Heinrich Hoffmann
Die Mondzügler
Heinrich Hoffmann

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Elfter Auftritt

Der Vorige. Faustida

Faustida
        Wie dem Vater ich geraten, haben wir's zustand gebracht,
Und er hat sich steinbelastet eben auf den Weg gemacht;
Doch die blanken Taler liegen noch daheim an sichrem Ort.
Peter
(beiseite)
Ei! Von allerliebsten Dingen spricht die Zuckersüße dort.
Faustida
Müßt ich hier nur nicht als Wächter bei dem goldnen Horte stehn,
Gerne ging ich selbst das Wunder jener Himmelfahrt zu sehn,
Und vor allem jenen Prinzen mit dem selt'nen Flügelpaar.
Peter
(beiseite)
Was! Zum Autokraten macht sie mich, zum Mondbeherrscher gar!
Faustida
Nach dem Unerhörten strebt ja immerdar des Weibes Geist,
Bis er bricht die Erdenschranken, bis er jede Fessel reißt.
Darum oft in stillen Nächten war empor mein Blick gewandt,
Weil ich jetzt in Liebesgluten für den Mann im Mond entbrannt.
        Hebe, Geflügelter,
Mich in entzügelter
Liebe zum klaren Mond!
Sei du mein Heiliger,
Der nach langweiliger
Haft mich mit Freiheit lohnt!
Peter
Schnaken umfliegen mich,
Raupen bekriechen mich
Hier, wo das Eichhorn thront.
Pfui, was ein lästiger
Knorriger, ästiger
Sitz für den Herrn im Mond!
Faustida
                        Neckt das Echo mich? – O Himmel! Was ich sehe, war's ein Wahn?
Dichtend sitzt ein Ungeheuer auf dem Baum, ein Pavian.
Peter
O mein Herzchen, eben nanntest du mich noch ein Ideal;
Doch die Laune sitzt den Weibern auf der Zunge allzumal!
Faustida
Also wirklich bist du jenes mondentsproßne Fürstenkind?
Peter
Schwerlich fänd' ich meine Güter, wenn sie nicht im Monde sind.
Faustida
So verzeih'! Ich störte sicher dich in einem schönen Traum.
Peter
Ganz verhaßt ist mir die Erde; darum stieg ich auf den Baum.
Faustida
(will zu ihm hinauf)
O ich haß sie längst, die alte! Wenn dir's recht ist, steig ich auch.
Peter
Nein, ich will herunter kommen! So ist's bei Genies der Brauch.
(Er steigt von dem Baume)
Faustida
Bist du wirklich auch ein Prinzchen und ein echt geadeltes?
Peter
In den Adern fließt mir Vollblut, reines, nie getadeltes.
Faustida
Ein »unfaßbar Großes, Hohes liegt im Adel«, ganz gewiß!
Peter
Ha! Für unser Nachtjahrhundert welch ein Lichtgedanke, dies!
Faustida
Darum spielt in meinen Werken diese Bourgeoisie nur dann,
Wenn ich Kammerjungfern, Kutscher, Jäger nicht entbehren kann.
Peter
Ja, Faustida, sonder Ahnen ist kein Schurke intressant.
Faustida
Aber, Prinz, wie ist es möglich, daß mein Name dir bekannt?
Peter
Weiter als »jenseits der Berge« liest man alles, was du schriebst;
Ist's ein Wunder, wenn im Monde selbst nicht unbekannt du bliebst?
Da du nun auf jeder Seite von dir selber sprichst mit Lust,
Sieh, so hab ich deinen Namen auf den ersten Blick gewußt.
Unbeschreiblich liebenswürdig bist du! Gern gesteh ich's ein.
Faustida
»Liebenswürdigkeit, sie muß auch unbeschreiblich immer sein.«
Aber deinen Namen sag' mir, fremder Mann! Wie nennst du dich?
Peter
Jener Lelia Genossen, Trenmor, kennst du sicherlich,
Der ein ruinierter Spieler seinen besten Freund bestahl.
Faustida
Trenmor bist du? Vor mir seh ich dieses hohe Ideal?
Peter
(mit Pathos)
Ja, ich bin es! Bin's leibhaftig, wie die Sand mich jüngst beschrieb,
Eine wahre Sündenblume, erst ein Spieler, dann ein Dieb!
Doch dies sind nur Kleinigkeiten; andre Taten führt' ich aus.
Meinen eignen Vater hab' ich einst verbrannt in seinem Haus,
Meine Mutter dann vergiftet nebst Geschwistern, etwa drei;
Hab erdrosselt eigenhändig sechs Maitressen, nach der Reih,
Und noch manche Greuel übt ich in dem Neufranzosenstil;
Doch ich hab sie meist vergessen, denn es waren gar zu viel.
Endlich wegen jenes Diebstahls haben sie mich eingesteckt,
Und im Bagno wurd ein neuer, hoher Sinn in mir erweckt.
Bagno! Bagno! Aller wahren Dichtung Arsenal bist du!
Pantheon der schönsten Taten! Großes Schurkenrendezvous!
Sprich, zu was denn all die Schulen, wenn der Bagno Wunder tut?
Hätt' ich Kinder, zur Galeere schickt' ich meine junge Brut. –
Dort nun kam des Friedens Geist mir philosophisch angeweht,
Und das Ideal der Tugend ward ich, wie es vor dir steht.
Faustida
Ich erkenne mehr in dir noch; denn du bist Romanenheld.
Kein Verbrecher, nein! ein Opfer dieser tief verderbten Welt!
Als ein Kind, ein frisches, liegst du an den Brüsten der Natur,
Und von jener »Kunstverpuppung« seh bei dir ich keine Spur.
Offen will ich's dir bekennen: Tu as captivé mon âme!
Peter
(vor ihr kniend)
Hier zu deinen Füßen lieg ich angekettet, flügellahm! –
Ja! der Frau verkannte Größe strahlet hell im schönsten Licht,
Wenn sie schreibt und dann gedruckt wird. Weißt du, was der Dichter spricht?
»Weiber werden dann Hyänen, treiben mit Entsetzen Scherz!« –
Faustida
Nun wohlan denn, Trenmor! Hast du zu entführen mich das Herz?
Peter
Wahrlich! – Doch schon hab ich droben ein mir angetrautes Weib.
Faustida
Ei! Wir reisen miteinander nur zu unserm Zeitvertreib!
Jene ganze Firma »haß ich, die man hier Familie nennt«,
Und die uns das Sklavenzeichen auf die blöde Stirne brennt.
Eine Amazone bin ich mit der Lanze: Poesie;
Diese bürgerliche Ordnung, den Zentauren, duld ich nie!
Peter
Herrlich! Doch wir nehmen mit uns jenes schlau vergrab'ne Geld.
Faustida
Was! ein Prinz und ohne Groschen ziehst du durch die weite Welt?
Peter
Gar zu niedrig an der Börse steht im Kurs das Mondspapier.
Faustida
Nun, ich hol des Vaters Taler.
Peter
                                                Einen Wagen schaff auch mir!
Faustida
Pfui! Wie bürgerlich-prosaisch! Dacht ich doch, du seist der Aar,
Der als seinen Ganymed mich auf dem mächt'gen Flügelpaar
In der Liebe Himmel trüge.
Peter
                                            Ei der Tausend! Du vergißt,
Daß in Deutschland hier wir leben, wo so was verboten ist,
Wo ein Aufschwung gar gefährlich, und die Luft auch viel zu dick.
Faustida
Alles will ich rasch besorgen. Bleib nur einen Augenblick!
Peter
Lebe wohl, und kehre baldigst, künft'ge Mondbeherrscherin!
Faustida
Du begeh mir keine Greuel, während ich im Hause bin!

