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Im Schlosse zu Kassel saßen der Landgraf Moritz und sein Sohn Wilhelm mit ihren Frauen und der Rat Wolfgang Günther in einem Zimmer, dessen Wände mit französischen Gobelintapeten behangen waren und in welchem sich übrigens nur ein paar Stühle und ein Tisch befanden. Juliane, Moritzens Frau, redete heftig auf ihn ein, sich mit der Ritterschaft zu versöhnen, da es aussichtslos und lächerlich sei, sich Tilly allein widersetzen zu wollen.

Er sei nicht allein, sagte Moritz kurz, ohne sie anzusehen, da sein Volk bei ihm stehe. Ja, schlimm genug, daß er sich mit dem Pöbel gemein mache, sagte Juliane; er mache sich der ganzen ehrbaren Welt zum Gespött damit.

Wahrhaft ehrbare Leute, sagte Moritz, müßten der Ritterschaft spotten, die ihren Herrn verriete. Lieber wolle er sein Leben lang trocken Brot essen und am Wegrande sterben, als sich vor seinen Dienern demütigen, den unwissenden Rüpeln und Judasherzen, die mit seinen Todfeinden gegen ihn konspirierten.

So möge er sich denn als ein Narr mit seinem Straßengesindel hier verschanzen, zischte Juliane, sie wolle nichts damit zu tun haben, wolle sich auf eins der ihr verschriebenen Güter unter den Schutz Tillys begeben.

Moritz schoß einen Blick voll Wut, Haß und Verachtung auf sie. Als ein unbotmäßiges Eheweib, sagte er, habe sie gar keine Ansprüche zu machen; aber sie solle nur gehen, das sei die Art der menschlichen Rotte, dem Mächtigen zu schmeicheln und dem Unglücklichen einen Fußtritt zu geben. Sein Sohn werde sie ja wohl begleiten, sie sollten ihn nur alle verlassen, ihm sei es recht; auch wenn er ganz allein sei und nicht einmal ein Schwert mehr hätte, wollte er noch mit den Fäusten gegen Treulosigkeit und Dummheit kämpfen, bis die Seele ihm ausfahre.

Wilhelm und Amalie, seine Frau, suchten vorsichtig zu vermitteln. Er wisse, daß sie wie er denke, sagte Amalie; hätte er sich nur beizeiten dem niedersächsischen Kreise angeschlossen, daß er nicht allein stehe. Wenn Tilly jetzt besiegt würde, sei noch Hoffnung; es sei noch nicht zu spät für ihn, sich mit dem König von Dänemark zu verbinden.

Draußen fiel der Regen klatschend auf das Pflaster, denn nach mehrtägiger Hitze hatte sich ein schweres Gewitter entladen, und das Geräusch dämpfte den Hufschlag eines Reiters, der über den Schloßhof ritt. Es war ein Stallmeister, der die Nachricht vom Tode des zweiundzwanzigjährigen Prinzen Philipp brachte, eines Sohnes des Landgrafen aus seiner zweiten Ehe, der ein Regiment im Dienste des Königs von Dänemark übernommen hatte und in der Schlacht bei Lutter gefallen war. Wilhelm, der hinuntergegangen war, um den Mann auszufragen, kam blaß und verstört mit der doppelten Unglücksbotschaft zu den Seinigen zurück. Juliane brach sofort in lautes Jammern und Schreien aus: sie habe es gewußt, sie habe es vorhergesagt, sie sei nicht damit einverstanden gewesen, daß Philipp dänischen Dienst annehme, das sei die Strafe! Der eigene Vater habe seinen Sohn in den Tod getrieben.

Moritz sprang auf sie zu und ballte die Faust vor ihrem Gesichte. Sie wisse recht wohl, rief er, daß er dagegen gewesen sei, daß Philipp es gewollt habe! Ob sie vergessen habe, wie sie vor zwanzig Jahren ihn gegen den Kaiser gehetzt und ihn ausgespottet habe, daß er sich zuviel gefallen lasse?

So, er habe den Mut, ihr vorzuhalten, entgegnete sie, was sie als unerfahrenes junges Ding getan und gesagt habe! Ein schlechtes Zeichen für ihn, wenn er sich danach gerichtet hätte. Übrigens sei es damals auch noch Zeit gewesen, dem Kaiser einen Ernst zu zeigen, jetzt sei es zu spät. Wer ihn aufgehetzt habe, das wisse man ja, und die Folgen seines Frevels würden schon noch über ihn kommen.

Wolfgang Günther, der abseits gesessen hatte, trat vor und sagte, er verstehe, daß die Landgräfin auf ihn ziele. Er habe nach seinem Gewissen gehandelt und könne es vor Gott und dem Landgrafen verantworten, andere Herren habe er nicht. Wenn der König von Dänemark jetzt Glück habe, sei noch nicht alles verloren.

Nun berichtete Wilhelm von der Niederlage des Königs; außer seinem Bruder sei auch der General Fuchs und der junge Graf Hermann von Solms gefallen, der Stallmeister habe von 8000 Toten und 3000 Gefangenen gesprochen. Tilly habe nur ein paar hundert Mann verloren. König Christian habe sich auf Wolfenbüttel zurückgezogen, ob er aber nicht auch in Gefangenschaft geraten sei, wisse man noch nicht. Wenn sich das alles bewahrheite, so sei von Dänemark nichts mehr zu erwarten.

Auf den König von Dänemark habe er niemals Hoffnung gesetzt, sagte Moritz, der, die Ellenbogen auf die Knie und den Kopf in die Hände stützend, vor sich nieder stierte, deshalb habe er sich ja auch nicht mit ihm einlassen wollen. Der habe ein großes Maul und kurze Arme, gut, daß er sich von ihm nicht habe fangen lassen.

In dem tiefen Schweigen, das nun herrschte, hörte man nur den klatschenden Regen und das Jammern der Landgräfin. Ob er nun genug habe? schrie sie, plötzlich im Weinen innehaltend, ihren Mann an. Ob er nachgeben wolle?

Nachgeben? rief der Landgraf. Sich vor der Ritterschaft demütigen? Nie, nie, nie! Er habe kein anderes Gebet mehr, als daß die verfluchten Verräter so von Gott geschlagen würden, daß ihnen nichts übrigbliebe als dreißig Heller, um sich einen Strick zum Aufhängen zu kaufen.

Die Landgräfin lachte höhnisch; er selbst, sagte sie, habe ja nicht einmal mehr soviel, aufhängen könne er sich also nicht.

Nein, erwiderte Moritz scharf, das könne und das wolle er nicht, gerade weil es ihr und manchen anderen vielleicht das liebste wäre.

Ja, was er denn eigentlich wolle? schrie Juliane außer sich; ob er sich von Tilly gefangennehmen und nach Wien schleppen und vom katholischen Pöbel anspucken lassen wolle?

Nein, sagte Moritz, er wolle abdanken, was sie und Tilly und die Ritter schon lange wünschten. Dann möchten sie ihre gemeinsame Weisheit leuchten lassen und das Land retten.

Wolfgang Günther redete dem Landgrafen zu, als er mit ihm allein war, er solle doch nicht abdanken, sondern versuchen, ob sich nicht durch Vermittlung von Schweden oder Holland noch ein Abkommen treffen lasse; da Moritz aber nichts davon hören wollte, erinnerte er ihn an sein Versprechen, ihn, Günther, vor der Rache seiner Feinde zu schützen.

Er habe es versprochen und wolle es halten, sagte Moritz. Er werde nie vergessen, daß Günther als der einzige es redlich mit ihm gemeint habe, daß er als der einzige mit Verstand und Aufrichtigkeit die faulen Stellen im Staate durchschaut und bezeichnet habe. Er wolle es seinem Sohne ans Herz legen, daß der gute Hirt, der die Schafe treu gehütet habe, nicht den Wölfen dürfe ausgeliefert werden.

Einige Wochen vor der Schlacht bei Lutter war, erst neunundvierzigjährig, Moritzens Vetter und Feind, der Landgraf Ludwig von Hessen-Darmstadt, gestorben, dem zwei Monate später sein älterer Freund und Jagdgefährte, Erzbischof Schweikhard von Mainz, in den Tod nachfolgte.

*

Einige märkische Herren von Adel kamen zum Kurfürsten von Brandenburg und klagten, sie könnten die Felder nicht mehr bestellen, weil die Bauern ihnen davongelaufen wären. Die Amtleute meldeten, in Lenzen ständen fünfzehn Häuser leer, in Nauen sei es auch nicht besser, an anderen Orten fänden sich höchstens fünf Ackerpferde und zehn Leute, die arbeiten könnten; die übrigen hätten sich teils anwerben lassen, teils geflüchtet und hielten sich Gott weiß wo verborgen. Es könne nicht so weitergehen.

»Ja, jetzt kommt ihr und beklagt euch«, sagte Georg Wilhelm. Die Bauern wären schon dageblieben, wenn sie sie nicht so bestialisch traktiert hätten. Einer von ihnen hätte vor ein paar Jahren einen Bauern an einen glühenden Ofen gebunden und einen Hering dazugestellt, wenn er Durst bekäme, weil der Bauer ihm sein Gut, das er frei und zu Recht besessen hätte, nicht hätte abtreten wollen. Damals hätten sie nicht auf ihn, den Kurfürsten, hören wollen, jetzt solle er die Schuld tragen.

Die Bauern wären hierzulande nicht so dreist davongelaufen, antworteten die Herren, das hätte sie erst der Krieg gelehrt. Sie hätten zum Kriege keine Ursache gegeben. Der Kurfürst solle doch den Kaiser kontentieren, daß die fremden Soldaten aus dem Lande kämen. Heute hätten sie Mansfelder, morgen die Dänen und die Wallensteinischen auf dem Halse und hätten doch mit den Händeln nichts zu schaffen. Lieber wollten sie sich noch offen auf des Kaisers Seite stellen, sie wären kaiserlich und der Kurfürst hoffentlich auch, so wüßten sie wenigstens, warum ihnen das Fell über die Ohren gezogen würde.

Von offenem Anschluß an den Kaiser wollte der Kurfürst jedoch so wenig etwas wissen wie von offenem Widerstande. Gegen seinen Kanzler Adam von Schwarzenberg, den Sohn jenes berühmten kaiserlichen Generals Adolf von Schwarzenberg, der im Jahre 1600 im Türkenkriege gefallen war, beklagte sich der Kurfürst über seine Stände, die ihre Schuldigkeit gegen ihn nicht täten und doch in allen Leiden die Verantwortung auf ihn würfen. Ein schlechter Edelmann habe es besser als er; nicht einmal das Jagdhündlein hätten sie ihm gegönnt, das er sich neulich gekauft habe, und hätten wegen des Preises genörgelt, den er dafür hätte zahlen müssen.

Der Preis sei freilich ein wenig hoch gewesen, meinte Schwarzenberg, zumal bei den schlechten Zeiten; es wäre besser gewesen, wenn der Kurfürst sich nicht eben auf dies kostbare Hündlein gesteift hätte und überhaupt ein wenig haushälterisch sein wollte. Die Stände wollten den Beutel gar nicht mehr auftun, weil sie meinten, es gehe doch nicht auf den gemeinen Nutzen, sondern für des Kurfürsten Pläsier und Extravaganzen.

Der Kurfürst weinte beinahe über diese Vorwürfe: er glaube nicht, daß jemals ein Fürst wegen eines Hündleins so viel habe erdulden müssen. Wenn er sich nicht hie und da auf menschliche Art erholen könnte, möchte er lieber abdanken als sich den vielen Widerwärtigkeiten und Gefährlichkeiten unterziehen. Von Schwarzenberg hätte er sich am wenigsten solcher Vorhalte versehen, da er doch Schwarzenbergs wegen soviel ausstehen müsse.

Nicht alle Räte des Kurfürsten waren mit der kaiserlichen Politik, die Schwarzenberg, seiner Herkunft entsprechend, verfolgte, einverstanden, vielmehr unterhielten einige heimliche Verbindungen mit Schweden und drangen in ihren Herrn, sich der antiösterreichischen Liga beizugesellen.

Im Sommer 1626 kam die Nachricht nach Berlin, Gustav Adolf sei an der preußischen Küste gelandet und habe sich der Stadt Pillau bemächtigt und wolle sie in seiner Gewalt behalten. Gegen Schwarzenberg jammerte Georg Wilhelm über die schwedische Heirat, wie oft er sie schon habe beklagen müssen. Seine Mutter habe gewarnt, aber sein Vater und seine verliebte Schwester hätten den Ausschlag gegeben. Nun sitze er zwischen der Schere, wenn sie zuklappe, gehe es mitten durch seinen Leib.

