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Friedrich Antoine Piesecke (Zwickau)

Zwei Briefe aus Paris

I

Göttlich zu atmen Luft fremder Rasse! Denn irgendwie ist alles Fremde, jedwede Rasse und Luft geheimnisvoll und irgendwie peitscht dies auf. Ich spreche vollbewußt von »peitschen«, selbst wenn einige gefühlslogisch Eingestellte mich noch für so ehrbar halten, dem köstlichen Marquis de Sade zu huldigen – – – nein! fern aller kindlichen Einfalt wie auch bürgerlicher Beschwerden bewegen sich meine Gedanken: Seht ihr den Platz mit seinen plattgedrückten Barockkaminen über Gebäuden mit Brüsten zu rasch gewachsener Vierzehnjähriger, die aber bereits, gleich wissend alternden Frauen, rokokohaft ihre blassen Mundwinkel schürzen? Nach solchen Plätzen dürste ich. Hier enthaupteten zartbeknöchelte Königinnen wirrbehaarte Mönche, nur (!) weil sie die Art ihrer Liebesbeweise enttäuschte. Und heute ist es als hätten sich ein gewisser Teil jenes Herrscherinnenetwas irgendwie in den Frauen reinkarniert, die die Boulevards zu bewohnen scheinen. Denn nie wird man durch ihre ab und zu prickelnden Gebärden Herkunft aus den Quartiers der Lumpensammler fühlen, nur manchmal die Tradition rechtsstehender Kreise, was einer gewissen Pikanterie nicht entbehrt. Gestern nachts rief eine zu mir aus Seitenstraßen; die sah meiner längst entschlafenen Mutter überaus ähnlich – – – doch »halte!« Fort mit aller Sentimentalität! Selbst wenn unsere Seele zerfetzt im Schmerzsturm flattert, lasset uns lächeln, lächeln wie die Keuschheitsgürtel im Musée Cluny!

II

Ein alter deutscher Meister, der das Unglück genießt manchmal mit Oskar Wilde verwechselt zu werden (doch ich will nicht boshaft sein) sagte einst: eine pariser Kokotte mit einem Holzbein besitzt immer noch bedeutend mehr Charme als eine Berlinerin mit sämtlichen Gliedmaßen. Und er hatte das unbestreitbare Recht dies zu offenbaren, denn gebunden durch keinerlei unästhetisch gearteten Beziehungen zu drallen weiblichen Vorsprüngen, ist er ein überaus feinnerviger Erotiker – – – und nun erst verstehe ich voll seinen Satz, gesprochen aus Dämmerungen sexueller Urerregtheit: »Wie harmonisch in ihrer Atonalität sind doch das Klappern eines niedlichen Holzfußes über das blutgeschwängerte pariser Pflaster und die lockend girrenden Töne, die in den gallischen Lauten ihre ganze Eindeutigkeit verneinen um zweideutig zu werden.« – – – Fürwahr!


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