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Tausend und eine Nacht. Band XIX
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Die Geschichte von der Alten und der Frau des Linnenhändlers.

»Wisse, o König, ein Linnenhändler hatte einmal eine hübsche, verhüllte und keusche Frau, die ein junger Mann sah, als sie aus dem Bade kam; er verliebte sich in sie und wendete alle möglichen Listen an, zu ihr zu kommen, doch gelang es ihm nicht. Als er hierdurch ermüdet war und die Geduld ihm versagte und seine Standhaftigkeit und Kraft ihn verließ, beklagte er sich hierüber bei einer alten, 20 nichtsnutzigen Vettel, die ihm versprach ihn mit ihr zusammenzubringen. Er dankte ihr hierfür und versprach ihr alles Gute, worauf sie zu ihm sagte: »Geh zu ihrem Gatten und kaufe dir bei ihm Linnenzeug zum Turban vom besten Stoff.« Hierauf ging der junge Mann fort und kaufte sich den Stoff zum Turban; dann brachte er ihn der Alten und sie nahm ihn und verbrannte ihn an zwei Stellen, worauf sie sich mit ihm in der Tracht einer Frommen zum Haus des Kaufmanns begab und an die Thür pochte, um die Frau des Kaufmanns zu besuchen. Als diese sie erblickte, öffnete sie die Thür und empfing sie höflich, sie willkommen heißend. Und so trat die Alte bei ihr ein und plauderte mit ihr eine Weile, bis sie zu ihr sagte: »Die Waschung fürs Gebet.« Da brachte sie ihr Wasser, und die Alte wusch sich, worauf sie sich zum Gebet erhob und betete und ihre Obliegenheit verrichtete. Als sie das Gebet beendet hatte, ließ sie den Turbanstoff am Gebetsplatz liegen und ging fort. Wie nun der Linnenhändler zur Stunde des Nachtgebets heimkam und sich an den Gebetsplatz setzte, an dem die Alte gebetet hatte, blickte er um sich und fand den Turbanstoff, den er sogleich erkannte. Die Sache kam ihm verdächtig vor und mit zornigem Gesicht trieb er seine Frau mit Scheltworten fort und sprach den Tag und die Nacht über kein Wort mit ihr, ohne daß die Frau wußte, weshalb er so erzürnt auf sie war. Hierauf sah sie selber zu und fand das Turbantuch vor ihm mit den Brandspuren, so daß sie glaubte, er sei deswegen auf sie erzürnt. Als am nächsten Morgen der Linnenhändler immer noch voll Zorn fortgegangen war, kam die Alte wieder zu ihr und sprach zu ihr, als sie sie des Turbans wegen mit veränderter Farbe, gelb im Gesicht und gebrochenen Herzens und Gemütes antraf: »Meine Tochter, gräme dich nicht, ein Sohn von mir ist Ausbesserer; bei deinem Leben, er wird ihn dir so gut ausbessern, daß er wie neu aussieht.« Die Frau freute sich über ihre Worte und fragte sie: »Wann wird dies sein?« Die Alte versetzte: »Morgen, so Gott, 21 der Erhabene, will, bringe ich ihn zu dir, wenn dein Gatte fortgegangen ist, damit er ihn ausbessert, worauf er dich sofort wieder verlassen soll.« Nachdem sie sie dann noch beruhigt hatte, ging sie von ihr fort und suchte den jungen Mann auf, dem sie es mitteilte. Am andern Morgen machte sie sich mit ihm zum Hause des Linnenhändlers auf, der sich vorgenommen hatte, seine Frau zu entlassen und nur aus Furcht vor ihren Anverwandten so lange warten wollte, bis er die Hochzeitsgabe und das andre, das er ihr schuldete zusammengebracht hätte. Wie nun die Alte ankam, öffnete ihr seine Frau, worauf die nichtsnutzige alte Vettel mit dem jungen Manne eintrat und zu ihr sagte: »Geh' und bring' meinem Sohn, was du ausgebessert haben willst.