Heinrich Hoffmann
Die Mondzügler
Heinrich Hoffmann

 << zurück 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Dreizehnter Auftritt

Flunkerton
steigt in das Schiffchen des Luftballs.
Die Chöre
erscheinen auf der Bühne. Alle reiten auf Steckenpferden. Sie wenden sich, sobald sie gesprochen haben, nach dem Hintergrunde, und händigen jenem ihre Barschaften ein, welche derselbe sorgfältig einpackt. Dann ordnen sie sich rechts und links zu beiden Seiten.
Amtmann
mit zwei Geldsäcken und
Chor der Bürger

Chor der Bürger
        Du Wunderland, Schlaraffenland,
Wir ziehen dir entgegen!
Dort kann man sonder viel Verstand
Des lieben Leibes pflegen.
Amtmann
Wenn uns der Mann nicht hat betört,
So ernt' er großes Lob ein!
Dort oben will ich ungestört
Recht exemplarisch grob sein.
Chor der Bürger
Wir kümmern uns dort oben nur
Um Braten, Wein und Trüffeln.
Die Freiheit hoch! Dort darf Zensur
Die Schüsseln nicht beschnüffeln.
Amtmann
Vertreibt euch, wie ihr wollt, die Zeit!
Doch eins nicht zu vergessen:
Ich bin als eure Obrigkeit
Der Erste bei dem Essen.

(Zu Flunkerton)

        Heerführer, he! Dort jener Luftball, sprich, wozu?
Flunkerton
        Er dienet als Bagagewagen auf der Fahrt.
Leicht müßt ihr sein, sonst tragen euch die Pferdchen nicht.
Chor der Begriffsritter
                    Endlich naht der große Tag,
Wo es uns gelingen mag
Unsrer Meister Lehren
Glänzend zu bewähren!
Die Gräulichen
Gräßlich ist vom Durst geplagt
Stets der Mond, wie Hegel sagt;
Darum söff er täglich
Aus dem Meer unsäglich.

Dieses nun mit anzusehn,
Wollen wir jetzt selber gehn,
Und auf solche Weise
Lohnt sich unsre Reise.

Die Bläulichen
Was der unsre uns vertraut,
Daß der Mond massiv gebaut
Sei aus Silbererzen,
Nahmen wir zu Herzen.

Jeder bringt ein tüchtig Stück
Auf die Erde sich zurück,
Und mit neuen Gulden
Zahlet man alte Schulden.

Chor der Romantiker
(als Barden gekleidet mit goldenen Harfen)
Von dem ungeheuren Zuge
Kam die seltsamliche Kunde
Auch auf unsre Sängerburgen.
Uns verließ alsbald der Schlummer
Und die schweigsam träge Ruhe.
Abenteuer aufzusuchen,
Ziemt dem echten Dichtermute.
Um dem Selenitenbuben
Und der Mondsbewohner Jugend
Dort zu nah'n mit ernstem Gruße,
Haben wir uns umgebunden
Falsche Bärte, und es fluten
Zu den Fersen uns herunter
Ernsten weiten Faltenwurfes
Die Gewänder, wie sie trugen
Einst die Barden. So vermummet
Wollen wir im Dichterschmucke
Uns erholen von den Wunden,
Die uns die Kritik hier unten
Hat geschlagen, garstig blutend,
Denn im Monde gibt es Schluchten,
Tief an achtzehntausend Fuße,
Steil gesenkte, nächtig dunkle.
Um dem Abgrund alte Buchen
Ächzen Mitternachts im Sturme.
Zischend aus verschlungnen Wurzeln
Fährt die Schlange. Wilde Ure
Kämpfen brüllend an dem Ufer
Dunkler Wasser, und hinunter
Rasen sie in wildem Sturze
In die Tiefe. Heisern Rufes
Schreien Adler nach dem Blute.
Auf dem schwarzen Felsengrunde
Liegt der Drache; giftig funkeln
Seine Augen; fest umschlungen
Hält er eine Felsenkuppe
Mit dem Schweife; gelbe Gluten
Schnaubt er aus dem Riesenmunde.

