Unbekannte Autoren
Tausend und eine Nacht. Band XIX
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El-Melik es-Sâhir Rukn ed-Dîn Bibars el-Bundukdâri und die sechzehn Polizeihauptleute.

Man erzählt, – doch Gott ist allwissend, – daß einst in den Landen Ägyptens in der Stadt Kairo unter den Türken ein tapferer König und vortrefflicher Sultan regierte, der die islamitischen Festen, die Strandburgen und nazarenischen Kastelle erstürmte und El-Melik es-Sâhir Rukn ed-Dîn Bibars el-Bundukdâri hieß. Der Wâlī seiner Residenz war gegen alles Volk gerecht; Melik es-Sâhir selber aber liebte leidenschaftlich die Geschichten des Volkes und das Treiben der Leute und verlangte danach, es mit eigenen Augen zu sehen und sie selber solches erzählen zu hören. Da traf es sich eines Nachts, daß er von einem seiner Geschichtenerzähler vernahm, unter den Weibern gäbe es tapferere und ausgezeichnetere als Männer, und manche von ihnen kämpften mit dem Schwert, während andre wiederum die schlausten Wâlīs mit ihrer List überkämen und allen möglichen Schimpf über sie brächten. Da sagte El-Melik es-Sâhir: »Ich möchte dies von einem hören, der mit ihren Listen zu schaffen gehabt hat.« Hierauf versetzte einer der Geschichtenerzähler: »O König, laß den Gouverneur der Stadt holen.« Da schickte er nach Alam ed-Dîn Sendscher, der damals Wâlī von Kairo war, und, als derselbe vor ihm erschien, teilte er ihm seinen Wunsch mit, worauf der Wâlī, der ein in den Geschäften erfahrner Mann war, sagte: »Ich 57 werde mir Mühe geben, den Wunsch unsers Herrn und Sultans zu erfüllen.« Alsdann erhob sich der Wâlī und kehrte wieder in sein Haus zurück, wo er die Hauptleute und Offiziere vor sich kommen ließ und zu ihnen sagte: »Wisset, ich will meinen Sohn verheiraten und ihm ein Bankett anrichten, zu dem ihr euch alle an einem Platz versammeln sollt. Ich will dann ebenfalls in Gesellschaft erscheinen, und ihr sollt erzählen, was ihr merkwürdiges gehört und erfahren habt.« Die Hauptleute, Boten und Agenten erwiderten: »Schön, in Gottes Namen! Du sollst alles dies mit eigenen Augen und Ohren sehen und hören.« Hierauf erhob sich der Wâlī, stieg hinauf zu El-Melik es-Sâhir und teilte ihm mit, daß an dem und dem Tage die Versammlung bei ihm stattfinden würde. Der Sultan versetzte: »Schön,« und gab ihm etwas Geld zum Ausgeben. Als nun der verabredete Tag kam, räumte er für seine Offiziere ein Haus ein, das eine Reihe von Gitterfenstern hatte, die auf den Garten gingen. Bald darauf kam El-Melik es-Sâhir zu ihm, und er setzte sich mit ihm in den Pavillon, wo ihnen die Speisetische aufgetragen wurden. Nachdem sie gegessen hatten und der Becher unter ihnen die Runde machte, während sie von Speise und Trank guter Dinge waren, erzählten sie einander, was sie zu sagen hatten, und enthüllten ihre Geheimnisse; der erste aber, der seine Geschichte vortrug, war ein Hauptmann, Namens Muîn ed-Dîn, dessen Herz in die Weiber verliebt war. Und er hob also an und erzählte:

 

Geschichte des ersten Polizeihauptmanns.

»Erlauchte Gesellschaft, ich will euch ein wunderbares Erlebnis erzählen, das mir widerfuhr. Wisset, als ich in den Dienst dieses Emirs trat, hatte ich einen großen Ruf, so daß mich jeder Nichtsnutz mehr als alle andern Menschen fürchtete und alle Leute mit den Fingern und Blicken nach mir wiesen, wenn ich durch die Stadt ritt. Da traf es sich eines Tages, als ich mit meinem Rücken gegen die Wand 58 gelehnt in der Präfektur saß und meinen Gedanken nachhing, daß etwas in meinen Schoß fiel; und siehe, es war eine versiegelte und zugebundene Börse. Wie ich sie nun in die Hand nahm, sah ich, daß sie hundert Dirhem enthielt, doch erblickte ich nicht die Person, die sie geworfen hatte, so daß ich rief: »Preis sei Gott, dem König der Königreiche!« Eines andern Tages fiel wieder etwas auf mich herab und erschreckte mich, und siehe, da war es wieder eine Börse gleich der ersten. Da nahm ich sie, doch that ich, als ob nichts vorgefallen wäre, und stellte mich schlafend, während ich nichts von Müdigkeit verspürte. Wieder eines Tages, als ich mich schlafend stellte, verspürte ich eine Hand in meinem Schoß, in der sich eine feine Börse befand. Da packte ich die Hand, und siehe, da war es die Hand einer hübschen Frau. Ich fragte sie: »Meine Herrin, wer bist du?« Sie versetzte: »Steh' auf und komm mit mir, damit ich mich dir zu erkennen geben kann.« Da stand ich auf und folgte ihr ohne Säumen, bis wir vor der Thür eines hohen Hauses standen, worauf ich sie fragte: »Meine Herrin, wer bist du? Du bist gütig zu mir gewesen, und was hattest du für einen Grund hierzu?« Sie erwiderte: »Bei Gott, o Hauptmann Muîn, ich bin ein Weib, das von Liebe und Sehnsucht nach der Tochter des Kadis Amîn el-Hukm verzehrt wird. Wir beide waren eng befreundet und mein Herz liebte sie, doch nahm sie ihr Vater Amîn el-Hukm und ging fort, so daß ich nun um ihretwillen von Sehnsucht ergriffen und verstört bin.« Da sagte ich, verwundert über ihre Worte, zu ihr: »Was wünschest du, das ich thun soll?« Sie versetzte: »O Hauptmann Muîn, wisse, ich wünsche, daß du mir hilfreich die Hand leihst.« Ich entgegnete: »Wo bin ich, und wo ist die Tochter des Kadis?« Sie erwiderte: »Du sollst dir nichts gegen die Tochter des Kadis herausnehmen, sondern ich wünsche nur durch List mein Ziel zu erlangen. Dies ist mein Wunsch und Begehr, doch kann ich es allein durch deine Hilfe erlangen. Ich will mich nämlich heute Nacht beherzt 59 aufmachen und mir wertvolle Schmucksachen leihen, mit denen ich mich in die Gasse setzen will, in der Amîn el-Hukm wohnt. Wenn dann die Zeit der Runde naht und die Leute schlafen, so geh' mit deinen Leuten an mir vorüber; wenn du mich in Schmucksachen und feinen Gewändern dasitzen siehst und den Duft von Parfüm riechst, so frag' mich, wer ich sei, worauf ich dir sagen werde, ich gehöre zu den Töchtern der Gouverneure und sei aus der Burg; ich wäre eines Geschäftes halber ausgegangen, doch hätte mich die Nacht überrascht, und das Thor Suweile nebst allen andern Thoren wäre verschlossen, so daß ich nicht gewußt hätte, wohin ich mich hätte wenden sollen, und in dieser schöngebauten und saubern Gasse Unterschlupf bis zum Morgen gesucht hätte. Wenn ich dies mit großer Sicherheit zu dir gesagt habe, so wird der Wâlī der Runde keinen Verdacht gegen mich schöpfen, sondern sagen: »Wir müssen sie bei jemand lassen, der sie bis zum Morgen behütet.« Dann sprich du: »Am besten wird sie für die Nacht zwischen den Frauen und Kindern Amîn el-Hukms untergebracht.« Poch' hierauf unverzüglich an seine Thür, und so bleibe ich ohne Schwierigkeit bei ihm und erreiche meinen Wunsch; und der Frieden sei auf dir!« Ich erwiderte ihr: »Bei Gott, das ist ein leichtes Ding.«

