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XVII.

Waldstein's Page überreichte seinem Herrn einen Brief. Er kam von der Gräfin van Meer; Waldstein erkannte in den Schriftzügen ihre Hand. Mit Hast und Widerwillen löste er das Siegel. Er las den Inhalt und erbleichte.

Sie schrieb:

»Ihr habt meine Großmuth herausgefordert, Albrecht! Ich übe sie jetzt in der umfassendsten Bedeutung. Ich weiß, daß Ihr der Bräutigam der Freifrau von Wiczkova seid; ich habe geschwiegen, ich werde schweigen. Ihr seht, Albrecht, daß ich Eurem Glück nicht störend in den Weg trete. Ihr habt mich keines Edelmuthes für fähig gehalten; lernt von einem Weibe das Schwerste: Selbstverleugnung. Ich bringe ein gewaltiges Opfer; es soll Euch einen Maßstab für meine Liebe geben. Möge ich in Eurem Herzen einen Platz wenigstens da haben, wo die Dankbarkeit wohnt. Ich hoffe, Ihr werdet, wenn vielleicht Freundschaft später mich an meine glücklichere Nebenbuhlerin kettet, mir nicht feindselig entgegenwirken.

Camilla.«

Albrecht warf sich in einen Sessel und zerdrückte das Blatt zwischen seinen Fingern. »Das Weib ist fürchterlich,« sagte er grimmig; »die Sterne logen nicht – sie übt eine dämonische Gewalt über mich aus! Wie kann sie es erfahren haben – die bunte Schlange? Gleichviel – sie lauert in einem Hinterhalt und braut Gift, um es anderswohin zu verspritzen. O könnte ich sie vernichten! Und doch – ich darf sie nicht erzürnen, jetzt nicht! Bevor ich nicht Lucretia's Gatte, hat sie mich in ihrer Hand!«

Er sprang auf und schritt ungeduldig in der Stube auf und ab. »Und Otto, Otto!« rief er, »ich kann seit zwei Tagen seiner nicht habhaft werden. Dies tolle Krönungsschauspiel hält ihn ab und schwächt nur seinen Eifer. Was ist zu thun? Ich sage Lucretia alles. Nein – es ist dann immer noch Zeit. Aeltere Weiber sind mißtrauisch. Aber daß diese Camilla, diese giftige Medea, den Dolch nicht in Walperga's Brust stößt, daß sie dieser die todtbringende Botschaft nicht bringt, dafür muß ich sorgen! Mein Hochzeitsfest soll freilich nur ein Freudenspiel scheinen, aber darum doch kein Trauerspiel werden. Du ewiger Gott! Daß sich doch stets an meine besten Entwürfe der gefräßige Wurm des Mißlingens oder Mißgönnens hängen muß! Ich büße schwer für manche kurze Liebesstunde bei dem Weibe, es ist die harte Strafe der Lüge; denn Lüge und Eitelkeit war doch meine Leidenschaft von damals. Und meine Liebe zu Lucretia? Ha! Wer wird grübeln, wer zaudern so nah' am Ziel? Ein weiser Jesuit sprach: Es wird die Welt zu zwei Dritttheilen durch Lüge beherrscht; die Wahrheit, die lautere Wahrheit, für alle Menschheit wäre ihr Verderben.«

Er rief seinen Pagen. Diesen schickte er in das Rosenberg'sche Haus, den Matusch herzubescheiden; ein anderer Diener mußte sich aufs Roß werfen und in die Altstadt zu Kinsky sprengen, um dort womöglich Otto's habhaft zu werden.

Albrecht selbst setzte sich jetzt an den Tisch und schrieb einen Brief voll zärtlicher Liebesversicherungen an Lucretia, die er in Folge der rauschenden Festlichkeiten der letzten Zeit seit einem Tage nicht gesehen.

