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Neunzehntes Kapitel. Rahels Ritter

Die Probe, auf die Langholm nun sofort gestellt wurde, fiel lange nicht so schwierig aus, als er erwartet hatte. Seine lebhafte Phantasie spiegelte ihm eine lange, für sechsundzwanzig Personen gedeckte Tafel vor, an deren einem Ende, dicht zusammengedrängt, nur vier Menschen saßen. Allein die Absagetelegramme waren doch so zeitig gekommen, daß man den Tisch wieder in seine normale Größe hatte verwandeln können, und Langholm fand ein für ihn bestimmtes Gedeck zwischen Mrs. Woodgate und Mrs. Steel. In Verlegenheit kam er erst, als Rahel aufstand und ihm prüfend in die Augen schaute, ehe sie ihm die Hand zum Gruße entgegenhielt.

»Haben Sie es gehört?« fragte sie ihn mit einer Stimme, die ebenso eisig war als ihr marmorblasses Gesicht, und doch lag ein Ausdruck bitteren Hohnes darauf, der die starre Kälte etwas milderte und belebte.

»Ja,« antwortete Langholm traurig, »ja, ich habe es gehört.«

»Und doch ...«

Mit verändertem Tone unterbrach er sie.

»Ich weiß, was Sie sagen wollen, Mrs. Steel, und versichere Ihnen im voraus, daß ich auf Ihre Worte nicht hören werde. Für mich gibt es nur eine Überzeugung, die ich Ihnen gegenüber schon ausgesprochen habe, lange ehe ich überhaupt eine Ahnung von irgend einem Zusammenhang hatte. Diese Überzeugung hat sich durch das, was ich gestern selbst erraten habe, und was mir Ihr Mann vorhin bestätigte, nicht geändert, sondern ist im Gegenteil, wenn irgend möglich, nur noch tausendmal mehr in mir befestigt worden.«

»Ich glaube Ihnen,« sagte Rahel leise, während sie ihm die Hand reichte, die sich so eisig anfühlte, daß Langholm die junge Frau, die wie in Stein verwandelt schien, voll Besorgnis anschaute. Das Essen verlief jedoch ohne weiteres Hindernis. Dank Steels Vorsorge und nie fehlendem Taktgefühl war nicht nur der Tisch verkleinert, sondern auch das Menü vereinfacht worden, so daß nichts an die fehlenden einundzwanzig Gäste erinnerte und man sich einbilden konnte, man sei bei einem kleinen Familienessen, zu dem nur diese paar Gäste geladen waren.

Anderseits aber wurde dem, was sich ereignet hatte, durchaus nicht ausgewichen, sondern man sprach im Gegenteil ganz offen von dem, was ja doch aller Gedanken erfüllte. So verkündete Mrs. Woodgate laut, daß sie niemals in ihrem Leben mehr ein Wort mit Mrs. Venables sprechen werde, und ihr Gatte stimmte ihr über den Tisch hinüber bei. Daraufhin warf Rahel ein, daß Woodgates unter keinen Umständen sich um ihretwillen alle diejenigen zu Feinden machen dürften, die nicht an ihre Unschuld glaubten. Steel erging sich in Vermutungen über die mögliche Haltung der Familien Uniacke und Invernesse, da diese beiden vornehmen Familien wegen ihrer erst kürzlich erfolgten Rückkehr von London nicht eingeladen worden waren. Niemand hütete sich, das wichtige Gesprächsthema in Anwesenheit des Dienerschaftstrosses zu berühren, obwohl natürlich am richtigen Platze eine gewisse Grenze gezogen und selbstverständlich keine Anspielung auf Mrs. Venables und deren Gesinnungsgenossen gemacht wurde.