Dort nun, wenn das lästig bunte
Tageslicht erlischt, zur Stunde,
Wenn die Geister machen Runde,
Wollen wir hinab zum Grunde!
Ja, wir wollen all hinunter!
Und wir schaffen graus'ge Wunder
Echter Dichtung, kerngesunder,
Nichts von dem Tendenzenplunder
Euch herauf dann, frisch und munter;
Namentlich, wenn hier auf Erden
Die Kritik wir lassen werden.

Chor der Dramatiker
(mit türkischer Musik)
        Ratatschin! bumm! bumm!
Das Geschäft der Übersetzer
    Ist gewaltig übersetzt;
Darum wollen nach dem Monde
    Auch wir übersetzen jetzt!
        Ratatschin! bumm! bumm!
Scribe nennt sich unser Vater,
    Scribler unser ganz Geschlecht.
Aufgewärmte alte Schüsseln
    Machen wir aufs Neu' zurecht.
        Ratatschin! bumm! bumm!
Will man gar uns nun verachten
    Das französische Ragout;
Für den Mond ist's etwas Neues,
    Und sie schnalzen dort dazu.
        Ratatschin! bumm! bumm!
Und die Seleniten fliegen!
    Ei, wer weiß, das bringt uns Glück!
Wir verfassen Lufttragödien,
    Ein geflügelt Kassenstück.
        Ratatschin! bumm! bumm!
Unendlicher Chor flötender Lyriker
Einer
Mondbeglänzte Zaubernacht,
Die den Sinn gefangen hält,
Wundervolle Märchenwelt,
Steig' auf in der alten Pracht!
Der Chor
Alles haben wir besungen:
Sonne, Wonne, Triebe, Liebe.
Wenn uns etwas übrig bliebe,
Wäre bald der Reim gelungen;
Aber ach! mit tausend Zungen,
Wenn die frische Flur erwacht,
Trällern wir von Frühlingspracht.
Ganz verbraucht sind Busch und Quelle,
Abgenutzt sogar die helle,
Mondbeglänzte Zaubernacht.

Kaum ist noch es zu ertragen,
Dieses Feilschen, dies Geplapper!
Räderschnurren und Geklapper!
Kann die Nachtigall da klagen?
Nur polit'sche Tagesfragen
Sind's, womit man noch gefällt.
Der nur ist der Mann der Welt,
Der mit Toben keck beschuldigt,
Und der neuen Mode huldigt,
Die den Sinn gefangen hält.

Um erbärmlich nicht zu enden
In poet'schen Hungersnöten,
Müssen wir mit Reim und Flöten
Jetzt uns nach dem Monde wenden.
Dort mit singbar neuen Spenden
Ist die Zauberflur bestellt.
Jeder, der sich uns gesellt,
Und zu singen Lust hat, freue
Sich einstweilen auf die neue
Wundervolle Märchenwelt!

Leb denn wohl, du Mondenschimmer,
Abgelebter Musenfreier!
Unser Lirum-larum-leier
Tönt in deinem Strahle nimmer!
Dort in das Poetenzimmer
Blickt in stiller Sommernacht
Dann die Erde, süß erwacht.
Alter Reime frisches Schwirren,
Veilchenduft und Taubengirren
Steig auf in der alten Pracht!