Allerdings, sagte Schwarzenberg, zwischen dem Schweden und einem Vasallen des Königs von Polen könne keine Freundschaft bestehen. Wolle der Kurfürst Preußen behalten, so müsse er Schweden einmal einen Ernst zeigen.

Einen Ernst zeigen? rief Georg Wilhelm. Über seinen Ernst würde Gustav Adolf lachen. Der verstehe keinen Ernst, der nicht das Schwert führe, und so weit könne er es doch nicht treiben.

Er hätte ja den Kaiser und Polen hinter sich, beharrte Schwarzenberg.

Ob er sich um der Polen willen in einen Krieg mit seinem eigenen Schwager verwickeln solle? klagte der Kurfürst nun. Etwas so Barbarisches könne der Kaiser nicht von ihm verlangen. Dem Schweden möchte es schon lieb sein, wenn er einen Vorwand bekäme, sich in sein Land einzudrängen; aber er wolle ihm nicht den Willen tun. Nein, er wolle sich die Neutralität von niemandem aus der Hand winden lassen. Er wolle seine Ruhe behalten, sie möchten lärmen und zerren; wenn er still bliebe, würden sie es endlich müde werden und abziehen.

In Pillau gebot indessen Gustav Adolf, fröhlich, weil der kühne Streich ihm geglückt war, und ungeduldig, ihn auszunützen; denn der kleine Platz, so willkommen er ihm war, genügte seinen Plänen nicht. Da er sich an das feste und mächtige Danzig, das mit guten Worten nicht zu gewinnen war, mit Gewalt nicht wagen mochte, warf er seinen Blick auf Königsberg, das, als eine untertänige Landstadt, sich seinem Willen, wie er meinte, eher fügen würde. Freundlich empfing er die Abgeordneten der Stadt, die sich auf seinen Befehl nach Pillau begeben hatten und vor ihn traten. Sie wüßten, so etwa sprach er zu ihnen, daß er mit dem König von Polen im Kriege liege, der ihm sein Reich streitig machen wolle. Gott habe ihm bisher den Sieg verliehen und werde ihm auch ferner beistehen. Nun müsse er aber, um sich besser wehren zu können, einen Fuß auf der Küste haben, deshalb habe er sich Pillau nehmen müssen. Feinde in seinem Rücken könne er nicht dulden; darum habe er sie rufen lassen, um zu wissen, ob er sie für Freunde oder Feinde halten solle.

Der eine der Abgeordneten nahm das Wort und bat, der König möge sie nicht für Feinde halten, was sie bei Gott nicht sein wollten.

Also, sagte Gustav Adolf, sollten sie ihm Gehorsam geloben und sich einverstanden erklären, daß er eine Besatzung in ihre Stadt lege.

Darüber könnten sie nicht entscheiden, sagte der Abgeordnete, sondern müßten ihren Herrn befragen.

»Euer Herr will ich sein«, sagte Gustav Adolf lachend. Sie wären eine freie Stadt und könnten ihr Haupt wählen, sollten nicht zweifeln, daß er sie gegen jedermann verteidigen könne.

Sie wären nicht frei, entschuldigte sich der Abgeordnete; sie dürften ihre Tore keinem fremden Monarchen und Kriegsvolk öffnen.

Gustav Adolfs Gesicht rötete sich ein wenig, und er begann hastiger und eindringlicher zu sprechen. Sie hätten ihm ja gesagt, daß sie seine Feinde nicht sein wollten. Dann dürften sie auch seinem Feinde keinen Vorschub leisten. Er mute ihnen gewiß nichts Unrechtes zu.

Die Abgeordneten wiederholten, sie müßten sich an die Verträge halten, die zwischen dem König von Polen und dem Kurfürsten von Brandenburg, ihrem Herrn, beständen, sonst machten sie sich des Hochverrats schuldig.

»Vor den Waffen gelten keine Verträge«, sagte Gustav Adolf heftig. Sie müßten sich erklären, ob sie für oder wider ihn sein wollten. Er habe bis jetzt als ein Freund und Beschützer zu ihnen gesprochen, er habe aber auch andere Pfeile im Köcher.

Nach einer Pause, während welcher die Abgeordneten verlegen und unschlüssig vor sich hin geblickt hatten, nahm wieder einer von ihnen das Wort und sagte, der König möchte sich einmal vorstellen, es käme ein fremder Potentat nach Schweden und verlange von einer schwedischen Stadt, sie solle ihn mit seinem Heer einlassen und ihm huldigen; was er sagen würde, wenn sie sich überreden ließen?

»Es kommt auf die Notwendigkeit an«, sagte Gustav Adolf. Man müsse jeden Fall für sich betrachten, denn es seien nie zwei einander gleich. Er müsse sich gegen einen böswilligen Feind, der ihm die Krone vom Haupte reißen wolle, verteidigen. Ob er sein Reich aufs Spiel setzen solle, um ihre wurmstichigen Verträge zu schonen? Sein armes Volk harre, daß er ihm den Frieden bringe; er müsse sehen, wie er dazu gelange, und er habe ihnen sein königliches Wort gegeben, daß er nichts Unrechtes von ihnen verlangen wolle.

Dies sagte der König mit heiterer Miene und nachdrücklichem Tone; aber die Stimmung war ihm ein wenig verrückt worden. Er äußerte sich enttäuscht gegen Oxenstierna, daß er nicht so vorankomme, wie er gehofft habe, es scheine fast, als müsse er gegen die widerspenstigen Preußen Gewalt gebrauchen. Davon riet ihm Oxenstierna ab, es könne ihm ein schlechtes Ansehen geben, er tue besser, eine Gelegenheit abzuwarten. Georg Wilhelm schwanke hin und her wie ein Kahn auf bewegter Flut, man müsse den Augenblick erpassen, wo er auf die schwedische Seite neige.

Von Schwarzenberg überredet, machte sich Georg Wilhelm mit einem Heer nach Pillau auf, damit der König von Polen sehe, daß er sich nicht in verräterischem Einverständnis mit seinem Schwager befinde. Es kam jedoch nicht zu einer kriegerischen Aktion, vielmehr versprach der Kurfürst dem Könige bei einer Zusammenkunft, ihm nicht in den Weg zu treten. Gustav Adolf fragte lachend, ob er die Fabel gelesen habe, daß es nicht gut sei, sich zwischen zwei kämpfende Löwen zu stellen? Er solle ruhig zuschauen und sich nicht einmischen, dann werde ihm nichts zuleide geschehen.

Nach der Dessauer Schlacht, sagte der Kurfürst, habe er ja den König eifrig gebeten, zu kommen und ihm Hilfe zu bringen. Damals würde er sich ihm offen angeschlossen haben, aber Gustav Adolf sei allzusehr in den polnischen Krieg verbissen gewesen. Inzwischen habe sich für ihn alles geändert, der Däne sei geschlagen, Mansfeld samt dem Weimaraner unten in der Türkei gestorben und verdorben, der Kaiser mächtig. Er könne nicht den Kaiser und den König von Polen zugleich gegen sich aufbringen.

Wie er nur so unfürstlich reden möge, sagte Gustav Adolf zu seinem Schwager; es sei nicht rühmlich für ihn, des katholischen Polen Diener zu sein. Auch sei er Mannes genug, ihn zu schützen, nur müsse er, Gustav Adolf, sich wiederum auf ihn verlassen können.

Georg Wilhelm hatte sich inzwischen durch einige Gläser Bier einen Mut angetrunken und begann freier zu reden: Diese Abhängigkeit sei allerdings lästig, aber es sei ja nur eine Formsache, einreden lasse er sich von dem Polen nicht. Wo sein Herz sei, könne Gustav Adolf wohl denken. Gustav Adolf solle doch nicht vergessen, daß sein Fürwort ihm seinerzeit die Schwester verschafft hätte. Er wolle so gern mit jedermann in Frieden leben, und gerade er müsse in dieser bösen Zeit leben, wo es sei, als hätten alle ein Tollkraut gefressen, daß sie übereinander herfallen müßten. Hätte er doch in der guten alten Zeit gelebt, wo man in Ruhe seine Hasen gejagt und seine Kanne getrunken hätte.

Das wollten sie wohl noch miteinander tun, sagte Gustav Adolf lachend. Er schösse wohl zwischenhinein auch einmal einen Hasen.

*

Christian IV. warf sich mit den Seinigen ins Lüneburgische und ließ dort sengen und brennen; denn, sagte er, Herzog Christian von Celle sei an seinem Unglück schuld, da er anstatt zu ihm zum Kaiser gehalten habe; nun solle jeder sehen, wohin solche Treulosigkeit führe. Der Herzog von Celle wandte sich hilfeflehend an Tilly, er solle doch kommen, die Dänen aus dem Lande zu jagen und seine armen Untertanen zu schützen, die kaum noch Brot hätten, um das nackte Leben zu fristen; worauf Tilly antwortete, er sei bereit, dem Herzog, den er als treuen Anhänger des Kaisers verehre, zu helfen, bitte ihn aber, die Obrigkeit überall anzuweisen, daß sie zu einer guten Ordnung, wie es mit den Truppen gehalten werden solle, mitwirkte, da er sonst nicht für Schaden einstehen könne.

An einem Septembernachmittage ritt Tilly durch die Heide nach Winsen an der Luhe, wo er Quartier nehmen wollte. Er saß auf einem Schimmel, einige Adjutanten folgten ihm, dann kamen Wagen, die langsam durch den Sand rollten. Seine Gedanken trugen sich damit, daß es mit dem Frieden doch noch lange Wege haben werde, obwohl er den Dänenkönig niedergeworfen hatte; derselbe führte doch noch hohe Worte und hatte erst kürzlich wieder Geld von England und den Staaten erhalten. Ehe der Kaiser nicht die Staaten angriffe, den Born, aus dem der Krieg fließe, werde es kein Ende nehmen, dachte er; aber weder der Herzog von Bayern noch die geistlichen Fürsten wollten daran, nichts und niemand konnte ihnen die Augen öffnen. So würde er denn die Last weiterschleppen müssen ohne Ehre, ohne Lohn, ohne Dank. Er dachte, wie satt er sich manchmal seines mühseligen Lebens fühlte, wie gern er an einem Ort, der ihm zu eigen gehörte, ausruhen würde. Warum anderen alles in den Schoß fiel, bevor sie noch angefangen hatten etwas zu leisten, und er, der so viel gedient und gearbeitet hatte, noch immer kein Land hatte, wo er der Herr war, das konnte er nicht begreifen; er müsse es Gott anheimstellen. Indem er aufsah, fiel sein Blick auf einen Schafhirten, der, auf einen Stock gestützt, den kriegerischen Zug betrachtete, während die Schafe, in einen Haufen gedrängt, zwischen dem purpurnen Heidekraut standen. Der Himmel war grau und still, die Luft warm, nichts bewegte sich als die langsam wie ein fernes Segelschiff vorrückende Herde. Tilly dachte, wie wohl dem Manne sein müsse, der nun bald zu seiner Hütte zurückkehrte; immer begleitete ihn diese treue Ebene, harrte und hütete seiner eine hohe Föhre oder ein immergrüner Wacholderbaum oder ein breites Haus mit samtschimmerndem Moosdach. Auch die ernsthaften, schweigsamen Menschen gefielen ihm besser als die vom Rheine; es hätte ihn gefreut, wenn Gott sich seiner als Werkzeug bedienen wollte, um ihnen den rechten Glauben zu bringen.

Einige Tage später kam der Amtmann mit rotem Kopf und brachte unter vielen Entschuldigungen vor, es hätten ein paar Soldaten einen Schafhirten erschossen, der seine Schafe gegen sie hätte verteidigen wollen. Tilly solle die Gnade haben und dazusehen, daß die Schuldigen bestraft würden, es sei großes Geschrei und Jammer im Dorfe, er wisse der wütenden Bauern nicht mehr Herr zu werden. Tilly sagte, er habe die Obrigkeit oft und oft ermächtigt, schuldige Soldaten festzunehmen und nach Gebühr zu bestrafen; ob man denn die Schuldigen kenne und ihrer habhaft geworden sei? Ja, sagte der Amtmann, sie hätten auch gestanden, und der Profos wolle sie henken; da seien andere Soldaten in Haufen gekommen, murrten und wollten es nicht leiden.