Matusch mußte auf das Jagdhaus eilen und den gemessensten Befehl ertheilen, daß die Gräfin unter keiner Bedingung bei den Frauen vorgelassen werde. Otto von Los befand sich im Gefolge des neuen Königs und konnte sich seiner freiwilligen Dienstobliegenheiten erst am Abend entledigen.

Matusch war im Jagdhaus und schwatzte mit der alten Marga auf deren Stube. In der Vorhalle befanden sich Waldstein's Leute und übten auf ihren Hörnern ein neues Jagdstück ein, daß es rauschend in die Abendluft schallte. Die Umgegend war ruhig; Walperga lustwandelte theils innerhalb, theils auf der Mauer und sah nach den Blumenbeeten, die man in kurzer Zeit über Schutt und Steintrümmer angelegt hatte. Sie trat auf die Stelle der Mauer, wo diese nach außen am niedrigsten war, die Arbeiter waren noch kurz vorher beschäftigt, sie mit einem Gitter zu schützen, wovon ein Theil bereits aufgestellt war.

Da gewahrte sie unten den siechen Bettler, den sie schon mehrmals in der Umgegend hatte seine bedauernswerthe Wanderung vollbringen sehen. Er erhob das Haupt zur Hälfte nach ihr und stöhnte: »Um des Himmels Barmherzigkeit willen – eine kleine Gabe!«

Walperga langte in ihre Tasche, dann hielt sie sich mit der linken Hand an einem der Gitterstäbe und beugte sich herab; so konnte sie gerade die emporgehaltene Hand des Bettlers erreichen. Kaum fühlte dieser die Münze in der Hand, als er mit eiserner Faust den Arm des Mädchens erfaßte und mit seiner grellen Stimme triumphirend ausrief: »Ich will mehr – Dich ganz, Jüngferlein! Und diesmal entkommst Du nicht.«

»Du bist es, Entsetzlicher!« schrie Walperga, »zu Hilfe, Matusch, Mutter, Hilfe! Hilfe!«

Sie klammerte sich in Todesangst an die Eisenstange, aber mit fürchterlicher Schwere zog sie der Niederträchtige nieder, daß er ihr den Arm aus dem Gelenk zu reißen drohte. Wohl hatte sie den Dolch im Gürtel, aber faßte sie mit der linken Hand darnach, so verlor sie ihren Haltpunkt und stürzte nieder in die Arme des Verruchten. Ihr Geschrei verhallte im wilden Toben des Hörnerklanges, schon schwand ihre Kraft, schon fühlte sie, wie eine Ohnmacht ihre Sinne umflorte, und gab sich verloren: da stürzte Matusch – er hatte ein scharfes Gehör und hatte den Weheschrei durch das Geräusch der Musik vernommen – ohne Hut und Degen an den blasenden Jägern vorbei und schwang sich auf die Mauer. Er umschlang das kämpfende Mädchen an den Hüften und donnerte dem Räuber zu: »Lass' los, Hund!«

»Eher zerreißt die Dirne, Du Schuft,« versetzte höhnisch Vojta, und in diesem Augenblicke ragte aus dem Gebüsch am Feldrain ein Haupt empor – es war das des Scherbic.

Matusch vereinigte jetzt seinen Hilferuf mit dem Walperga's, er rief nach seinem Degen, aber man hörte ihn nicht.

Da sprang den Fußpfad von Devic herauf, durch das Geschrei gelockt, der Fleischer Sojka. Er trug das glänzende Beil auf der Schulter; er kam vom Schlachten aus der Meierei.

Er erkannte Matusch, und dieser ihn. »Hau den Hund über den Schädel!« rief Matusch.

»Wag's nur,« knirschte Vojta und faßte nach einem Dolch in seinem Kleide, »eher geht das Weib in Stücke, sage ich Euch!«

»Wenn's Matusch sagt,« rief fast muthwillig der Fleischer, »dann muß es gerecht sein,« und wie Vojta's Hand senkrecht über die Mauer gespannt lag, führte er mit seinem Beil einen Schlag darauf und trennte sie über dem Gelenk vom Arme.