Der erste Kammerdiener und in geringerem Maße auch dessen Trabanten hätten jedoch im Laufe dieses Mahles ein interessantes Studium abgegeben, wenn der berufsmäßige Beobachter etwas weniger mit der Hausfrau beschäftigt gewesen wäre. Der Kammerdiener war ein aufgeblasener, dabei aber recht brauchbarer Mensch, den Steel gedungen hatte, als er das Anwesen kaufte. Obwohl dem Menschen damals sofort ein ehrerbietigeres Benehmen, als man es bisher von ihm verlangt hatte, beigebracht worden war, so hatte er doch längst aufgehört, sich über eine Stellung zu beklagen, die ihm hohen Lohn und unumschränkte Macht über seine Untergebenen einbrachte. Nachdem aber Mrs. Venables auf der Schwelle des Steelschen Hauses unmittelbar vor ihrer verzögerten Abfahrt dem Kammerdiener das Geheimnis von der Identität seiner Herrin ins Ohr geschrieen hatte, war dieser im Gefühl seiner gekränkten Würde um eine Unterredung mit seinem Herrn eingekommen und hatte sofort für sich und seine Trabanten gekündigt. Das Interessanteste lag nun in dem Verhalten dieser Ehrenmänner, das eine Mischung von Würde und Niedergeschlagenheit darbot und einen wachsenden Zweifel verriet, ob das sinkende Schiff, das sie so eilig zu verlassen gestrebt hatten, auch wirklich im Sinken begriffen sei.

Das Benehmen ihres Herrn hätte allerdings nicht viel anders sein können, auch wenn er an der Spitze des Tisches gesessen hätte, wie er ursprünglich gedeckt gewesen war. Es war weder feierlich, noch unnatürlich lustig, noch sonstwie auffallend, sondern von einer wahrhaft wunderbaren Zuversicht und Heiterkeit. Und auch die Herrin erschien in ihrer Art ebenso gleichmütig als der Hausherr, so daß die Gesindestube der Ansicht war, Mrs. Steel fühle mehr als sie zeige. Dagegen hatte Mrs. Woodgate die größte Mühe, zuerst ihr heißes Mitleid mit Rahel und dann wieder ihre Empörung über die Abtrünnigen zu verbergen.

»Ihrer Frau scheint die Sache ebenso nahe zu gehen, als der meinigen,« sagte Steel zum Pfarrer, als die Herren schließlich allein waren. Einer von ihnen aber hätte den Hausherrn am liebsten geprügelt für diese Worte, einer, der die Verhältnisse durchschaute und selbst tief davon berührt war.

»Das möchte ich denn doch nicht behaupten,« entgegnete der gutmütige Pfarrer, »aber nahe, entsetzlich nahe geht es Morna allerdings.«

»Ich wünschte fast, wir hätten den Tisch so gelassen, wie er zuerst war,« fuhr Steel paffend fort, »und dann eine Blitzphotographie aufnehmen lassen, wie man es heutzutage bei jedem lumpigen Festessen zu tun pflegt. Das hätte sicherlich ein hübsches Bild abgegeben – – wir als Überbleibsel der Sechsundzwanzig!«

Langholm wand sich förmlich vor Pein bei diesem leichtfertigen Tone und stürzte sich krampfhaft in die Unterhaltung, um sie in andre Bahnen zu lenken. Durch wen denn das Unglück herbeigeführt worden sei, fragte er. »Sicherlich doch nicht durch den Richter?«

»Nein,« antwortete Steel mit Nachdruck. »Ich weiß es zwar nicht positiv, möchte aber tausend Pfund auf seine Menschenfreundlichkeit und Verschwiegenheit in dieser Hinsicht wetten. Einen gütigeren und klügeren Menschen gibt es gar nicht, behaupte ich, obwohl ich ihn nie persönlich kennen gelernt habe. Allein ich hörte die Verhandlung gegen meine Frau Wort für Wort mit an und bekam dabei einen Begriff von dem humanen Wesen und dem ehrenwerten Charakter des Richters. Es waren eine Menge Frauen als Zeugen erschienen, die der Verteidiger meiner Frau gern in die Enge getrieben hätte, und da berührte das väterliche Wohlwollen, mit dem der Präsident sich ihrer annahm, wahrhaft wohltuend.«

Langholm stockte der Atem. Steels Worte warfen alle jene Vermutungen, die der Schriftsteller an jenem Morgen in Gesellschaft seiner Rosen aufgestellt hatte, über den Haufen. Steel hatte seine Frau also nicht geheiratet, ohne ihre traurige Lebensgeschichte zu kennen. Er hatte der Gerichtsverhandlung angewohnt und sich höchst wahrscheinlich dabei in sie verliebt! Warum benahm er sich dann aber nicht so, wie jemand, der verliebt ist? Und warum sich nun jetzt wieder über die unparteiische Behandlung der Zeugen von seiten des Präsidenten verbreiten, anstatt über den hochwichtigen Urteilsspruch, bei dem der Präsident den Vorsitz geführt hatte? Hegte Steel am Ende gar selbst einen leisen Zweifel an der Unschuld seiner Frau, deren Prozeß er angewohnt, und die er kaum ein paar Monate darauf geheiratet hatte? Langholm schwirrte der Kopf, selbst während er Woodgates Antwort lauschte.

