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Tausend und eine Nacht. Band XIX
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Siebenundzwanzigste Nacht.

Die Geschichte des Jünglings von Chorāsân, seiner Mutter und seiner Schwester.

»Wisse, o König, – doch Gott allein kennt sein Geheimnis und weiß das Vergangene, – in einem der Gebiete Chorāsâns lebte ein reicher Mann, einer der großen Chwâdschen, dem zwei Kinder, ein Sohn und eine Tochter beschert wurden. Er gab sich in ihrer Erziehung die größte Mühe, und sie wuchsen in bester Weise heran; er lehrte den Knaben, und der Knabe lehrte wiederum seine Schwester alles, was er gelernt hatte, so daß sie durch ihren Bruder in der Wissenschaft der Tradition und in der litterarischen Bildung vollkommen ward. Der Name des Knaben aber war Salîm, und das Mädchen hieß Salmā. Als sie nun herangewachsen und groß geworden waren, baute ihr Vater ihnen ein Schloß neben dem seinigen und ließ sie allein darin wohnen, indem er ihnen Sklavinnen und Burschen zur Bedienung gab und ihnen Gehalt und Einkünfte und alles, was sie an großen und kleinen Dingen und an Fleisch, Brot, 37 Wein, Kleidung, Geschirr und dergleichen gebrauchten, anwies. So lebten Salîm und Salmā in diesem Schloß, als wären sie eine Seele in zwei Leibern; sie schliefen auf einem Lager und erhoben sich am Morgen einmütig, und die Liebe und Zuneigung zu einander war in ihrem Herzen fest gegründet. Da traf es sich einst, daß, als Salîm und Salmā um Mitternacht plaudernd dasaßen, sie unten am Schloß ein Geräusch hörten; und, als sie nun aus dem Gitterfenster, das auf die Thür des Schlosses ihres Vaters ging, hinausblickten, gewahrten sie einen Mann von schönem Aussehen, der um seine Kleider ein großes Tuch geschlagen hatte, so daß er von ihm ganz verhüllt war. Er näherte sich der Thür des Schlosses ihres Vaters und pochte leise mit dem Ring, worauf die Thür geöffnet ward und ihre Schwester mit einer Kerze in der Hand heraustrat, gefolgt von ihrer Mutter, die den Mann begrüßte und, ihn umarmend, sagte: »O Geliebter meines Herzens, mein Augenlicht und meiner Seele Frucht, komme herein!« Hierauf trat er ein und verriegelte die Thür, während Salîm und Salmā bestürzt dastanden und dem zuschauten. Dann wendete sich Salîm zu Salmā und sagte zu ihr: »Meine Schwester, was sagst du zu diesem Unheil?« Salmā versetzte: »O mein Bruder, ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll; doch wird, wer Gott um Rat frägt, nicht enttäuscht, wer Unterweisung einholt, bereut nicht, und der obsiegt nicht, der sich brennende Hast erwählt. Wisse, dies ist ein auf uns herabgekommenes Unheil und eine über uns verhängte Prüfung; wir bedürfen daher der Überlegung, sie zu erforschen, und der List, die Schande von unsern Angesichtern zu waschen.« Alsdann behielten sie die Thür bis zum Anbruch der Morgenröte im Auge, als der Jüngling sie wieder öffnete und ihre Mutter sich von ihm verabschiedete, worauf er fortging, während sie mit ihrem Mädchen wieder ins Haus trat. Da sagte Salîm zu seiner Schwester: »Wisse, ich bin entschlossen, diesen Mann, wenn er in der nächsten Nacht wieder kommt, zu ermorden 38 und will dann den Leuten sagen, es wäre ein Dieb; dann wird niemand das Vorgefallene erfahren, und ich will jeden umbringen, der weiß, was sich zwischen ihm und meiner Mutter zutrug.« Salmā versetzte jedoch: »Ich fürchte, daß, wenn du ihn in unserm Hause umbringst, ohne daß ihm ein Diebstahl nachgewiesen wird, der Verdacht auf uns fällt; ebenso sind wir nicht sicher, ob er nicht zu Leuten gehört, deren Zorn und Feindschaft zu fürchten ist, so daß du aus der verborgenen in die öffentliche Schande und dauernde Schmach flüchtest.« Da fragte Salîm: »Und was ist deine Ansicht?« Sie erwiderte: »Muß er denn durchaus umgebracht werden? Wir wollen seinen Tod nicht überstürzen, denn eines Menschen grundlose Ermordung ist ein schweres Ding. Bedenke daher die Sache und ihre Folgen; denn wer die Folgen nicht bedenkt, hat am Schicksal keinen Freund.« Am andern Morgen planten sie hin und her, wie sie ihre Mutter von jenem Mann losmachen könnten; ihre Mutter aber, die voll Verschlagenheit und Arglist war, spürte als sie ihren veränderten Blick sah, das ihr von ihnen drohende Unheil und war vor ihren Kindern auf der Hut. Da sagte Salmā zu Salîm: »Du siehst, wohinein wir durch diese Frau geraten sind. Sie hat unsre Pläne durchschaut und weiß, daß wir hinter ihre Sache gekommen sind. Ohne Zweifel plant sie nun das Gleiche gegen uns wie wir gegen sie; bis jetzt hatte sie die Sache verborgen, nun aber wird sie uns hart behandeln; und ich glaube, über uns ist etwas gekommen, was uns verzeichnet stand und was Gott – Preis Ihm, dem Erhabenen! – in seiner Voraussicht wußte und wodurch er seinen Ratschluß ausführt.« Salîm fragte: »Und was ist's?« Sie versetzte: »Komm, wir wollen noch heute Nacht dies Land verlassen und ein ander Land aufsuchen, darinnen zu leben, damit wir nichts von dem Treiben dieser Verräterin sehen; denn, aus dem Auge aus dem Herzen, und ein Dichter sprach den Vers: 39