Michel
        Wie das Volk da lärmt, als gehör ihm die Welt zu Lehn und in erblicher Pachtung,
Daß des denkenden Mannes vernünftiges Wort kaum findet Gehör und Beachtung! –
Ein gefährliches Ding ist der Hunger gewiß! Ja ein Untier, nagend und gierend,
Das der Mann an der Spree einst trefflich erklärt: »als mich selbst in mir selber negierend«;
Wie die Sättigung auch nichts anderes sei, als »die wiedergefundene Einheit
Meiner selbst mit mir selbst«, wenn ich »opfernd das Ding«, sie erhalte zu früherer Reinheit.
Da nun jeglicher will, daß Deutschland jetzt sei ein einiges, ganz ohne Spaltung,
So erkennt man gewiß patriotisch Bemühn, wenn ich sorge für Leibeserhaltung.
Chor der Touristen
                Sich in die Luft zu erheben,
        Rasch durch die Länder zu schweben,
Muß doch auf Erden ein Herrliches sein!
        In die geheimsten Gemächer
        Blickt durch die Luken der Dächer
Man wie der hinkende Teufel hinein.
        Was sie da schmoren und kochen,
        Wird dann am Schornstein gerochen,
Fettes und Saures und Schinken und Kraut.
        Ob sie Perücken und Zöpfe
        Tragen, ob glatzige Köpfe,
Wird von da oben am besten erschaut.
        Um uns nun Flügel zu kaufen,
        Ziehen auch wir mit dem Haufen
Fort in das Wunder verheißende Land;
        Wenn wir das Reisebeschreiben
        Dann erst im Fluge betreiben,
Fällt wie vom Himmel manch luftiger Band.
Chor der naiven Bettinen
        Ich ziehe mit,
Ich halte Schritt.
Warum, ich weiß es selber nit!
Weil's eben gar
Zu sonderbar,
Ist's auch poetisch, offenbar!
Zum schwanken Zweig
Der Tanne steig
Ich dort im Mond empor sogleich.
Mir ist's, ich wär
Ein Vöglein sehr;
Die Beinchen baumeln hin und her.
Chor der Jesuiten
              Man glaubte jüngst uns bei den Toten.
        Seid ohne Sorg, wir leben zäh!
Mit leisem Schritt, auf Katzenpfoten
        Sind wir beständig in der Näh.

Es schien uns immerdar das Beste:
        Man nimmt den Finger, drauf die Hand
Und drauf den Arm, und mit dem Reste
        Dann hat man keinen schweren Stand.

Im lieben deutschen Vaterlande
        War alles schon im rechten Zug.
Wir brachten wohl das Ding zustand;
        Wir machten's wahrlich fein genug.

Als Lehrer hier und dort als Tröster
        (Man drückt sich durch, wie's gehen mag),
Wir bauten erst die kleinen Klöster,
        Die großen sollten später nach.

Im Baiernland, uns jüngst so teuer,
        Verloren scheint dort unser Spiel.
In Rom selbst ist's nicht ganz geheuer;
        Der neue Papst reformt zu viel.

Ein kluger Vater sorgt beizeiten,
        Und unsre Väter, kluge sind's;
Drum ist's nicht übel, mitzureiten
        Nach der lunarischen Provinz.

Kann sich im Mond einmal erschleichen
        Ein Viertel nur die Klerisei,
Dann wird nicht lange Frist verstreichen,
        So kriegt sie auch die andern Drei.

Der chinesische Missionsverein zu Kassel
        S'ist in Kassel desperat!
        Hätten wir nur erst Chinesen!
Doch die Kerle in der Tat
        Sind noch nie so rar gewesen.

Trifft man endlich einen an,
        Dem wir lange auf schon paßten,
Ist der Bursch von Porzellan
        Oder gar gemalt auf Kasten.

Der deutsche Michel
        Nehmet mich, den deutschen Michel,
        Mit in eure neue Stadt!
Das Berliner Witzgestichel
        Bin ich endlich müd und satt.
Flunkerton
        Ist alles nun geordnet? Jeder auch zu Pferd?
Amtmann
Im Bügel sitzen alle und im Sattel fest.
Flunkerton
Nun wohl, so seid gewärtig jetzt des raschen Flugs!
Mit Staunen wird erfüllen euch, was nun geschieht.
Der Gesamt-Chor
        Leichter Sinn und frisches Hoffen
    Legt den Stab in unsre Hand,
Und vor unsern Blicken offen
    Glänzt ein neues Vaterland.
        Reicher Segen
        Strahlt entgegen
    Uns an diesem Freudentag.
Endlich ist es eingetroffen,
    Was in trüber Ferne lag.