Als es nun pechschwarze Nacht war, erhoben wir uns, begleitet von Leuten mit blanken Schwertern, und machten durch die Stadt die Runde, bis wir gegen Mitternacht zur Gasse gelangten, in der die Frau saß. Sobald wir starke Düfte rochen und das Klirren von Ringen vernahmen, sagte ich zu meinen Gefährten: »Mir ist, als sähe ich etwas.« Der Wâlī der Runde versetzte: »Seht zu, wer es ist.« Da trat ich in die Gasse und kam wieder heraus und sagte: »Ich sah eine hübsche Frau, die mir erzählte, sie sei aus der Burg und wäre vom Abend überrascht; als sie diese Gasse gesehen hätte, wäre sie hineingegangen, um Unterschlupf in ihr zu suchen, da sie aus ihrer Sauberkeit geschlossen hätte, daß sie einem großen Mann gehörte, und daß ein Hüter 60 über sie angestellt sein müßte.« Da sagte der Wâlī der Runde zu mir: »Nimm sie zu dir nach Hause.« Ich versetzte jedoch: »Da sei Gott vor! Mein Haus ist kein sicherer Ort, und diese Frau hat Schmucksachen und feines Zeug an; bei Gott, wir wollen diese Frau allein bei Amîn el-Hukm unterbringen, in dessen Gasse sie sich seit dem Anbruch der Dunkelheit befunden hat. Laß sie bei ihm bis zum Tagesanbruch.« Da sagte der Wâlī der Runde: »Thu', was dir beliebt und gefällt.« Infolgedessen pochte ich an Amîn el-Hukms Thür, worauf einer seiner Sklaven zu mir herauskam, zu dem ich sagte: »Mein Herr, nimm diese Frau und behalt' sie bei dir bis zum Tagesanbruch, denn der Offizier des Emirs Alam ed-Dîn fand sie in Schmucksachen und feinen Gewändern an der Thür eures Hauses stehen, und wir fürchteten, die Verantwortung für sie könnte auf euch fallen. Ich sagte deshalb, es wäre am angebrachtesten, wenn sie bei euch übernachtete.« Da öffnete der Sklave und nahm sie zu sich. Am nächsten Morgen war der erste, der vor den Emir trat, der Kadi Amîn el-Hukm. Er stützte sich auf zwei seiner Sklaven und schrie und rief um Hilfe und sagte: »O Emir voll Verrat und Arglist, du vertrautest mir eine Frau an und führtest sie in mein Haus, sie aber erhob sich und stahl mir das Geld der kleinen Waisen, sechs große Beutel. Ich habe mit dir kein Wort mehr als vor dem Sultan zu sprechen.« Als der Wâlī dies vernahm, sprang er erschreckt auf und setzte sich wieder. Dann nahm er den Kadi an seine Seite und besänftigte und beschwichtigte ihn, bis er seinen Worten ein Ende machte und, sich zu den Hauptleuten wendend, hiernach fragte. Sie schoben die Sache auf mich und sagten: »Der Hauptmann Muîn weiß allein von dieser Sache.« Infolgedessen wendete sich der Kadi zu mir und sagte: »Du steckst mit ihr unter einer Decke, denn sie sagte, sie käme von der Burg.« Bei diesen Worten stand ich gesenkten Hauptes da und vergaß Sunna und Vorschrift, indem ich in Gedanken versunken bei mir sprach: »Wie konnte ich mich 61 von jener Dirne übertölpeln lassen!« Als mich der Wâlī nun aber fragte, weshalb ich keine Antwort gäbe, versetzte ich: »Mein Herr, unter den Leuten ist es Brauch dem Schuldner drei Tage Frist zu gewähren. Wenn in dieser Zeit der Schuldige nicht gefunden wird, so stehe ich für das Verlorene ein.« Als die Leute meine Worte vernahmen, billigten alle dieselben, und der Wâlī wendete sich zu Amîn el-Hukm und schwor ihm zu, sein Möglichstes zur Wiederbeschaffung des gestohlenen Geldes zu thun, und versicherte ihm, daß er es wieder bekommen würde. Hierauf setzte ich mich sogleich auf und machte durch die ganze Welt die Runde, indem ich so einer Frau ohne Wert und Ehre unterthan geworden war. Den ganzen Tag und die Nacht ritt ich in dieser Weise umher, ohne auf eine Kunde von ihr zu stoßen, und ebenso den zweiten Tag, bis ich am dritten bei mir sprach: »Du bist verrückt oder ein Dummkopf;« denn ich suchte nach einer Frau, die mich kannte, während ich sie nicht kannte, da sie verschleiert gewesen war. Ich suchte jedoch bis zur Zeit des Nachmittagsgebets weiter, während mich Sorge und Kummer immer schwerer bedrückten, da ich wußte, daß mir vom Leben nichts mehr als der Morgen verblieb, an dem der Wâlī mich holen würde. Endlich, als ich bereits gegen Sonnenuntergang durch eine der Gassen zog, gewahrte ich mit einem Male eine Frau an einem Fenster. Ihre Thür war angelehnt, und sie klatschte mit den Händen und schielte nach mir, als wollte sie sagen: »Komm durch die Thür herauf.« Da stieg ich ohne Argwohn hinauf und trat bei ihr ein, während sie sich erhob und, auf mich zukommend. mich umarmte und an die Brust zog. Ich verwunderte mich hierüber, sie aber sagte nun zu mir: »Ich bin die Frau, die du bei Amîn el-Hukm unterbrachtest.« Da versetzte ich: »Ach, meine Schwester, ich suchte fortwährend nach dir, denn, bei Gott, du hast eine That gethan, die in die Chroniken eingetragen zu werden verdient, und hast mich in blutigen Tod gestürzt.« Sie erwiderte jedoch: »Sprichst du so zu mir, wo du ein 62 Hauptmann bist?« Ich entgegnete: »Wie sollte mir nicht angst und bange sein, wo ich die Sache besorgt hin und her überlege und den ganzen Tag nach dir suche und des Nachts mit den Sternen wache?« Nun versetzte sie: »Es soll alles gut ablaufen, und du sollst den Sieg über ihn davontragen.« Alsdann ging sie zu einer Kiste und gab mir sechs Beutel voll Gold, indem sie zu mir sagte: »Das ist's, was ich aus dem Hause Amîn el-Hukms entwendete. Wenn du willst, gieb es ihm wieder, andernfalls gehört dir alles in rechtlicher Weise. Ich habe viel Geld, und, so du willst, sollst du noch mehr haben, denn meine einzige Absicht war dich zu heiraten.« Hierauf erhob sie sich und öffnete andere Kisten, aus denen sie eine Menge Geld hervorholte. Ich versetzte jedoch: »Ach, meine Schwester, nach alle dem trage ich kein Verlangen; mein einziger Wunsch ist aus meiner Lage befreit zu werden.« Da sagte sie: »Ich verließ sein Haus nicht eher, als ich für deine Befreiung die nötigen Vorkehrungen getroffen hatte. Wenn der Morgen anbricht und Amîn el-Hukm zu dir kommt, so warte, bis er ausgeredet hat. Schweigt er, so antworte ihm nicht, und, wenn dich dann der Wâlī fragt, weshalb du keine Antwort giebst, so sprich zu ihm: »Meister, wisse, die beiden Worte sind nicht gleich, und der Unterlegene hat nur Gott, den Erhabenen, für sich.« Wenn dann Amîn el-Hukm fragt: »Was bedeutet das, daß die beiden Worte nicht gleich sind?« So sprich zu ihm: »Ich vertraute deinem Schutz ein Mädchen aus dem Haus des Sultans an; entweder hat sie einen Feind in deinem Hause, oder sie ist insgeheim ermordet. Sie hatte Schmucksachen und Gewänder im Werte von tausend Dinaren an, und, wenn du deine Sklaven und Sklavinnen zur Rede gestellt hättest, so hättest du eine Spur von ihr gefunden.« Wenn er dies von dir hört, so wird seine Aufregung wachsen, und er wird bestürzt schwören, daß du ihn nach seinem Hause begleiten sollst. Du aber entgegne: »Das werde ich nicht thun, da ich der Angeklagte bin, zumal wo ich von dir verdächtigt 63 bin.« Wenn er dann noch lauter zu Gott um Hilfe schreit und dich bei der Ehescheidung beschwört und sagt: »Du mußt mitkommen,« dann sprich: »Bei Gott, ich gehe nur mit, wenn mich der Wâlī begleitet.« Wenn du dann in sein Haus kommst, so beginne zuerst mit dem Absuchen der Dächer; hernach durchsuche die Kammern und Gemächer; und, wenn du dort nichts gefunden hast, so demütige und erniedrige dich vor ihm und stelle dich verzweifelt an; dann aber tritt an die Thür und schau' im Abort nach, der dunkel ist. Hierauf tritt mit einem Herzen härter als Quarzgestein vor, packe einen der Krüge an und heb' ihn auf, denn unter ihm wirst du den Saum eines Frauenschleiers finden. Nimm ihn, zeig' ihn allen und ruf' laut vor allen Anwesenden nach dem Wâlī. Öffne ihn dann, und du wirst in ihm ganz frisches Blut, Schuhe, ein Paar Hosen und etwas Zeug finden.« Als sie dies zu mir gesprochen hatte, erhob ich mich, um fortzugehen, worauf sie sagte: »Nimm diese hundert Dinare; sie werden dir nützen und sind mein Gastgeschenk an dich.« Da nahm ich das Geld und ging zur Thür hinaus. Am andern Morgen kam der Kadi mit einem Gesicht rot wie BuphthalmusEine Pflanze. an und sprach: »Im Namen Gottes, wo ist mein Schuldner und mein Geld?« Dann weinte und zeterte er und fragte den Wâlī: »Wo ist der Unselige, der Erzdieb und Räuber?« Da wendete sich der Wâlī zu mir und fragte mich: »Warum antwortest du dem Kadi nicht?« Ich versetzte: »Emir, die beiden Häupter sind nicht gleich; ich habe keinen Helfer, doch wenn das Recht auf meiner Seite ist, so wird es schon ans Tageslicht kommen.« Da ergrimmte der Kadi noch mehr und rief: »Wehe dir, Unseliger, welches Recht, das auf deiner Seite ist, willst du ans Tageslicht bringen?« Ich erwiderte: »Mein Herr Kadi, ich vertraute deiner Obhut ein Gut an, ein Weib, das wir vor deiner Thür fanden, und das Schmucksachen und feine 64 Gewänder trug; sie ist dahin wie der gestrige Tag. Du aber kehrst dich nach diesem wider uns und verlangst sechstausend Dinare; bei Gott, das ist eine große Tyrannei! Sicherlich hat ihr ein Feind in deinem Hause etwas angethan.« Da ergrimmte der Kadi noch heftiger und schwor unter dem heiligsten Eid, ich sollte mit ihm gehen und sein Haus durchsuchen. Ich versetzte jedoch: »Bei Gott, ich gehe nur, wenn uns der Wâlī begleitet; denn wenn er und die Hauptleute zugegen sind, so wirst du dir nichts gegen mich erlauben.« Da erhob sich der Kadi und schwor: »Beim Schöpfer der Kreaturen, wir gehen nur mit dem Emir!« Hierauf machten wir uns, begleitet vom Wâlī zum Haus des Kadis auf und durchsuchten es, ohne etwas finden zu können, so daß ich Furcht bekam. Und nun trat auch der Wâlī an mich heran und rief: »Weh' dir, Unseliger, du hast uns vor den Leuten beschämt.« Alles dies geschah, während ich weinte, daß mir die Thränen niederliefen, und rechts und links suchte, bis wir wieder zur Hausthür hinausgehen wollten. Da schaute ich nach dem dunkeln Raum und fragte: »Was ist das für ein dunkler Raum, den ich hier sehe?« Dann sagte ich zu ihnen: »Helft mir diesen Krug aufheben.« Als sie dies gethan hatten, gewahrte ich einen Gegenstand unter ihm und sagte: »Seht nach, was unter dem Krug ist.« Da suchten sie, und siehe, da fanden sie einen Frauenschleier und Hosen, die ganz voll Blut waren. Als ich dies sah, sank ich ohnmächtig zu Boden; der Wâlī« aber rief: »Bei Gott, der Hauptmann ist zu entschuldigen.« Hierauf umringten mich meine Gefährten und sprengten mir Wasser ins Gesicht, bis ich mich wieder erhob und zu Amîn el-Hukm, der verlegen dastand, sagte: »Du siehst, daß der Verdacht auf dich gefallen ist; es ist keine leichte Sache, da ihre Angehörigen darüber nicht ruhig sitzen bleiben werden.« Da pochte dem Kadi das Herz, da er sah, daß der Verdacht auf ihn gefallen war, und seine Farbe ward gelb und die Glieder klapperten ihm. Dann zahlte er soviel Geld. als er verloren hatte, damit wir ihm dieses 65 Feuer auslöschten, worauf wir ihn in Frieden verließen, während ich bei mir sprach: »Fürwahr, die Frau hat mich nicht betrogen.« Nachdem drei Tage hierüber verstrichen waren, ging ich ins Bad und wechselte meine Kleider, worauf ich mich zu ihrem Hause aufmachte; doch fand ich es verschlossen und von Staub überzogen. Als ich dann nach ihr fragte, sagte man mir: »Seit langer Zeit steht dieses Haus unbewohnt, doch kam vor drei Tagen eine Frau mit einem Esel hierher und zog mit ihren Sachen gestern Abend wieder fort.« Da kehrte ich verwirrt wieder um und erkundigte mich Tag für Tag bei den Bewohnern nach ihr, ohne etwas von ihr zu vernehmen. Und ich verwunderte mich über die Beredsamkeit ihrer Zunge und Worte. Dies ist das wunderbarste Abenteuer, das ich sah und erlebte.«

El-Melik es-Sâhir verwunderte sich über seine Geschichte; nun aber erhob sich ein anderer Hauptmann und erzählte:

 

Geschichte des zweiten Polizeihauptmanns.

»Meister, vernimm, was mir in alten Tagen widerfuhr. Ich war einst Hausmeister des Wâlīs Dschamâl ed-Dîn el-Atwasch el-Mudschhidī, welcher der Gouverneur der Ost- und Westprovinz war, und ich war seinem Herzen so teuer, daß er nichts von dem, was er zu thun beabsichtigte, vor mir verbarg; überdies war er Herr seines Verstandes. Da hörte er eines Tages, daß die Tochter des und des eine Menge Geld und Schmucksachen und Gewänder hätte, und daß sie gegenwärtig einen Juden liebte und ihn jeden Tag bei sich empfinge, indem sie zur Tageszeit mit ihm schmauste und zechte und zur Nacht mit ihm ruhte. Der Wâlī glaubte nichts von diesem Geschwätz, jedoch verlangte er eines Nachts nach der Straßenwache und fragte sie hierüber aus, worauf der eine von der Wachmannschaft zu ihm sagte: »Mein Herr, was mich anlangt, so sah ich nur eines Nachts einen Juden in die betreffende Gasse gehen, doch weiß ich nicht zu wem er ging.« Da sagte der Wâlī zu ihm: »Beobachte ihn von jetzt 66 an und paß auf, in welches Haus er geht.« Hierauf verließ ihn der Wächter und behielt von nun an den Juden im Auge. Während nun der Wâlī eines Tages dasaß, kam mit einem Male der Wächter zu ihm und sagte: »Mein Herr, der Jude ging soeben in das Haus des und des.« Da sprang der Wâlī auf und verließ sein Haus, indem er mich allein mitnahm. Unterwegs sagte er zu mir: »Fürwahr, sie ist ein fetter Bissen.« Wir schritten fürbaß, bis wir zum Hause gelangten, und blieben dort stehen, bis eine Sklavin herauskam, die dem Anschein nach etwas für sie einkaufen wollte. Wir warteten, bis sie die Thür öffnete, worauf wir, ohne ein Wort zu sagen, hineingingen und uns auf das Mädchen stürzten, das wir neben dem Juden in einem Saal mit vier Liwânen und Kesseln und Kerzen dasitzen sahen. Sobald aber das Auge des Mädchens auf den Wâlī fiel und sie ihn erkannte, sprang sie auf ihre Füße und rief: »Willkommen, willkommen von Herzen! bei Gott, mir ist durch meinen Herrn große Ehre widerfahren, und du hast mein Haus beehrt.« Dann ließ sie ihn hinaufsteigen und auf dem Polster Platz nehmen und setzte ihm Speise und Trank vor und schenkte ihm ein, worauf sie alle Schmucksachen und Gewänder, die sie an sich hatte, auszog und zu ihm sagte, indem sie dieselben in ein Tuch that: »Mein Herr, alles dies ist dein Anteil.« Alsdann wendete sie sich zu dem Juden und sprach zu ihm: »Steh' auf und thu' das Gleiche, wie ich.« Da sprang der Jude auf und ging, kaum an sein Entkommen glaubend, hinaus. Als aber das Mädchen sich vergewissert hatte, daß der Jude entronnen war, trat sie zu ihrem Zeug, nahm es und sagte: »O Emir, ist der Lohn einer Gefälligkeit etwas anderes als Gefälligkeit? Du hast uns beehrt, nun aber verlaß uns, ohne ein Übel zu thun, sonst stoße ich einen Schrei aus, daß alle Leute, die in der Gasse wohnen, herauskommen.« Da verließ sie der Wâlī, ohne einen einzigen Dirhem von ihr zu gewinnen, und der Jude entkam durch ihre feine List.« 67

Die Gesellschaft verwunderte sich hierüber, der Wâlī und El-Melik es-Sâhir aber sprachen: »Hat je einer solch einen Streich ausgeführt?« Und sie verwunderten sich höchlichst. Da hob der dritte Hauptmann an und erzählte:

 

Geschichte des dritten Polizeihauptmanns.