Vojta brüllte laut auf, die abgehauene Hand fiel ins Gras, Walperga war befreit, die Jäger endeten ihr Lied und stürzten, Marga an der Spitze, das Geschrei erst jetzt vernehmend, auf die Mauer. Vojta hob den blutigen Stumpf in die Luft, dann rannte er heulend ins Dorf hinab, in die Schmiede, dort entriß er dem Knecht eine glühende Eisenstange und brachte sie an seine Wunde, dann stürzte er hinab in die Niederung zwischen die Kornfelder und verschwand. Auch Scherbic's Haupt verschwand aus dem Busche. Walperga lag ohnmächtig in den Armen ihrer Mutter; der Räuber hatte ihr die Hand beinahe aus den Sehnen gerissen.

»Jetzt kenne ich Dich, Hundeseele!« schrie Matusch dem fliehenden Vojta zu. In diesem Augenblicke sprengte links um die Mauerecke vom Reichsthor her Otto von Los. Mit zwei Worten setzte ihn Matusch in Kenntniß von dem Vorgefallenen. Otto gab seinem Pferde die Sporen und flog nach dem Reichsthor zu; vor ihm jagte ein Reiter mit verhängtem Zügel, links die Fahrstraße hinab bewegte sich schleunig ein verdeckter Wagen. Noch vor dem Thore war Otto dicht hinter dem Reiter d'rein. »Halt!« donnerte er ihm zu, »wenn Du kein Schurke bist.«

Scherbic wandte sein Roß und versetzte höhnisch: »Was will der Affe?«

»Genugthuung!« versetzte athemlos und zorngeröthet Otto und schlug Janko mit seinem Degengefäß ins Gesicht, »wasch ab den Schimpf, ehrloser Bube!«

»Morgen, morgen, armer, schneeweißer Junge,« entgegnete spottend und fast auflachend Scherbic, »werde ich Dir eine Lehre geben.«

»Degen oder Pistolen?«

»Beides.«

»Gut,« sagte Otto, »so erwarte ich morgen Abends den Auswurf des böhmischen Adels am Ausgang der Scharka beim Stern.«

Er wandte sein Roß und ritt nach dem Jagdhaus zu. Janko's höhnisches Lachen schallte hinter ihm d'rein.

»Wer war das?« fragte Sojka mit einer verschmitzten Natürlichkeit den noch immer auf der Mauer stehenden und sichtbar erschütterten Matusch und stieß dabei mit dem Fuß die blutige Hand im Grase weiter von sich. »Wir hätten ihm zurufen sollen, daß er hier etwas vergessen hat. Dergleichen läßt man nicht so leichtsinnig liegen. War's der Scherbic?«

»Nein,« sagte Matusch, »aber sein Knecht. Den Scherbic selbst holt vielleicht der Herr Otto ein und giebt ihm einen Denkzettel; der Schurke ist leider nur stärker im Schlagen.«

»Schade, daß es nicht der Scherbicer war – denn das war ein gesegneter Hieb!« meinte der Fleischer. Er betrachtete lächelnd die blutige Schneide seines Beiles; »auf die Arbeit hätte ich heute nicht mehr gerechnet.«

»Ich schäm' und gräm' mich,« sagte Matusch, »da ich und wir Alle so blind sind und so faul, und lassen die arme Walperga alle Augenblicke in eine Lebensgefahr rennen. Der Herr von Waldstein muß uns sehr loben. Es ist auch eine Schmach! Die Schurken sind viel wachsamer als wir – daß Gott sie verdamme!«

»Wenn Du jetzt Zeit hättest, alter Freund,« sagte der Fleischer, »so würde ich Dir rathen, mit in die Devicer Schenke zu kommen; sie ist in der Schmiede befindlich. Nach solchem Aerger thut ein frischer Trunk wohl.«