»Das wundert mich nicht,« bemerkte der Pfarrer. »Ich erinnere mich, gehört zu haben, daß Sir Baldwin Gibson und Lord Edgware unsre beiden unparteiischsten Richter seien. Und warum meinen Sie wohl? Weil sie beide zur Mannschaft der ›Blauen‹ gehört haben und von klein auf dazu erzogen worden sind, ihre Gegner anständig zu behandeln.«

»Wenn es also nicht der Richter war,« fuhr Langholm fort, »wer um des Himmels willen hat dann die Bombe zum Platzen gebracht? Ich sah die Begegnung der beiden und erriet tatsächlich den Zusammenhang. Aber bei mir war es etwas andres. Ich trug mich ja, Gott verzeihe es mir, mit dem Gedanken, den Prozeß Ihrer Frau in einem Roman zu verarbeiten, nicht ahnend, daß es ihr eigener war, obwohl ich wußte, daß er einen ganz besonderen Reiz für sie hatte. Andre Leute aber konnten davon ja nichts ahnen.«

»Sie sprachen aber mit meiner Frau darüber, nicht wahr?« fragte Steel, die schwarzen Augen auf den Schriftsteller gerichtet, der seine zustimmende Antwort mit einer Verlegenheit stammelte, die ihren Grund nur in diesem übermäßig prüfenden Blicke haben konnte.

»Sie sprachen mit ihr darüber,« wiederholte Steel, diesmal jedoch im Tone einer einfachen Feststellung der Tatsache, »und zwar wenigstens einmal in Gegenwart einer Dame, die damals ein Vorrecht an Ihre Unterhaltung gehabt hatte. Diese Dame war Mrs. Vinson, die es verdienen würde, daß ihr ein Mühlstein an den Hals gehängt und sie ins Meer versenkt würde. Aber machen Sie doch nicht so ein Gesicht, Langholm, als ob Sie dasselbe verdient hätten! Es wäre ja vielleicht besser gewesen, wenn Sie Vinsons Frau mehr Aufmerksamkeit geschenkt hätten als der meinigen. Meine Frau selbst aber wäre freilich die letzte, die Ihnen darüber einen Vorwurf machen würde – natürlich! Und nun, wenn es Ihnen recht ist, Woodgate, so wollen wir uns wieder zu den Damen begeben.«

Empfindlich wie alle Angehörigen seiner Zunft, dabei von Natur sanft und von jener zarten, durch Anlage und Erziehung ausgebildeten Rücksicht gegen andre, eine Eigenschaft, die einen Grundzug seines Wesens bildete, fühlte Langholm sich durch Steels letzte Worte, in denen Hugh Woodgate durchaus nichts Kränkendes fand, bis ins Innerste verletzt. Steels Ton klang zwar nicht wie eine direkte Beleidigung, eher wie Spott, wie ein vielleicht schlecht angebrachter und in solcher Zeit immerhin nicht sehr geschmackvoller Spott, der aber offenbar gutmütig und harmlos erscheinen sollte. Langholm ließ sich jedoch nicht täuschen, er glaubte entschieden eine tiefere und überdies höchst peinliche Bedeutung herauszuhören. Dabei schien ihm dieser versteckte Tadel nicht ungerecht zu sein. Ein Blick in sein Inneres sagte ihm sogar, daß er ihn verdiene, aber nicht für das, was er gesagt oder getan, sondern für das, was er in diesem Augenblick in seinem Herzen entdeckte. In tiefster Niedergeschlagenheit betrat er deshalb den Salon, sein Gemütszustand aber hing durchaus nicht mehr mit dem zusammen, was soeben gesprochen worden war.