Viel besser ist's und schöner, fern von euch zu sein,
Denn, was das Auge nicht sieht, schafft nicht dem Herzen Pein.«

Da entgegnete Salîm: »Du hast zu bestimmen, und dein Rat ist trefflich; thu' dies in Gottes, des Erhabenen, Namen, in dem wir die rechte Leitung und Gnade finden.« Alsdann erhoben sich beide und nahmen ihre Kleider und das leichteste, was sich an Juwelen und Geldern in ihren Schatzkammern befand, bis sie einen großen Haufen zusammengeschafft hatten, worauf sie zehn Maultiere zurecht machten und zu Dienern Burschen mieteten, die nicht aus ihrem Lande waren. Dann befahl Salîm seiner Schwester Salmā Manneskleidung anzulegen, da sie ihm zum Verwechseln ähnlich war, – Preis Ihm, der nicht seinesgleichen hat, und außer dem es keinen Gott giebt! Hierauf ließ er sie ein Pferd besteigen, während er sich auf ein anderes setzte, und so ritten sie fort in der Nacht, ohne daß jemand von ihren Angehörigen und den Leuten im Hause etwas merkte. Sie zogen hinein in Gottes weites Land und ritten ununterbrochen Nacht und Tag zwei Monate lang, bis sie nach Verlauf dieser Zeit zu einer Stadt am Meeresstrande im Lande Makrân gelangten, deren Name Esch-Scharr lautete und die die erste Stadt im Lande Sind war. Sie lagerten sich außerhalb der Stadt, und, als der Morgen anbrach, gewahrten sie, daß es eine blühende und hübsche Stadt war, schön zu schauen, groß und reich an Bäumen, Bächen und Früchten mit weit ausgedehnten Dorfschaften. Da sagte der Jüngling zu seiner Schwester Salmā: »Bleib hier und warte, während ich in die Stadt gehe und Nachrichten über sie und ihre Bewohner einziehe und ein Haus zu kaufen suche, um darin zu wohnen. Paßt es uns, so wollen wir dort bleiben, andernfalls aber will ich sehen, daß wir in eine andere Gegend ziehen.« Sie versetzte: »Thu dies unter Gottes, des Mächtigen und Herrlichen, Gnade und Segen.« Da nahm er einen Gürtel, in dem sich tausend Dinare befanden, und schnallte ihn um seinen Leib, worauf er in die Stadt 40 ging und ihre Gassen und Bazare durchschweifte, indem er sich die Häuser besah und sich zu Leuten von ehrlichem Aussehen setzte, bis der Mittag kam und er wieder zu seiner Schwester zurückkehren wollte. Zuvor sprach er jedoch bei sich: »Ich muß etwas zubereitete Speise für mich und meine Schwester kaufen.« Hierauf trat er an einen Bratenverkäufer heran, der von sauberm Aussehen war, wiewohl er sein Brot auf schändliche Weise erwarb, und sagte zu ihm: »Nimm den Preis für diese Platte, und füge Geflügel, junge Hühner und was sonst auf euerm Bazar an Gerichten, Süßigkeiten und Brot zu haben ist, hinzu und lege es auf die Platten.« Da nahm der Mann das Geld von ihm in Empfang und legte für ihn das Verlangte zurecht, worauf er es in den Korb eines Trägers that und es ihm aufsetzte. Als aber Salîm, nachdem er alle Sachen voll und ganz bezahlt hatte, fortgehen wollte, sagte der Bratkoch zu ihm: »Junger Mann, zweifellos bist du ein Fremdling.« Salîm versetzte: »Jawohl.« Nun sagte der Bratkoch: »Junger Mann, ein vom Propheten überlieferter Ausspruch lautet: »Ein guter Rat gehört zum Glauben; und die Kundigen haben gesagt: Guter Rat gehört zu den Eigenschaften der Gläubigen. Was ich von deinem Wesen sah, gefiel mir, und ich möchte dich beraten.« Da erwiderte Salîm: »Thu's und laß deinen Rat hören, und Gott fördere deine Sache!« Hierauf sagte der Bratkoch: »Wisse, mein Sohn, wenn ein Fremdling in diese unsre Stadt kommt und von seiner Kost ißt und nicht alten Wein dazu trinkt, so thut es ihm schaden und macht ihn gefährlich krank. Wenn du dich daher mit etwas Wein versorgt hast, so ist's gut, andernfalls verschaffe ihn dir, bevor du die Speise nimmst und fortträgst.« Salîm versetzte: »Gott lohne es dir mit Gutem! Kannst du mir zeigen, wo man Wein verkauft?« Der Koch entgegnete: »Ich habe alles, was du verlangst, bei mir.« Nun fragte Salîm: »Kann ich ihn irgendwie sehen?« Da sprang der Koch auf und sagte: »Komm mit.« Infolgedessen trat 41 Salîm ein; als ihm der Koch jedoch etwas Wein zeigte, sagte er: »Ich wünsche besseren,« worauf der Koch eine Thür öffnete und, durch sie eintretend, sagte: »Tritt herein und folge mir.« Da folgte er ihm, bis der Koch ihn in eine unterirdische Kammer geführt hatte, wo er ihm etwas Wein zeigte, der ihm gefiel. Während er aber den Wein besah, sprang der Koch hinterrücks auf ihn und warf ihn zu Boden, worauf er ein Messer von seiner Seite zog und es, indem er auf seine Brust kniete, an seine Drosselader setzte. Da vergaß Salîm alles, was Gott über ihn verhängt hatte, und rief ihm zu: »Weshalb willst du dies thun, Mann? denke an Gott, den Erhabenen, und fürchte ihn. Siehst du nicht, daß ich ein Fremdling bin, und ist nicht hinter mir ein verlassenes Mädchen? Weshalb willst du mich ermorden?« Der Koch versetzte: »Ich muß dich ermorden, um dir dein Geld zu nehmen.« Salîm erwiderte: »Nimm mein Geld, doch bringe mich nicht um und versündige dich nicht wider mich. Sei gütig gegen mich, da es eine leichtere Sünde ist mein Geld als mein Leben zu nehmen.« Der Koch entgegnete jedoch: »Das ist ein Unding; du kannst dich hierdurch nicht befreien, Mann, da in deiner Loslassung mein Untergang liegt.« Nun sagte Salîm: »Ich schwöre dir bei Gott, dem Mächtigen und Herrlichen, den heiligsten Eid, den er seinen Propheten abnahm, daß ich dein Geheimnis nimmerdar offenbaren werde.« Der Koch erwiderte: »Weit gefehlt, weit gefehlt! Hierzu hast du keinen Weg.« Salîm ließ jedoch nicht ab ihn zu beschwören und sich weinend vor ihm zu demütigen, während der Koch darauf beharrte ihm den Hals abzuschneiden, bis er die Verse sprach:

Sei langsam und beeile dich nicht in deinen Geschäften,
Und sei barmherzig gegen die Leute, damit du einen Barmherzigen findest.
Es giebt keine Hand, über der nicht Gottes Hand ist,
Und keinen Tyrannen, der nicht einen Tyrannen findet.« 42

Der Koch versetzte jedoch: »Ich muß dich umbringen, Gesell, denn, wenn ich dich leben ließe, so wäre es um mich geschehen.« Da sagte Salîm: »Mein Bruder ich will dir etwas anderes raten.« Der Koch erwiderte: »Was ist's? Sprich und mach's kurz, bevor ich dir den Hals abschneide.« Salîm entgegnete: »Laß mich als deinen Mamluken leben, und ich will für dich eine Kunst meisterlich ausüben, durch die du jeden Tag zwei Dinare verdienen sollst.« Nun fragte der Koch: »Und was für eine Kunst ist's?« Salîm versetzte: »Ich will Edelsteine schneiden.« Als der Koch dies vernahm, sprach er bei sich: »Was kann es mir schaden, wenn ich ihn einsperre und in Fesseln lege und ihm Arbeit bringe. Sprach er dir Wahrheit, so lasse ich ihn leben, log er aber, so bringe ich ihn um.« Alsdann nahm er eine schwere Fessel und legte sie ihm um die Füße, worauf er ihn in seinem Hause einsperrte und ihm einen Aufseher bestellte. Dann fragte er ihn, was für Handwerkszeug er zum Arbeiten gebrauchte, und Salîm beschrieb ihm, was er benötigte, worauf er ihn verließ und ihm nach einer Weile alles brachte. Dann setzte sich Salîm und betrieb seine Kunst, durch die er jeden Tag zwei Dinare verdiente; und so hielt er es von nun an mit dem Koch, während dieser ihm soviel zu essen gab, daß er nur halb satt ward.