»Vielleicht später – ich muß noch bleiben und Du kannst hereintreten; Walperga und die Mutter müssen Dir Dank sagen, und erfährt Herr von Los, was Du gethan, so belohnt er Dich reichlich.«

»Ich mag kein Trinkgeld von einem Edelmann. Sag' der Brabanterin, es sei mir eine Freude, daß ich einem so schönen Mädchen hab' einen guten Dienst leisten können. Denn, bei Gottes Blitz, ist die Jungfrau schön; mein Weib ist zwar auch nicht übel, rund und voll und frisch, wie Milch und Blut, aber aus der Walperga ihrer Schönheit könnte man deren für zwanzig Sojka'sche Frauen machen. Wenn auch der Schnapphahn mich wegen der Verstümmelung vor Gericht ziehen sollte, ich trag's. Matusch! Ich erwarte Dich also in der Schenke; wenn's auch späte Nacht wird; einmal mußt Du doch kommen.«

Er sprang pfeifend den Hügel hinab, Matusch kehrte in das Haus zurück und trat in das Zimmer, wo sich Walperga befand. – Sie lag bleich auf einem Ruhebett, Otto saß in liebender Betrachtung daneben. Die Mutter hatte ihr den Arm, von welchem der Eisengriff des Räubers ihr die zarte Haut gestreift, sorgfältig verbunden.

Matusch winkte dem Ritter. Er erhob sich und trat mit ihm ins Fenster. Hier sprachen sie lange und angelegentlich. Endlich sagte Otto: »Dein Rath ist gut, Alter! – ich eile sogleich fort, Du bleibst indessen hier.« Er wandte sich zu Walperga:

»Meine holde Freundin,« sagte er, »auch hier seid Ihr nicht sicher – wie wir eben gesehen. Den einen Feind kann ich bekämpfen und werde es morgen thun; aber er kann zwanzig, dreißig gedungen haben, mehr als jetzt zu Eurer Sicherheit gegenwärtig sind. Ihr müßt fort von hier – in einen besseren Schutz, und ich will gehen, Euch diesen bei einer der edelsten Frauen Prags zu erwerben.«

»Ich glaub' auch, es ist besser,« versetzte Walperga, »wenn das Haus einer edlen Frau, wie Ihr sagt, mich beherbergt. – Allein, Herr Otto,« fuhr sie fort, und erhob sich und reichte ihm die unverletzte Hand, »Ihr werdet doch wohl nicht um meinetwillen mit dem elenden Scherbic kämpfen? Er verdient die Ehre der Waffen nicht, er, der eine arme Dirne auf so niedrig räuberische Weise verfolgen kann.«

Otto drückte ihre Hand an seinen Mund und sagte: »Ihm muß die Waffenehre werden, so lange er die Waffen führen will. Das ist so Brauch, meine Freundin. Besorgt nichts, ein wenig Blut kann uns Beiden nicht schaden, wäre mir so wie ihm zur Erleichterung.«

»Aber, mein barmherziger Gott!« rief Walperga erschreckt auf, »bin ich denn verdammt, für fremde, vielleicht längst begangene Sünden zu büßen. Fluch meinem Angesicht, wenn es nur Hader, Streit und Blutvergießen hervorruft und keine Liebe, keine Versöhnung!?«

»Die Liebe wohl,« antwortete Otto bitter lächelnd und setzte seufzend hinzu: »in ihrem Gefolge auch den Haß und das Blutvergießen. Um eine Perle streiten viele Taucher, und um eine Krone ringen Viele, die Begriff vom Werth der Krone haben. – Lebt wohl, Walperga, ich kehre bald wieder.«

Er warf sich auf sein Pferd und sprengte durch das Reichsthor auf den Hradschin.