Er wolle sofort selbst kommen, sagte Tilly, stieg zu Pferd und ritt dem Amtmann so schnell voran, daß der kaum nachkommen konnte. Vor der nächsten Ansiedelung traf er auf die zusammengerotteten Soldaten, die aber Platz machten, als sie den General kommen sahen, ritt mitten hindurch, hielt an und fragte, wo die Leute seien, die den Schäfer erschossen hätten, sie sollten sich melden. Nach einer Pause traten zwei hervor, der eine mit gesenktem Kopf, der andere dreist und böse Tilly ins Gesicht blickend; von den Stricken hatten die Kameraden sie inzwischen frei gemacht. Der Alte fuhr sie rauh an: ob sie die Gesetze nicht kennten? Wie sie dazu gekommen wären, einen friedlichen Hirten, der seine Schafe weidete, zu töten? Ob das eine Tat, eines christlichen Soldaten würdig, sei? Ob sie nicht selbst einsähen, daß sie den Tod verdient hätten? Womit sie sich entschuldigen wollten? – Der eine von beiden antwortete trotzig: sie hätten Hunger und nichts zu essen. Tilly zögerte einen Augenblick; er wußte, daß trotz seiner Mahnungen der Sold seit langem ausgeblieben war und daß die Bauern mit ihren Lieferungen im Rückstand zu bleiben anfingen; der Amtmann hatte erst kürzlich geklagt, sogar die Mäuse stürben Hungers, weil sie weder im Hause noch im Felde mehr etwas fänden. Andererseits bedachte er, daß Nachsicht ein böses Exempel geben und der Sache schaden könne, zumal er nicht in Feindesland sei; darum sagte er kurz, die Gesetze müßten gehalten werden, die Schuldigen sollten sich zum Tode bereiten, Hunger entschuldige Raub und Mord nicht. Die übrigen sollten sich durch die Exekution warnen lassen und sich nie wieder der heiligen Justiz in den Arm zu fallen anmaßen. Vor seinem strengen Blick wagte keiner sich zu rühren, die Schuldigen ließen sich stillschweigend ergreifen und hingen in wenigen Minuten leblos von den Zweigen einer in der Sonne flimmernden Birke herunter.

Traurig ritt Tilly heim, von Sorge gequält, wie es mit der Disziplin und dem Soldatenwesen werden sollte, wenn der Krieg noch immer kein Ende nähme und die Unlust der Fürsten, den Beutel zu ziehen, größer statt geringer würde. Die geistlichen Fürsten, die Schatzkammer und Speicher voll hatten, speisten ihn mit Ausreden und Entschuldigungen ab, indes er nicht mehr wußte, wie er mit gutem Gewissen die Ordnung zwischen dem armen gequälten Bauersmann und dem hungernden Soldaten aufrechterhalten sollte. Wie das Vieh wurden die Soldaten geachtet, das zum Abschlachten gekauft wird, und schlechter, da man ihnen nicht einmal das Futter oder den bedungenen Lohn reichte. Er hatte stets seine Ehre darin gesucht, den Krieg so zu führen, daß dem Soldaten und dem Landmann sein Recht werde, soweit es möglich sei, und er wunderte sich, ob der Herzog von Bayern, sein Herr, ihn nicht besser darin unterstützen und die Ligafürsten zu ihrer Pflicht anhalten könne. Dann dachte er an Wallenstein, wie der seine Soldaten hausen ließ, wie der Kaiser ihn hochhielt, wie Offiziere und Soldaten ihm zuliefen, wie Freund und Feind vor ihm zitterte und wie die Welt von seinem Ruhme voll war. Mühsam überwand er solche Gedanken, indem er bei sich ein Gebet zu Gott und der Heiligen Jungfrau sprach; diesen, dachte er, solle das Gericht überlassen sein.

*

In Würzburg trug es sich zu, daß zu dem Jesuitenpater Spee eine Frau aus Veitstöckheim kam und zu beichten verlangte. Als er sie zu sprechen aufforderte, sagte sie seufzend, sie sei eigentlich nicht Beichtens wegen gekommen, sondern um seinen Rat einzuholen, da sie gehört habe, er habe vielen Frauen, die als Hexen verbrannt worden wären, in ihrer letzten Not beigestanden. Sie sei nun seit sieben Jahren mit ihrem Manne verheiratet, sie hätten ein Kind miteinander und hätten friedfertig gelebt, bis ihr Mann kürzlich eine wohlhabende Witwe kennengelernt und sich in sie verliebt habe. Seitdem sei er kaltherzig gegen sie geworden, gebe ihr oft harte Worte, lasse sie fühlen, daß sie kein Geld in die Ehe gebracht habe, und bleibe oft nächtelang aus, Spee könne wohl denken, wo. Einmal sei sie in ihrem Schmerz zornig gegen ihn geworden und habe ihm gedroht, sie werde sich rächen, wenn er sie verließe; da habe er gesagt, nun sähe er, was für ein Mensch sie sei, sie gehöre zur Hexenzunft und wolle ihm etwas antun, er werde sich aber zu schützen wissen. Von der Zeit an lasse er sich nur wenig mehr zu Hause sehen, spreche fast nie mehr mit ihr und sehe sie zuweilen scheu von der Seite an, als ob er nichts Gutes gegen sie im Sinne führe; es werde ihr oft bange, und sie habe bei sich bedacht, ob sie nicht ihr Kind nehmen und auswandern solle, irgendwohin unter dem Schutze Gottes. Hier sei sie schutzlos, seit ihr Mann sich von ihr abgewendet habe, und wenn sie in Bedrängnis geraten sollte, würde sich niemand ihrer annehmen.

Spee betrachtete die Frau mit Anteil: sie hatte dunkle Augen, deren sanfter Blick wie ein balsamischer Finger, so war es ihm, über ihn hinglitt; sonst war sie weder schön noch häßlich, weder groß noch klein, gleichmäßig gewachsen und leise und schüchtern von Gang und Bewegungen. Sie solle es doch noch mit der Güte bei ihrem Manne versuchen, sich nicht zornig und eifersüchtig gebärden, sondern ihn durch Freundlichkeit und Geduld zu gewinnen suchen. Die Miene der Frau verdunkelte sich, indem sie sagte, das habe geholfen, solange er keine andere geliebt habe; Spee kenne die Männer nicht, wenn er glaube, eine Frau könne ihre Liebe durch Liebe wiedergewinnen; daß sie ihn liebe und nach ihm verlange, wisse er ohnehin, wolle es aber nicht wissen. Ob er denn das Kind nicht mehr liebhabe? fragte Spee. Das sei das Allerwerteste, gab sie zur Antwort, daß die andere, die ihren Mann für sich haben wolle, das Kind an sich gezogen habe. Sie schenke ihm seidene Tücher, Puppen, Süßigkeiten, was sie ihm niemals habe geben können, und verlocke es damit. Das Kind, das sonst fromm und gut gewesen sei und an ihr gehangen habe, schaue sie jetzt oft feindlich an, und einmal, als sie es habe strafen wollen, habe es sie Hexe gescholten.

Wenn sie sich unschuldig wisse, sagte Spee nach längerem Nachdenken, so rate er ihr doch, daheim zu bleiben. Wohin sie denn wolle? Das würde den Verdacht erst recht auf sie ziehen. Er könne sich nicht denken, daß ihr Mann so schlecht sei, falsches Zeugnis wider sie abzulegen. Vielleicht rühre Gott sein Herz, daß er in sich gehe und umkehre, sie solle nur in Treue ausharren und sich nichts zuschulden kommen lassen. Gott sei gerecht, ihm dürfe sie vertrauen, wenn sie ein reines Herz habe, und daß sie das habe, fügte er gütig hinzu, lese er in ihren Augen. Die Frau lächelte dankbar, obwohl sie nur wenig getröstet war, und ging heim, wurde aber schon nach drei Tagen als der Hexerei Angeklagte beim Würzburger Gericht eingeliefert.

Spee, der davon hörte, lief sogleich hin, um ihr beizustehen, und kam gerade dazu, als der Mann, das Kind an der Hand, aussagte, was er von ihrer Hexerei wisse. Er habe sie sehr liebgehabt und zur Frau genommen, obwohl sie ihm kein Heiratsgut gebracht habe und er manche andere, begüterte hätte haben können. Seine Freunde und Verwandten hätten damals schon gesagt, das Mädchen müsse ihn behext haben, weil seine Liebe sonst so groß nicht sein könnte, und jetzt glaube er das auch, wennschon er es damals nicht hätte hören wollen; denn seine Liebe habe hernach bald abgenommen und habe also wohl keinen natürlichen Grund gehabt. Erst habe er nichts Fremdartiges an ihr wahrgenommen, außer daß er zuweilen Kopfweh und Bangigkeit gehabt habe und daß Schmerzen und Angst gleich verschwunden wären, wenn sie ihre Hand auf seine Stirn gelegt hätte. Sie hätte auch besondere Suppen kochen können gegen das Magenweh, und es könne wohl sein, daß sie ihm darin etwas beigebracht hätte, um ihn an sich zu fesseln. Zuletzt wäre er einmal nachts nach Hause gekommen und hätte sie nicht im Bett angetroffen, und als er da aus dem Fenster in den Garten hinuntergesehen hätte, um sich die Zeit zu vertreiben, hätte da eine große schwarze Katze gesessen und ihn falsch aus grünen Augen angeglotzt. Es könne wohl nicht anders sein, als daß das seine Frau gewesen wäre; denn am folgenden Morgen sei seine Frau wieder da, die große schwarze Katze aber verschwunden gewesen. Schließlich sei das Kind krank geworden und hätte eine mißfarbige, übelriechende Materie ausgespien, wovon der Arzt die wahre Ursache nicht hätte entdecken können; es hätte fast das Aussehen, als habe die Frau es dem Kinde angeblasen, um ihn zu kränken. Auf Befragen sagte das Kind, ein sechsjähriges Mädchen mit rötlichblonden Locken, die Mutter habe es dreimal angehaucht und dazu etwas gemurmelt.

Die Frau hielt während dieser Zeit ihre sanften Augen düster auf ihren Mann geheftet, sagte aber nichts. Spee, der in großer Unruhe zugehört hatte, zog einen der Richter auf die Seite und sagte ihm, er kenne die Frau, sie sei unbescholten, fromm und gut, habe nichts mit dem Teufel zu schaffen, er bürge dafür. Die Aussage ihres Mannes gelte nicht, wer könne wissen, ob er die Wahrheit sage? Was er da geschwatzt habe, seien ja nur törichte, unbegründete Vermutungen.

Wieso? entgegnete der Richter; der Mann sei ein ordentlicher, gutbeleumdeter Mann, und es werde sicher keiner etwas wider seine eigene Frau aussagen, wenn er es nicht Gott und der Wahrheit zuliebe tun müsse. Gerade weil es der Ehemann sei, der gegen sie zeuge, müsse man es glauben und bedürfe es anderer Zeugen nicht mehr.

Großer Gott, rief Spee, man wisse doch, wie oft Eheleute einander feind würden. Der Mann könne ihrer am Ende gar loswerden wollen! Der Richter solle doch bedenken, fuhr er, einem neuen Einfall nachgebend, fort, daß die Frau arm sei, wozu solle man dem Gericht die Kosten aufbürden, sie zu beherbergen, zu beköstigen und endlich zu verbrennen?

Spöttisch das Gesicht verziehend, sagte der Richter, er durchschaue, wo Spee hinauswolle. Spee müsse aber nicht fürchten, daß der Staat sich wegen der Hexe zu sehr angreife, der Mann müsse für sie zahlen, er habe genug dazu.

Indessen war der Henker gekommen, hatte die Frau entkleidet, das Hexenmal gesucht und sagte vergnügt, da hätten sie einen guten Fang getan. Wenn der Mann sich besser auf die Zeichen verstände, hätte er längst den Bock riechen müssen. Dann holte er eines der Folterwerkzeuge, hielt es ihr vors Gesicht und fragte, ob sie wisse, was das wäre, worauf sie, die bis dahin unverwandt ihren Mann angesehen hatte, unwillkürlich zurückschauderte und sagte: »Das ist ein Bratspieß.« Der Henker begann laut zu lachen: »Ein Bratspieß!« rief er, sich auf die Schenkel schlagend, »ja, da hast du recht! Wir wollen einen hübschen fetten weißen Braten daran rösten! Da wird das Fett herunterfließen! Da wird uns das Wasser im Munde zusammenlaufen!«

Als er dann, gleichsam versuchsweise, einen eisernen Ring um ihren Arm legte und langsam zusammenschraubte und sie laut aufschrie, schrie auch das kleine Mädchen auf und streckte, das Gesicht jämmerlich verziehend, die Arme nach seiner Mutter aus. Das hübsche Gesicht des Mannes wurde fahl, und er sagte, sie möchten ihn nun gehen lassen, er könne kein Blut sehen; wenn sich einer nur in den Finger schneide, werde ihm übel. Ja, sagte der Richter, wenn er so zimpferlich wäre, solle er nur gehen, sie brauchten ihn ohnehin nicht mehr, worauf der Mann, ein wenig geduckt und schleichend wie eine Hyäne, das Kind an der Hand, sich davonmachte. Überhaupt, fuhr der Richter fort, sich an Spee wendend, wäre dies kein öffentlicher Ort, wo alles zusammenlaufen dürfte, Spee solle wiederkommen, wenn er gerufen würde, um das Gewissen zu retten.

