage sein Bild an einer goldenen Kette an der Brust. Wenn sie nicht zu fett um den Leib herum und zu kurz von Atem wäre, hätte sie gesagt, möchte sie Mannskleider anziehn und mit ihm in den Krieg ziehn, und er habe ihr versprochen, sich von Arnim von der Leipziger Schlacht erzählen zu lassen.

Arnim erzählte, es sei ein Vergnügen gewesen, wie die neue Kampfesweise des Königs gegen die alte, niederländische Tillys funktioniert habe. Tilly habe es sofort bemerkt und sich nicht dagegen zu wehren gewußt, Pappenheim habe sich wie ein Rasender gebärdet; aber damit richte man wenig aus, der Verstand und der Zufall machten den Ausgang der großen Schlachten. Die Sachsen hätten sich schlecht gehalten, es sei im allgemeinen verderblich, wenn der Fürst sich beim Heere befinde.

Ja, sagte Wallenstein lächelnd, darum lasse er bei sich keinen zu. Der König von Schweden, meinte er, scheine aber eine Ausnahme zu machen.

Der sei kein König, sondern ein Eroberer, sagte Arnim nicht ohne Mißbilligung. Und ein rechter Feldherr sei er trotz seiner Klugheit und Erfindungsgabe auch nicht. Er lasse sich vom Augenblick hinreißen und werde deshalb auch vom Augenblick verraten werden. Im Grunde sei er ein Phantast.

Arnim habe doch in früherer Zeit einen großen Enthusiasmus für den König von Schweden gehabt, sagte Wallenstein.

Arnim zuckte die Schultern; er liebe jeden Herrn, in dessen Dienst er stehe, sagte er, Wallenstein sei seinerzeit doch auch zufrieden mit ihm gewesen. Das bestätigte Wallenstein; er habe sich auf keinen wie auf Arnim verlassen.

Wie lange Arnim in Böhmen zu bleiben gedenke? fragte er nach einer Pause.

Das hänge von vielem ab, antwortete Arnim zögernd. Er hoffe, Wallenstein werde zu einem guten Frieden helfen. Ob Aussicht sei, daß die eine oder andere Kirche den Lutherischen wieder geöffnet werde?

Seinetwegen könnten sie hindostanisch oder türkisch predigen, sagte Wallenstein kurz auflachend. Aber Arnim kenne ja die Vorurteile des Kaisers, da greife man in ein Wespennest. Auch sei zu sagen, daß die Böhmen sich eben an die Messe gewöhnt hätten; es hätte allerlei Bedenken, ihnen nun wieder andere Speisen aufzutischen und den Gaumen zu reizen. Das müsse scharf und behutsam zugleich behandelt werden.

Der alte Terzka rückte auf seinem Stuhle und schien von einer heftigen Bemerkung durch einen schnellen Blick Wallensteins zurückgehalten zu werden. Als Arnim sich entfernte, gestand er sich ärgerlich, daß er keinen deutlichen Einblick in Wallensteins Absichten getan habe. Es war ihm aufgefallen, wie viele Furchen sich in des Herzogs hohe Stirn und um seinen Mund gesenkt hatten und wie viele späte, schwere Schatten sein Gesicht verdunkelten; sie machten es noch undurchdringlicher, als es früher gewesen war. Er hatte mehrmals betont, wie seine Ansichten in allen Dingen mit denen Arnims übereinstimmten; aber hatte er selbst denn bestimmte Ansichten ausgesprochen? oder solche, die Wallenstein für aufrichtige halten würde? Das eine glaubte Arnim sicher, daß Wallenstein voll Rachsucht gegen den Kaiser sei; vielleicht, dachte er, habe das tägliche Hinunterwürgen der Rache sein Gesicht so gallig und verlarvt gemacht.

* * *

 


 << zurück weiter >>