»Er ist so edel,« sagte Walperga, nachdem er sich entfernt, »daß er alle Lebensgeister in mir überwindet, nur nicht das Herz – das kranke – arme, eigenwillige! – Aber wo bleibt Albrecht,« fuhr sie empor, »schon seit so vielen langen, leeren Tagen? – – Die Krönung – freilich; die Männer haben andere Geschäfte, und wo unser Herz in Liebe sich nach ihnen sehnt, da eben beginnen sie um ein Recht, ein Wort etwa, einen Streit, oder müssen ihn beschwichtigen. – Und unsere Lieb' ist wieder so eigensüchtig, daß sie nichts anderes dulden will in der Mannesbrust, als das eigene Bild. Doch die Männer sind aus anderem Stoff gebildet und haben andere Pflichten. – Wie wird das enden, heil'ge Mutter Gottes?« seufzte sie laut, »mir scheint mein Leben fast ein Märchentraum. Es ist so ganz anderer Art, als das anderer Leute. Wie ich so seltsam in dieses Dasein kam, in diese Verwirrung von Liebe und Haß, so werd' ich enden, seltsam, schrecklich gar! – Mein gütiger Gott! Warum hast Du mir die Hütte am Bach, die Lämmer und das kleine Feld nicht beschieden, das ich dort, dort als meine einzige Heimat heischte! Es war so wenig und ich war glücklich dabei!«

»Wie das enden soll, mein Töchterlein,« fuhr Marga, die die letzten laut gesprochenen Worte gehört, auf, »nun – der Herr von Waldstein oder Otto von Los wird Dich freien, das ist gewiß; denn ich werde sprechen, und Du hast die Wahl – und wenn Du sie nicht magst, wenn Du keine Edelfrau sein willst, aus purem Stolz und aus hochmüthigem Glauben, weil Du meinst, Du seiest der Herren nicht würdig – gut, so sind wir noch reich genug, genug, sag' ich Dir – zehn Hütten und Felder und Hunderte von Lämmern, nach denen Du verlangst, zu kaufen. – Ich kenne das; in Deinen Jahren haben die Mädchen seltsame Wünsche! Aber Du bist krank, arme Marinka, bist so erschreckt worden durch den wilden Buben, den verfluchten Raubknecht. – Und ich, ich konnte Dich allein lassen? Ich hatte mich mit Matusch verplaudert; ich sprach von meinem Geburtsort; den Bach, den Steg, das Dorf kannt' er wieder nach meiner Schilderung, es war nahe d'ran, daß er den Namen nannte, und ich hatte meine Heimat, wo ich geraubt worden bin, und meine Eltern; da drang Dein Schrei gellend durch die Hörner an sein Ohr und – er ist ein braver Mann, wie sorgsam und wie edel, schlicht und recht; das Herz im Auge und auf der Zunge. – Und ein solcher Mann muß gemein und gering geachtet, ja ein Diener sein. – Ich wollt', er wär' ein Edelmann, daß ihn auch Andere ehren müßten! – Aber Marinka! – sei nur ruhig, ich räche Deine Angst und Deinen Kummer. Es ist schlimm, daß ich nicht dabei war, als der Schnapphahn kam – der die liebe Hand so arg zerdrückt; aber wart' nur, er ist vom Scherbic; es ist wieder seine Hand und am Herrn, am Leibe straf ich's, ich lass' die abgehauene Hand vergraben und besprech' sie – seine Glieder alle müssen verdorren – hätt' ich den Janko nur einmal mir gegenüber; nicht mit Gift, mit Dolch, mit einer Feuerwaffe würde ich ihn angreifen, nein! weil er mich eine Hexe schilt, weil ich ihm auf der Ofengabel nach dem Petriner Berg reite am ersten Mai, so möcht' ich eine Ofengabel glühend machen, bis sie weiß aussieht vor feurigem Ingrimm, und sie durch den Leib, durchs Herz ihm rennen! Dann will ich ruhig sein, meinetwegen sterben – vorausgesetzt, daß ich mein Töchterlein in Sicherheit und wohl geborgen weiß wie eine Prinzessin.«