Also stand es mit Salîm; inzwischen wartete seine Schwester Salmā bis zum Abend; als er aber weder am ersten noch am zweiten, dritten und vierten Tag zurückkam, und sie auch keine Kunde von ihm vernahm, weinte sie bitterlich und schlug sich mit der Hand vor die Brust; dann versank sie in trübe Gedanken über ihre Lage, ihre Fremdlingschaft und das Verschwinden ihres Bruders und sprach die Verse:

»Meinen Salâm auf euch! Ach, daß ich euch doch wieder sähe,
Daß mein Herz in Frieden und getröstet wäre.
Ihr seid allein meiner Hoffnungen Ein und Alles,
Und geborgen in meinem Herzen ruht meine Liebe zu euch.« 43

Nachdem sie bis zum Ende des Monats auf ihn gewartet und weder eine Nachricht von ihm vernommen hatte noch auf eine Spur von ihm gestoßen war, ward sie aufs schwerste beunruhigt und schickte aufs tiefste bekümmert und gequält ihre Diener nach allen Seiten auf die Suche nach ihm aus. Zu Anfang des neuen Monats ließ sie nach ihm in der Stadt ausrufen und setzte sich zur Trauer wie über einen Verstorbenen hin, worauf alle Leute in der Stadt zu ihr herauskamen, ihr zu kondolieren, und sich über sie bekümmerten; doch hielten sie alle für eine Mannsperson. Nach Verlauf von drei Tagen und Nächten des neuen Monats, gab sie die Hoffnung, ihn wiederzusehen, auf, und ihre Thränen trockneten nimmer; doch beschloß sie in jener Stadt zu bleiben und suchte sich eine Wohnung aus, in die sie zog, worauf die Leute sie von allen Orten aufsuchten und, bei ihr sitzend, ihre Rede hörten und Zeugen ihrer feinen Bildung waren. Bald darauf starb der König jener Stadt, und die Leute wurden nach seinem Tode uneins, wen sie mit der Regierung betrauen sollten, daß es beinahe zum Bürgerkriege gekommen wäre; die Einsichtigen, Verständigen und Erfahrenen unter ihnen rieten ihnen jedoch den jungen Mann, der seinen Bruder verloren hatte, zum König einzusetzen, da sie Salmā immer noch für einen Mann hielten. Alle willigten hierin ein und begaben sich zu ihr, ihr die Königswürde anzutragen. Zuerst weigerte sie sich, doch drängten sie so lange in sie, bis sie einwilligte, indem sie bei sich sprach: »Ich begehre allein nach der Königswürde, um hierdurch meinen Bruder zu finden.« Alsdann setzten sie Salmā auf den Thron des Königreiches und drückten ihr die Krone aufs Haupt, worauf Salmā sich an die Regierung und Erledigung der Staatsgeschäfte machte; und das Volk war über sie aufs höchste erfreut.