Nachdem Spee mehrere Male die Hände ringend um das Ordenshaus herumgegangen war und auf der Schwelle noch unschlüssig gezaudert hatte, ging er hinein und bat um Gehör bei seinem Vorgesetzten, den er für einen klugen, verständigen Mann hielt. Er stellte diesem vor, daß sein Gewissen es nicht länger ertrage, so viele unschuldige Menschen Martern leiden und eines schmerzhaften und schmählichen Todes sterben zu sehen, ohne dagegen Einsprache zu tun. Er könne bei Gott beschwören, daß nicht eine von den Frauen, die er zum Feuertode vorbereitet habe, der Zauberei und des Umgangs mit dem Teufel schuldig gewesen sei, vielmehr hätten viele von ihnen inmitten einer Marter, wie er selbst sich nicht getrauen würde, sie auszustehen, die Himmelsgüte von Heiligen bewiesen, indem sie ihren Feinden und Verderbern vergeben und sich selbst der Sünde geziehen hätten, weil sie sich von der Folterqual falsche Geständnisse hätten entreißen lassen.

Der andere fragte nachdenklich, ob etwa Spee sagen wolle, daß alle der Hexerei Beschuldigten unschuldig wären und es sich dabei überhaupt nur um ein erdichtetes Verbrechen handle?

Das wolle und könne er nicht entscheiden, sagte Spee, obwohl es ihm unwahrscheinlich vorkomme, daß der Teufel fleischlichen Umgang mit Menschen haben sollte; aber er wolle das dahingestellt sein lassen und sich nur an das halten, was er gesehen habe. Das sei keine Justiz, das sei ärger als Raub und Mord. Da seien weder Beweise noch Verteidigung. Die Fürsten, Herren, Geistlichen und Richter, die das anstifteten, zuließen und ausführten, wären gottloser, als der Teufel selbst sein könne.

Ob er schon einmal von diesen Ansichten irgend etwas habe verlauten lassen? fragte der Obere.

Ja, sagte Spee, er habe den Richtern in einzelnen Fällen Vorstellungen gemacht; sie hätten ihn aber mit groben oder spöttischen Worten abfahren lassen und ihn geheißen, sich nicht einzumengen, auch angedeutet, es sei schon bekannt, daß er es mit den Hexen halte. Anstatt Nutzen habe er sogar Schaden gebracht, indem sie ihm zum Trotz in ihrem System, das nichts als sinnlose Willkür sei, verharrten und seine Vorwürfe die Unglücklichen entgelten ließen. Man müsse es anders anfangen, müsse aller Welt bekanntmachen, wie da verfahren würde, wie Ehre, Glück und Leben wehrloser Frauen den Bösen, Habgierigen, Grausamen und Gedankenlosen preisgegeben sei.

Der Obere sagte, das sei eine ernste, schwierige und zweischneidige Sache, die er nach allen Seiten bedenken wolle. Inzwischen gebe er Spee auf, gegen jedermann davon zu schweigen und nichts anderes zu tun, als was ihm als Beichtvater der angeklagten Frauen obliege.

Beklommenen Herzens ging Spee zu der Frau, die, nachdem noch einige Zeugen abgehört worden waren und sie auf der Folter zugestanden hatte, was man ihr abfragte, zum Feuertode verurteilt worden war. Nachdem er sie um Verzeihung gebeten hatte, weil er sie schlecht beraten habe, sagte er, daß sie unschuldig sei, wisse er; er wisse nicht, warum Gott dies Leiden über sie verhängt oder zugelassen habe, das seien Gottes Geheimnisse, die erst vor seinem Angesicht offenbar würden. Sie solle sich in den Willen des Herrn ergeben, ihren Peinigern verzeihen und ihrer Seele ein hochzeitliches Gewand anlegen als eine, die zum Himmel einginge. Sie sah ihn mit ihren sanften braunen Augen an, die düster blickten und rot umrändert waren, und sagte, sie wolle wohl den Richtern und auch dem Henker verzeihen, der sie gefoltert habe, nicht aber ihrem Manne; das könne sie nicht, und das könne Gott auch nicht von ihr verlangen. Spee bedachte sich eine Weile und sagte dann, wenn sie es nicht könne, so glaube er, Gott werde es ihr nicht anrechnen. Sie solle aber wissen, daß Lohn und Strafe in Gottes Hand liege und daß auch ihrem Manne werde gegeben werden, nach dem er gehandelt habe.

Ob er die ewige Pein werde leiden müssen? fragte sie.

Wenn er seine Sünde nicht bereue, sagte Spee zögernd, so glaube er wohl, daß seine Seele auf ewig der Finsternis angehören werde. »Aber zuvor«, fragte sie, »wird er in Glück und Freuden leben mit seiner neuen Frau und mit meinem Kinde?«

Ach, das sei ja nur ein Augenblick, sagte Spee. Soviel seine Seele sündig sei, so viel sei sie schwer und dunkel und versinke mit jedem Augenblick tiefer in das Reich der Finsternis. Vielleicht sei noch ein lichtes Fünklein in seiner Seele, daran die Engel sie erkennen und erlösen könnten: ob sie bereit sei, mit ihm dafür zu beten? Sie schüttelte den Kopf und sagte, dafür könne sie nicht aufrichtig beten.

»Meine Tochter,« sagte Spee bittend, »denke jetzt nicht mehr an deinen Mann noch auch an dein Kind, noch an alles das, was du gelitten hast, sondern denke an Gott. Wirf die Vergangenheit unter dich und schau in das große Licht, das deiner wartet und in dessen Glanze du ausruhen wirst von den Qualen der Erde und ihrer vergessen.«

Sie sagte, wie sie an das Licht denken könne in der schwarzen Grube, in die man sie geworfen habe. Solange er könne, wolle er bei ihr bleiben und mit ihr beten, sagte Spee, und wenn er fern von ihr sei, solle sie denken, daß er auch dann für sie bete. Es wären noch viele da, die er in ebensolchen Leiden trösten müsse, sonst würde er sie nicht verlassen.

An dem Tage des großen Hexenbrandes fuhr Spee mit vier oder fünf Frauen auf einem Karren nach dem Richtplatze vor der Stadt, wo die Scheiterhaufen standen; es waren aus Holzscheiten und Strohbündeln zusammengeschichtete Hütten, in welche die Verurteilten hineingestoßen wurden und wo der Rauch sie schnell erstickte. Die Frauen hatten hohle, fieberrote Wangen, einige stierten blöde vor sich hin, andere stammelten die Gebete mit, die die Priester ihnen vorsprachen. Als sie von dem Karren heruntergerissen waren und warteten, während der Schinder das Feuer anschürte, wandte sich Spee zu der Frau mit den sanften Augen und sagte, sie solle mit ihm beten, daß Gott ihre Seele in Gnaden zu sich nehme. Sie kehrte ihren starren Blick von den Menschen, die in Haufen herumstanden und auf das Schauspiel warteten, zu Spee und sagte: »Ich muß im Feuer verbrennen, damit mein Mann in Freuden mit einem anderen Weibe leben kann; ich kann nicht zu Gott beten.«

»Ach, denke nicht mehr an die Erde,« bat Spee dringend, »denke an den Ewigen Vater, dem du angehörst und der die Arme nach seinem Kinde ausbreitet.« Sie schüttelte kurz den Kopf und sagte: »Ich kann nicht. Wenn mein Mann in der Finsternis ist, will ich dorthin, um ihn noch einmal zu sehen und ihn zu fragen, wie er mir das antun konnte.« Spee sank neben ihr auf beide Knie und flehte laut: »Ach, meine Schwester, geliebte Schwester, wende deine Seele zu Gott! Wende deinen Blick nach oben, wo die Krone der Treuen steht!« Als könne er ihre Augen mit sich ziehen, sah er nach dem glänzenden Himmel, der hoch über den lachenden Fluren flog und am Horizont mit dem funkelnden Main zusammenströmte. Währenddessen hatte sich der Henker ihrer schon bemächtigt und sie mit anderen Frauen in eine von den rauchenden Hütten hineingestoßen, so daß er nicht wußte, ob sie ihn vernommen hatte. So fuhr er fort, laut zu beten und zu rufen: »Gott, Gott, nimm die Seele zu dir, die dein ist, lasse sie nicht in Schmerzen untergehn! Du führst verschlungene Wege, aber sie münden alle in deinem Herzen!«, wie es die Angst und die Not des Augenblicks ihm eingab, bis der Holzhaufen eingestürzt war und kleine Flammen aus dem Schutt hervorleckten.

Am Nachmittage, als seine Arbeit getan war, ging er vor das Tor, den Main entlang und einen Hügel hinauf, der mit Eichen und Buchen licht bestanden war; die Knie wankten ihm, sein Herz war so schwer, daß er es nicht weiter tragen zu können glaubte, er warf sich in das Moos und drückte das Gesicht begierig in die Kühle. Als Knabe hatte er einmal einen Esel unter den Schlägen seines Treibers zusammenbrechen sehen, und das hatte ihn so gewidert, daß er seitdem nach der Zurückgezogenheit des Klosters Verlangen gehabt hatte. Aber als hätte Gott seine Feigheit strafen wollen, verfolgte ihn, wohin er immer sich flüchtete, der Jammer der Kreatur. Das eine hatte er erfahren: unermeßlich weit war die Erde von Gott; und wenn sie nun, so fragte er sich zuweilen schaudernd, unerreichbar weit von ihm wäre? Seit er in Würzburg war, hatte er so viel Ekel und Grauen in sich verschlossen, daß seine Seele vergiftet war, sein Auge das Licht oft dunkel sah, die Rose ihm faul roch und das Brot ihm wie Galle schmeckte. Er sah, wie die Mächtigen den Schwachen beraubten, wie sie, wenn er nackt zu ihren Füßen lag, ihre Übermacht Güte und seine Ohnmacht Schlechtigkeit nannten; er sah die käufliche Menge auf den Knien, um ihre Untaten zu feiern, und dienstwillig bei der Hand, um ihre Opfer zum Tode zu schleppen. Er sah die Dummheit stolzieren und die Vernunft verschüchtert schweigen, er sah die Grausamkeit auf dem Stuhle des Richters und die Barmherzigkeit im Kerker der Missetäter.

Indem er sich aufrichtete, sah er unter sich die gekrümmten Zweige einer grauen Weide in das fließende Wasser gebogen und in einer kleinen Bucht, die dadurch entstand, ein paar Enten mit ihren Jungen plätschern; am jenseitigen Ufer war der Boden eingesenkt wie eine Wiege, und aus der mit grünen Büschen gefüllten Vertiefung ragten ein paar rote Dächer hervor und streckte ein Kirchturm seine feine, gerade Spitze. Er wendete seine Augen weg und bedeckte sie mit beiden Händen; nichts freute ihn mehr, die geschmückte Erde erschien ihm wie eine kalte, freche, geschminkte Buhlerin. Um diese Erde zu heiligen, war das Blut des Gottessohnes das Kreuz hinuntergeflossen; wie kam es nur, dachte Spee, daß das Gottesblut den gemeinen Stoff der Welt doch nicht hatte edel machen können? Hatte er den Menschen nur den Weg weisen wollen, damit sie selbst Anteil an der Erlösung ihrer Heimat hätten? Die Hände erhebend, flehte er zu Gott, ihn auch als Opfer anzunehmen, ihn nicht zu verwerfen, sein Blut in Tau zu verwandeln, das die Zertretenen und die Blinden erquicke.