Aber doch, indem wir scheiden,
    Füllt mit Tränen sich der Blick,
Und die jüngst entschwundnen Leiden
    Scheinen kaum noch Mißgeschick.
        An der alten
        Heimat halten
    Zauberbande uns zurück.
Wahrlich, der ist zu beneiden,
    Dem zu bleiben gönnt das Glück!

Nicht die Furcht, weil wir es wagen,
    Regt sich in beklommner Brust.
Nein! der Schmerz, den wir getragen,
    Und die Zeit vergangner Lust
        Ziehen leise
        Nach dem Kreise,
    Wo so vieles Teure blieb.
Selbst das Leid aus fernen Tagen
    Wird dem Herzen wert und lieb.

Noch ein Lebewohl dem Herde,
    Wo als Kinder wir gespielt,
Wo die Mutter uns belehrte,
    Kosend uns der Vater hielt!
        Jenen Räumen,
        Wo in Träumen
    Sich das Leben uns erschloß,
Und der Morgen das verklärte
    Frührot auf die Pfade goß!

(Während der letzten Strophe erhebt sich der Luftball mit
Flunkerton
allein langsam empor, bis zur halben Bühnenhöhe)

Michel
        Jü! Jü, mein Pferd! – Zum Teufel, Sir, ihr fliegt allein,
Und angewurzelt stehen wir am Boden hier!
Flunkerton
(aus der Höhe)
        Mir lacht das Herz im Leibe recht, wenn ich hinunterschaue.
Wie ich an diesem meinem Werk mich freue, mich erbaue!
Da stehen nun die Narren all, so albern, voll Erwarten,
Und Kopf an Kopf so dicht gedrängt, wie Kohl in einem Garten!
Jawohl, ein Garten ist's, ein Feld! Drin wuchert, wie in Ranken,
Unnützes Unkraut überviel an Träumen und Gedanken.
In Blüten steht der Torheit Baum, jahraus und -ein bewundert,
Die Klugheit, wie die Aloe, kaum einmal im Jahrhundert.
Ihr erntet jetzt die Früchte! Hört! Ich sag's, ihr seid betrogen,
Und was vom Mond ich euch erzählt, das alles war erlogen!
Es waren Ammenmärchen nur, recht alte, abgeschmackte! –
Und dann, was wollen Leute dort, wie ihr, so ganz abstrakte?
Ihr lebt an tausend Jahre schon in diesen deutschen Landen,
Und habt zu Recht zu finden euch bis jetzt noch nicht verstanden.
Wenn gar ich nun mit eurem Geld mich auf der Fahrt beschwere,
So zieht das Philosophenvolk sich leicht daraus die Lehre:
Das Gold ist eitel! Nimmer ziemt's, um eitlen Tand zu klagen!
Den äußern Mangel kann mit Lust, wer innen reich, ertragen!
Lebt klug! doch eh ich weiter flieg mit voller Segelschwellung,
Hab ich vom Dichter noch ein Wort für jene zur Bestellung!

(Zu den Zuschauern)

            Wenn gefesselt zur Seite das Schwert auch ruht,
Wenn die Trift nicht qualmt von der Feinde Blut,
        Sind es ruhige, friedliche Zeiten?
Und erdröhnt auch im Feld kein Rossegestampf,
Und schwebt auch um brennende Hütten kein Dampf,
        So ist rings doch ein Kämpfen und Streiten.

Laut schallet nach Freiheit ein dürstender Schrei,
Und es eilen die Freunde gerüstet herbei,
        Sich um heilige Banner zu scharen;
Und sie tragen als Waffen das schneidende Wort,
Sie beschirmen der Wahrheit goldenen Hort
        Und sie trotzen mit Mut den Gefahren.

Doch hütet euch wohl! Denn ein Dämon der Nacht,
Aus finsterer Tiefe verderblich erwacht
        Die Begierde nach gleißendem Golde,
Sie verlocket das Auge, verblendet den Sinn,
Sie opfert das Höchste dem schnöden Gewinn,
        Wie die Lorelei wirbt sie, die Holde.

