Arno Holz
Phantasus
Arno Holz

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Nacht.

Der Ahorn vor meinem Fenster rauscht,
von seinen Blättern funkelt der Thau ins Gras,
und mein Herz
schlägt.

Nacht.

Ein Hund . . . bellt, . . . ein Zweig . . . knickt, – still!

Still!!

Du? . . . Du?

Ah, deine Hand! Wie kalt, wie kalt!
Und . . . deine Augen . . . gebrochen!

Gebrochen!!

Nein! Nein! Du darfst es nicht sehn,
dass die Lippen mir zucken,
und auch die Thränen nicht, die ich kindisch um dich vergiesse –

Du armes Weib!

Also nachts,
nachts nur noch wagst du dich,
schüchtern,
aus deinem Sarg?
Um dich auf Zehen zu mir zu schleichen?

Armes Weib!

Verblüht
die Kränze, die du gewunden,
verweht
die Lieder, die du gesungen,
und in deinen Haaren, in deinen schönen Haaren,
klebt nun die
Erde.

Tot, tot, tot . . .

Und deine Flügel, deine armen Flügel!
Unbarmherzig heruntergeschnitten
von den schimmernden Schultern – ah, weine nicht!
Weine nicht!
Hier! Hier! Zu mir sollst du dich setzen,
nächtlich, allnächtlich,
bis der Morgen
graut,
bis die Sonne
scheint,
und die Welt,
die kluge Welt, wieder gleichgültig über dein Grab rollt

Horch!

Der Ahorn vor meinem Fenster rauscht,
der Thau tropft,
und mein Herz
schlägt.

Nacht, Nacht, Nacht . . .

 


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