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13. Kapitel.

Minuten vergingen. Silas schien die Anwesenheit seines Kollegen ganz vergessen zu haben. Er starrte immer noch mit sonderbar ausdruckslosem Blick in die Luft, während er mechanisch seine Horndose herauszog und eine Prise nahm.

Dies schärfte, wie er behauptete, stets seine Denkkraft.

Sollte der Stern Nr. 300 diesen Weg genommen haben? Von Nebe entwendet und der roten Poldi zur Aufbewahrung übergeben worden sein? War Nebe bloß ein Dieb oder auch der Mörder des Obersten? Handelte er in eigenem oder fremdem Interesse?

Dies waren die Fragen, welche Hempel beschäftigten.

»Sind Sie sicher, daß Nebe nichts von ihren Nachforschungen bemerkt hat?« fragte er endlich wie aus einem Traume erwachend.

Gabler wurde verlegen.

»Ich will ganz ehrlich sein, Herr Hempel – ich fürchte, er ahnt etwas. Die rote Poldi sah mich im Gespräch mit ihrem eifersüchtigen Verehrer und machte diesem, wie er mir später mitteilte, heftige Vorwürfe, daß er sich auf Gespräche über ihren Geliebten eingelassen habe. Sie behauptet, Nebes Namen aus dem Munde des Burschen vernommen zu haben, und blieb auch nach dessen Leugnen mißtrauisch. Sicher hat sie Nebe davon erzählt. Auch heute nacht, fürchtete ich, hat er etwas von meiner Verfolgung gemerkt. Der Mond scheint leider jetzt schon recht hell und wenn ich mich auch vorsichtig im Schatten der Bäume hielt, muß doch irgend etwas seinen Verdacht erregt haben, denn er blieb am Parktor plötzlich stehen und sprang dann ganz unerwartet mit einem Satz nach rückwärts in eine Gebüschgruppe. Glücklicherweise befand ich mich bereits in der nächsten, so daß er alsbald, nachdem er sich getäuscht zu haben glauben mußte, seinen Gang fortsetzte.«

»Fatal! Sehr fatal! Darum war der ehrenwerte Herr heute morgen so schlechter Laune und betonte, daß er »wie ein Sack« geschlafen habe! Ich fürchte, wir werden nun gezwungen sein, uns rascher mit der roten Poldi zu beschäftigen, als ich eigentlich wünschte!«

»Sie fürchten, daß sonst nichts mehr bei ihr zu finden wäre?«

»Jawohl. Obzwar es unstreitig richtig wäre, über die Persönlichkeit dieses Nebe vorher im Klaren zu sein. Sagen Sie mal, Gabler, sind Sie momentan dienstlich mit etwas betraut?«

Gabler errötete.

»Nein, Herr Hempel, denn ich suchte vor einigen Tagen um meine Entlassung nach, die mir sicher gewährt werden wird. Die Sache kam so: Kommissär Brandner, mein Vorgesetzter, verwendete mich in der letzten Zeit absichtlich nur bei den alltäglichsten Fällen. Er ist ehrgeizig und liebt es nicht, wenn seine Untergebenen irgendwie Gelegenheit finden, selbständig etwas zu leisten. Noch weniger kann er bei ihnen eigene Meinungen vertragen. Nun – ich hatte im Falle Henderson eben eine eigene, von der seinigen abweichende Meinung und meldete mich gerade darum zur Arbeit. Mein Ersuchen wurde abgeschlagen, wie manches andere auch. Die Folge war, daß ich um meine Entlassung aus dem Dienste der Staatspolizei nachsuchte.«

Hempels Gesicht hatte sich sichtlich aufgehellt.

»Hm – und worin besteht denn Ihre ›eigene‹ Meinung in diesem Falle?«

»Darin, daß ich Richard Tiersteiner für völlig schuldlos halte. Meiner Ansicht nach ist er nur durch eine Reihe belastender Indizien in die gegenwärtige Lage geraten. Wo ein Verdacht sich aber nur auf Indizien gründet, halte ich den Schuldbeweis noch lange nicht für erbracht!«

»Aber dann sind Sie ja gerade der Mann, den ich brauche!« rief Hempel wie elektrisiert. »Auch ich halte nichts von bloßen Indizienbeweisen und gar in diesem Falle –! Aber ich habe jetzt keine Zeit, Ihnen auseinanderzusetzen, wohin meine Nachforschungen bisher geführt haben. Trachten Sie inzwischen, bei der Polizei näheres über Nebe und den seinerzeit verschwundenen Storch zu erfahren. Zwischen sieben und acht treffen wir uns in der Wirtschaft zur ›Goldenen Waldschnepfe‹. Bis dahin dürfte auch ich manches erfahren haben, und wir wollen dann zunächst feststellen, was morgen früh zuerst zu geschehen hat.«

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