Es war inzwischen Abend geworden, himbeerfarbene Wolken bekränzten den Himmel und glühten dunkler aus dem Fluß hervor, der, von den Uferhügeln umschlungen, sacht in die weiße Dämmerung hinüberflüsterte. Das Beten hatte Spee beruhigt, und über sein verhärmtes Gesicht flossen Tränen. Jetzt, dachte er, ist das Leiden jener Unglücklichen vorüber, und die versöhnte Klarheit ihrer Augen lächelt der göttlichen Allgegenwart. Der Abendwind, der über ihn hin blies, schien einen Schleier von seiner Seele abzustreifen; es war ihm, als hätte er ein wildes Spiel vermummter Gaukler für schmerzende Wirklichkeit gehalten.

Mit jedem Schritt jedoch, den er der Stadt zu machte, wurde sein Herz wieder schwerer; wenn er einer Frau begegnete, dachte er, daß er ihren Leib vielleicht morgen schon von der Folter zerrissen sehen werde.

Nach einiger Zeit ließ ihn sein Vorgesetzter zu sich rufen und sagte ihm, er habe reiflich über alles nachgedacht, was Spee ihm vorgetragen habe; er glaube, daß viel Ungerechtigkeit bei den Hexenprozessen wie bei anderen Sachen unterliefe; aber der Orden könne sich nicht mit Dingen befassen, die ihm Feindschaft zuziehen würden. Der Orden kämpfe für die Kirche und erweise ihr große Dienste; er würde also der Kirche schaden, wenn er sich schadete, und dürfe sich von seinem Ziel nicht abwenden lassen.

Spee sagte, indem er die Hände übereinanderfaltete, er leide viel Anfechtung, weil er nicht verstehen könne, daß die Bekenner Christi und namentlich die Geistlichen nicht sollten die Pflicht haben, dem Unrecht überall zu steuern und denen, die Unrecht litten, beizustehen. Die hätten sie wohl, sagte der Obere, wenn nicht eine höhere Pflicht voranginge; diese wäre jetzt aber, allen Kämpfen auszuweichen, um nur den Kampf für die katholische Kirche zu führen. Er stehe ja den Unrecht Leidenden bei, indem er sie tröste und auf den Himmel vorbereite.

Er finde dabei keine Ruhe, sagte Spee. Er fühle sich gedrängt, das himmelschreiende Unrecht, das er mit Händen greife, in einem Buche darzustellen, aller Augen darauf zu lenken und dafür zu öffnen, damit es sich verkriechen müsse. Gott habe den Erzengeln geboten, die Drachen zu bekämpfen; es sei jetzt einer da, der täglich die Unschuld verschlinge und den noch kein Ritter gewagt habe anzugreifen.

Es könne und dürfe nicht sein, sagte der Obere mit nicht unfreundlicher Strenge. Die Kirche sei für die Kirche da. Spees erste Pflicht sei Gehorsam, den solle er leisten und solle künftig mit dieser Sache nicht wieder an ihn gelangen.

Wenn dem so sei, sagte Spee, so bitte und flehe er, die Last von ihm zu nehmen, ihn anderswohin zu schicken und ihn mit Predigt oder Unterricht zu beschäftigen. Er könne nicht für sich einstehen, wenn er hierbleiben müsse; lieber wolle er selbst mit den Hexen verbrennen als länger ihre Qualen stillschweigend mit ansehen.

*

Als die Kaiserlichen unter Wallenstein in Verfolgung des Feindes an die Küste von Jütland kamen, sahen sie in der Ferne die dänischen Schiffe, die ihn unerreichbar entführten. Solche Rosse, die auf dem Wasser laufen könnten, möchte er auch haben, sagte Wallenstein zu Arnim, der neben ihm ritt, worauf dieser erwiderte, ja, ohne sie hätten sie die Dänen bis auf den letzten Mann niedergemacht, oder sie hätten in den Graben springen und ersaufen müssen. Wallenstein blieb stundenlang am Strande und starrte auf das unzugängliche Element, das, vor seinen Füßen ausgegossen, ihn durch sein Dasein unterjochte. Es wurmte ihn, daß das Göttertier seinen schäumenden Nacken dem geschlagenen Dänenkönige beugte und ihn, Wallenstein, den Sieger, verhöhnte. Es tanzte vor ihm über die Felsen, daß die aufspringenden Tropfen ihn bespritzten, überblies ihn mit dem Dampf seiner Nüstern, und sein jauchzendes Wiehern gellte ihm ins Gesicht, weil es wußte, daß er ihm keinen Zügel überwerfen konnte. Neue, mächtige Gedanken stiegen in ihm auf; armselig, dachte er, sei die Herrschaft der Erde; es sei das Meer, das Könige mache. Er dachte an Sidon und Tyrus, das Alexander vergeblich belagert hatte, an Griechenland und Rom und Byzanz. Was für ein Bettlerfürst war im Grunde der Kaiser deutscher Nation von jeher gewesen, ein Bauer auf einem verschuldeten Hofe, der niemals Geld in der Hand hatte; eine alte, verschrumpfte Reliquie, die von schlauen Marktschreiern ausgestellt und von Toren verehrt wurde. Macht hatten nur die, denen das Meer gehörte, England und Spanien, und jetzt die Holländer, die es ihnen geraubt hatten. Sie, die Krämer, hatten es gezähmt, das Zauberroß, aus dessen Mähne die unschätzbaren Perlen rinnen, dessen Hufschlag Sand in Gold verwandelt, dessen Atem bewaffnete Heere vernichtet. Wallenstein glaubte nicht, daß das heroische Element sich dem Bürgervolke lange bequemen würde; aber da war ein anderer, der es lockte und auf den es horchen mochte, ein junger, rascher König, den sein biegsamer Rücken schon oft getragen hatte, der Schwede Gustav Adolf, der war zu fürchten. Er überdachte, was für ein unbändiges Geschlecht die Wasa waren; sie planten wild und kühn ins Weite. Was für Träume mochte dieser Gustav haben, der, fast noch ein Knabe, das Schwert ergriffen und es siegreich hierhin und dorthin geführt hatte? Schweden war ihm zu arm und zu klein; er phantasierte, das wußte Wallenstein, von einem großen Bunde aller nordischen Mächte gegen Spanien und Österreich. In diesem Bunde würde keine aufrichtige Freundschaft sein; denn Gustav Adolf wollte nicht ein Gleicher unter andern, sondern er wollte der Herr sein, Herr des Meeres, Herr der Erde. Zwischen ihm und den Dänen, wenn sie sich auch als nachbarliche Freunde gebärdeten, war Mißtrauen und Eifersucht, ebenso zwischen ihm und den Staaten. Sie waren alle Nebenbuhler um das Meer; es müßte viel Blut fließen, dachte Wallenstein, bevor die Hochzeit mit dieser Amazone gefeiert würde.

Er ließ Arnim zu sich kommen, der vor zehn Jahren im Dienste Gustav Adolfs gestanden hatte, und fragte ihn über den schwedischen König aus. Ob die schwedischen Stände mit dem Kriege einverstanden wären? Ob er sein Land verlassen könne, ohne Rebellion befürchten zu müssen? Ob das Volk zum Handel fähig und willig sei? Arnim sagte, nein, was den Handel betreffe, so habe es damit noch gute Wege. Der König reite einen schärferen Trab als sein Volk, das gehe meist auf schweren Bauernschuhen zu Fuße. Sie wären auch mit dem Kriege nicht einverstanden; aber die Bauern ließen doch nicht von ihm, weil er der protestantische König sei und den Adel in Schranken halte. Freilich habe er, den Adel betreffend, die Zügel ein wenig lockerer gelassen als sein Vater und sein Großvater, denn ein Fürst könne ohne den Adel doch einmal nicht bestehen, und dadurch habe er nun auch den Adel so ziemlich auf seiner Seite. Rebellion habe er nicht zu befürchten, außer wenn er schwere Niederlagen erlitte; aber es würde ihn kaum einer besiegen. Die besonderen Eigenschaften seiner Person kämen dazu, ihn sicher zu machen, die alle Menschen fessele und beherrsche.

Wie denn seine Person beschaffen sei? fragte Wallenstein.

Das könne man nicht eigentlich beschreiben, erwiderte Arnim. Sein Antlitz sei, wenn er sich unter Menschen aufhalte, immer freundlich und kühn, sein Wort immer so fest und froh, als ob es ihm von Gott eingegeben sei. Er könne mit dem gemeinen Mann sprechen, als sei er seinesgleichen, und doch vergesse keiner je, daß er König sei. Es gehe etwas von ihm aus, daß man ihn liebhaben müsse, wenn man ihm auch dem Verstande nach mißtraue.

Ob er tapfer und freigebig sei? fragte Wallenstein weiter. Ob er sein Tun lange vorher bedenke? Ob er den Weibern zugänglich sei oder sich von Günstlingen leiten lasse?

Ja, so tapfer wie er, sagte Arnim, sei kein anderer. Er sei verwegen, und seine Lust an Getümmel und Gefahr habe Anteil an seiner Kriegspolitik. Er habe auch den Glauben, es könne ihm nichts geschehen; aber das komme wohl mehr aus seinem sorglosen Gemüt als aus Stolz oder Religion. Freigebig sei er nicht eigentlich, weil er wenig habe, doch auch nicht geizig. Für seine Person liege ihm nichts am Gelde, er wolle nur sein Land reich und mächtig machen. Ebenso habe er für Pracht und Kunst nicht viel Sinn und schätze es nur, weil es die Dignität eines Landes vermehre; er für sich begehre nur Kampf und Abenteuer. Deswegen tue er aber doch nichts voreilig und unbedacht, und es sei überaus schwer, ihn zu täuschen oder zu überlisten, und wenn sein Wille auch stärker sein möchte als sein Rechnen, so verstehe er sich doch wohl auf Temporisieren, Dissimulieren und Hinhalten und könne Gelegenheit erwarten, wenn es sich um große Dinge handle. Die Weiber betreffend, so habe er einige Male unter seinem Stande geliebt, wisse die Flamme aber rechtzeitig auszutreten und fange nicht leicht Feuer. Günstlinge habe er nicht, und der Einfluß des Kanzlers Oxenstierna, wenn er auch sein Freund sei, dürfe nicht zu hoch angeschlagen werden; am Ende gehöre sein Herz ihm allein und fahre für sich verborgene Wege.

Warum er, Arnim, sich denn von Gustav Adolf getrennt habe, fragte Wallenstein zuletzt, da er ihn doch in so großer Konsideration zu haben scheine?

Da er nicht immer des Königs Meinung gewesen sei, sagte Arnim mit einem verdrossenen Blick auf Wallenstein, habe es ihm nicht länger gepaßt, ihn ästimieren zu sollen. Was habe auch ein Brandenburger bei den Schweden zu tun? Der Schwede sei wohl besser zu leiden als der Pole; aber man wäre doch allemal froh, wieder unter sich zu sein.

Als Arnim sich entfernt hatte, wiederholte Wallenstein bei sich alles, was jener ihm gesagt hatte. Verborgene Wege, dachte er höhnisch; ihm wären die Wege des Schwedenkönigs nicht verborgen. Und sollten sie es Arnim sein? Sollte sich Arnim nicht deshalb von Gustav Adolf getrennt haben, weil er des Königs Absicht durchschaute, sich zum Herrn des Meeres, der deutschen Küsten, ja ganz Deutschlands zu machen? Was Arnim ihm über den Schweden gesagt hatte, war nicht geeignet, Wallenstein zu beruhigen, nur das war günstig, daß der König unbekümmert die Gefahr aufsuche; denn solche, dachte er, treffe zuletzt immer das Schicksal, das sie albern herausforderten, der Seiltänzer ende zerschmettert auf dem Pflaster. Eine Weile freilich schwebe er hoch wie der Vogel, noch halte den König sein Stern; darum sei er auch so sicher, weil sein Stern ihn ziehe. Wie lange das dauern werde, das sei die Frage. Wallenstein versuchte, ob er selbst, mit den Daten, die er hatte, des Königs Horoskop stellen könne.

Aus seiner Versunkenheit schreckte ihn eine kreischende Weiberstimme, die grell in die tiefe Stille, die im Hause herrschte, hineinfuhr. Wallenstein läutete einem Pagen und ließ den Offizier vor sich rufen, der die Wache im Hofe hatte. Was das zu bedeuten habe? fragte Wallenstein; ob er nicht wisse, daß er durch keinen Laut gestört werden dürfe? Der Anblick des Generals flößte dem jungen Mann solchen Schrecken ein, daß er zitterte: sein mageres Gesicht war aschgrau, und seine Augen sprühten Feuer wie brennende Kohlen. Der Fürst möge verzeihen, sagte der Offizier, ein Mädchen habe Wasser vom Brunnen geholt, um es zur Küche zu tragen, ein Soldat habe sie im Scherz um den Leib gefaßt, da habe sie ihn mit Wasser bespritzt und geschrien. Er habe ihn schon ins Loch legen lassen.