Da sinkt aus der zitternden Rechte das Schwert;
Gleichmütig verlaßt ihr den heimischen Herd,
        Nach goldenem Vließe zu jagen.
Wohl prunkt ihr mit Liedern der Freiheit so gern,
Und beachtet doch nicht, wie der schlimmste der Herrn
        Euch in schmähliche Ketten geschlagen.

(Er fliegt ab)

Chor
        Wehe! Wehe!
In die Höhe
Ist der Schurke fortgeflogen.
Garstig hat er mich betrogen.
Arge Bosheit! Satansstücke!
Und die blanken Guldenstücke,
Ob ich je sie wiedersehe?
Wehe! Wehe!
Amtmann
        Was hilft das Jammern? Hättet ihr euch klug, wie ich, benommen,
So dürfte jener Flunkerton, wohin er wollte, kommen.
Mein liebes Geld liegt wohlverwahrt daheim, und bleibt das meine,
Und was der andre mit sich schleppt, sind schlechte Kieselsteine.
Ein Diener
(tritt auf)
Herr Amtmann, endlich find' ich euch! Ich bring euch schlimme Kunde.
Faustida, euer Töchterlein, vor einer guten Stunde,
Ist sie mit jenem Flügelmann gegangen in das Weite;
Sie nahmen mit sich alles Gold und Silber und Geschmeide.
Amtmann
Daß Gott erbarm! Mein Geld! Mein Geld! Die Tochter könnt' ich missen.
Zu plündern selbst die Obrigkeit! Der Mensch hat kein Gewissen!
Chor
        Wehe! Wehe!
In der Höhe
Als ein Pünktchen schwebt er oben.
Wie ein Traumbild ist zerstoben
Dieses Bierpastetenleben!
Will kein Windstoß sich erheben,
Daß er ihn herunter wehe?
Wehe! Wehe!
Michel
        Des Amts entsetzt, des Gelds beraubt, es ist zum Desperat-Sein!
Von nun an will ich aber auch ein Ultra-Demokrat sein!
Amtmann
Ich armer Mann! Was fang ich an, um zu Kredit zu kommen?
Nichts ander's bleibt mir übrig mehr: ich gehe zu den Frommen!
Michel
(zu dem Gesamt-Chor)
            Am Quell der Wahrheit, wo ihr oft in guten Tagen euch gelabt,
Und zur Erholung manchen Trunk der reinsten Lust geschlürfet habt,
Dort findet ihr in böser Zeit gewißlich Trost und guten Rat,
Wenn euch, wie Philosophen ziemt, die Weisheit Freund ist in der Tat.
Und Freunde, die erprobt man nur, wenn dräuend uns das Schicksal grollt;
So wird's auch bald erweisen sich, wes Lehre Tombak, wessen Gold.
Drum will ich euch verkünden nun, wie ich betrachte unser Weh
Dem Denksystem gemäß, das jüngst noch einzig herrschte an der Spree.
Er, sitzt der Ärger und der Zorn gemeinlich in der Leber tief,
Wie jedermann bemerken kann, dem eine Laus darüber lief.
Die Leber aber wissen wir, wie unser hoher Meister lehrt,
Ist »das Prinzip, das vom Komet sich ins Lunare hat gekehrt«;
Und da zum Monde allesamt wir gehen wollten eben jetzt,
So folgt, daß eben alle wir uns großen Nöten ausgesetzt.
Ja, glaubt es, oder glaubt es nicht! Wir waren eben in Gefahr
In Lebern zu verwandeln uns, in Lebern wir, mit Haut und Haar.
Ihr wisset wohl, wie Hegel auch die Leber noch »die Hitze nennt
Des Seins für sich«, »den Zorn sodann, der gegen Anderssein entbrennt«;
Es werde diese Glut »gelöscht am eh'sten durch die Lungen auch«.
So singt zum Schluß, wie's ohnedem verlanget der Komödienbrauch!
Ja, singt ein Lied, das stolz empor auf rasch beschwingtem Rhythmus eilt!
Dann wird die Leber abgekühlt, die Brust befreit, das Herz geheilt.