»Vernehmt, was mir widerfuhr; es ist noch wunderbarer und merkwürdiger. Als ich eines Tages mit meinen Gefährten eines Geschäftes wegen des Weges wanderte, gewahrte ich mit einem Male eine Anzahl Frauen gleich Monden, unter denen sich eine befand, die größer gewachsen und schöner als alle andern war. Als wir uns beide sahen, blieb sie hinter ihren Gefährtinnen zurück und wartete, bis ich sie eingeholt hatte und sie anredete. Da sagte sie: »Mein Herr, – Gott, der Erhabene, gebe dir Gelingen! – ich sah, daß du mich lange anblicktest, und glaubte du kennst mich. Wenn dies der Fall ist, so laß mich mehr von dir wissen.« Ich versetzte: »Bei Gott, ich kenne dich nicht, jedoch flößte mir Gott, der Erhabene, Liebe zu dir ins Herz ein; dein holdes Wesen hat mich bezaubert, und deine Augen, die dir Gott, der Erhabene, schenkte, und die Pfeile versenden, haben mich gefangen genommen.« Sie erwiderte: »Bei Gott, mir ist es ebenso wie dir ergangen, ja noch schlimmer; mir kommt es vor, als hätte ich dich seit meiner Kindheit bereits gesehen.« Hierauf sagte ich: »Der Mensch kann nicht alles, was er bedarf, auf den Bazaren erreichen.« Da fragte sie: »Hast du ein Haus?« Ich versetzte: »Nein, bei Gott, ich wohne gar nicht in dieser Stadt.« Sie entgegnete: »Bei Gott, ich habe auch kein Haus, doch will ich die Sache besorgen.« Hierauf schritt sie mir voran, und ich folgte ihr, bis sie zu einem Haus kam und die Hausmeisterin fragte: »Hast du ein leeres Zimmer?« Sie versetzte: »Ja.« Da sagte sie: »So gieb uns den Schlüssel.« Nachdem wir ihn in Empfang genommen hatten, stiegen wir hinauf und traten ins Zimmer, es uns zu besehen. Dann ging sie wieder zur 68 Hausmeisterin und sagte: »Hier ist das Schlüsseldouceur, denn das Zimmer gefällt uns; und hier ist noch ein Dirhem für deine Mühe. Geh' jetzt und hol' uns einen Krug Wasser, damit wir uns erfrischen und ausruhen, bis die Siestazeit vorüber ist und die Hitze nachgelassen hat; dann wird der Mann ausgehen und unser Zeug holen.« Erfreut hierüber, brachte uns die Hausmeisterin eine Matte, zwei Wasserkrüge auf einem Tablett, einen Fächer und eine lederne Decke. Wir blieben hier nun bis zur Zeit des Nachmittagsgebets, als sie sagte: »Ich muß vor dem Fortgehen die Waschung verrichten.« Ich versetzte: »Hole Wasser, damit wir uns beide waschen,« und zog aus meiner Tasche zwanzig Dirhem hervor, um sie ihr zu geben. Sie erwiderte jedoch: »Gott soll hüten!« dann zog sie aus ihrer Tasche eine Handvoll Silber hervor und sagte: »Bei Gott, wenn es nicht das Schicksal so bestimmt und Gott die Liebe zu dir in meinem Busen entflammt hätte, so wäre nicht geschehen, was da geschah.« Nun sagte ich: »So nimm dies als Entschädigung für deine Ausgaben.« Sie versetzte jedoch: »Mein Herr, wenn wir länger miteinander verkehren, so wirst du sehen, ob ein Weib wie ich nach Geld und Gut sieht oder nicht.« Hierauf nahm sie einen Wasserkrug und ging zum Waschraum, wo sie sich wusch. Dann betete sie und bat Gott um Verzeihung für die Sünde, die sie begangen hatte. Ich hatte sie aber nach ihrem Namen gefragt, und sie hatte mir gesagt, sie heiße Reihâne, und hatte mir auch ihren Wohnort beschrieben. Als ich sie sich waschen sah, sprach ich bei mir: »Diese Frau thut dies, und warum thue ich nicht das gleiche?« Dann sagte ich zu ihr: Möchtest du nicht noch einen Krug Wasser für uns verlangen?« Da ging sie zur Hausmeisterin und sagte zu ihr: »Nimm diesen Halben und hol' uns Wasser zum Waschen der Fliesen.« Die Hausmeisterin brachte zwei Krüge Wasser, von denen ich den einen in den Waschraum nahm, worauf ich ihr die Kleider gab und mich wusch. Als ich jedoch mit Waschen fertig war und rief: »Meine Herrin Reihâne!« gab 69 mir niemand Antwort. Da ging ich hinaus, doch fand ich sie nicht und sah, daß sie meine Sachen samt dem Geld im Betrage von vierhundert Dirhem, das sich in ihnen befand, genommen hatte. Ebenso hatte sie meinen Turban und mein Tuch an sich genommen, und ich fand nicht einmal etwas, womit ich meine Scham hätte verhüllen können. Da kostete ich etwas, das bitterer als der Tod schmeckte, und wendete mich hin und her, um vielleicht einen Lumpen zum Bedecken meiner Blöße zu finden. Nachdem ich so eine kurze Weile dagesessen hatte, schlug ich an die Thür, und, als nun die Hausmeisterin ankam, fragte ich sie: »Meine Schwester, was hat Gott mit der Frau, die hier war, gethan?« Sie erwiderte: »Sie ging soeben hinunter und sagte mir, sie ginge fort, um die Knaben mit dem Zeug zuzudecken; dann setzte sie hinzu: »Ich verließ ihn schlafend, und, wenn er erwacht, so sag' ihm, er solle nicht eher fortgehen, bis ihm die Sachen gebracht werden.« Da sagte ich zu ihr: »Meine Schwester, Geheimnisse sind bei braven und edeln Leuten geborgen. Bei Gott, jenes Weib ist gar nicht meine Frau, und ich sah sie heute zum erstenmal in meinem Leben.« Dann erzählte ich ihr die Geschichte und bat sie, mich zu verhüllen, da ich bis auf die Blöße nackend wäre.« Da lachte sie und rief die Frauen im Haus und schrie: »Fâtime! Chadîdsche! Harîfe! Sanîne!« worauf alle Frauen im Hause nebst den Nachbarn sich bei mir versammelten und mich auslachten und sagten: »Du Kuppler, was hattest du mit Liebesabenteuern zu thun?« Eine andre sah mir lachend ins Gesicht, und eine dritte sagte: »Bei Gott, du mußtest wissen, daß sie log, als sie sagte, daß sie dich gern hätte und in dich verliebt wäre; was ist denn an dir zum Verlieben?« Wieder eine andre sagte: »Das ist ein alter Dummkopf.« Und so verhöhnten mich alle, während ich schweren Kummer auskostete, bis eine Frau von ihnen Mitleid mit mir empfand und mir einen Lumpen von dünnem Gewebe brachte, den sie über mich warf. Da verhüllte ich mir allein meine Scham mit ihm und setzte 70 mich ein wenig nieder, indem ich bei mir sprach: »Sogleich werden die Gatten dieser Frauen sich bei mir versammeln, und ich komme in Schimpf und Schande.« Hierauf machte ich mich aus einer andern Thür des Hauses aus dem Staube, doch drängte sich Groß und Klein um mich, und liefen mir nach und schrieen: »Ein Verrückter! Ein Verrückter!« bis ich zu meiner Wohnung kam und an die Thür pochte. Als nun meine Frau herauskam und mich nackend in voller Leibeslänge und barhaupt sah, lief sie schreiend wieder ins Haus und rief: »Das ist ein Verrückter! Ein Satan!« Sobald mich dann aber meine Frau und meine Schwiegermutter erkannten, freuten sie sich und fragten mich: »Was ist mit dir vorgefallen?« Ich erzählte ihnen nun, daß mich Diebe ausgezogen und meine Sachen geraubt und mich beinahe ermordet hätten. Als sie aber vernahmen, daß sie mich hatten ermorden wollen, lobten sie Gott, den Erhabenen, für meine Rettung und wünschten mir Glück. Betrachtet demnach die List dieser Frau, wo ich mich selber der Schlauheit rühme.«

Die Anwesenden verwunderten sich über diese Geschichte und die Werke der Frauen; nun aber trat der vierte Hauptmann vor und erzählte:

 

Geschichte des vierten Polizeihauptmanns.

»Was mir an Abenteuern widerfuhr, ist noch wundersamer als dies. Eines Nachts schliefen wir auf dem Dach, als eine Frau in unser Haus kam und alles, was sich darin befand, zusammenhäufte und es auflud, um damit fortzugehen. Die Frau war aber hochschwanger und nahe dem Zeitpunkt ihrer Niederkunft; und, als sie das Bündel zusammenpackte und auflud, um wieder fortzugehen, beschleunigte sie die Entbindung, und brachte in der Dunkelheit ein Kind zur Welt. Alsdann suchte sie nach den Feuerhölzern und machte Feuer und zündete die Lampe an, worauf sie mit dem Kind, das weinte, im Hause umherging. Wir verwunderten uns hierüber auf dem Dach und standen auf und 71 sahen durch die runde Öffnung in der Decke des Saals, als wir eine Frau erblickten, welche die Lampe angezündet hatte, und das Weinen des Kleinen vernahmen. Wie sie nun aber uns reden hörte, hob sie ihr Haupt und sagte: »Schämt ihr euch nicht, so mit uns zu verfahren und unsre Scham aufzudecken?So nach Burton. Der Text giebt keinen Sinn. Wisset ihr nicht, daß euch der Tag und uns die Nacht gehört? Geht fort, denn, bei Gott, wäret ihr nicht seit Jahren unsre Nachbarn gewesen, ohne daß ihr etwas davon wußtet, wir ließen das Haus auf euch stürzen!« Da zweifelten wir nicht daran, daß sie zu den Dschinn gehörte, und zogen erschrocken unsre Köpfe zurück. Am andern Morgen fanden wir jedoch, daß sie alle unsre Sachen gestohlen und sich mit ihnen aus dem Staube gemacht hatte. Und so erkannten wir, daß es eine Diebin gewesen war, die uns einen Streich wie niemand zuvor gespielt hatte; und wir bereuten, wo die Reue nichts mehr nutzen konnte.«

Als die Anwesenden diese Geschichte hörten, verwunderten sie sich höchlichst; nun aber trat der fünfte Hauptmann vor, der Offizier der BankDerjenige Offizier, der vor der Präfektur auf der Bank zu sitzen hatte., und sprach: »Dies ist kein Wunder; mir passierte eine noch wunderbarere und merkwürdigere Geschichte.

 

Geschichte des fünften Polizeihauptmanns.

Als ich eines Tages vor der Thür der Präfektur saß, trat plötzlich eine Frau ein und sprach zu mir, als ob sie bei mir Rat einholen wollte: »Mein Herr, ich bin die Frau des und des Hakîms, bei dem eine Gesellschaft respektabler Leute aus der Stadt ist, die an dem und dem Ort Wein trinkt.« Als ich dies vernahm, mißfiel es mir einen Skandal herbeizuführen, und ich wies sie ab, ihren Wunsch abschneidend. Dann erhob ich mich und ging zu jenem Ort, wo ich mich draußen hinsetzte, bis die Thür geöffnet ward, 72 worauf ich eilig ins Haus trat. Da traf ich die Gesellschaft an, wie es die Frau beschrieben hatte, und sie selber befand sich unter ihnen. Ich begrüßte sie, worauf sie mir den Salâm erwiderten und, sich erhebend, mich höflich zum Sitzen einluden und mir Speise vorsetzten. Da sagte ich ihnen, daß sie jemand bei mir denunziert, ich ihn jedoch abgewiesen hätte und allein zu ihnen gekommen wäre. Sie dankten mir, mich für meine Güte preisend, und gaben mir zweitausend Dirhem, worauf ich wieder fortging. Zwei Monate nach diesem Vorfall brachte mir ein Gerichtsbote ein Schriftstück von der Hand des Kadis mit einer Vorladung. Ich begleitete ihn zum Kadi, worauf der Kläger, der die Citation veranlaßt hatte, zweitausend Dirhem von mir verlangte, indem er erklärte, ich hätte sie von ihm als dem Vertreter der Frau geborgt. Als ich es bestritt, holte er einen Schuldschein, auf diese Summe lautend, hervor, mit dem Zeugnis von vier Personen, die sich unter der Gesellschaft befunden hatten; und die Betreffenden waren gleichfalls anwesend und bezeugten es. Da erinnerte ich sie an meine Güte und bezahlte die Summe; doch schwor ich, niemals wieder einer Frau folgen zu wollen. Ist dies nicht wunderbar?«

Die Anwesenden verwunderten sich über seine schöne Geschichte, die auch El-Melik es-Sâhir gefiel; und der Wâlī rief: »Bei Gott, dies ist eine wunderbare Erzählung!« Nun aber trat der sechste Hauptmann vor und sagte zur Gesellschaft: »Hört meine Geschichte und mein Erlebnis, das hübscher und merkwürdiger ist; es ist das Abenteuer, das mir mit dem und dem Beisitzer widerfuhr.