(Ab in das Haus)

Peter
(allein)
              Viele beklagen es jammernd und bitter,
    Daß so prosaisch die Zeiten, so kalt.
Wahr ist, es rasseln geharnischte Ritter
    Nicht mehr nachts durch gespenstischen Wald.
Hin sind die Zwerge, die Zaubrer, die Feen,
    Lorelei singt kein girrendes Lied;
Auch die Undinen sind nirgends zu sehen,
    Seit uns der adlige Fouqué verschied.

Nimmer bedarf man der Faustischen Lumpen,
    Seit uns der Dampf in die Weite kutschiert;
Selbst von dem Kneipen mit tonigen Humpen
    Hat sich die Welt durch Vereine kuriert.
Wikingerzüge und nächtliches Lauern,
    Faustrecht, Feme, das all ist vorbei;
Denn es bewacht in prosaischen Mauern
    Uns ihr gewaltiger Feind: Polizei.

Aber was schadet's? Es blieb beim Alten,
    Wenn man es sonst auch im Großen betrieb.
Heut statt Schädel sind Federn zu spalten;
    Was sonst der Räuber, ist jetzo der Dieb.
Zwar statt Hexen und Teufelsverwandten
    Gibt's philosophische Mystik nur;
Doch wo sie pomphaft sonst Ketzer verbrannten,
    Wütet als Heuchlerin jetzt: die Zensur.

Möge mir keiner die Alten beneiden!
Ja wir durchleben poetische Zeiten,
    Und mich reißt der Strudel mit!
    Jockey oder Selenit,
    Missionär?
    Wer mir sagte, was ich wär?
    Zur Galeere jüngst verdammt,
    Dann von Fürsten abgestammt,
    Fügt sich's, daß ich gar zum Schluß
    Die femme libre lieben muß!

(Ab)


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