Das sei nicht die Vorschrift, sagte Wallenstein scharf, er müsse hängen. Er solle sofort, ohne Verzug hängen. Sie könnten ihre Hurerei an abgelegenen Orten treiben. Auf diesen Hof dürften keine Weiber kommen, sie sollten das Wasser anderswo holen. Er brauche Ruhe zum Denken, der wachhabende Offizier müsse dafür einstehen; werde er noch einmal gestört, so falle die Strafe auf ihn.

Wallenstein starrte auf die unterbrochene Arbeit und schob sie zurück, um sie einem Astrologen zu geben; er hatte nun keine Ruhe mehr dazu. Jetzt und solange es noch Zeit sei, wollte er die Mittel überdenken, mit denen dem erobernden König zu begegnen sei. Das Sicherste sei, dachte er, ihm zuvorzukommen und sich zuerst auf das schnaubende Roß zu schwingen; denn wer einmal darauf sitze, dem würde es angehören. Zwar hatte er weder Häfen noch Schiffe, noch seetüchtige Mannschaft; aber einem starken Wollen müsse das zu erringen sein. Er suchte auf der Karte die deutschen Meerplätze, die zunächst in Betracht kamen: die Hansestädte würden eben jetzt noch nicht mit Gewalt, vielleicht aber mit List zu gewinnen sein. Sie fürchteten den Dänen und den Schweden, waren feige und geizig; vielleicht würden sie sich durch Handelsvorteile, die man ihnen einbildete, fangen lassen. Mit Mecklenburg war es anders, das hatte er durch Kriegsmacht in der Hand. Mit den beiden Herzögen, trägen, schwachsinnigen, vertrunkenen Herren, der frechen, selbstsüchtigen Ritterschaft, den an Knechtschaft gewöhnten Bauern würde er leicht fertig werden; nur durfte er nicht Tilly und durch ihn den Herzog von Bayern den Fuß hineinsetzen lassen. Er konnte sich dieses Landes bedienen, wie wenn es sein Eigentum wäre; das angrenzende Pommern würde ohnehin dem Kaiser zufallen, wenn der letzte Herzog, Boleslaw XIV., der sich um Manneskraft und Verstand gesoffen hatte, mit Tode abgegangen wäre. Wenn Brandenburg danach griffe, könnte man ihm auf die Finger klopfen; besorglich war es, daß der Schwede auf die gleiche Beute lauerte. Dahin durfte es nicht kommen, daß der Schwede den Fuß auf die deutsche Küste setzte; er, Wallenstein, wollte dafür sorgen, daß er auf kantige Felsen stieße, an denen seine Schiffe die Rippen zerbrächen, daß er froh sein müßte, auf einem Brett zu seinen Heringsdörfern zurückzuschwimmen.

Noch besser würde es doch sein, dachte Wallenstein weiter, wenn man den König anderweitig beschäftigen könne; und das gehe auf zweierlei Art, durch Polen oder durch Dänemark. Die Polen könnten zwar allein nichts ausrichten, und auch mit Dänemark sei der Ausgang fraglich; immerhin wäre doch Zeit gewonnen, während sie miteinander rauften. Erst kürzlich hatte er wieder Briefe aus Dänemark bekommen, die Stände verübelten es dem König, daß er sich absolut machen wolle, und würden den schlecht geführten Krieg gern benützen, um ihn abzusetzen und sich nach einem anderen Haupte umzusehen. Dies wäre ein Brocken, den man Gustav Adolf hinwerfen könnte, damit er sich die Zähne daran ausbisse. Nach einigem Besinnen setzte er mit eigener Hand einen Brief an den König auf: Es könne ihm nicht unbekannt geblieben sein, wie die Habgier des Königs von Dänemark das Römische Reich mit Krieg überzogen habe und wie er durch die kaiserlichen Waffen verdientermaßen heimgeschickt worden sei. Es verlaute, daß die Dänen sich dies ungeschickte Wesen sehr zu Herzen zögen und sich gern einem anderen Haupt unterwerfen wollten. Nun würde dem Kaiser nichts lieber sein, als an seinen Grenzen einen mächtigen und ehrliebenden Monarchen zu haben, mit dem er sicheres Bündnis halten könne, zumal da ja der König von Dänemark zugleich Glied des Reiches sei. Wenn Gustav Adolf sich dieses gleichsam verwaisten Landes annehmen wolle, so brauche er sich nicht zu besorgen, daß der Kaiser ihm zuwider sein würde, und was ihn, Wallenstein, betreffe, so wünsche er nichts sehnlicher, als ein gutes Verständnis mit der königlichen Würde von Schweden zu unterhalten und ihm seine Ergebenheit durch Taten zu beweisen.

*

Den Herzögen von Mecklenburg war es lieb, daß Christian IV. die Flucht ergriff; aber sie machten ihm doch Vorwürfe, weil er sie im Stiche ließ: erst habe er den Karren in den Dreck gefahren, sagte Herzog Albrecht, nun sollten sie ihn wieder herausgraben.

Er hätte es sich denken können, entgegnete Christian, daß sie ihm die Schuld aufbürdeten, nachdem er Leib und Leben für sie gewagt hätte. Sie hätten ihm angetragen, sein Land zu verlassen, um ihnen beizustehen; seine Stände wären unzufrieden und seine Gesundheit erschüttert, zu schweigen von allen den anderen Widerwärtigkeiten, die auf ihm lägen.

Hätte er es ihnen zuliebe getan, so würde er sie jetzt nicht im Stiche lassen, sagte Herzog Albrecht; sie sähen nun wohl, daß es ihm nur um die Bistümer zu tun wäre.

Die hätte er eher durch die Gunst des Kaisers erhalten, sagte Christian böse, als dadurch, daß er ihn bekämpfte.

Ja, schrie Herzog Adolf Friedrich, und er würde sie durch Gunst des Kaisers bekommen und sie dafür preisgeben.

Womit er es verdient habe, sagte Christian, daß sie ihn einer solchen Ehrlosigkeit fähig hielten? Er sehe je länger, je mehr, was für ein wunderliches Kramen mit den deutschen Fürsten sei. Da habe er den Markgrafen von Baden-Durlach, der als ein geschlagener, länderloser Herr flüchtig zu ihm gekommen, freundlich empfangen, in seinen Dienst gestellt und ihm ein schönes Regiment anvertraut. Das habe er durch Unverstand und Leichtsinn vom Grafen Schlick zusammenhauen lassen, und wie er ihn nun vor ein Kriegsgericht habe stellen wollen, damit er sich verantworte, wie es recht sei, habe er sich aufgeführt wie eine geschändete Nonne, gelärmt und gedroht, er sei ein souveräner Fürst des Reiches, den niemand richten könne als der Kaiser, wo er doch weder ein Land noch einen Kaiser mehr habe, da er ja wider ihn in Waffen sei. Sie, die Mecklenburger, sollten ihm nicht auch mit Undank lohnen. Er werde ihrer bundesgemäß und freundvetterlich gedenken und beim Friedensschlusse ihren Vorteil im Auge haben. Übrigens sei seine Sache keineswegs verloren, er müsse nur zuerst die Ordnung in Dänemark wieder herstellen, wenn sie da das Auge des Herrn eine Weile nicht sähen, würden sie übermütig. Er habe geglaubt, gegen Tilly zu kämpfen, da habe sich unversehens das halbe Reich gegen ihn herangewälzt. Darauf sei er nicht gefaßt gewesen, fürchten tue er sich aber keineswegs; wolle der Kaiser seine Bedingungen nicht annehmen, so sei er bereit, das Schwert wieder aus der Scheide zu ziehen.

Tilly und Wallenstein wären zwei gewaltige Feldherren, sagte Herzog Albrecht bedenklich; es könne es nicht leicht einer mit ihnen aufnehmen. Ei was, rief Adolf Friedrich, wenn sie nicht einen Pakt mit dem Teufel hätten, müsse man ihrer auch Meister werden können. Er spucke auf Tilly und Wallenstein miteinander. Der eine sei ein Wallone, der andere ein Böhme; ob es kaiserlich sei, einem deutschen Reichsfürsten Kosaken und Polacken auf den Hals zu schicken? Kein Wunder, wenn man endlich ein Mißtrauen fasse, daß es auf die uralte Reichsfreiheit abgesehen sei.

Christian meinte, er wisse wohl, warum der Kaiser mit den wilden Völkerschaften aufrücke; der deutsche Soldat habe ein Grausen davor und lasse sich desto leichter von ihnen in die Flucht schlagen. Indessen sollten sich die Vettern auf ihn vertrösten, das Blatt werde sich bald wenden. Der Krieg sei einmal wie eine Kinderschaukel, bald sei man oben, bald unten. Nachgeben werde er nicht, auf ihn könnten sie bauen, er werde keinen Frieden schließen, in dem sie nicht mit aller Fürstenehre einbegriffen wären, darauf habe er ihnen sein königliches Wort verpfändet.

Durch diese Versicherungen nicht völlig beruhigt, schickten die Herzöge dem anrückenden Tilly Boten entgegen, sie wären treue Fürsten des Reichs, dem Kaiser stets ergeben gewesen, meinten dies auch bei künftiger Gelegenheit zu beweisen. In das dänische Wesen wären sie wider ihren Willen hineingezogen worden, hätten nie gedacht, sich dadurch dem Kaiser zu widersetzen, da es ja nur auf Defension abgesehen gewesen sei. Sollte es dieser oder jener damit nicht ehrlich gemeint haben, so bäten sie doch, ihnen eine so verräterische Felonie nicht zuzumuten.

Tilly zwar schien diese Entschuldigungen annehmen zu wollen, dagegen näherte sich nun Wallenstein mit seinen Heeresmassen ihrer Grenze und forderte sie auf, der kaiserlichen Truppe Quartier zu geben und die Dänen, soweit deren noch vorhanden wären, aus ihren Ländern zu verjagen. Auf ihre Versicherung der Treue antwortete Wallenstein, es sei gut; wenn sich ihre Worte bewährten, wolle er sie dem Kaiser übermitteln; aber Worte zählten bei ihm nicht, bevor sie mit dem Stempel der Tat geprägt wären, und damit habe es leider in Mecklenburg noch kein klares Aussehen.

Bei einer Zusammenkunft, die Wallenstein mit Tilly in Lauenburg hatte, sprach Tilly von den schlechten Quartieren, mit denen er sich nun lange hätte behelfen müssen, daß in Mecklenburg Vieh und Getreide im Überfluß sei und daß seine Soldaten sich nach langen Entbehrungen erholen könnten; er hoffe, Wallenstein werde ihm dabei nicht hinderlich sein. Sie dienten beide dem gleichen Herrn und hätten gleiche Aufgaben, sollten einander also helfen und fördern.

Er freue sich, daß Tilly so denke, erwiderte Wallenstein, und wolle es an Beweisen seiner Dienstwilligkeit nicht fehlen lassen. Was Mecklenburg anbelange, so sei freilich noch nicht die Zeit, darüber Beschlüsse zu fassen, indem die Herzöge unsichere Gesellen wären und vorsichtig gegen sie gehandelt werden müsse. Es habe damit seine besondere Bewandtnis, und so gern er Tillys Wohl befördern möchte, so müsse er doch vorerst des Kaisers Profit ins Auge fassen.

Tilly sagte, die Herzöge seien allem Anschein nach nur von dem schlauen Dänenkönige verführt worden, und man könne ihnen glauben, daß sie sich künftig dem Kaiser unterwerfen würden. Außerdem könne des Kaisers Nutzen ja nicht besser wahrgenommen werden, als wenn ligistische Truppen in Mecklenburg lägen.

Es müsse sich bald ausweisen, sagte Wallenstein, ob Tillys Meinung von den mecklenburgischen Herzögen nicht zu günstig sei. Zuweilen sei es pfiffig, sich dumm zu stellen. Tilly als ein Mann von Ehre lege jedem die gleiche Gesinnung unter, damit komme man in der Welt nicht durch. Er wolle aber alles tun, was möglich sei, um sich Tilly zu akkommodieren.