 

Geschichte des sechsten Polizeihauptmanns.

Ein Beisitzer ward eines Tages mit einem Frauenzimmer überrascht, und eine große Volksmenge versammelte sich unter seinem Haus, und der Wâlī erschien mit seiner Mannschaft und pochte an die Thür. Da schaute der Beisitzer hoch oben von seinem Haus hinunter, und fragte, als er die Menge 73 sah: »Was ist los?« Sie versetzten: »Steh' dem Polizeilieutenant N. N. Rede.« Infolgedessen stieg er hinab und öffnete die Thür, worauf sie zu ihm sagten: »Laß das Frauenzimmer, das bei dir ist, hinaus.« Er erwiderte ihnen jedoch: »Schämt ihr euch nicht? Wie sollte ich meine Frau herausbringen?« Nun fragten sie: »Ist sie deine Frau durch oder ohne Kontrakt?« Er versetzte: »Nach Gottes Schrift und der Sunna seines Gesandten.« Da fragten sie: »Wo ist der Kontrakt?« Er antwortete: »Der Kontrakt befindet sich im Hause ihrer Mutter.« Hierauf entgegneten sie: »So steh' auf, komm herunter und laß uns den Kontrakt sehen.« Er versetzte: »Geht ihr aus dem Wege, daß sie herauskommen kann.« Sobald er nämlich Lunte gerochen hatte, hatte er einen Ehekontrakt, lautend auf ihren Namen, aufgesetzt und die Namen einiger seiner Freunde darunter geschrieben und den Namenszug des Vollstreckers und Vormunds der Frau gefälscht, so daß es eine rechtskräftige Urkunde war. Wie nun das Frauenzimmer hinausgehen wollte, gab er ihr den gefälschten Kontrakt und schickte den Eunuchen des Emirs mit ihr, sie nach dem Hause ihres Vaters zu geleiten. Als dann die Frau daheim angelangt war, sagte sie zu ihm: »Ich will der Vorladung des Emirs nicht Folge leisten, laßt die Zeugen kommen und meinen Kontrakt in Empfang nehmen.« Infolgedessen überbrachte der Eunuch dem Lieutenant, der vor der Thür des Beisitzers stand, den Auftrag, worauf dieser sagte: »Das geht an.« Dann befahl der Beisitzer dem Eunuchen: »Hol uns den und den Zeugen;« es war nämlich einer seiner Freunde, deren Namen er gefälscht hatte. Wie nun der Zeuge ankam, sagte der Beisitzer zu ihm: »Geh' zu dem und dem Frauenzimmer, mit dem ihr mich verheiratet habt, und rufe sie; und, wenn sie zu dir kommt, so laß dir den Kontrakt von ihr geben und bring' ihn uns.« Dabei aber gab er ihm durch ein Zeichen zu verstehen: »Führe die Lüge durch und verhülle uns, denn es ist ein fremdes Frauenzimmer, und wir fürchten uns vor 74 dem Lieutenant, der an der Thür steht; wir beten zu Gott, dem Erhabenen, uns und euch vor den Sorgen der Welt zu schützen. Amen.« Da ging der Zeuge zu dem Lieutenant, der sich unter den andern Zeugen befand, und sagte zu ihm: »Schön; ist sie nicht die und die, deren Ehekontrakt dort und dort aufgesetzt ward?« Alsdann begab er sich zu dem Frauenzimmer und rief nach ihr, worauf sie ihm den Kontrakt auslieferte und er ihn dem Lieutenant des Wâlīs übergab. Als dieser Einsicht in ihn genommen hatte, sagte der Beisitzer: »Geh' zu unserm Herrn und Meister, dem Oberkadi, und teile ihm mit, wie es seinen Beisitzern ergangen ist.« Da erhob er sich um fortzugehen, als der Lieutenant des Wâlīs, von Furcht erfaßt, den Beisitzer inständig bat und ihm die Hände küßte, bis er ihm vergab, worauf er in größter Sorge und Furcht fortging. In solcher Weise brachte der Beisitzer die Sache in seiner Schlauheit durch eine gefälschte Heirat in Ordnung.«

Die Anwesenden verwunderten sich höchlichst hierüber; doch nun trat der siebente Hauptmann vor und erzählte:

 

Geschichte des siebenten Polizeihauptmanns.

In Alexandria der wohlbehüteten Stadt widerfuhr mir ein wunderbares Abenteuer. Es kam nämlich eine Alte mit Schmucksachen in einer feinen Büchse von schöner Arbeit, begleitet von einem schwangern Mädchen, zu mir. Sie setzte sich an den Laden eines Linnenhändlers und teilte ihm mit, daß das Mädchen vom Wâlī der Stadt schwanger sei. Dann entnahm sie von ihm Zeug im Betrag von tausend Dinaren und ließ ihm die Büchse als Pfand, indem sie ihm ihren Inhalt zeigte; und er sah, daß sie Kleinodien enthielt, die sich sehen lassen konnten. Sie trug nun das Zeug zu dem schwangern Mädchen und blieb so lange aus, daß der Kaufmann an ihrem Wiederkommen verzweifelte und sich zum Haus des Wâlīs begab, wo er sich nach der Frau erkundigte, ohne daß er eine Spur von ihr fand und etwas von 75 ihr vernahm. Da holte er die Büchse mit den Schmucksachen hervor, doch sagte man ihm, sie seien nur vergoldet, und ihr Wert betrüge nicht mehr als hundert Dirhem. Als er dies vernahm, erschrack er und begab sich zum Platzhalter des Sultans, vor den er seine Klage brachte. Der Platzhalter erkannte, daß ihm die Kinder Adams einen Streich gespielt und sein Zeug gestohlen hatten; da er aber in den Geschäften erfahren und klug war, sagte er zu dem Mann: »Nimm etwas aus deinem Laden fort und zerbrich am andern Morgen das Schloß deines Ladens; komm dann zeternd zu mir und klage, daß dein Laden ganz und gar ausgeplündert ist. Schrei dabei aber zu Gott um Hilfe, zetere und teile es den Leuten mit, daß sich alle Welt bei dir versammelt und sie das zerbrochene Schloß und den geplünderten Laden sehen. Laß es jeden einzigen, der zu dir kommt, sehen, damit sich die Kunde hiervon verbreitet, und sag' ihnen, daß deine Büchse großen Wert gehabt hätte und dir von einem Großen der Stadt anvertraut gewesen wäre, vor dem du dich fürchtetest. Sei jedoch unverzagt und sprich immer wieder: »Meine Büchse gehörte dem und dem, und ich bin in Furcht vor ihm, und wage nicht ihm etwas davon zu sagen. Ihr aber, Gesellschaft, und ihr Anwesenden alle seid Zeugen.« Wenn du dies und noch mehr sagst, so wird die Alte zu dir kommen.« Als der Linnenhändler die Worte des Wâlīs vernommen hatte, sagte er: »Ich höre und gehorche.« Alsdann verließ er ihn und begab sich zu seinem Laden, aus dem er einige Sachen von Wert in seine Wohnung nahm. Am andern Morgen in der Dämmerung ging er dann wieder zum Laden und zerbrach das Schloß, worauf er schrie und zeterte und zu Gott um Hilfe rief, bis sich die Leute bei ihm versammelten und alles Volk in der Stadt zu ihm strömte. Unter lautem Geschrei teilte er ihnen alles mit, was ihm der Wâlī gesagt hatte, und die Kunde hiervon verbreitete sich schnell, worauf er nach der Präfektur ging und dort ebenfalls zu schreien, zetern und klagen anhob. Nach 76 drei Tagen kam die Alte mit dem Geld für das Zeug zu ihm und verlangte die Büchse. Als aber der Linnenhändler sie sah, packte er sie und schleppte sie zum Präfekten der Stadt. Als sie nun vor dem Kadi erschien, sprach dieser zu ihr: »Du Satan, wehe dir, genügt dir nicht dein erster Schwindel, daß du noch einmal kommen mußt?« Sie versetzte: »Ich bin eine von denen, die in den Städten nach ihrem Seelenheil trachten; wir kommen in jedem Monat zusammen und hatten gestern unsre Zusammenkunft.« Der Wâlī entgegnete: »Kannst du sie ausliefern?« Sie erwiderte: »Jawohl; wenn du bis morgen wartest, haben sie sich zerstreut, und zur Nacht will ich sie euch ausliefern.« Nun sagte der Emir zu ihr: »Geh' fort;« worauf sie versetzte: »Schicke jemand, der mich zu ihnen begleitet und mir in allem, was ich ihm befehle, gehorcht.« Da gab er ihr einen Trupp mit, und sie führte sie zu einer Thür, bei der sie zu ihnen sprach: »Bleibt hier an dieser Thür stehen und nehmt jeden, der zu euch herauskommt, fest; und zuletzt von allen werde ich herauskommen.« Sie erwiderten: »Wir hören und gehorchen.« Alsdann faßten sie an der Thür Posto, während die Alte hineinging. Nachdem sie jedoch eine geschlagene Stunde dagestanden hatten, wie der Platzhalter des Sultans es ihnen befohlen hatte, ohne daß jemand zu ihnen herausgekommen wäre, und sie des Wartens überdrüssig wurden, traten sie an die Thür heran und schlugen so stark und heftig an sie, daß sie den Bolzen fast zerbrochen hätten. Dann ging einer von ihnen hinein und blieb geraume Zeit fort, bis er wieder zu ihnen zurückkam, ohne etwas gefunden zu haben, und zu ihnen sagte: »Dies ist die Thür eines Ganges die dort und dorthin führt. Sie ließ euch dastehen und ging, euch auslachend, ihres Weges.« Als sie dies vernahmen, kehrten sie wieder zum Emir zurück und teilten ihm den Vorfall mit, woraus er erkannte, daß sie eine Erzgaunerin und Betrügerin war, die sie verspottet und überlistet und ihnen eine Falle gestellt hatte, um sich zu retten. Betrachtet 77 demnach die Schlauheit dieser Frau und ihren listigen Streich trotz des Mangels an Vorsicht, indem sie zu dem Linnenhändler kam, ohne zu befürchten, daß es eine List von ihm war; in dem Augenblick aber, da sie sah, daß ihr Unheil drohte, zog sie sich wieder aus der Schlinge.«

Die Anwesenden waren von dieser Erzählung höchst entzückt, vor allem aber El-Melik es-Sâhir Bîbars, der rief: »Fürwahr, in dieser Welt tragen sich Dinge zu, die den Königen wegen ihrer hohen Stellung versagt sind.«

Hierauf erhob sich ein andrer aus der Gesellschaft und sagte: »Ich vernahm von einem meiner Gefährten eine Geschichte, die noch merkwürdiger und wunderbarer, wonnesamer und entzückender ist als alles, was euch erzählt ward.« Da versetzen die Anwesenden: »Erzähle uns deine Geschichte ausführlich und ganz, damit wir sehen, was an ihr wunderbar ist.« Und so hob er an und erzählte:

 

Geschichte des achten Polizeihauptmanns.