Soviel von ihr; ihr Bruder Salîm aber blieb bei dem Koch ein ganzes Jahr lang und verdiente für ihn täglich zwei Dinare, bis der Koch endlich Mitleid mit ihm verspürte 44 und ihn unter der Bedingung loslassen wollte, daß er dem Sultan nichts von seinem Thun verriete, da es sein Brauch war dann und wann einen Menschen durch List in seine Wohnung zu bringen, ihn dort zu ermorden, ihm sein Geld abzunehmen und sein Fleisch zu kochen und den Leuten zu essen zu geben. Infolgedessen sagte er zu ihm: »Jüngling, soll ich dich aus deiner Gefangenschaft unter der Bedingung loslassen, daß du verständig bist und nichts davon verlauten lässest?« Salîm versetzte: »Ich schwöre dir alles, was du mir zu schwören gebietest, daß ich dein Geheimnis verbergen und keine Silbe von dir reden will, so lange ich lebe.« Nun sagte der Koch: »Ich will dich mit meinem Bruder fortschicken und als seinen Mamluken übers Meer senden. Wenn er mit dir nach Indien kommt, so wird er dich dort verkaufen, und so bist du dem Gefängnis und Tod entronnen.« Salîm erwiderte: »Deine Absicht ist vortrefflich; Gott, der Erhabene, lohne es dir mit Gutem!« Hierauf rüstete der Koch ein Schiff aus und verfrachtete es ihm mit Waren; dann übergab er Salîm seinem Bruder, worauf sie ihre Fahrt antraten; und Gott verzeichnete ihnen das Heil, und sie gelangten nach El-Mansûre, der ersten Stadt Indiens, wo sie die Anker auswarfen. In jener Stadt war aber der König gestorben und hatte eine Frau mit einer Tochter hinterlassen; und die Frau, welche das verständigste und scharfsinnigste Weib ihrer Zeit war, hatte ihre Tochter für einen Sohn ausgegeben, damit das Reich ihnen verbliebe. Die Truppen und die Emire glaubten, die Sache verhalte sich in Wirklichkeit so, daß die Tochter ein Sohn wäre und gehorchten ihr, während ihre Mutter die Sache leitete und sie in Mannestracht kleidete und auf den Thron des Königreiches setzte; und die Großen des Reiches und die Vertrauten des Königs gingen bei ihr ein und aus, ihr den Salâm bietend und aufwartend, ohne daran zu zweifeln, daß sie ein Jüngling wäre. In dieser Weise hatte es die Königin-Witwe bereits Monate und Jahre getrieben, bis 45 das Schiff des Kochs mit Salîm anlangte, und der Bruder des Kochs ihn ans Land nahm und ihn der Königin-Witwe zum Verkauf anbot. Als die Königin ihn sah, las sie seine Güte in seinen Zügen und kaufte ihn, worauf sie ihn freundlich und huldvoll aufnahm und seinen Charakter prüfte und ihn auf die Probe stellte. Da sie hierbei aber sah, daß er alles an Verstand, seiner Bildung und schönen Eigenschaften wie ein Prinz besaß, nahm sie ihn beiseite und sagte zu ihm: »Ich will Gutes an dir thun, wenn du ein Geheimnis hüten kannst.« Nachdem er ihr alles, was sie wünschte und begehrte, versprochen hatte, teilte sie ihm ihr Geheimnis in betreff ihrer Tochter mit und sagte zu ihm: »Ich will dich mit ihr verheiraten und dir ihre Sache anvertrauen und dich zum König und Regenten über diese Stadt machen.« Salîm dankte ihr und versprach ihr alle ihre Befehle auszuführen, worauf sie an ihn herantrat und zu ihm sagte: »Geh' insgeheim zu einer der Provinzen.« Da zog er dorthin, und am andern Morgen machte sie ihm Lasten, Gerätschaften und Kostbarkeiten zurecht und stattete ihn aufs reichlichste aus, indem sie die Lasten auf Kamele lud und unter dem Volke die Nachricht verbreitete, daß der Neffe des Königs eingetroffen sei. Dann befahl sie den Großen und den Truppen ihm in corpore zum Empfang entgegenzuziehen und ließ die Stadt für ihn ausschmücken, und die Freudentrommeln wirbelten, und der ganze Hofstaat stieg vor ihm ab und führte ihn zur Königin ins Schloß. Hierauf befahl sie den Vornehmen des Königreiches an seiner Sitzung teilzunehmen, und, als sie es thaten, erstaunten sie über sein feines Benehmen und vergaßen darüber das der früheren Könige. Nachdem sie mit ihm vertraut geworden waren, ließ sie einen nach dem andern von den Emiren und Vornehmen vor sich kommen und schwören ihr Geheimnis zu bewahren; und, als sie sich dessen vergewissert harte, teilte sie ihnen mit, daß der König nur eine Tochter hinterlassen und sie dies nur gethan hätte, damit die Regierung in der 46 Familie bleibe und ihnen nicht verloren ginge; dann sagte sie, sie wolle ihre Tochter mit ihrem neuangekommenen Neffen vermählen, der dann die Regierung führen solle. Sie billigten ihren Vorschlag, und, als sie ihnen so ihr Geheimnis mitgeteilt und alles entdeckt hatte, ließ sie die Kadis und Zeugen kommen und von ihnen das Eheband knüpfen, worauf sie den Truppen reiche Geschenke machten und sie mit Auszeichnungen überhäuften. Dann wurde die Braut dem Jüngling zugeführt, und so ging das Königreich und die Regierung an ihn über. Nachdem er in dieser Weise ein volles Jahr zugebracht hatte, sagte er zur Königin-Witwe: »Wisse, mein Leben macht mir keine Freude, und ich vermag nicht bei dir zu bleiben, ehe ich nicht Nachricht von meiner Schwester erhalte und erfahre, was aus ihr nach der Trennung von mir geworden ist. Ich will daher fortziehen und, so Gott will, der Erhabene, nach einem Jahr wieder zu euch zurückkehren, wenn ich, was ich erhoffe, hierdurch erreicht habe.« Die Königin versetzte: »Ich vertraue deinem Wort nicht, sondern will mit dir ziehen und dir bei deinem Vorhaben selber Beistand leisten.« Hierauf nahm sie ein Schiff und belud es mit allerlei kostbaren Sachen an Waren, Geldern und dergleichen und setzte einen der Wesire, in dessen Thun und Einsicht sie vertraute, als Regenten ein, indem sie zu ihm sprach: »Sitze ein volles Jahr im Regiment, und ordne alles, dessen du bedarfst, an.« Alsdann machten sich die Königin, ihr Schwiegersohn Salîm und ihre Tochter auf und stiegen aufs Schiff, worauf sie absegelten und übers Meer zogen, bis sie zum Lande Makrân gelangten, woselbst sie gegen Abend anlangten. Sie blieben die Nacht über auf ihrem Schiff, beim Anbruch der Morgendämmerung aber stieg der Jüngling Salîm an den Strand, um sich ins Bad zu begeben, und ging auf den Bazar, bis er nahe bei dem Bad war, als unterwegs der Koch auf ihn stieß. Er erkannte ihn, und, ihn packend, band er ihn und schleppte ihn in sein Haus, wo er ihm die alten Fesseln an die Füße 47 legte und ihn wieder in den frühern Raum, in dem er gefangen gewesen war, einsperrte. Als sich nun Salîm in dieser elenden Lage sah, weinte er über sein Mißgeschick und Unglück, das ihn, nachdem er König gewesen war, wieder zu Fesseln, Kerker und Hunger geführt hatte, und stöhnte und klagte und sprach die Verse:

»Mein Gott, meine Geduld und Standhaftigkeit ist erschöpft,
Meine Brust ist beklommen, o Herr der Herren!
Mein Gott, wer ist reicher als du an Erfindung?
Und du, der Gütige, kennst meine Lage.«

Soviel von Salîm. Als nun aber seine Gattin erwachte, und er beim Anbruch der Morgenröte nicht zurückkehrte, verspürte sie jegliches Leid, und, sofort aufstehend, schickte sie ihre Diener und alle Leute, die bei ihr waren, aus, ihren Gatten zu suchen, ohne daß sie auf eine Spur von ihm gestoßen wären und eine Nachricht von ihm vernommen hätten. Da versank sie in Gedanken über ihre Lage und klagte und weinte und stöhnte und lamentierte und schalt das treulose Schicksal und jammerte über das Leid, das es über sie gebracht hatte, und sprach weinend die Verse:

»Gott hüte die Tage des Liebesglücks und ihre Wonnen!
Wie war das Leben so süß in ihnen und hold!
Nimmer lebe der, der die Trennung über uns herabrief,
Wie viele Leiber ließ er hinsiechen, wie viele Herzen brach er!
Schuldlos vergoß er mein Blut und meine Thränen,
Meines Geliebten beraubte er mich und ward nicht reich.«