»Das werdet Ihr bald sein, Walperga!« sagte Matusch tröstend, »ich hoff' im Hause meiner Herrin, die dem Herrn von Los sehr befreundet ist, weil er ihr auch einmal die einzige Tochter aus Räuberhänden errettet hat. Ihr seid dann im mächtigen Schutz der freiherrlich Slavata'schen Familie. Dahin zu dringen wird sich der Scherbic wohl hüten; denn da bedarf's nur eines Wortes und wir haben vom Oberstburggraf einen Verhaftbefehl für den Schlemmer und Räuber. Die hohe Frau Elisabeth von Rosenberg aber wird Euch voll Liebe in Obhut nehmen, und Euch, so lange Ihr mögt, eine sichere Zuflucht gewähren auf Herrn Otto's Fürbitte. Der sollte dem Scherbic gar nicht die Ehr' anthun und sich mit ihm schlagen; nun, ich will schon dabei sein, und will's dem gnädigen Herrn Waldstein sagen, damit wir Unglück verhüten.«

»Nein!« rief Walperga rasch, »Albrecht soll nicht dabei sein; er hat um meinetwillen schon zweimal das Leben d'ran gesetzt, und ich ahne Gefahr für ihn. Da stürz' ich mich lieber selbst dem Janko entgegen und verlange mit meinem Dolche sein Blut, das gewiß nicht kostbarer ist, als meine Ehre und mein Lebensfrieden.«

»O lass't das die Herren allein ausmachen,« beschwichtigte Matusch, »die haben in der Sache Uebung und wissen, was Rechtens ist. Es wird so schlimm nicht werden. Und Herr von Waldstein kann doch höchstens nur Zeuge sein, wie damals Herr Otto der seinige war. – Wir Männer machen dergleichen schon unter uns ab!«

Seltsam war die Bitte, welche Otto der Frau von Rosenberg allein vortrug, aber er hatte sich das Recht zu jeder Bitte erworben, und kaum vernahm Elisabeth, daß es sich darum handle, einer Mutter das Kind zu erretten, das ihr geraubt werden sollte, so ergriff sie die Gelegenheit, eine Unglückliche zu schützen, mit Begeisterung. Sie fand nichts Auffallendes mehr darin, daß ein junger, vornehmer Edelmann ihr zumuthete, Straßensängerinnen, von denen die Eine noch dazu sich durch verführerische Schönheit auszeichnete, in ihre Obhut zu nehmen.

In dem Hintergeschoß nach dem Walle und der heutigen Schloßstiege zu wurden sofort Zimmer zur Aufnahme Walperga's und ihrer Mutter in Bereitschaft gesetzt. Otto warf sich auf sein Pferd und sprengte zum Reichsthor hinaus nach dem Jagdhause. Ein inneres Gefühl sagte ihm, daß ihm sein Anliegen nur gelungen, weil er es der Frau von Rosenberg allein und nicht in Jaroslava's Gegenwart hatte vortragen können. Im Beisein des schönen Mädchens hätte er nicht den Muth gehabt, für eine gleich schöne zu bitten, an der noch dazu verrätherisch durch jedes Wort und jeden Blick seine liebende Theilnahme sich kundgab.

Mit dieser frohen Botschaft trat er in das Haus und vor Walperga's Lager. Sie erhob sich traurig lächelnd und sagte, indem sie ihm die Hand reichte: »Ich weiß nicht, wie es kommt, daß so viel edle Herzen sich helfend und tröstend um mich bemühen! Ich muß vordem schon in einer anderen Welt gelebt und den Mitgeschöpfen so viel Wohlwollen erwiesen haben, wie Ihr, Herr Otto, daß mir dies hier vergolten wird. Wie sehn' ich mich darnach, auf die Hand einer edlen Frau die Lippen dankbar zu drücken, so ohne Rückhalt, wie ich es dem Manne gegenüber nicht vermag. Eines aber, Otto!« bat sie mild und flehentlich: »Wenn Ihr die arme Walperga noch ferner werth haltet, schlagt Euch morgen nicht mehr mit dem tollen Scherbic. Lasst mir die Rache – und sie wird kommen. Wie schwach, gedrückt, scheu und elend ich bin, so hat die Hand, die sonst nur Saiten rührte, doch die Kraft, einen Dolch ins Herz des Verderbers zu drücken. Es giebt ja Augenblicke, wo die Taube auch ihre Sanftmuth abschwört und zum Geier wird, um den Feind zu zerfleischen.«