»Wisset, ich ward einst von einer Gesellschaft eingeladen, unter denen sich auch einer meiner Freunde befand, von dem die Einladung ausging. Infolgedessen begleitete ich ihn in sein Haus, und, als wir uns auf sein Polster gesetzt hatten, sagte er zu mir: »Dies ist ein gesegneter Tag, ein Tag der Freude, und wer wohl erlebte solch einen Tag? Ich hätte es gern, daß du es mit uns treibst und uns unser Thun nicht verübelst, wo du doch gern Sachen hörst, wie dir hier geboten werden.« Ich willigte ein, und ihre Unterhaltung erging sich in Gegenständen dieser Art,Anekdoten über die Arglist der Frauen sind gemeint. als sich mein Freund, der mich eingeladen hatte, erhob und zu ihnen sprach: »Hört auf mich, ich will euch ein Abenteuer erzählen, das mir widerfuhr. Ein Mann, den ich nicht näher kannte, und der mich ebenfalls nicht kannte und mich in meinem ganzen Leben nicht gesehen hatte, pflegte mich in meinem Laden zu besuchen 78 und stets, wenn er einen oder zwei Dirhem brauchte, von mir das Geld, ohne mich zu kennen und ohne eine Mittelsperson, zu entleihen. Ich sagte niemand etwas hiervon, und die Sache ging in dieser Weise zwischen uns weiter, bis er zehn und zwanzig Dirhem und noch mehr oder auch weniger von mir borgte. Da traf es sich eines Tages, daß, als ich in meinem Laden stand, ein Weib, das dem aufgehenden Vollmond zwischen den Gestirnen glich, zu mir hereinkam und vor mir stehen blieb. Der ganze Raum ward von ihrem Licht erhellt, und ich heftete meine Augen auf sie und starrte ihr ins Gesicht, während sie mit sanften Worten zu mir zu reden begann. Als ich ihre Worte und ihre sanfte Rede vernahm, erwachte mein Verlangen nach ihr; sobald sie dies aber gewahrte, erledigte sie ihr Geschäft und ging, nachdem sie sich mit mir verabredet hatte, wieder fort, während meine Gedanken ganz von ihr eingenommen waren und mein Herz in Flammen stand. Drei Tage lang saß ich ratlos und in Gedanken über meine Lage mit entflammtem Herzen da, bis sie wiederkam. Ich vermochte meinen Augen kaum zu trauen, als ich sie erblickte, und ich plauderte und koste mit ihr und schmeichelte ihr und lud sie zu mir ein, doch erwiderte sie mir: »Ich gehe zu keinem ins Haus.« Da sagte ich: »Ich gehe mit dir;« worauf sie erwiderte: »Steh' auf und komm.« Infolgedessen erhob ich mich und steckte ein Tuch mit einer Geldsumme, die sich sehen lassen konnte, in meinen Ärmel; dann schritt sie mir voran, und ich folgte ihr, bis sie vor einer Thür in einer Gasse hielt und mir befahl die Thür zu öffnen. Ich lehnte es ab, worauf sie selber die Thür öffnete und mich in den Hausflur führte. Dann verschloß sie den Eingang von innen und sagte zu mir: »Setze dich, während ich zu den Sklavinnen gehe und sie in einen Raum führe, von wo sie mich nicht sehen können.« Da versetzte ich: »Schön,« und setzte mich, worauf sie hineinging und nach einem Augenblick ohne Schleier wieder zu mir herauskam und sprach: »Steh' auf, in Gottes Namen!« Dann 79 schritt sie mir voran, und ich folgte ihr, bis wir in einen Saal traten, der weder hübsch noch gemütlich aussah, sondern öde und häßlich und ohne Symmetrie und von widerwärtigem Gestank erfüllt war. Nachdem ich diese Wahrnehmung gemacht hatte, setzte ich mich mitten in den Saal, als mit einem Male sieben nackende Männer, die nur einen ledernen Gürtel um ihren Leib trugen, von dem Līwân zu mir herunterstiegen. Einer von ihnen trat an mich heran und nahm mir den Turban ab, ein andrer nahm das Tuch mit dem Geld, das ich in meinem Ärmel hatte, der dritte zog mir die Sachen aus und der vierte band mir die Hände mit seinem Gürtel auf dem Rücken zusammen. Dann hoben sie mich auf, gefesselt wie ich war, und warfen mich nieder, worauf sie mich nach einer Kloake, die sich dort befand, schleiften und mir den Hals abschneiden wollten, als plötzlich stark an die Thüre gepocht wurde. Als sie das Pochen vernahmen, erschraken sie und ließen mich in ihrer Furcht außer acht, während das Weib hinausging und beim Zurückkommen sagte: »Seid unbesorgt und ohne Furcht; euer Gefährte bringt euch nur das Mittagessen.« Hierauf trat der Ankömmling ein und brachte ein gebratenes Lamm: beim Eintreten aber fragte er die andern: »Was habt ihr vor, daß ihr euch aufgeschürzt habt?« Sie versetzten: »Wir haben ein Wild erjagt.« Als er dies von ihnen vernahm, trat er zu mir heran und sah mir ins Gesicht; da aber stieß er einen Schrei aus und rief: »Bei Gott, dies ist mein Bruder, meiner Mutter und meines Vaters Sohn! Gott! Gott!« Dann befreite er mich von meinen Stricken und küßte mir das Haupt; und siehe, da war es mein Freund, der das Geld von mir zu borgen pflegte. Als ich ihm sein Haupt küßte, küßte er das meinige wieder und sagte zu mir: »Mein Bruder, sei ohne Furcht!« Dann rief er nach meinen Sachen, und ich erhielt alles wieder. Hierauf brachte ein andrer eine Schüssel voll Zuckerscherbett mit Limonen und gab mir zu trinken, worauf mich die andern an einen Tisch 80 setzten. Während ich nun mit ihnen aß, sagte er zu mir: »Mein Herr und mein Bruder, nun haben wir Brot und Salz zusammen gegessen, und du bist hinter unser Geheimnis gekommen; jedoch sind Geheimnisse bei Edeln verwahrt.« Ich versetzte: »So wahr ich ein ehelich erzeugter Sohn bin, werde ich nichts sagen und angeben.« Und so ließen sie mich los, nachdem sie mir zur Sicherheit noch einen Eid abgenommen hatten, und ich ging wie ein Toter meines Weges. Einen vollen Monat saß ich krank in meinem Hause, worauf ich ins Bad ging und hernach meinen Laden wieder aufthat. Doch sah ich weder den Mann noch die Frau wieder, bis eines Tages ein Jüngling bei meinem Laden stehen blieb, der dem Vollmond glich. Er war ein Schafhändler und hatte einen Ranzen voll Geld bei sich, den Erlös für verkaufte Schafe; das Weib aber folgte ihm, bis er vor meinem Laden stehen blieb, worauf sie neben ihm Halt machte und mit ihm anbändelte. Da er sich ihr sehr zuneigte, packte mich Mitleid für ihn mit Todesangst, so daß ich nach ihm hinüberblinzte und ihm zuzwinkerte, bis er sich umsah und mein Zwinkern bemerkte. Da aber blickte auch die Frau nach mir und winkte mit der Hand, worauf sie fortging. Der Jüngling, der ein Turkmene war, folgte ihr, und ich hielt ihn für verfallen dem Tod. In meiner großen Furcht aber verriegelte ich meinen Laden und verreiste auf ein Jahr. Als ich dann wieder heimkehrte und meinen Laden öffnete, kam mit einem Male die Frau an mir vorüber und sagte zu mir: »Das war eine lange Abwesenheit.« Ich erwiderte ihr: »Ich war verreist.« Da fragte sie mich: »Und weshalb zwinkertest du dem Turkmenen zu?« Ich versetzte: »Gott bewahre, ich habe ihm nicht zugezwinkert.« Sie entgegnete: »Hüte dich mir in den Weg zu treten.« Hierauf ging sie fort. Nach einer Weile lud mich ein Freund zu sich ins Haus ein, und, als ich zu ihm gegangen war, und wir aßen und tranken und plauderten, fragte er mich: »Mein Freund, widerfuhr dir in deinem Leben irgend ein Unglück?« Ich versetzte: 81 »Erzähle du mir, ob dir etwas Schlimmes widerfuhr.« Da sagte er: »Wisse, ich sah eines Tages ein hübsches Weib und folgte ihr, doch erwiderte sie auf meine Frage: »Ich betrete niemandes Haus; komm jedoch, so du willst, an dem und dem Tage zu mir.« An dem verabredeten Tage erschien dann ihr Bote bei mir, um mich zu ihr zu holen, worauf ich ihn begleitete, bis wir zu einem hübschen Haus mit einer großen Thür gelangten. Der Bote öffnete die Thür, und ich trat ein, worauf er die Thür verriegelte und ins Haus treten wollte. In meiner großen Furcht eilte ich ihm jedoch zur andern Thür, durch die er mich führen wollte, voraus und schrie, indem ich sie verriegelte: »Bei Gott, wenn du mir nicht öffnest, so schlag ich dich tot; ich bin keiner von denen, die du überlisten kannst.« Da fragte mich der Bote: »Was für eine List hast du denn bemerkt?« Ich versetzte: »Ich bin durch die Öde dieses Hauses und das Fehlen eines Thürhüters erschreckt; denn ich sehe niemand erscheinen.« Der Bote entgegnete hierauf: »Dies ist eine geheime Thür, mein Herr.« Ich erwiderte jedoch: »Geheime Thür oder nicht, öffne mir.« Da öffnete er mir und ich ging wieder hinaus, doch hatte ich mich erst eine kurze Strecke von der Thür entfernt, als ich eine Frau traf, die zu mir sagte: »Dir ist ein langes Leben bestimmt, sonst wärest du nicht aus diesem Hause herausgekommen.« Ich fragte: »Wieso?« Da versetzte sie: »Frag' deinen Freund, er wird dir Wunderdinge erzählen.« Und nun, um Gott, mein Freund, erzähle mir, was dir an Wunderdingen und Abenteuern widerfuhr, da ich dir auch mein Erlebnis erzählte.« Ich erwiderte: »Mein Bruder, was mich anlangt, so bin ich durch einen heiligen Eid gebunden.« Er entgegnete jedoch: »Mein Freund, brich deinen Schwur und sag' mir's an.« Ich versetzte: »Ich fürchte mich vor den Folgen hiervon.« Dann aber erzählte ich ihm mein Erlebnis, und er verwunderte sich hierüber, worauf ich fortging. Nach langer Zeit traf ich einen andern Freund, der zu mir sagte: »Mich hat ein Nachbar zu Musik eingeladen.« 82 Ich versetzte: »Ich besuche niemand.« Schließlich überredete er mich jedoch, und wir gingen zu dem Ort, wo uns jemand mit den Worten: »Im Namen Gottes!« empfing. Dann zog er einen Schlüssel heraus und öffnete die Thür, worauf ich sagte: »Wir sind die ersten; wo sind denn die Stimmen der Sänger?« Er erwiderte: »Im Hause; dies ist nur eine geheime Thür; laßt euch durch die Abwesenheit der Leute nicht erschrecken.« Und nun sagte auch mein Freund: »Wir sind hier zu zwei, was können sie uns da anzuthun wagen?« Hierauf verriegelte er hinter uns die Thür. Als wir dann in den Saal traten, fanden wir niemand darinnen und sahen, daß er völlig öde und leer war. Da rief mein Freund: »Wir sind in eine Falle geraten; es giebt keine Macht und keine Kraft außer bei Gott, dem Hohen und Erhabenen!« Ich aber versetzte: »Gott lohne es dir nicht mit Gutem!« Alsdann setzten wir uns auf den Rand des Līwâns, als ich mit einem Male neben mir eine Kammer erblickte, worauf ich in sie hineinschaute. Mein Freund fragte mich: »Was siehst du?« Ich versetzte: »Ich sehe eine Menge Gut und die Leiber Erschlagener. Schau!« Da sah er hinein und rief: »Bei Gott, es ist um uns geschehen!« Wie wir nun weinend dasaßen, traten mit einem Male vier nackende Männer, die nur lederne Gürtel um ihren Leib trugen, durch dieselbe Thür, durch die wir eingetreten waren, zu uns herein und schritten auf meinen Freund zu. Da stürzte er sich auf sie und schlug einen von ihnen zu Boden, worauf die andern drei über ihn herfielen. Während sie nun mit ihm beschäftigt waren, benützte ich die Gelegenheit zu entfliehen und stieg zu einer Thür hinauf, die ich neben mir gewahrte. Als ich aber eingetreten war, befand ich mich in einem Raum ohne Ausgang und Fenster, so daß ich des Todes gewiß war und rief: »Es giebt keine Macht und keine Kraft außer bei Gott, dem Hohen und Erhabenen!« Dann schaute ich nach oben an die Decke, und siehe, da befand sich dort eine Reihe bunter Glasscheiben. Da klomm ich um der 83 Süße des Lebens willen empor, bis ich die Scheiben, meiner Sinne beraubt, erreichte, worauf ich sie herausriß und auf eine Mauer stieg, die sich dahinter befand. Da ich ihr zu Füßen Leute auf der Straße gehen sah, stürzte ich mich hinunter, und Gott, der Erhabene, behütete mich. Als ich auf dem Boden lag, drängten sich die Leute um mich, und ich erzählte ihnen mein Abenteuer. Da aber der Wâlī gerade den Bazar passierte, teilten die Leute ihm den Vorfall mit, worauf er sich zur Thür begab und sie herauszureißen befahl. Wir stürzten nun ins Haus und trafen sie gerade an, wie sie meinen Freund zu Boden geworfen hatten und ihm den Hals abschnitten, ohne daß sie sich um mich gekümmert hätten, da sie sprachen: »Wohin soll er gehen? Er ist in unsrer Hand.« Der Wâlī nahm sie nun fest und stellte sie zur Rede, worauf sie ihm von der Frau und ihren Genossen in Kairo Auskunft gaben. Da nahm er sie und führte sie fort, nachdem er zuvor das Haus verschlossen und versiegelt hatte, während ich ihn begleitete. Als sie vor dem andern Haus anlangten, fanden sie die Thür von innen verschlossen, worauf der Wâlī die Thür herauszuheben befahl. Dann traten wir ein und fanden eine andre Thür, die er ebenfalls herausheben ließ, indem er seinen Leuten Stille anbefahl, bis alle Thüren ausgehoben wären. Wir trafen die Bande an, wie sie gerade einem neuen Wild, das die Frau gebracht hatte, den Hals abschneiden wollten. Der Wâlī befreite den Mann und gab ihm all sein geraubtes Gut wieder; dann nahmen sie die ganze Bande samt der Frau fest und schafften eine große Menge Gut, unter der sich auch der Ranzen des Turkmenen, des Schafhändlers, befand, heraus. Die ganze Bande ward sofort an die Mauern des Hauses genagelt, während die Frau in ihren großen Schleier genagelt und auf einem Kamel durch die Stadt paradiert wurde. So vertilgte Gott ihre Wohnungen und ich nahm an allem als Augenzeuge teil und ward von dem, was ich fürchtete, befreit. Ich verwunderte mich jedoch höchlichst, daß ich unter ihnen nicht 84 meinen Freund, der mich das erste Mal rettete, gesehen hatte. Nach einigen Tagen ging er jedoch an mir vorüber; er hatte sich Gott ergeben und Fakirgewand angelegt. Nachdem er mich begrüßt hatte, ging er fort, doch besuchte er mich von nun an wieder, und ich ließ mich mit ihm in ein Gespräch ein und erkundigte mich bei ihm nach der Räuberbande und, wie er allein von ihnen entkommen wäre. Er versetzte: »Ich verließ sie an dem Tage, an dem dich Gott, der Erhabene, von ihnen befreit hatte; sie wollten meinen Worten nicht gehorchen, und so schwur ich nicht länger ihr Gefährte zu sein.« Ich versetzte: »Bei Gott, ich wundere mich über dich, denn du warst die Ursache meiner Befreiung.« Er versetzte: »Die Welt ist voll solcher Art, und wir bitten zu Gott, dem Erhabenen, um unser Heil, denn dieses Gelichter fängt die Leute mit allerlei Schlichen.« Nun sagte ich zu ihm: »Erzähle dein wunderbarstes Erlebnis, das du mit ihnen in diesem schlimmen Treiben hattest.« Er erwiderte: »Mein Bruder, ich war bei ihren Verbrechen nicht zugegen, da ich für sie nur zu verkaufen, kaufen und ihnen Speise zu besorgen hatte. Ihr wunderbarstes Abenteuer war jedoch folgendes: Jenes Weib, das über sie gebot und ihnen Frauen von Hochzeitsfesten zu erjagen pflegte, fing einst eine Frau von einem Hochzeitsfest unter der Vorspiegelung ein, daß bei ihr eine Hochzeit stattfände, und bestellte sie für einen bestimmten Tag. Als nun jener Tag kam und die Frau bei dem Hause erschien, führte sie dieselbe zur Thür herein, indem sie angab, es sei eine geheime Thür. Als sie aber im Hause Männer und Haudegen sah, wendete sie sich zu ihnen und sprach: »Gesellen, ich bin eine Frau, und mein Tod bringt euch weder Ruhm noch habt ihr Blutrache an mir zu nehmen; die Sachen die ich anhabe stehen euch frei.« Sie versetzten: »Wir fürchten uns von dir denunziert zu werden.« Sie erwiderte: »Ich will bei euch bleiben und mich nicht von der Stelle rühren.« Da sagten sie: »Wir schenken dir das Leben.« Hierauf blickte der Hauptmann sie an und nahm sie für sich; 85 und sie blieb ein volles Jahr bei ihnen und diente ihnen eifrig, bis sie mit ihr vertraut wurden. Eines Nachts aber gab sie ihnen zu trinken, bis sie berauscht waren, worauf sie sich erhob und ihre Sachen nebst fünfhundert Dinaren vom Hauptmann an sich nahm. Dann griff sie nach einem Rasiermesser, rasierte allen den Bart ab und beschmierte ihnen die Gesichter mit Kesselruß. Hierauf öffnete sie die Thüren und ging hinaus. Als sie dann am andern Morgen erwachten, erhoben sie sich betroffen und erkannten, daß die Frau sie überlistet hatte.«