Der Gesamt-Chor
        Du gepriesenes Land des germanischen Volks, wie bist du vor andern gesegnet,
Daß der schwelgende Blick ringsum auf der Flur nur des Reichtums Fülle begegnet!
Tief beuget die köstliche Ähre den Halm, und die Saaten, die goldenen, wogen,
Und heimwärts schwankt die erfreuliche Last, von stampfenden Rossen gezogen.
Da gedeihen erquickliche Früchte genug, frisch glänzend in dunkelem Laube,
Und es träuft, auf sonnigen Hügeln geglüht, uns der Wein aus köstlicher Traube.
Breit rauschen die herrlichen Ströme hinab, nach dem Meere in Eile gewendet,
Von dem Kiele gefurcht, der Schätze uns bringt, von entferntester Zone gesendet.
Ehrwürdig im Schmuck der vergangenen Zeit, sich erfreuend gemeinsamen Bandes,
Viel blühende Stadt am Ufer entlang und zerstreut auf der Fläche des Landes!
Und allorts lebet ein kräftig Geschlecht von Männern, geübt in den Waffen
Und vertrauenden Sinns, voll edelen Muts und zu rühmlichen Taten geschaffen.
Was beharrender Fleiß in Gewerben vermag, wird von kundigen Händen gestaltet;
Wie kaum vordem hat frisch sich die Kunst zu der prächtigsten Blüte entfaltet;
Um des Wissens Altar stehn Priester geschart, von heiligem Ernste durchdrungen;
Manch herrliches Lied aus begeisterter Brust ist jüngst noch den Sängern gelungen.
Du gepriesenes Land des germanischen Volks, wie bist du vor andern gesegnet,
Daß der schwelgende Blick ringsum auf der Flur nur des Reichtums Fülle begegnet!
Und dennoch sind wir Bettler! Es fehlt uns das Höchste, was Menschen erstreben.
Uns fehlet die Freiheit! Es fehlt uns die Luft und das innerlich atmende Leben,
Das den Busen erwärmt und den Pulsschlag hebt und zu tüchtigen Taten den Mut gibt.
Hier lohnt sich der Kampf! Hier ring' um den Preis, wer der Menschheit heiligstes Gut liebt!
Und die Freiheit des Worts und die Freiheit des Rechts und die Freiheit in Denken und Glauben,
Wer fühlt sich da mächtig und herrschend genug, sie uns ewig und immer zu rauben?
Wer fühlt nicht Kraft zu beharrlichem Kampf und Kraft, den Besitz zu bewahren?
Drum haltet am heimischen Herde getreu, als ein einiges Volk in Gefahren!
Was zieht ihr hinaus durchs brausende Meer, um des Urwalds Dunkel zu lichten,
Und fällt am Missouri die Zeder, am Strand des Ohio die ragenden Fichten,
Als lägen die Ufer der Elbe, des Rheins und die andern in geistiger Helle!
Hier schwinget die Axt; denn es wächst das Gestrüpp und das Dickicht in wuchernder Schnelle!
Amtmann
        Gar schön ist, was ihr eben jetzt uns hergesagt;
Doch haben and'res auszuführen wir vorerst.
Nicht zur Entscheidung wurde das Begriffsturnier
Gebracht am Morgen; unvergeben liegt der Preis.
Michel
Der Mann hat recht, und diesmal folg' ich seinem Rat.
Ins Reine kommt ihr mit der Freiheit nimmermehr,
Bevor ich richtig festgestellt des Drecks Begriff.
Chor
Wohlauf zum Streit! Zum Markte ziehet dicht geschart,
Zu schauen, wer im Nüsseknacken Meister ist!
Und wer im Kampf den Gegner tüchtig dort zermalmt,
Der nehme Platons Nußzermalmer heim als Lohn!

(Alle reiten auf ihren Steckenpferden ab)

(1843, 1847)


 << zurück