»Walperga, theuere Freundin!« versetzte Otto, »da ich zu allem bereit bin, was Ihr begehrt – liegt's sonst in meiner Macht, so werde ich auch unterlassen, was Ihr nicht wünscht, wenn's anders möglich. Der künftige Tag gehört doch nur Gott. Lassen wir ihn walten; uns geziemt es jetzt, das Nächste, Nöthigste zu erfassen. Bereitet Euch zum Aufbruch; der Wagen hält am Thor. Ich geleite Euch zur Frau von Rosenberg.«

Einen Augenblick später saßen die beiden Frauen im Wagen und, beschützt von einer Anzahl Waldstein'scher Diener aus dem Jagdhaus, fuhren sie nach Prag. Ein Reitknecht wurde auf den Hradschin geschickt, um Waldstein von dieser plötzlichen Veränderung Nachricht zu geben. Er fand ihn aber nicht zu Hause und konnte sich seines geheimen Auftrages nicht entledigen.

Matusch mußte auf Otto's Geheiß mit einigen Leuten zurückbleiben zum Schutze des Gebäudes, und um abzuwarten, ob sich in derselben Nacht nicht vielleicht ein neuer Anschlag Scherbic's offenbaren würde. Er hatte den Auftrag, am folgenden Morgen im Waldstein'schen Hause darüber Bericht abzustatten.

Nachdem Otto mit den Weibern abgezogen war, ließ Matusch, nunmehr gewissermaßen Commandant des Hauses, alle vorhandenen Gewehre laden, befahl den Dienstleuten, in der Nähe der Mauer Wache zu halten, er selbst wollte die Umgegend recognosciren und dann den Fleischer in der Schmiedeschenke aufsuchen. Nahte irgend eine Gefahr, so rief ihn, das war besprochen – der erste Flintenschuß zur Stelle. –

»Ist das nicht eine Schurkerei,« sagte Matusch, als er in die niedere Schenkstube neben der Schmiede, wo sich Sojka und der Schmied allein befanden, trat, und warf die Mütze ingrimmig auf den Tisch; »der Janko will ein Edelmann sein und mißhandelt unschuldige, hilflose Weiber, wie es kaum der verworfenste Knecht thun würde. Nun, einen Verworfenen als Helfer hat er auch gefunden; aber Du, Sojka, hast ihm das Geschenk gegeben. Mit der Hand, alter Freund, rührt er mir die Brabanterin nicht mehr an. Fauler Kerl!« wandte er sich zu dem Schmied, der zugleich Schenke war, »was horchst Du? Gieb mir lieber zu trinken! Du siehst, daß ich durstig bin. – Aber, Sojka,« fuhr er zu diesem gekehrt wieder fort, »Du hast mir oder – vielmehr Dein Beil – einen Dienst heute geleistet, den vergess' ich Dir auf dem Todtenbette nicht! Weiß Gott, was daraus geworden wäre, wenn Du nicht kamst. Ich hatte meinen Degen und, dem Himmel sei es geklagt, auch meinen Kopf vergessen. Ich möcht', ich könnte Dir auch beistehen in irgend einer Gefahr, wenn Einer Deinem Weibe ein Leid anthun wollte.«