Die Anwesenden verwunderten sich über diese Geschichte, doch nun trat der neunte Hauptmann herzu und sprach: »Ich will euch etwas sehr Schönes erzählen, was ich auf einer Hochzeit vernahm.

 

Geschichte des neunten Polizeihauptmanns.

Eine hübsche Sängerin von großem Ruf machte einmal einen Ausflug in einen Garten. Als sie dort saß, stand mit einem Male ein Mann mit abgehauener Hand da und bettelte sie an. Dann trat er plötzlich durch die Thür zu ihr ein, stieß sie mit seinem Armstumpf an und sprach: »Etwas um Gottes willen!« Sie erwiderte ihm jedoch: »Gott wird öffnen!« und trieb ihn mit Scheltworten fort. Geraume Zeit später kam ein Bote zu ihr und gab ihr den Lohn für ihren Ausgang, worauf sie eine Dienerin und eine Konzertbegleiterin mit sich nahm; und, als sie zu dem Ort kam, führte sie der Bote in eine lange Gasse, an deren Ende sich eine Halle befand. »Als wir nun,« so erzählte die Sängerin, »hineingingen, fanden wir niemand, doch war das Gelage, die Kerzen, die getrockneten Früchte und der Wein zurecht gemacht, und in einem andern Raum fanden wir das Essen, während sich in einem dritten die Betten befanden. Nachdem wir uns gesetzt hatten, betrachtete ich den Mann, der die Thür geöffnet hatte, und siehe, da bemerkte ich zu meinem Mißfallen, daß ihm die Hand abgehauen war. Nach 86 einer Weile trat ein andrer herein, der die Lampen in dem Saal mit Öl versah und die Kerzen anzündete; und siehe, die eine Hand war ihm ebenfalls abgehauen. Dann traten eine Menge Leute ein, die das ganze Haus erfüllten, und denen gleichfalls eine Hand fehlte. Als die ganze Gesellschaft vollzählig war, kam der Gastgeber in kostbarer Kleidung herein, worauf sich die Gäste vor ihm erhoben und ihm den Ehrenplatz zum Sitzen überließen; doch steckten seine Hände in den Ärmeln, so daß ich nicht sah, wie es mit ihnen stand. Alsdann brachte man ihm das Mahl, und er aß mit der Gesellschaft, worauf sie sich die Hände wuschen, während der Gastgeber mich verstohlen anblickte. Hierauf tranken sie, bis sie trunken waren, worauf der Gastgeber zu mir sagte: »Du warst nicht freundlich zu dem Mann, der dich um ein Almosen ansprach, und zu dem du sprachst: »Wie bist du wüst!« Da faßte ich ihn ins Auge und siehe, da war es der Mann mit der abgehauenen Hand, der mich auf meinem Lustausflug angeredet und mich geholt hatte. Ich sagte daher: »Mein Herr, was sprichst du da?« Er erwiderte: »Warte, du sollst dich schon erinnern.« Hierauf schüttelte er den Kopf und strich sich den Bart, während ich zitternd und zagend dasaß. Da streckte er seine Hand nach meinem Schleier und meinen Schuhen aus und befahl mir, indem er sie beiseite legte: »Sing', Verruchte!« Da sang ich bis zur Erschlaffung, während sie sich mit ihrem Gelage zu schaffen machten und sich noch mehr berauschten und erhitzten. Mit einem Male trat der Pförtner an mich heran und sagte: »Meine Herrin, fürchte dich nicht; wenn du fortgehen willst, so sag es mir.« Ich versetzte: »Willst du meiner spotten?« Er erwiderte jedoch: »Nein bei Gott, ich habe Mitleid mit dir, denn unser Hauptmann und Meister plant dir nichts Gutes; ich glaube, er will dich zur Nacht umbringen.« Da sagte ich zum Pförtner: »Wenn du mir Gutes erweisen willst, so ist es jetzt Zeit.« Er entgegnete: »Wenn unser Hauptmann aufsteht, sein Bedürfnis zu erledigen, und 87 hinausgeht, so will ich ihm mit dem Licht vorangehen und die Thür offen lassen; geh' dann fort, wohin du willst.« Hierauf sang ich, bis der Hauptmann rief: »Es ist gut.« Ich erwiderte jedoch: »Du bist wüst.« Da blickte er mich an und rief: »Bei Gott, du sollst nicht länger den Duft der Welt riechen!« Seine Gefährten sagten jedoch zu ihm: »Thu's nicht,« und schmeichelten ihm, bis er versetzte: »Wenn es nicht anders sein soll, so soll sie hier ein volles Jahr sitzen und nicht herauskommen.« Ich entgegnete: »Ich bin mit allem zufrieden, was dir beliebt; habe ich mich vergangen, so ist dein die Vergebung.« Da schüttelte er sein Haupt und trank, worauf er sich erhob sein Geschäft zu erledigen. Während sich nun seine Kumpane mit Spiel und Scherz und Wein weiter abgaben, winkte ich meinen Gefährtinnen zu, und wir erhoben uns und gingen in den Flur. Da wir die Thür offen fanden, liefen wir schleierlos aufs Geratewohl fort, bis wir in einiger Entfernung einen Koch beim Kochen antrafen, zu dem ich sagte: »Willst du Tote lebendig machen?« Er erwiderte: »Kommt hinauf.« Da eilten wir in seinen Laden, wo er uns befahl uns niederzulegen und uns mit Halfagras, mit dem er unter den Gerichten Feuer anmachte, zudeckte. Kaum aber waren wir dort geborgen, da hörten wir auch schon Fußstöße und Leute nach rechts und links rennen und den Koch fragen, ob jemand an ihm vorübergekommen wäre. Der Koch verneinte es, doch umzingelten sie den Laden und blieben bis Tagesanbruch da, worauf sie enttäuscht abzogen. Alsdann hob der Koch das Halfagras auf und sagte zu uns: »Steht auf, ihr seid dem Tod entronnen.« Da erhoben wir uns unverhüllt, ohne Mantel oder Schleier, worauf uns der Koch in sein Haus nahm und wir uns von Hause Schleier kommen ließen. Hierauf bereuten wir vor Gott, dem Erhabenen, und gaben unser Singen auf; und es war dies eine wunderbare Errettung aus Drangsal.«

Die Anwesenden verwunderten sich über diese Geschichte, doch nun trat der zehnte Hauptmann vor und sprach: »Mir 88 widerfuhr ein Erlebnis, das wunderbarer als alles dies ist.« Da fragte El-Melik es-Sâhir: »Was ist's?« Und so hob er an und erzählte:

 

Geschichte des zehnten Polizeihauptmanns.