*

Nachdem der Feind allerorten herausgeworfen und gefesselt war, begab sich Wallenstein nach Prag, wo viele Künstler und Handwerker tätig waren, ihm einen Palast zu erbauen und einzurichten. Er gefalle ihm soweit wohl, sagte Wallenstein; ob er nach der neuesten italienischen Art gemacht sei? Der Baumeister wies verschiedene Abbildungen und Risse neuer italienischer Paläste in Mantua, Florenz und Genua vor, um zu beweisen, daß er diesen pompösen und heroischen Stil nicht nur fleißig nachgeahmt, sondern in vieler Beziehung übertroffen habe, womit Wallenstein sich zufrieden erklärte. Auch die Maler, die gleichfalls zum Teil Italiener waren, legten ihm ihre Entwürfe zur Ausmalung der Gemächer vor, unter denen die bedeutendste eine Darstellung des Herzogs im Triumphwagen mit einem Lorbeerkranz auf dem Haupte war. Wallenstein betrachtete das Bild gründlich und sagte zu dem Maler, der es skizziert hatte, er solle eine genaue Aufnahme von ihm machen, damit es ähnlich werde und jedermann ihn erkennen könne. Ferner solle über seinem Haupte ein Stern zu sehen sein, als Symbolum der überirdischen Macht, die seine Triumphe regiere.

Von den italienischen Künstlern ließ er sich auch Beschreibungen der Kleidertrachten machen, die in Italien Mode waren, um danach für seinen Hofstaat Gewänder und Livreen anfertigen zu lassen. Seine Gemächer waren den ganzen Tag über von Besuchern voll, die ihm aufwarteten; denn es wollte keiner bei den Einladungen fehlen, die er veranstaltete und bei denen, wie es hieß, die üppigste Fabelpracht verwirklicht wurde.

Im engeren Kreise schilderte Wallenstein dem Kaiser die gegenwärtige Lage und was künftig unternommen werden müsse. Seiner Feinde wären viele, sagte er, die nordischen Reiche wären alle auf dem Sprunge gegen ihn, er müsse sich gerüstet finden lassen und ihnen zuvorkommen. Wenn auch jetzt ein Friede oder Waffenstillstand gemacht würde, so dürfe der Kaiser das Heer doch nicht abdanken; darauf lauerten seine Feinde nur. Um ein wahrhaft mächtiger Fürst zu sein, müsse der Kaiser das Meer beherrschen, sonst werde es ihm immer an Geld fehlen, das nur der Welthandel einbringe. Wenn man nicht aufmerke und Vorsorge, werde das Reich verarmen und die Staaten, Dänemark und Schweden auf seine Kosten reich und mächtig werden. Vielleicht könne der Kaiser die Hansestädte an sich ziehen und durch sie gewissermaßen ein Bollwerk gegen die nordischen Reiche aufrichten, sonst könne es geschehen, daß eines Tages der schwedische König in einen mecklenburgischen oder pommerschen Hafen einlaufe.

Wie weit es denn von da nach Prag sei? fragte Ferdinand verwundert. Für einen, der so große Schritte mache wie Gustav Adolf, sagte Wallenstein, nur ein paar Tagereisen.

Es sei eine Schmach für die Polen, sagte Ferdinand, daß sie ihren König, der der wahre König von Schweden sei, noch nicht wieder eingesetzt und den Usurpator verjagt hätten. Er möchte gern etwas dazutun, daß die katholische Kirche in Schweden wieder aufgerichtet werde, zumal ja der König von Polen sein Schwager sei. Er zweifle auch nicht am guten Erfolge, nachdem es mit den norddeutschen Stiftern sich so glücklich anlasse. Wie es denn in Magdeburg und Halberstadt aussehe? Ob es Schulen und Universitäten gebe? Ob sich das Volk dem alten Glauben leicht akkommodieren würde?

Das werde die Zeit lehren, sagte Wallenstein ablenkend. Man müsse mit der Religion nicht gleich so zufahren, sondern die Leute merken lassen, daß sie sich gut dabei ständen, zum Kaiser zu halten. Die Stände wären ohnehin überall kaiserlich, nur die Fürsten wären rebellisch und köderten das Volk mit der Religion.

Ja, die Fürsten, sagte der Kaiser seufzend, sie ließen ihm keine Ruhe, plagten ihn Tag und Nacht, und um nur Frieden zu haben, müsse er nachgeben.

Er wisse wohl, wohin sie zielten, sagte Wallenstein spöttisch; sie fürchteten seinen scharfen Besen, fühlten sich unter Schutt und Gerümpel wohl wie Ratten, schwane ihnen, sie könnten etwa mit hinausfliegen. Wenn einer seiner Untertanen ein so loses Maul gegen ihn machte wie die Fürsten gegen die kaiserliche Majestät, so würde er ihm ein Pflaster daraufsetzen, daß er es nie wieder auftäte.

Der Kaiser lachte; man hätte ja erfahren, was für einen Widerhall eine Maulschelle im Römischen Reich gäbe. Seit dem Böhmischen Krieg könne die Nymphe Echo nicht wieder zur Ruhe kommen.

Wenn ungehorsame Kinder bei Empfang elterlicher Züchtigung schrien, sagte Wallenstein, so müsse man damit fortfahren, bis sie stillschwiegen.

Wallenstein habe recht, sagte Eggenberg, man müsse sich eben der Reichsgesetze bedienen. Das Reich gehe in Stücke, weil jeder tue, was ihm beliebe, das müsse anders werden. Das kleine Geflügel brauche der Adler nicht zu fürchten, das sei froh, sich unter seine Fittiche verkriechen zu können; aber die Geier und Falken, die suchten Gelegenheit, ihm die Federn auszurupfen.

Kahl genug sei der edle Vogel schon, sagte Gerhard von Questenberg, Wallenstein verdanke man es, daß er wieder einen hohen Schwung genommen habe.

Der Kaiser wand sich ein wenig, als er zuerst von der Absetzung der Mecklenburger Herzöge hörte; die Übertragung der Pfalz an Bayern habe Lärm genug gemacht, nun werde es von neuem anheben. Oft erreiche man mit gelinden Mitteln mehr; der Anhaltiner hätte sich unterworfen, der so lange getrotzt hätte, und man sähe jetzt, wie artig der junge Hessen aufwarte.

Ja, sagte Eggenberg, nachdem man dem alten Wolf die Zähne gezogen hätte, traue der junge sich nicht zu beißen; aber sowie sich diesen Schelmen ein Loch zeige, schlüpften sie wieder aus, das hätte man an dem Weimaraner und dem Altenburger gesehen.

Herr könne man ohne extreme Mittel nicht bleiben, sagte Questenberg. Man sähe, wie gut es dem König von Frankreich bekäme, daß er sich nicht zu lange besänne, eines ungehorsamen Vasallen Kopf springen zu lassen. Der König von Frankreich werde bald nur noch eine Kirche und einen Glauben im Lande haben.

Dieser Ausblick regte Ferdinands Unternehmungslust an. Dafür, meinte er, müsse man freilich alles wagen. Das wäre etwas, wenn er alles wieder einbringen könnte, was Karl V. und Ferdinand I. verloren hätten. Er möchte wetten, der Papst hätte sich so viel nicht von ihm versehen. Sein Sohn Leopold könne die Bistümer Halberstadt und Magdeburg, etwa auch Bremen bekommen, der sei fast ein Heiliger und müsse selbst Kannibalen bekehren können.

Eggenberg warnte, damit müsse Ferdinand etwas gemach kommen, es möchte ihm sonst ausgelegt werden, als wolle er seine Familie versorgen.

Und warum er das nicht solle? fragte Ferdinand, ein wenig gereizt. Seine bayrischen Vettern hätten Köln und Paderborn, ob er, der Kaiser, nicht ebensoviel beanspruchen könne?

Wallenstein und Eggenberg wechselten einen Blick, welcher bedeutete, daß der Kaiser an diesem Punkte reizbar sei und daß man ihm da wohl etwas werde nachgeben müssen. Überhaupt schwelgte Ferdinand zur Zeit in Triumphen und nahm Widriges nicht gern auf; denn er hielt zum ersten Male seit der böhmischen Rebellion Hof in Prag, führte seiner Gattin, einer mantuanischen Prinzessin, die gebändigte Kaiserstadt vor und weidete sich an dem Glanze der wieder hergestellten Kirche. Die Krönung Erzherzog Ferdinands zum König von Böhmen wurde um so prächtiger begangen, als es dem Kaiser nötig schien, seinen Bruder Leopold zu überbieten, der kürzlich seinen langgehegten Entschluß ausgeführt und nach glücklicher Befreiung von der Bischofswürde eine italienische Prinzessin geheiratet, die Hochzeit aber trotz seiner Armut und üblichen Bettelei kostspieliger ausgerüstet hatte, als die des Kaisers mit Eleonore Gonzaga gewesen war. Ferner gaben die Einweihung der auf dem Schlachtfelde am Weißen Berge gegründeten und der Mutter Gottes geweihten Kirche sowie die Erhebung der Gebeine des heiligen Norbert und die Anwesenheit vieler Fürsten und Herren Anlaß genug zu weihevollen Festlichkeiten.

Es machte dem Kaiser nicht wenig Spaß, daß der junge Landgraf von Hessen-Kassel, der Sohn seines grimmigen Feindes, Zeuge dieser Siegesherrlichkeit war. Nach Übernahme der Regierung war der Landgraf nach Prag gereist, um durch persönliche Bitte eine Ermäßigung der großen Schuldenlast zu erreichen, die sein noch dazu gewaltsam verkleinertes Land zugrunde richtete. Die Zähne zusammenbeißend, ertrug er die Demütigungen, die seinen Stolz auf Schritt und Tritt kränkten, und als welche er auch die Herzlichkeit empfand, mit der man ihm entgegenkam. Der schöne, zurückhaltende und gebildete Fürst bezauberte nicht nur die Frauen, sondern auch die Männer, besonders aber gefiel er der Kaiserin, die überhaupt eine Freundin der Geselligkeit und Abwechslung war und sich an den Andachtsübungen ihres Mannes nur beteiligte, soweit sie mit Gepränge verbunden waren. Der Kaiser pflegte sie mit ihrer Vorliebe für ketzerische Prinzen und namentlich für den Prinzen Wilhelm von Weimar zu necken, den sie zur Zeit seiner Gefangenschaft begünstigt hatte. Ja, ja, sagte die Kaiserin, diese Nordleute kämen ihr erst wie die eigentlichen Männer vor. Der Landgraf von Hessen sei dem Weimaraner noch vorzuziehen, er habe etwas von der schlanken Herbigkeit des Diomedes, etwas von der edlen Beständigkeit des Hektor und zugleich etwas von der schönen Schwermut des Antinous. Was Gott nur dabei beabsichtige, daß er solche Männer in der Ketzerei steckenlasse? sie wolle alles daransetzen, ihn zur Kirche zu bekehren. Ferdinand betrachtete seine Gemahlin mit einer Mischung von Bewunderung und Schadenfreude; ihrem Verstande und ihrer Schönheit gelinge mehr als anderen Menschen, sagte er, vielleicht erwerbe sie sich noch die Goldene Rose vom Heiligen Vater. Einer feinen italienischen Frauenhand, sagte die Kaiserin mit selbstzufriedenem Lächeln, gelinge es oft eher, das verstrickte Staatsknäuel zu entwirren, als ungeschlachten Männern; er solle sie nur machen lassen und den jungen Hessen zu häufigen Besuchen ermuntern.

Eines Tages wurde der Landgraf von der Kaiserin und ihrem Gefolge im Park empfangen, wo sich hinter einer Lorbeerhecke ein breiter Rasenplatz erstreckte, dessen Mitte ein figurenreicher eherner Brunnen zierte. Das sei ein vorzüglicher Platz, um Blindekuh zu spielen, sagte die Kaiserin, ihre Fräuleins brennten schon darauf, ihn ein wenig zu zupfen. Wilhelm bat die Kaiserin, ihn zu entschuldigen; er habe den Grundsatz, sagte er scherzend, sich niemals die Augen verbinden zu lassen. Auch nicht, wenn einem dabei unversehens ein warmer Busen ans Herz fliege? sagte die Kaiserin. Dieser Grundsatz sei für einen Fürsten gut, aber er tauge nicht für verliebte Jugend, und in diesem Park gelte kein Rang noch Staatsräson. Er solle den Amor ansehen, der auf der Spitze des Brunnens stehe und eben den Bogen spanne; einzig der kleine Gott herrsche hier. Wenn er aber durchaus nicht mithalten möge, solle er sich mit ihr auf die Terrasse setzen und dem Spiele zusehen. Unter vielem Gekicher verbanden die Fräuleins einem Kammerherrn die Augen, umschwärmten ihn, bespritzten ihn mit Wasser aus dem Brunnen, und indem sie so taten, als ob sie sich davor hüteten, gaben sie sich Mühe, gefangen zu werden. Dann kam ein Geistlicher an die Reihe, der beim Laufen über sein langes Kleid stolperte, was die Lustigkeit der Mädchen vermehrte, die überhaupt ihm gegenüber noch ausgelassener waren.