« Alsdann verriegelte sie die Thür und so vergewaltigte er sie, worauf er wieder fortging, während die Alte zu ihr sagte: »Wisse, dies ist mein Sohn, der dich bis zum Sterben liebte. Ich stellte dir deshalb diese Falle und brachte diesen Turban zu dir, der nicht deinem Gatten, sondern meinem Sohn gehört. Nachdem ich nun meinen Wunsch erreicht habe, schenke mir Vertrauen, denn ich will durch eine List deinen Gatten wieder mit dir aussöhnen, und so wirst du mich, deinen Gatten und meinen Sohn zufrieden gestellt haben.« Die Frau versetzte: »Schön, thu's.« Hierauf ging die Alte zum jungen Mann und sagte zu ihm: »Wisse, ich habe die Sache für dich zuwege gebracht. Nun aber geh' zu dem Linnenhändler, setz' dich zu ihm und erzähl' ihm, du hättest den Turban verbrannt und einer Alten zum Ausbessern gegeben, die ihn fortgenommen hätte, ohne ihn wiederzubringen. Wenn ich dann an euch vorüberkomme, so steh' auf und halte mich fest, damit ich die Sache zwischen ihr und ihrem Gatten und zwischen dir und ihr wieder ins reine bringe.« Infolgedessen begab sich der junge Mann zum Linnenhändler und sagte zu ihm, indem er sich neben ihn setzte: »Erinnerst du dich noch an den Turban, den ich von dir kaufte?« Er versetzte: »Jawohl.« Nun fragte er: »Und weißt du auch, 22 wie es mir mit ihm ergangen ist?« Er erwiderte: »Nein.« Da sagte der Jüngling: »Als ich ihn von dir gekauft hatte, beräucherte ich mich und verbrannte ihn hierbei an zwei Stellen, worauf ich ihn einer Alten übergab, deren Sohn ein Ausbesserer sein sollte; und die Alte nahm ihn und ging fort, ohne daß ich weiß, wo sie wohnt.« Als der Linnenhändler dies vernahm, stutzte er verwundert und söhnte sich innerlich wieder mit seiner Frau aus. Bald darauf kam die Alte vorüber, und nun sprang der junge Mann auf und packte sie und verlangte den Turban von ihr, worauf sie zu ihm sagte: »Wisse, ich ging in ein Haus, um daselbst die Waschung zu vollziehen und zu beten. Nachher aber vergaß ich es und ward noch nicht zu ihm geleitet. Den ganzen Tag über bis zur Nacht gehe ich umher und suche nach ihm, ob ich es vielleicht wiederfinde, und auch den Hausherrn kenne ich nicht einmal.« Als der Linnenhändler die Worte der Alten vernommen hatte, sagte er zu ihr: »Gott hat dir wiedergegeben, was du verloren hast; freue dich, der Turban ist in meiner Wohnung.« Alsdann erhob er sich unverzüglich und übergab ihr den Turban, wie er war, worauf sie ihn dem Jüngling überreichte. Hierauf söhnte sich der Linnenhändler wieder mit seiner Frau aus und schenkte ihr Kleider und Schmucksachen, bis sie zufrieden und guter Dinge war.«

Als der König diese Geschichte vom Kämmerling vernommen hatte, ward er beschämt und verlegen und sagte zu ihm: »Verrichte deinen Dienst wie zuvor und bestelle dein Land; der Löwe betrat es wohl, doch verdarb er es nicht und wird auch nimmer wiederkehren.« Alsdann verlieh er ihm ein Ehrenkleid und machte ihm ein kostbares Geschenk, worauf der Mann erfreut zu seiner Frau und seinen Angehörigen heimkehrte und ihr wieder von Herzen zugethan war.

»Jedoch ist diese Geschichte, o König der Zeit, nicht wunderbarer und merkwürdiger, als die Geschichte von der anmutigen, hübschen und reizvollen Frau mit dem häßlichen Mann.« 23

Die Erzählung des Wesirs gefiel dem König Schâh Bacht und dünkte ihm witzig, und er entließ ihn, worauf der Wesir sich den ganzen Tag über zu Hause hielt. Als aber der Abend hereinbrach, entbot ihn der König wieder zu sich und verlangte die versprochene Geschichte von ihm. Der Wesir versetzte: »Schön,« und erzählte:

 


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