»In der Stadt war ein großer Diebstahl verübt, und man verlangte nach mir und meinen Gefährten und bedrängte uns, doch erlangten wir von ihnen einen Aufschub von einigen Tagen, worauf wir uns trennten und uns auf die Suche nach dem gestohlenen Gut machten. Ich und fünf meiner Gefährten machten den Tag über in der Stadt die Runde und zogen am andern Tag vor die Stadt. Als wir uns nun um eine oder zwei Parasangen von der Stadt entfernt hatten, wurden wir durstig und traten in einen Garten, in dem ich weiter ging, bis ich zu einem Schöpfrad kam, wo ich trank, mich wusch und das Gebet verrichtete. Da kam der Aufseher des Wasserrads vorüber und rief: »Wehe dir, wer hat dich zu diesem Wasserrad geführt?« Dann gab er mir eine Ohrfeige und bearbeitete mir die Rippen, daß ich fast umkam, worauf er mich mit einem Stier einspannte und mich das Wasserrad drehen ließ, indem er mich dabei mit seiner Geißel peitschte, bis mein Herz in Flammen stand. Alsdann ließ er mich wieder los, und ich ging hinaus, ohne meinen Weg zu finden. Draußen schwand mir die Besinnung, und ich setzte mich, bis sich mein Herz wieder beruhigte, worauf ich meine Gefährten aufsuchte und zu ihnen sagte: »Ich habe das Gut und den Dieb gefunden, jedoch erschreckte ich ihn nicht und beunruhigte ihn auch nicht, damit er nicht fortliefe. Jetzt aber laßt uns zu ihm gehen und ihn mit List fangen.« Hierauf ging ich mit ihnen zu dem Aufseher, der mich mit Schlägen so gepeinigt hatte, um ihm das Gleiche zu kosten zu geben und ihn zu verleumden, damit er Rutenhiebe zu schmecken bekäme. Wie wir nun über das Schöpfrad herfielen und ihn festnahmen und banden, sagte ein junger Bursche, der bei ihm war: »Bei Gott, ich war nicht bei ihnen; seit sechs Monaten habe 89 ich nicht die Stadt betreten, und ich sah das Zeug erst hier.« Da befahlen wir ihm: »Zeig' uns das Zeug.« Und nun nahm er uns und führte uns zu einem Ort neben dem Schöpfrad, an dem sich eine Cisterne befand, worauf er dort grub und das gestohlene Gut herausholte, ohne daß ein Faden oder eine Nadel an ihm gefehlt hätte. Dann nahmen wir den Aufseher samt dem Gut und führten ihn zur Präfektur, wo wir ihn nackend auszogen und ihn mit Ruten peitschten, bis er sich zu einer Menge von Diebstählen bekannte. So kam dies dadurch heraus, daß ich meine Gefährten zum Besten haben wollte.«

Die Anwesenden verwunderten sich höchlichst hierüber; nun aber erhob sich der elfte Hauptmann und sagte: »Ich weiß eine merkwürdigere Geschichte, die mir allerdings nicht passierte.

 

Geschichte des elften Polizeihauptmanns.

In alter Zeit lebte einmal ein Polizeihauptmann, an dem eines Tages ein Jude vorüberging, der in seiner Hand einen Korb mit fünftausend Dinaren trug. Da fragte der Hauptmann einen seiner Sklaven: »Vermagst du das Geld aus dem Korb dieses Juden zu stehlen?« Der Sklave bejahte es, und schon am nächsten Tage brachte er dem Hauptmann den Korb. »Da sagte ich zu ihm,« – so erzählt der Hauptmann –: »Geh' und vergrab ihn an dem und dem Ort.« Infolgedessen ging der Sklave fort und vergrub ihn, worauf er zu mir zurückkehrte und es mir mitteilte. Kaum aber hatte er seinen Bericht beendet, da erhob sich der Lärm des jüngsten Tages, und der Jude erschien mit einem aus dem Gefolge des Königs und erklärte, das Gold gehöre dem Sultan, und nur von uns verlange er es. Wir baten ihn um die übliche Frist von drei Tagen, und ich sagte zu dem, der das Geld entwendet hatte: »Geh' und bring etwas in das Haus des Juden, das ihm zu schaffen macht.« Da ging er fort und spielte ihm einen schlimmen Streich, indem er einen 90 Korb, in dem sich die Hand eines Toten befand, die gefärbt war und an einem Finger einen goldenen Siegelring trug, unter einer Fliese im Haus des Juden vergrub. Dann gingen wir zu ihm und durchsuchten sein Haus, bis wir den Korb fanden, worauf wir den Juden unverzüglich als des Mordes verdächtig in Eisen legten. Als nun die Frist abgelaufen war, kam der Mann aus dem Gefolge des Sultans zu uns und sprach: »Der Sultan läßt euch sagen: Nagelt den Juden an und bringt das Geld, denn die fünftausend Dinare können ihm nicht abhanden gekommen sein.« Als wir nun sahen, daß uns unsre List nicht geglückt war, ging ich aus und packte unterwegs einen an mir vorüberkommenden jungen Mann ans dem Haurân, worauf ich ihn entkleidete, mit Ruten peitschte und in Eisen legte. Dann brachte ich ihn in die Präfektur, wo ich ihn von neuem schlug, indem ich zu den andern sagte: »Dies ist der Dieb, der das Geld gestohlen hat.« Wir versuchten ihn jedoch vergeblich zum Geständnis zu bringen, trotzdem wir ihn viermal auspeitschten, bis wir matt und erschöpft waren und er keine Antwort mehr geben konnte. Nachdem wir aber mit den Schlägen und der Marter aufgehört hatten, sagte er: »Ich will das Geld sogleich bringen.« Da begleiteten wir ihn, bis er zu dem Ort gelangte, wo der Mann das Geld vergraben hatte. Hier grub er und holte das Geld heraus, worauf wir es zum Hause des Wâlīs brachten, während ich mich hierüber aufs äußerste verwunderte. Als der Wâlī das Geld sah und sich seiner mit seinen eigenen Augen vergewissert hatte, freute er sich mächtig und schenkte mir ein Ehrenkleid, worauf er das Geld unverzüglich in den Palast des Sultans schaffen ließ, während der junge Mensch im Kerker blieb. Hierauf fragte ich meinen Gefährten, der das Geld gestohlen hatte: »Hat dich dieser Mann gesehen, als du das Geld vergrubst?« Er versetzte: »Nein, beim großen Gott!« Da ging ich zu dem Jüngling in den Kerker und gab ihm Wein zu trinken, bis er wieder zu sich kam, worauf ich zu ihm sagte: 91 »Sag' mir, wie du das Geld stahlst.« Er erwiderte: »Bei Gott, ich stahl es nicht und sah es nicht eher, als ich es aus der Erde holte.« Da fragte ich ihn: »Wie kann das möglich sein?« Er versetzte: »Wisse, der Grund dafür, daß ich in eure Hand fiel, ist der, daß meine Mutter, die eine fromme Frau ist, mir fluchte, da ich sie in der letzten Nacht schlecht behandelte und schlug. Sie sagte darauf zu mir: »Mein Sohn, Gott wird sicherlich einem Unterdrücker Gewalt über dich geben.« Ich ging sofort darauf aus, und da saht ihr mich unterwegs, und du thatest mit mir was du thatest. Als aber die Schläge kein Ende nehmen wollten und ich die Besinnung verlor, hörte ich mit einem Male eine Stimme zu mir sprechen: »Hol' es.« Da sprach ich zu euch, was ich sprach, und wir gingen hinaus, und die Stimme führte mich an den Ort, worauf ich das Geld hervorholte.« Ich verwunderte mich höchlichst hierüber und erkannte, daß er zu den Söhnen der Frommen gehörte, weshalb ich mich um seine Befreiung bemühte und ihn kurierte. Dann bat ich ihn um Absolution und Freisprechung von Schuld.

Die Anwesenden verwunderten sich höchlichst über diese Geschichte, doch nun trat der zwölfte Hauptmann vor und sprach: »Ich will euch eins meiner Abenteuer und Erlebnisse erzählen und einen Diebesschwank berichten, den ich von jemand vernahm, der ihn wieder von einem andern, und dieser von einem dritten vernommen hatte.

 

Geschichte des zwölften Polizeihauptmanns.

Als ich eines Tages den Bazar passierte, sah ich, daß ein Dieb in den Laden eines Wechslers eingebrochen war und eine Schachtel gestohlen hatte, mit der er auf den Totenacker ging. Da folgte ich ihm und gerade, als er die Schachtel öffnete und hineinsah, trat ich an ihn heran und sprach: »Der Friede sei auf euch.« Er erschrak, ich aber verließ ihn nun wieder und ging meines Weges. Nach einigen Monaten traf ich ihn wieder an, als er inmitten von Hatschieren 92 und Polizisten abgeführt ward. Da rief er: »Nehmt jenen dort fest.« Infolgedessen packten sie mich und führten mich ebenfalls zum Wâlī, der mich fragte: »Was hast du mit dem da zu schaffen?« Nun wendete sich der Dieb zu mir und sah mir lange ins Gesicht, worauf er fragte: »Wer hat den Mann da festgenommen?« Sie versetzten: »Du sagtest uns, wir sollten ihn festnehmen, und da thaten wir es.« Er entgegnete: »Gott bewahre! Ich kenne jenen Menschen nicht und ich bin ihm ebenfalls fremd. Ich meinte einen andern.« Da ließen sie mich wieder los. Nach einer Weile traf mich der Dieb wieder auf der Straße und sagte zu mir, indem er mich begrüßte: »Mein Herr, Angst wider Angst! Hättest du mir damals etwas genommen, so hättest du Teil an der Strafe gehabt.« Ich versetzte: »Gott richte zwischen mir und dir!« Und dies ist das Ende meiner Geschichte.«

Da trat der dreizehnte Hauptmann vor und sagte: »Ich will euch das Erlebnis eines meiner Freunde erzählen.

 

Geschichte des dreizehnten Polizeihauptmanns.

Eines Nachts, – so erzählte er, – begab ich mich zu einem meiner Freunde, und um Mitternacht verließ ich ihn wieder ganz allein. Unterwegs sah ich eine Diebesbande, bei deren Anblick mein Speichel trocknete. Dann stellte ich mich trunken und wankte beim Gehen hin und her, indem ich fortwährend schrie: »Ich bin bezecht!« und an den Mauern bald auf der rechten, bald auf der linken Seite ging und that, als ob ich die Diebe nicht sähe. Sie aber folgten mir bis zu meinem Hause und verließen mich erst, als ich an die Thür gepocht hatte. Als ich dann einige Tage später an meiner Hausthür stand, kam mit einem Male ein junger Bursche mit einer Kette um den Hals an, geleitet von einem Soldaten, und sprach: »O mein Herr, etwas um Gottes willen!« Ich versetzte: »Gott wird öffnen.« Da schaute er mir lange ins Gesicht und sagte: »Was du mir giebst, kommt nicht dem Wert deines Turbans, deines Tuches und 93 einem Stück deiner Sachen gleich, geschweige denn dem Gold und Silber, das du bei dir hast.« Da fragte ich ihn: »Wieso?« Und er versetzte: »Als du in der und der Nacht in Gefahr gerietest, und die Diebe dich ausziehen wollten, war ich bei ihnen und sprach zu ihnen: »Das ist mein Herr und Gebieter, der mich erzog.« So war ich die Ursache deines Entkommens und rettete dich vor ihnen.« Da sagte ich: »Bleib' stehen.« Dann ging ich ins Haus und holte ihm eine reichliche Gabe, worauf er weiterging. Das ist's, was ich zu erzählen hatte.«

Hierauf sagte der vierzehnte Hauptmann: »Wisset, meine Geschichte ist netter und wunderbarer, und sie ist also:

 

Geschichte des vierzehnten Polizeihauptmanns.