Der Auftritt, der ihn dort erwartete, war ganz dazu angetan, diese Stimmung noch zu verschärfen. Rahel hatte die Herren mit demselben stolzen Ausdruck ungebrochenen Mutes verlassen, den sie auch während des Essens anscheinend mühelos bewahrt hatte. Nun aber fanden die Herren sie schluchzend in Morna Woodgates Armen und in einem solch jammervollen Zustand fassungsloser Verzweiflung, daß selbst Steel erschrocken auf der Schwelle stehen blieb. Im nächsten Augenblick hatte sie sich jedoch schon wieder aufgerichtet, und wenn die schönen Augen auch noch in Tränen schwammen, so blitzte doch bereits wieder der alte Mut daraus hervor.

»Gehen Sie nicht wieder fort,« bat sie in einem Ton, der wenigstens einem der drei mitten durchs Herz ging. »Bleiben Sie hier und helfen Sie mir, um Gottes Barmherzigkeit willen! Ich kann es nicht ertragen. Ich habe die Kraft nicht dazu. Eine Stunde zur Not konnte ich der Dienstboten wegen heucheln. Aber selbst da hat mich die Anstrengung, die Schande fast verrückt gemacht.«

»Andre sollten sich schämen,« sagte Steel nun sehr ernst, »nicht du. Und wer sind diese andern schließlich? Was liegt daran, was die Leute in einem solchen Krähwinkel denken? Das ist doch noch lange nicht die Welt.«

Traurig schüttelte Rahel den Kopf. Ihre wundervollen Augen waren jetzt trocken, leuchteten aber nach den vergossenen Tränen in nur noch schönerem Glanze. Langholm verwandte keinen Blick davon.

»Und doch ist es die Welt,« widersprach sie. »Ein Teil wenigstens der Welt, und überall, wohin wir auch gingen, würde sich dasselbe zutragen, sobald man erführe, wer ich bin,« rief Rahel heftig. »Von nun an soll man wissen, wer ich war oder wer ich bin, denn wenn die Leute es doch erfahren, so wirft diese Geheimnistuerei erst recht ein schlechtes Licht auf mich. Aber ist es nicht empörend? Ich bin freigesprochen worden, und doch behandelt man mich, als habe man mich nur begnadigt. Spricht das nicht aller Menschlichkeit Hohn?«

»Die Menschlichkeit ist nicht so verbreitet, als du denkst,« bemerkte Steel.

»Unchristlich ist es! Unchristlich!« sagte Woodgate wieder und wieder.

Langholm aber sagte nichts. Seine Blicke hingen unverwandt an Rahels Zügen. Sie aber hatte weder ein Auge für ihn, noch für Hugh Woodgate, noch für dessen Frau. An ihren Gatten allein waren ihre Worte gerichtet, ihm stand sie zunächst, und in sein Gesicht allein schaute sie.

»Willst du es dulden, daß diese Schande immer weiter auf mir lasten soll?« fragte sie leidenschaftlich.

Seine Antwort war naheliegend.

»Meine liebe Rahel, was soll ich tun? Ich hielt es nicht für möglich, daß die Sache hier an den Tag kommen könnte. Durch einen Zufall nur ist es geschehen.«

»Aber ich will jetzt, daß es bekannt wird,« rief Rahel, »wenn du mit jener Sache meinen Prozeß und meine Freisprechung meinst. Es war ein Fehler, beides auch nur einen Augenblick zu verheimlichen. Von nun an aber soll kein Geheimnis mehr daraus gemacht werden.«

»Dann können wir die Welt nicht hindern, von dir zu denken und zu sprechen, was sie will, es mag noch so grausam und ungerecht sein. Sei vernünftig, gib der Vernunft Gehör, obwohl man dies in deiner jetzigen Stimmung bei Gott nicht von dir verlangen kann. Ich habe mein Möglichstes getan und werde es auch in Zukunft tun. Schon morgen soll dieses Anwesen dem Verkauf ausgesetzt werden, und wir selbst reisen ohne Aufschub an einen andern Ort.«

»Wo dieselbe Geschichte sich über kurz oder lang wiederholen wird! Weißt du denn keinen besseren Ausweg, du, der du mich geheiratet hast, nachdem du mit deinen eigenen Ohren vernommen hattest, was von Verdachtsmomenten gegen mich vorgebracht wurde?«

»Weißt du selbst etwas Besseres vorzuschlagen, Rahel?«

»Ja, ich weiß etwas Besseres,« antwortete sie, ihm mit strengem Ausdruck voll in die Augen schauend. Die Anwesenheit der drei Gäste schien sie vollständig vergessen zu haben.