»Meinem Weibe?« lachte der Fleischer und that mit seinem Bierkrug Bescheid, »um die ist mir nicht bange, die nimmt's mit uns Beiden auf, Matusch! So hübsch sie ist und so fromm sie aussieht, sie hätte ihre Finger dem Burschen in die Augen gekrallt, daß ihm das Sehen nicht allein, auch das Reißen und Halten vergangen wäre. Die Weiber haben, wenn sie wollen, bessere Waffen als wir! Nicht, als wenn ich's von meiner Frau wüßte, Gott sei vor – das wird sie sich nie einfallen lassen. Denn ich bin der Herr zu Hause. Aber sag' mir, Matusch, wer war der Schuft, der das schöne Ding, die Walperga, geradezu zerreißen wollte? Das ist ja eine niederträchtige Furie von dem Hund, daß er das Mädchen lieber umbringen als lassen will. Was hat er davon?«

»Es ist ein Kerl,« versetzte Matusch, »den der Scherbicer, von dem ich Dir ja erzählt hatte, geschickt hat. Er will sie nämlich – Gottes Schande – zur Buhlschaft haben, und weil's im Frieden nicht geht, mit Gewalt. Dazu ist aber das Mädchen zu gut und zu vornehm von Gaben. Das leid' ich nicht und litte ich auch nicht, hätte sie nicht die Herren zu Freunden, ich allein beschützte sie. Was hab' ich, alter Bursche, denn sonst noch auf der Welt zu thun, wenn ich nicht armen Leuten helfen soll!? – Ja, wer der Kerl ist, soll ich sagen, derselbe Höllenhund, der dem Wallensteiner damals das Mauerwerk hat auf den Kopf stürzen wollen, und der die arme Dirne ins Freie gelockt und in das Gewölbe zu Scherbic geschleppt; alles im Auftrag seines schurkischen Herrn.«

»Ja, ja, Matusch,« lächelte Sojka, »es gereut mich nicht; denn die Brabanterin ist schön, beim heiligen Prokop, schön – schön – ich habe mir sie erst heute, wie ich zuhieb, gerade ordentlich angesehen, und der Kopf ist mir noch voll davon. Es ist so, als hätte ich noch im Gehirn vor mir das Gesicht! Das vergißt sich nicht gleich, Matusch! Und ich kann's glauben, daß sie selbst alte Burschen, wie Du bist, rührt. – Für die noch zwanzig solche Hiebe! Aber lieber wär' es mir doch, die Bescherung hätte den Scherbic getroffen, seinen Hals. Von dem geht ja doch, wie Du sagst, alles Unheil aus.«

»Der Schuft,« sagte der Schmied, welcher sich nunmehr auch in die Unterhaltung mischte, »hat meinen Knecht gar erschreckt, als er hereinstürzte mit dem blutenden Arm und das Feuer daran hielt. So etwas kann Einen überraschen, wenn man nicht darauf gefaßt ist. Und schon seit Tagen schlich er als Bettler herum – und wir hatten Mitleid mit ihm. Ich selbst habe ihm ein Glas Branntwein gegeben, weil ich meinte, das könnte seine alten Knochen erfrischen. In der Hast seiner Arbeit fiel ihm auch die Binde vom Auge – er ist gar nicht blind.«

»O, der ist jünger als wir,« lachte der Fleischer hell auf, »ich sah das an dem Blute und dem Sprung, den er that, als ich ihm die Hand frei gemacht – für immer! Auf so etwas versteh' ich mich! – Auch hab' ich mir das Gesicht gemerkt und kenn' ihn wieder, wenn ich ihn sehe.«

Matusch brach bald auf, um nach dem Jagdhause zurückzugehen. – Die Nacht verlief ohne alle Störung.

Im Slavata'schen Palast angekommen, wurden die beiden Frauen von einer Dienerin in ihre Zimmer gebracht und sorgsam verpflegt. Am folgenden Tage sollten sie der Herrin des Hauses vorgestellt werden.

 

Ende des zweiten Bandes.

 


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