Ich hatte, bevor ich in dieses Gewerbe trat, einen Zeugladen, und es pflegte der Sklave eines Mannes, den ich nur von Ansehen kannte, zu mir zu kommen, worauf ich ihm gab, was er verlangte, und mich geduldete, bis er mir bezahlte. Eines Tages nun saß ich mit meinen Freunden beim Wein, und wir zechten und waren fröhlich und spielten Tâb, indem wir den einen zum Wesir, den andern zum Sultan und einen dritten zum Scharfrichter ernannten. Wie wir nun so dasaßen, kam mit einem Male ein ungeladener Gast herein und spielte mit uns. Da sprach der Sultan zum Wesir: »Bringt den Parasiten her, der ungeladen bei den Leuten eindringt, damit wir seine Sache prüfen und ihm den Kopf abhauen.« Infolgedessen erhob sich der Scharfrichter und schleppte den Parasiten vor den Sultan, der zum Scharfrichter sagte: »Hau' ihm den Kopf ab.« Da nahm der Scharfrichter ein Schwert, das sie bei sich hatten, und das nicht einmal Sauermilch durchgehauen hätte, und versetzte ihm einen Streich, daß ihm das Haupt vom Rumpf sprang. Als wir dies sahen, flog der Wein aus unserm Kopf, und wir befanden uns in miserabelster Lage. Dann nahmen meine Freunde den Rumpf und trugen ihn hinaus, um ihn 94 zu verbergen, während ich, trunken wie ich war und ganz durchnäßt von Blut, mit dem Kopf zum Strom ging. Unterwegs traf mich ein Dieb, der mich erkannte und mir zurief: »He, du da.« Ich versetzte: »Jawohl.« Dann fragte er mich: »Was hast du da bei dir?« Da erzählte ich ihm die ganze Geschichte, worauf er mir den Kopf abnahm und mich an den Strom begleitete, wo wir ihn wuschen. Als er nun aber den Kopf betrachtete, rief er: »Bei Gott, dies ist mein Bruder, meines Vaters Sohn, dessen Brauch es war, bei den Leuten als Parasit einzudringen.« Hierauf warf er den Kopf in den Strom, während ich einem Toten glich. Er sprach jedoch zu mir: »Fürchte dich nicht und gräme dich auch nicht. Du bist frei von jeder Schuld an meinem Bruder.« Dann nahm er meine Sachen und wusch und trocknete sie, worauf er sie mir wieder anzog und zu mir sagte: »Geh' nach Hause;« und er begleitete mich, bis ich zu meiner Wohnung gekommen war, wo er sich von mir verabschiedete und zu mir sagte: »Gott mache dich nie einsam! Ich bin dein Freund, dem du gefällig warst; von nun an aber wirst du mich nicht mehr sehen.« Hierauf verließ er mich.«

Die Anwesenden verwunderten sich über die Hochherzigkeit, Verzichtleistung und Noblesse jenes Mannes,Der Bruder des Ermordeten hatte die Blutrache zu vollziehen. Die Freundlichkeit, die ihm der Kaufmann erwiesen hatte, bestand darin, daß er ihm Kredit gewährt hatte, ohne ihn zu kennen. und der König sagte: »Erzähle uns noch eine Geschichte, Schehersad.« Sie versetzte: »Schön.«

 

Ein netter und lustiger Schelmenstreich.

Man erzählt, daß einmal ein Araberschelm zu einem Hause kam, um von einem Haufen Weizen etwas zu stehlen. Da aber über dem Haufen ein großes kupfernes Becken lag, grub sich der Dieb, als die Leute ihn verfolgten, unter das Becken in den Weizen ein, so daß sie ihn nicht fanden und wieder fortgingen. Als sie aber bereits den Rücken gewendet hatten, fuhr mit einem Male aus dem Weizen ein gewaltiger Furz, 95 so daß sie wieder umkehrten und das Becken aufhoben, worauf sie den Dieb fanden. Als sie ihn nun festgenommen hatten, sagte er zu ihnen: »Ich wollte euch die Mühe ersparen und euch zu meinem Versteck den Weg weisen. Macht es daher auch mit mir gnädig und habt Mitleid mit mir, auf daß sich Gott euer erbarmt.« Da ließen sie ihn los, ohne ihm etwas zuleide zu thun.

Eine andere Geschichte, die dieser ähnlich ist, ist noch folgende:

 

Die Geschichte vom alten Dieb.

Ein alter, wegen seiner Schlauheit berüchtigter Dieb kam einmal mit seiner Bande auf einen Bazar, wo sie eine Menge Zeug stahlen; dann trennten sie sich wieder, und ein jeder von ihnen kehrte in seine Heimat zurück. Nach einer Weile versammelte er wieder eine Anzahl von ihnen und saß mit ihnen zechend da, als einer unter ihnen ein wertvolles Stück Zeug hervorholte und sprach: »Ist einer unter euch, der das Stück Zeug auf dem Bazar, auf dem es gestohlen ist, verkaufen kann, damit wir seine Geschicktheit eingestehen?« Der Alte erwiderte: »Ich thue es;« und die andern versetzten: »Mach dich auf, und Gott, der Erhabene, schenke dir Gelingen!« Dann nahm er das Zeug und begab sich in der Morgenfrühe auf den Bazar; hier setzte er sich an den Laden, aus dem es gestohlen war, und gab es dem Mäkler, der es nahm und zum Verkauf ausbot. Der Eigentümer, der das Zeug erkannte, erstand es und schickte nach dem Wâlī, worauf dieser den Mann, bei dem das Zeug gewesen war, festnahm. Als er nun sah, daß es ein hochbetagter Scheich in hübscher Kleidung und würdigem Aussehen war, fragte er ihn: »Woher hast du das Stück Zeug?« Er versetzte: »Von diesem Bazar, und zwar aus jenem Laden, neben dem ich saß.« Nun fragte ihn der Wâlī: »Verkaufte es dir der Eigentümer?« Er erwiderte: »Nein, ich stahl es nebst anderem.« Da fragte der Wâlī: »Und weshalb brachtest du es an den 96 Ort des Diebstahls?« Der Scheich versetzte: »Ich erzähle meine Geschichte allein dem Sultan, dem ich einen guten Rat zu erteilen habe.« Der Wâlī entgegnete: »Laß ihn hören.« Da fragte der Scheich: »Bist du der Sultan?« Der Wâlī antwortete: »Nein.« Hierauf sagte der Scheich noch einmal: »Ich sag' ihn allein dem Sultan.« Infolgedessen nahm ihn der Wâlī und führte ihn vor den Sultan, zu dem der Scheich nun sagte: »Ich habe dir einen guten Rat zu erteilen, o unser Gebieter!« Da fragte der Sultan: »Und was ist dein guter Rat?« Er erwiderte: »Ich bereue und will euch jeden Missethäter ausliefern; und für den, den ich nicht bringe, stehe ich selber ein.« Da rief der Sultan: »Gebt ihm ein Ehrenkleid und nehmt seine Reue an.« Hierauf ging er wieder zu seinen Gefährten und erzählte ihnen die Geschichte, worauf sie seine Geschicklichkeit bekannten und ihm das, was sie ihm versprochen hatten, gaben. Dann nahm er den Rest des gestohlenen Zeugs und begab sich mit ihm wieder zum Sultan. Als dieser ihn erblickte, ward er in seinen Augen groß, und er bestimmte, daß ihm nichts genommen würde. Nach seinem Fortgang dachte der Sultan wenig und immer weniger an ihn, bis die Sache schließlich vergessen war. Und so behielt er das gestohlene Gut.«

Die Anwesenden verwunderten sich hierüber; nun aber trat der fünfzehnte Hauptmann vor und sprach: »Wisset, es kommt vor, daß Gott, der Erhabene, Räuber bei ihrem eigenen Zeugnis faßt.« Da fragte man ihn: »Wieso?« Worauf er erzählte:

 

Geschichte des fünfzehnten Polizeihauptmanns.Vergleiche hierzu die Kraniche des Ibykus.

»Es heißt, daß einmal ein Raubritter lebte, der auf eigne Faust Raub und Wegelagerei gegen die Karawanen betrieb und stets, wenn er von den Wâlīs und Gouverneuren verfolgt wurde, in die Berge flüchtete und sich dort befestigte. Da traf es sich einmal, daß ein Mann jenes Weges zog, 97 den der Räuber unsicher machte; und jener Mann war allein und ahnte nichts von der Pein, die ihm drohte. Nicht lange währte es, da überfiel ihn der Räuber und sprach zu ihm: »Gieb heraus, was du bei dir hast; ich will dich ohne Gnade und Barmherzigkeit umbringen.« Da sagte er: »Morde mich nicht, sondern nimm diesen Reisesack; teile seinen Inhalt und nimm dir den vierten Teil.« Der Räuber versetzte jedoch: »Ich nehme alles.« Da bat er: »Nimm die Hälfte und laß mich los.« Der Räuber entgegnete jedoch wiederum: »Ich nehme nur das Ganze und ermorde dich obendrein.« Da sagte er: »So nimm es.« Wie der Räuber nun den Reisesack genommen hatte und ihn ermorden wollte, sagte er: »Was soll das? Ich habe keine Blutschuld gegen dich, die meinen Tod verlangte.« Der Räuber versetzte: »Ich muß dich ermorden.« Da stieg der Mann von seinem Pferd ab und wälzte sich vor ihm, wobei er den Räuber zu erweichen und besänftigen suchte, während er nicht auf ihn hörte, sondern ihn zu Boden warf. In diesem Augenblick flog ein Frankolinhuhn vorüber, und in seiner Todesangst rief der Reisende: »O Frankolin, sei Zeuge, daß mich dieser Mann ungerechter- und gewaltthätigerweise ermorden will, trotzdem ich ihm all mein Gut gab. Ich flehte ihn an, mich um meiner Kinder willen loszulassen, doch hatte er kein Erbarmen. Du aber sei Zeuge wider ihn, denn Gott übersieht nicht der Frevler Missethat.« Der Räuber kehrte sich jedoch nicht an seine Worte, sondern schlug ihm den Kopf ab. Nach diesem bewogen ihn die Regenten zur Unterwerfung und beschenkten ihn reich, als er vor ihnen erschien. Im Laufe der Zeit ward er dann mit dem Vicekönig des Sultans so befreundet, daß er mit ihm speiste und trank, und ihr Verkehr dauerte geraume Zeit, bis sich ein wunderbarer Vorfall zwischen ihnen ereignete. Eines Tages nämlich richtete der Vicekönig eine Tafel an, auf der auch ein gebratener Frankolin stand. Als der Räuber den Vogel sah, lachte er laut, so daß der Vicekönig sich erzürnte und ihn fragte: »Weshalb lachst du? 98 Hast du etwas Ungehöriges gesehen oder verspottest du uns in deinem Mangel an Anstand?« Er versetzte: »Nein, bei Gott, mein Herr, als ich jedoch diesen Frankolin sah, gedachte ich einer wunderbaren Begebenheit. In meiner Jugend nämlich betrieb ich Wegelagerei, und eines Tages lauerte ich einem Manne auf, der einen Reisesack voll Geld bei sich hatte. Da sagte ich zu ihm: »Gieb diesen Reisesack her, denn ich will dich umbringen.« Er erwiderte: »Nimm den vierten Teil und laß mir den Rest.« Ich versetzte: »Ich muß den Reisesack haben und will dich obendrein ermorden.« Da bat er: »Nimm den Reisesack und laß mich meines Weges ziehen.« Ich entgegnete jedoch: »Ich muß dich ermorden.« Während wir aber in dieser Weise verhandelten, sah er mit einem Male einen Vogel und rief, sich zu ihm wendend: »Sei Zeuge wieder ihn, o Frankolin, daß er mich ungerechterweise ermordet und mich nicht um meiner Kinder willen verschont, obschon er mein Geld genommen hat.« Ich hörte jedoch nicht auf ihn, sondern schlug ihn erbarmungslos tot, ohne mich an das Zeugnis des Frankolins zu kümmern.« Da empörte sich der Vicekönig über ihn, und in mächtigem Grimm zog er sein Schwert und holte ihm, während er am Tisch saß, mit einem Streich das Haupt vom Rumpf herunter. Und siehe mit einem Male sprach eine Stimme die Worte:

Wenn du nicht Übles erleiden willst, so thue kein Übel;
Thue Gutes, und Gott wird es dir mit Gutem lohnen.
Alles, was dir widerfährt, ist von Gott verhängt,
Doch die Wurzel deines Schicksals ist dein Thun.

Die Stimme aber kam von dem Frankolin, das wider ihn Zeugnis ablegte.«

Die Anwesenden verwunderten sich, und die ganze Gesellschaft rief: »Wehe dem Frevler!«

Hierauf trat der sechzehnte Hauptmann vor und sagte: »Ich will euch auch eine wunderbare Geschichte erzählen. 99

 

Geschichte des sechzehnten Polizeihauptmanns.

Eines Tages ging ich aus, um zu verreisen, als mir mit einem Male ein Straßenräuber in den Weg trat und mich ermorden wollte. Da sagte ich zu ihm: »Ich habe nichts bei mir, das dich bereichern könnte.« Er versetzte: »Mein Gewinn ist dein Tod.« Nun fragte ich ihn: »Weshalb? Hat denn früher zwischen uns Feindschaft bestanden?« Er erwiderte: »Nein; ich muß dich jedoch umbringen.« Da floh ich vor ihm an das Nilufer, doch holte er mich ein und warf mich zu Boden, worauf er sich auf meine Brust setzte. In dieser Not nahm ich meine Zuflucht zu dem Scheich der PilgerEiner der Heiligen, der die Pilger beschützt, ist gemeint. und rief: »Schütze mich vor diesem Tyrannen!« Und schon hatte er ein Messer gezückt, um mir den Hals abzuschneiden, als mit einem Male ein großes Krokodil aus dem Fluß kam, ihn von meiner Brust wegschnappte, und mit ihm, während er in seinem Rachen das Messer noch in der Hand hielt, in dem Strom verschwand. Da pries ich Gott, den Erhabenen, inbrünstig und dankte ihm für meine Rettung aus der Hand jenes Frevlers.«

 


 


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