Als sie ihre Verse beendet hatte, dachte sie über ihre Lage nach und sprach bei sich: »Bei Gott, alles dies geschah nach Gottes, des Erhabenen, Verhängnis und Schicksal, und es stand auf der Stirne geschrieben.« Alsdann stieg sie vom Schiff an den Strand und ging, bis sie zu einem weiten Platz gelangte, wo sie von den Leuten ein Haus mietete. Dann schaffte sie alle Waren vom Schiff dorthin und ließ die Mäkler holen, durch die sie alles verkaufte. Hernach nahm sie etwas von dem Geld und erkundigte sich bei den 48 Leuten, um so vielleicht etwas zu erfahren; daneben teilte sie reiche Almosen aus und bereitete Medizinen für die Kranken, kleidete die Nackenden und goß Segen über die Verlassenen aus. In dieser Weise verfuhr sie ein volles Jahr, indem sie von Zeit zu Zeit etwas von ihrer Habe verkaufte und Almosen an die Kranken und Elenden austeile, bis sich ihr Ruf in der Stadt verbreitete und die Leute ihr Lob sangen, während Salîm bei alledem in Fesseln im Kerker lag und von düstern Gedanken über seine Prüfung umschattet ward, bis er schließlich von Sorge und Leid erdrückt, in schwere Krankheit fiel. Als der Koch sah. daß er von Kümmernis fast verzehrt war, löste er seine Fesseln und übergab ihn einer Alten, die eine Nase wie einen Krug hatte, und befahl ihr, ihn zu pflegen und kurieren und zu bedienen und trösten, damit er wieder von seiner Krankheit genäse. Die Alte nahm ihn aus dem Gefängnis in ihre Wohnung, wo sie ihn pflegte, und ihm zu essen und trinken gab; und nach seiner Erlösung von jener Marter ward er wieder gesund. Da aber die Alte von den Leuten auch von jener Frau vernommen hatte, die an die Kranken Almosen verteilte und deren Güte Arm und Reich zu Ohren kam, erhob sie sich und nahm Salîm heraus an die Thür ihres Hauses, wo sie sich ihm gegenüber setzte, nachdem sie ihn auf eine Matte gelegt und ihn in einen härenen Mantel gewickelt hatte. Da traf es sich, daß die Frau an ihnen vorüberkam, und, als die Alte sie erblickte, erhob sie sich vor ihr, segnete sie und sprach zu ihr: »O meine Tochter, die du so gütig und huldreich bist und milde Gaben und Almosen spendest, wisse, dieser Jüngling ist ein Fremdling, den Armut, Läuse, Hunger, Blöße und Kälte fast hingerafft haben.« Als die Frau dies vernahm, gab sie ihr ein Almosen und schenkte ihr etwas von dem, was sie bei sich hatte; und ihr mildthätiges Herz neigte sich Salîm zu. Die Alte nahm die Spende und brachte sie Salîm, worauf sie einen Teil davon für sich behielt, während sie für den Rest ein altes Hemde kaufte. Dann zog sie ihm seinen 49 Rock aus, wusch ihm den Schmutz vom Leibe, salbte ihn mit etwas wohlriechender Salbe ein und kleidete ihn in das Hemde. Alsdann kaufte sie ihm junge Hühner und kochte ihm eine Brühe, die er aß; und so kehrte ihm das Leben wieder, und er verbrachte bei ihr eine gute Nacht. Am andern Morgen sagte dann die Alte zu ihm: »Wenn die Frau zu dir kommt, so steh' auf, küß ihr die Hände und sprich zu ihr: »Ich bin ein Fremdling und komme vor Kälte und Hunger um;« vielleicht schenkt sie dir dann etwas Geld, das du für dich verwenden kannst.« Salîm versetzte: »Ich höre und gehorche.« Alsdann faßte sie Salîm bei der Hand und führte ihn hinaus, wo sie ihn an der Hausthür niedersitzen ließ. Während er nun dort saß, kam mit einem Male wieder die Frau an ihm vorüber, worauf sich die Alte vor ihr erhob. Als aber Salîm sie erblickte, küßte er ihr die Hand und segnete sie; dann schaute er sie an, und nun erkannte er in ihr seine Gattin und stieß einen Schrei aus und weinte, stöhnte und klagte. Da erkannte sie ihn ebenfalls und warf sich auf ihn, worauf beide einander umarmten. Dann rief sie ihre Leute und Diener und alle, die sie umgaben, und sie luden ihn auf und trugen ihn von dem Ort, an dem er lag, fort. Als jedoch die Alte dies sah, rief sie aus dem Hause nach dem Koch, der zu ihr sagte: »Geh mir voran.« Da eilte sie ihm voran, während er ihr folgte und so lange lief, bis er Salîm eingeholt hatte, worauf er rief: »Was fehlt euch, daß ihr meinen Burschen fort tragt?« Nun aber schrie ihn die Frau an und sagte: »Wisse, dies ist mein Gatte, den ich verlor.« Ebenso schrie auch Salîm: »Gnade! Gnade! Ich appelliere an Gott und den Sultan gegen diesen Satan.« Im Nu versammelte sich eine große Menschenmenge, lautes Gekreisch und Geschrei erhob sich zwischen ihnen, und die Mehrzahl sagte: »Tragt eure Sache dem Sultan vor.« Der Sultan aber war seine Schwester Salmā. Wie sie nun zum Sultan gingen, trat der Dolmetsch vor ihn und sprach zu ihm: »O König der Zeit, hier 50 ist eine indische Frau, die aus Indien hierhergekommen ist, und hier seit einiger Zeit Almosen ausgeteilt hat. Nun hat sie einen jungen Burschen festgenommen und behauptet, er sei ihr Gatte, der vor zwei Jahren verschwunden wäre, und nur um seinetwillen sei sie hierher gekommen. Ebenso aber ist hier auch ein Bratkoch, der behauptet, der Jüngling sei sein Bursche.« Als die Königin dies vernahm, pochte ihr das Herz, und sie erseufzte aus schmerzerfüllter Brust, indem sie ihres Bruders und seines Schicksals gedachte. Dann befahl sie ihrer Umgebung sie ihr vorzuführen, und, als sie sie erblickte, erkannte sie ihren Bruder und hätte beinahe laut aufgeschrieen. Sie faßte sich jedoch wieder, indem sie allein aufsprang und sich wieder setzte. Nachdem sie sich wieder beruhigt hatte, sagte sie: »Jeder von euch soll mir seine Sache vorbringen.« Da trat Salîm vor den König, küßte die Erde vor ihm, pries ihn und erzählte ihm seine Geschichte von Anfang bis zu Ende, bis zur Zeit, daß er mit seiner Schwester zu der Stadt kam, und wie er dieselbe betrat und in die Hände des Kochs fiel; was ihm dann widerfahren war, wie er ihn geschlagen, gebunden und in Halseisen und Fesseln gelegt hätte bis er ihn seinem Bruder als Mamluken gegeben und dieser ihn in Indien verkauft hätte; wie er dort die Prinzessin geheiratet hätte und König geworden wäre; wie es ihm dann weiter ergangen wäre, und wie das Leben keine Freude für ihn gehabt hätte, bis er wieder mit seiner Schwester vereint gewesen wäre; wie er dem Koch zum zweitenmale in die Hand gefallen wäre, und er ihn gebunden und gefesselt hätte, und was er dann an Krankheit und Siechtum ein volles Jahr lang ausgestanden hätte. Als er seine Erzählung beendet hatte, trat sofort seine Gattin vor und erzählte ihre Geschichte ebenfalls von Anfang bis zu Ende, wie ihre Mutter ihn von dem Kumpan des Kochs gekauft hatte und die Unterthanen unter seinen Befehl kamen, bis sie zu dieser Stadt gelangten. Als sie ihre Erzählung beendet hatte, rief der Koch: »Ach, was bringen diese Schurken 51 zuwege! Bei Gott, diese Frau verleumdet mich, dieser Bursche wuchs bei mir auf und ward von einer meiner Sklavinnen geboren. Er war mir fortgelaufen und ich traf ihn an.« Als die Königin ihre Worte bis zum Schluß vernommen hatte, sagte sie zum Koch: »Es soll in Gerechtigkeit unter euch gerichtet werden.« Hierauf entließ sie die Anwesenden und sprach zu ihrem Bruder: »Deine und deiner Worte Wahrhaftigkeit steht bei mir fest; gelobt sei Gott, der dich wieder mit deiner Gattin vereint hat! Nimm sie und kehr' mit ihr heim; gieb deine Schwester Salmā auf und zieh' hin in Frieden.« Als Salîm dies vernahm, rief er: »Bei Gott, dem allwissenden König, ich höre nicht eher auf meine Schwester zu suchen, als bis ich gestorben bin oder sie, so Gott will, der Erhabene, gefunden habe.« Dann gedachte er ihrer wieder und sprach aus schmerzlich bewegtem, bekümmertem und betrübtem Herzen Verse, so daß seine Schwester nicht mehr an sich zu halten vermochte, sondern sich auf ihn warf und sich ihm entdeckte. Da erkannte er sie und warf sich ebenfalls auf sie und sank für eine Weile in Ohnmacht. Als er dann wieder zu sich kam, rief er: »Gelobt sei Gott, der Gütige, der Wohlthäter!« Hierauf klagten sie einander, was sie für Schmerzen über die Trennung erlitten hatten, während seine Gattin sich hierüber verwunderte und an Salmās Geduld und Standhaftigkeit Gefallen fand. Dann begrüßte sie sie und dankte ihr für ihr Thun, indem sie zu ihr sagte: »Bei Gott, meine Herrin, all unsre Freude rührt nur durch deinen Segen her; gelobt sei Gott, der uns deinen Anblick gewährte!«

