Unbekannte Autoren
Tausend und eine Nacht. Band XIX
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Zweiundzwanzigste Nacht.

Die Geschichte der vier Gauner mit dem Geldwechsler und Esel.

»Vier Gauner kamen einmal zu einem reichen Geldwechsler, um ihm etwas von seinem Geld abzulisten. Der eine von ihnen hielt mit einem Esel, auf den er einen Sack mit Geld gelegt hatte, bei ihm an und forderte von ihm Münze, worauf der Wechsler ihm Kleingeld brachte und mit ihm handelte, während der Gauner beim Geschäft sich nachgiebig zeigte, um seine Habgier lüstern zu machen. Mit einem Male kamen die drei andern Gauner an und umgaben den Esel, während der eine von ihnen sagte: »Er ist's.« Der zweite versetzte: »Bleib stehen bis ich ihn mir besehen habe.« Hierauf besah er sich den Esel und betastete ihn von der Mähne bis zum Ohr, während der dritte an ihn herantrat und ihn vom Kopf bis zu den Füßen befühlte und betastete und sagte: »Ja, es ist in ihm.« Der erste wiederum sagte: »Nein, es ist nicht in ihm.« In dieser Weise verfuhren sie einige Zeit, bis sie an den Besitzer des Esels herantraten und ihn nach dem Preise des Esels fragten, worauf er ihnen erwiderte: »Ich verkaufe ihn nur für zehntausend Dirhem.« Da boten sie ihm tausend Dirhem, doch lehnte er es ab und verschwor sich ihn nur für die genannte Summe zu verkaufen. Nun erhöhten sie ihr Angebot bis auf fünftausend Dirhem, doch erklärte er bei seinen zehntausend Dirhem bleiben zu wollen. Der Geldwechsler riet ihm den Esel zu verkaufen, er aber wollte es nicht thun sondern sagte: »Scheich, du weißt nicht, was es mit diesem Esel auf sich hat. Bleib' beim Silber und Gold und was dazu gehört an Münze und Wechseln. Das Gute, das in diesem Esel steckt, ist dir verborgen, denn jede Kunst erfordert ihren Mann und jeder Lebenserwerb seine Leute.« Wie die Sache den Leuten zu lange währte, gingen sie fort und setzten sich abseits; insgeheim aber schlichen sie zum Wechsler und sagten zu ihm: »Wenn du kannst, 14 so kaufe den Esel für uns; thu's und wir wollen dir zwanzig Dirhem geben.« Da sagte der Wechsler: »Geht fort und setzt euch abseits von ihm nieder.« Als sie es gethan hatten, ging er zum Besitzer des Esels und ließ nicht nach seine Geldgier zu reizen, bis er zu ihm sagte: »Laß die Leute da gehen und verkaufe mir den Esel, den ich als Geschenk von dir betrachten will.« Dann bot er ihm fünftausendfünfhundert Dirhem und wägte ihm entgegenkommend das Geld von dem seinigen dar, worauf der Besitzer des Esels es nahm und zu ihm sagte: »Was auch kommen mag, und mag es auch als Pfand auf deinem Nacken bleiben, verkaufe ihn jenen Gaunern nur für zehntausend Dirhem, denn sie wollen ihn nur wegen eines verborgenen Schatzes kaufen, den sie kennen, und zu dem sie nur dieser Esel führen kann. Halte daher fest und folge meinen Worten oder du hast es zu bereuen.« Als er dann von ihm fortgegangen war, kamen die andern drei Gauner an und sagten zum Geldwechsler: »Gott lohne dir's an unsrer Statt mit Gutem, daß du den Esel gekauft hast! Wie können wir dir's vergelten?« Der Wechsler versetzte: »Ich verkaufe ihn nur für zehntausend Dirhem.« Als sie dies von ihm vernahmen, traten sie wieder an den Esel und bestrichen ihn wie Käufer um und um, worauf sie zum Wechsler sagten: »Wir irrten uns in ihm, es ist nicht der Esel, den wir begehrten; er hat für uns einen Wert von zehn Halben.« Alsdann verließen sie ihn und wollten fortgehen, während der Wechsler bestürzt über ihre Worte schrie: »Ihr Leute, ihr batet mich den Esel für euch zu kaufen, und, da ich es that, sagt ihr, ihr hättet euch in ihm geirrt und er wäre euch nur zehn Halbe wert.« Sie versetzten: »Wir glaubten, er hätte die Eigenschaft, die wir verlangten, jedoch steht's gerade entgegengesetzt mit ihm, da er einen kurzen Rücken hat.« Hierauf machten sie ihm eine lange Nase und gingen, ihn verlassend, auseinander. Der Wechsler glaubte erst, sie wollten ihn nur zum Besten halten, um ihn zu dem Preise, der ihnen beliebte, zu kaufen. Als 15 sie aber auseinandergingen und lange fortblieben, jammerte er ach! und oh! und Zetermordio und schrie und zerriß seine Kleider, worauf die Bazarleute sich bei ihm versammelten und ihn fragten, was ihm zugestoßen wäre. Wie er ihnen nun den Vorfall berichtete und ihnen erzählte, was die Gauner gesprochen und wie sie ihn betrogen und ihn lüstern gemacht hatten, einen Esel im Werte von fünfzig Dirhem für fünftausendfünfhundert zu kaufen, tadelten ihn seine Freunde, und die ganze Menge lachte ihn aus und verwunderte sich über seine Dummheit und Leichtgläubigkeit, ohne an den Worten der Gauner zu zweifeln und sich in Dinge einzulassen, die er nicht verstand.

In dieser Weise, o König Schâh Bacht, ergeht es der Habgier nach irdischem Gut, und das Trachten nach dem, was man nicht versteht, führt zum Verderben und zur Reue. Jedoch ist diese Geschichte o König der Zeit nicht wunderbarer als die Geschichte des Gauners! Als der König seine Erzählung vernommen hatte, sprach er bei sich: »Hätte ich auf die Worte meiner Bekannten gehört und mich ihrem eiteln Geschwätz über meinen Wesir zugeneigt, so hätte ich es aufs bitterlichste zu bereuen gehabt. Gelobt sei Gott, der mir Langmut und Geduld verlieh!« Hierauf wendete er sich zum Wesir und entließ ihn und die Anwesenden wie üblich. Am nächsten Abend entbot er jedoch den Wesir wieder zu sich und verlangte die versprochene Geschichte, worauf der Wesir versetzte: »Ich höre und gehorche,« und also erzählte:

 


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