»Suche nach dem Schuldigen, wenn du wirklich willst, daß die Leute an meine Unschuld glauben!«

Steel zuckte nicht zusammen, doch kam eine Zeit, wo einer von dem anwesenden Trio ehrlich überzeugt war, es sei doch so gewesen. Jedenfalls aber schlossen sich Steels Lippen noch fester, während er mit weit aufgerissenen Augen in die seiner Frau starrte, allerdings nur einige Sekunden lang, und nur, um sie dann in höchster Verwirrung zu Boden zu senken.

»Wie kann ich das?« fragte ihr Gatte jetzt ruhig und sogar freundlich, obwohl sein Ton nicht vielversprechend klang. »Ich bin doch kein Detektiv!«

Allein er fügte dies nur so hinzu, um überhaupt etwas zu sagen, und bewies dadurch seiner Frau, die ihn besser kannte, als irgend sonst jemand, wie unbehaglich es ihm zu Mute war.

»Ein Detektiv, nein,« antwortete sie schlagfertig, »aber ein reicher Mann bist du, der Detektivs anstellen könnte. Wenn du wolltest, so müßte es dir ein Leichtes sein, deine Frau vor der Welt zu rechtfertigen.«

»Rahel, du weißt sehr gut, daß du längst gerechtfertigt bist.«

»Das ist also deine ganze Antwort!?« rief sie höhnisch, endlich die Blicke von ihm losreißend und ohne eine weitere Antwort von ihm abzuwarten. Sie war fertig mit ihm, deutlich stand es auf ihrem Gesicht geschrieben. Einen Augenblick noch schaute er sie an, dann wendete auch er sich achselzuckend ab.

Rahels Augen aber wandelten rasch durchs Zimmer: sie hafteten einen Augenblick auf Morna Woodgate, die vom Sofa, wo die Damen nebeneinander gesessen hatten, voll lebhafter, aber – wie es nun einmal das Los der Frau ist – ohnmächtiger Begeisterung zu ihr aufschaute. Sie huschten über den Pfarrer hin, der ruhig wie gewöhnlich und nicht wenig verlegen aussah, um dann schließlich auf der mageren, gebückten Gestalt Langholms zu verweilen, der den Kopf mit dem zerzausten Haar vorstreckte, und aus dessen träumerischen Augen ihr ein Feuer entgegensprühte, das eine Flamme der Erleuchtung in ihren eigenen Augen entzündete.

»Sie, Mr. Langholm!« rief Rahel, indem sie einige Schritte auf ihn zu machte. »Sie mit Ihrem Erfindungsgeist, mit Ihrem Talent, Verwicklungen und Probleme auszudenken, die niemand lösen kann, glauben Sie nicht, daß Sie dieses eine für mich entwirren könnten?«

Ihre Augen strahlten jetzt, und ihr freudiger Glanz galt diesmal ihm allein. Langholm glaubte, das Herz müsse ihm zerspringen: er war wie berauscht. Ein paar hastige Schritte mit seinen langen Beinen, und schon hatte er Rahels Hand ergriffen, in Gegenwart von ihrem Gatten und den Freunden.

»So wahr mir Gott helfe,« sagte er, »ich werde es versuchen!«

Nur flüchtig hatten ihre Hände sich berührt. Rahels Gatte aber stieß ein sardonisches Gelächter aus.

»Verbieten Sie es mir?« fragte Langholm, sich zu ihm wendend.

»Durchaus nicht,« antwortete Steel. »Es wird mich im Gegenteil nicht wenig interessieren, zu sehen, wie Sie es anstellen.«

»Ist dies eine Herausforderung?«

Scharf sahen sich die zwei Männer an, während der Pfarrer und die beiden Frauen schweigend dabei standen. Für alle außer dem Pfarrer hatten Steels Worte in der Tat wie eine Herausforderung geklungen, obwohl ihnen keine Zeit geblieben war, sich dies klar zu machen, ehe sie das Wort aussprechen hörten und dessen Nichtigkeit erkannten.

»Wie Sie wollen,« sagte Steel gleichgültig.

»Ich fasse es als eine solche auf,« entgegnete Langholm, indem er den andern mit den Augen durchbohrte. »Und finden werde ich ihn – den Schuldigen – und sollte ich keinen Buchstaben mehr schreiben – falls der Schurke noch am Leben ist!«


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