Hierauf brachten alle drei, Salmā, Salîm und seine Gattin drei Tage lang, unsichtbar dem Volk, in Freude, Glück und Fröhlichkeit zu, während sich das Gerücht in der Stadt verbreitete, daß der König seinen seit zwei Jahren vermißten Bruder wiedergefunden und dem Hause des Kochs entrissen hätte. Am vierten Tage aber versammelten sich alle Truppen und Unterthanen beim Thor des Königs und 52 ersuchten um Einlaß; als sie dann eintraten, warteten sie dem König auf und beglückwünschten ihn zur Errettung seines Bruders, worauf Salmā dem Volk befahl, ihrem Bruder Salîm ebenfalls zu huldigen. Nachdem sie ihrem Geheiß entsprochen hatten, schwiegen sie eine Weile, um des Königs Befehl zu vernehmen. Er aber sprach nun zu ihnen: »Versammelte Truppen und Unterthanen, ihr wisset, daß ihr mich wider meinen Willen zwangt, die Regierung zu übernehmen, und mich so lange batet, bis ich euerm Willen entsprach. Vernehmt nun, daß ich ein Weib bin, und daß ich mich in Mannestracht kleidete, um nach dem Verschwinden meines Bruders unerkannt zu bleiben. Jetzt aber, wo mich Gott mit meinem Bruder wieder vereint hat, kommt es mir nicht mehr zu, wo ich ein Weib bin, als Königin und Sultanin über die Unterthanen zu herrschen; denn wo Männer vorhanden sind, giebt's für die Frauen nichts zu herrschen. Wenn es euch daher beliebt, so setzet diesen meinen Bruder hier auf den Thron des Reiches, während ich mich ganz der Anbetung Gottes, des Erhabenen, hingeben und ihm für die Wiedervereinigung mit meinem Bruder danken will. Wollt ihr dies jedoch nicht, so nehmt euer Reich und setzet, wen ihr wollt, zum König ein.« Da rief das ganze Volk: »Wir wollen ihn zum König haben;« und so huldigten sie ihm und wünschten ihm Glück zum Königtum, und die Prediger sprachen die Chotbe in seinem Namen, und die Dichter priesen ihn. Er aber machte den Truppen und seinem Hof reiche Geschenke und überhäufte sie mit Huld und Gaben und regierte die Unterthanen in Gerechtigkeit und Billigkeit und führte einen schönen Wandel. Alsdann ließ er den Koch und seine Angehörigen vor den Diwan bringen, doch verschonte er die Alte, die ihn bedient hatte und die Ursache seiner Befreiung gewesen war. Er ließ alle vor die Stadt führen und den Koch samt seinen Leuten mit den verschiedenen Martern foltern; dann ließ er ihn des übelsten Todes sterben und verbrannte ihn, worauf er seine Asche in die Luft streuen ließ. 53 Nach diesem verblieb er im Regiment, bekleidet mit dem Sultanat, und regierte ein volles Jahr über die Stadt, worauf er nach El-Mansûre zurückkehrte und dort ebenfalls ein Jahr regierte. Und so zogen alle Jahr für Jahr von einer Stadt zur andern, bis ihm Kinder beschert wurden. Als diese herangewachsen waren, setzte er einen seiner Söhne, der zur Regierung tauglich war, als seinen Stellvertreter ein und lebte mit seiner Schwester, seiner Gattin und seinen Kindern, so lange Gott, der Erhabene, wollte.

Jedoch, o König der Zeit, ist diese Geschichte nicht wunderbarer und merkwürdiger als die Geschichte vom König von Indien und seinem ungerecht behandelten und beneideten Wesir.«

Als der König diese Geschichte vernommen hatte, ward er von ihr eingenommen, und er entließ den Wesir nach Hause. Am andern Abend entbot er ihn jedoch wieder zu sich und befahl ihm die Geschichte vom König von Indien und seinem Wesir zu erzählen. Da versetzte der Wesir: »Freut und ehrt mich,« und erzählte:

 


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