Als die Spielenden auf einen Wink der Kaiserin die Terrasse aufsuchten, sagte der Geistliche zu Wilhelm, es habe ihn gewiß gewundert, daß ein Mann seines Standes sich dem Vergnügen hingebe; die Kirche sei eine mildherzige Mutter, die gehorsamen Kindern gern eine Kurzweil gönne und auch die Sünde verzeihe, weil sie die Schwachheit des Fleisches kenne. Es sei weich und wonnig an ihrer Brust zu ruhen, wenn es nur jeder versuchen möchte.

Wilhelm sei wirklich hart und kalt wie nordisches Eis, fuhr die Kaiserin fort. Wüßte sie nur, was für eine Sonne sie aufgehen lassen müßte, um ihn zu schmelzen.

Ein Fräulein bemerkte, die gnadenreichen Augen der Kaiserin wären die mächtigste Sonne; was die nicht erwirke, vermöge keine andere.

Für einen jungen Mann sei ein junges Mägdlein mehr wert als die erhabenste Kaiserin, sagte Eleonore lachend.

Wilhelms Augen glitten flüchtig und fast mit Widerwillen über die vom Spiel erhitzten, hochatmenden Fräuleins, die neugierige und verlangende Blicke nach ihm warfen. Die Kaiserin sei zu gütig gegen ihn, sagte er, er sei seit sieben Jahren verheiratet und kein Junggeselle mehr. Wäre er es aber, so würde er kühn genug sein, seine Huldigung der höchsten unter allen Frauen zu Füßen zu legen und lieber im Anschaun eines unerreichbaren Sternes verschmachten als ein geringeres Glück umarmen.

Die glänzenden Augen der Kaiserin verdunkelten sich, und ihre bräunlichroten Wangen färbten sich tiefer. Er wisse männliche Bescheidenheit so wohl mit ritterlicher Kühnheit zu vereinen, sagte sie, daß keine Dame ihm zürnen könne. Zum Zeichen dessen wolle sie ihm gestatten, sie am folgenden Tage zur Messe zu begleiten.

Er werde sich glücklich schätzen, sie bis zur Kirchentür zu führen, sagte Wilhelm, hinein wage er nicht zu gehen, da er die Gebräuche nicht kenne und zu verstoßen fürchte.

Die Kaiserin warf sich in ihren Sessel zurück und blitzte ihn aus zornigen Augen an. Ihre Güte mache ihn zu dreist, sagte sie. Wenn er sich die Augen nicht verbinden lasse, solle er wissen, daß andere sich auch nicht an der Nase führen ließen.

Wilhelm bat um Verzeihung, wenn er ohne Wissen beleidigt habe. Sein Wunsch sei, ihr zu dienen, soviel er vermöge, nicht, ihre Güte zu mißbrauchen. Sie möge ihm, der als Fremdling und Bittsteller am Hofe verweile, ihre Huld nicht entziehen, weil er, unter Pflege der Wissenschaften und zwischen vielen Drangsalen und Kämpfen aufgewachsen, in diesem strahlenden Kreise sich nicht zurechtzufinden wisse. In seinen Augen lag ein Tadel und Vorwurf, der nicht zu seinen Worten stimmte, der aber dazu beitrug, die Zürnende zu entwaffnen. Sie reichte ihm die Hand zum Kusse und sagte, daß ihr vorhin gesprochenes Wort, hier herrsche kein Zwang außer Amors, gelten und Ernst und Empfindlichkeit verbannt sein sollten.

Im Wallensteinschen Palast, wo er antichambrieren mußte, traf er mit Piccolomini, Colloredo und del Caretto zusammen, die sich lebhaft über die Machinationen der gerade in Bingen versammelten Kurfürsten gegen ihren General unterhielten. Er hätte große Lust, einen Sprung an den Rhein hinüber zu machen, sagte Colloredo, und das Wespennest auszuräuchern. Man müsse es nicht so wichtig nehmen, sagte Piccolomini, das wären nur Bremsen und Schmeißfliegen, die freilich ein edles Schlachtpferd plagten, es aber nicht umbringen könnten. Der General kümmere sich gar nicht darum und habe recht; sie wollten, daß er sein Heer vermindere, daran sei natürlich nicht zu denken, am wenigsten, wenn das Restitutionsedikt erlassen würde, was doch die geistlichen Herren gerade wollten. Was das eigentlich sei, das Restitutionsedikt? fragte Colloredo. Genau wisse er es auch nicht, sagte Piccolomini, es betreffe die Klöster und geistlichen Güter, die die Evangelischen den Katholiken weggenommen hätten und nun restituieren sollten. Colloredo zuckte die Achseln; die Kirche habe ohnehin genug, meinte er; aber ihm sei es schließlich gleich, warum geschlagen würde. Nun, sagte Piccolomini, das sei doch mit Unterschied zu verstehen; aber darin halte er es auch mit Wallenstein, daß er glaube, es könne einer mit jeder Konfession ein redlicher Kavalier und ein Held sein. Dabei wandte er sich mit liebenswürdigem Ausdruck seiner braunen Augen an Wilhelm, sprach von der weltbekannten Tapferkeit der hessischen Fürsten und wie schön es sein würde, wenn Wilhelm unter Wallenstein die Lorbeeren seines Hauses vermehren wollte. Der junge Landgraf sagte, daß er die Regierung seines Landes habe übernehmen müssen, welches sehr durch den Krieg gelitten habe und dessen Wiederherstellung er seine ganze Kraft widmen müsse. Piccolomini sprach sein herzliches Bedauern aus; der Friede sei eine schöne, heilige Sache, sagte er; wenn er auch mit Leib und Seele Soldat sei, so verkenne er das doch nicht. Wallenstein ziele auch auf nichts anderes als den Frieden ab, und der Landgraf werde sehen, wie bereit Wallenstein sein werde, ihm gefällig zu sein.

In der Tat empfing Wallenstein den jungen Fürsten bei aller Majestät verbindlich und vertraulich. Er schätze Wilhelms Verständigkeit hoch, sagte er, und freue sich, daß der leidige Streit nun soweit beigelegt sei. Daß die Entscheidungen des Reichsgerichtes nicht immer der Gerechtigkeit gemäß ausfielen, wisse man ja leider; es zeuge von hoher Einsicht, wenn man sich in das Unabänderliche füge. Auch seien im Verlauf dieses langwierigen Krieges noch manche Veränderungen möglich; der Landgraf solle sich mit ihm vereinigen, um den Frieden herbeizuführen.

Sein Vater sowohl wie er, sagte Wilhelm, ermangelten der Friedensliebe nicht. Der Krieg sei ihnen wider Willen und ohne Schuld ins Land gespielt worden.

Es hange eben nicht alles von ihm und vom Kaiser ab, sagte Wallenstein; er wisse bestimmt, daß Tilly dem kaiserlichen Befehl zuwider in Hessen eingefallen sei, man wisse ja, wer diese alte Marionette tanzen lasse. Nun aber hoffe er, werde sich ein gutes Vernehmen herstellen lassen. Er perturbiere niemanden in der Religion. Der Kaiser in seiner Gutherzigkeit gebe leider den Jesuiten und Beichtvätern zuviel nach. Diese Leute wollten herrschen, darum müsse man den Daumen daraufhalten, die Frömmigkeit sei apart. Ob Wilhelm auch so gelehrt sei wie sein Vater, der Landgraf Moritz? Er, Wallenstein, sei auch ein Liebhaber der Wissenschaften, könne sich ihnen aber wegen des leidigen Krieges nicht so widmen, wie er möchte.

Er führte Wilhelm selbst in seinem Palaste umher und zeigte ihm umständlich die prachtvollen Räume, die reiche Einrichtung und die weitläufigen Parkanlagen. Wilhelm betrachtete alles flüchtig mit einem bohrenden Gefühl von Neid und Schmerz. Er könne leider, sagte er endlich, die Schönheiten Prags nicht so recht genießen; die Köpfe der böhmischen Herren, die er am Tore aufgespießt gesehen hätte, verstörten ihm jedes Bild.

Wallenstein zog die Brauen zusammen; im Reich bilde man sich ein, diese Leute wären Märtyrer des evangelischen Glaubens gewesen; das sei aber ein Irrtum. Es wären ungehorsame Vasallen gewesen und mit Recht gerichtet.

Der Kaiser selbst zeichnete Wilhelm so weit aus, daß er ihm Anleitung in dem Kartenspiel Primera gab, das er besonders liebte, und ihn in vertrauliche Gespräche hineinzog. Der Abt Questenberg, der wegen der Eroberung der Norbertischen Gebeine sehr gefeiert wurde, sagte, so wie man den heiligen Nepomuk das rechte Auge der Stadt Prag genannt hätte, könne man nunmehr billig den heiligen Norbert das linke nennen, und es sei Prag erst jetzt im vollen Besitze seines Augenlichtes. Wenn ihm jetzt nur noch ein Wunsch erfüllt würde, setzte der Kaiser hinzu; er habe gehört, in der Abtei Hersfeld befinde sich einer von den Nägeln, mit denen Christus ans Kreuz geschlagen sei. Der Gedanke an diese Reliquie verfolge ihn seitdem überall; ob Wilhelm sie ihm nicht verschaffen könne? Wilhelm sagte, daß ihm nichts davon bekannt sei, daß er aber nachforschen lassen und, falls etwas Derartiges vorhanden wäre, es gern dem Kaiser überreichen wolle.

Auch dies Versprechen jedoch führte nicht dazu, daß Wilhelm irgend etwas Tatsächliches erreicht hätte, und mit einem Herzen voll Bitterkeit trat er die Rückreise an. In Nürnberg wurde er ehrenvoll begrüßt und beschenkt und hielt gegen die Ratsherren seinen Unmut nicht zurück. In Prag, erzählte er, vernehme man kein klares, deutsches, aufrichtiges Wort, da herrsche spanischer Hochmut und welscher Trug; die Stadt komme einem strangulierten Leichnam gleich, den man prächtig angekleidet und aufrecht hingesetzt habe, um die Vorübergehenden zu täuschen; aber wer offene Sinne habe, spüre den Verwesungsgeruch.

Die Ratsherren sagten, sie wären bisher mit Stillsitzen und Vorsicht leidlich verschont geblieben. Im Jahre 1625 habe Wallenstein im Nürnbergischen Quartier nehmen wollen, da hätten sie sich mit 100 000 Gulden losgekauft. Hätten auch in Wien lange deswegen antichambrieren müssen, ja, und dem Aldringen hätten sie noch 1000 Goldgulden persönlich dreingegeben. Inzwischen hätten sie den Bau des neuen Theaters fertiggestellt, das eben jetzt mit einer Tragödie von der Zerstörung Trojas eröffnet werde, welcher Vorstellung beizuwohnen sie Wilhelm einluden.

Das Spiel begann mit der Vermählung der Königstochter Polyxena, die angesichts der bedrängten Burg vollzogen wird. Wie sich der festliche Zug anschickt, zur Einnehmung eines Mahls das Innere des Schlosses aufzusuchen, ertönt ein Schrei der Kassandra, die in visionärem Zustande das Haus vor sich in Flammen sieht und die Luft vom Geheul Sterbender und schneidender Wehklage erfüllt hört. Da die übrigen nichts davon wahrnehmen, schelten sie Kassandra wahnsinnig und schreiten endlich über die sich am Boden Windende hinweg unter dem Klange von Flöten und Zimbeln in die Burg. Das Schlußbild zeigte die Burg in Flammen, wie Kassandra es vorausgesehen hatte, und zwar wurde die Brunst durch ein prächtiges Feuerwerk dargestellt, das zugleich die Anwesenheit des Landgrafen feiern sollte. Nach dem Fallen des Vorhangs trat ein Schauspieler vor und sprach als Epilog die folgenden Verse:

Gefalln ist Troja nun, die Asche ihrer Pracht
Düngt die entblößte Erd und fördert wildes Kraut,
Durch das die Schlange kriecht und ihren Klagelaut
Die Eule schallen läßt in langer Wüstennacht.
O jämmerliches End der blinden Sterblichkeit!
Verhüll dich doch, o Mensch, und such den edlen Pfad,
Der aus der morschen Welt führt in die Ewigkeit,
Wo du frisch auferstehst aus Gottes Frühlingsbad.

* * *

 


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