Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

V. Die Frauen im Bereiche der abendländischen Kultur

1. Die Fürstinnen der Reiche des Abendlandes.

Mit dem Regierungsantritte des Hauses der Karolinger in der Mitte des achten Jahrhunderts (s. oben S. 203) vollzieht sich in der Stellung der abendländischen Frauen zum Männergeschlechte und damit zum Staate eine bedeutsame Wandlung. In dieser Zeit nämlich befestigt sich die Monogamie, tritt die Liebe zwischen Mann und Frau als lebendes Element in die Geschichte der Gesittung und beginnen die Frauen auf den Staat und zugleich auf die Bildung einen anhaltenden Einfluß auszuüben. Dazu kommt noch, mit besonderer Beziehung auf das deutsche Sprachgebiet, der Beginn einer neuen Bezeichnung der Frau, nämlich derjenigen durch dieses Wort. Bis dahin, und stellenweise noch später, heißen Mann und Frau im Deutschen: karl und quena, (auch kena, erhalten im englischen queen, Königin). Im 8. Jahrhundert aber beginnen die Oberdeutschen das Weib im allgemeinen wîb und in höherm Sinne frôwa , Herrin (das Weibliche von frô, Herr) zu nennen. Es ist dies sehr bezeichnend; bisher gab es keine Herrinnen, sondern nur vom Manne abhängige weibliche Wesen. Seit den Karolingern beginnen Frauen, wenn auch nicht im Staate, doch auf dem Throne, im Hause und über das Herz der Männer zu herrschen und auch auf dem Gebiete des Geistes selbstthätig aufzutreten. Das Weib konnte nicht Frau, d. h. Herrin sein, so lange die Vielweiberei, wie noch unter den Merowingern, geduldet und nicht ausdrücklich verpönt war. Seit dem Auftreten der Karolinger ist sie letzteres, und soweit sie noch, sei es als Vielehe oder als nicht anerkannte Vielweiberei, vereinzelt vorkommt, wird sie von der öffentlichen Meinung verurtheilt und kann sich nirgends und nie mehr als ein herrschender Gebrauch einnisten, wie wir wiederholt sehen werden. Nur neben der Monogamie und durch dieselbe wird die Frauenliebe möglich, und sie wird seit der wiederholt angedeuteten Zeit ein Gegenstand erst der Sage, später der Volks- und endlich der Kunstdichtung.

Es ist bereits (S. 203) gesagt, daß die gemeinsame abendländische Kultur des Mittelalters durch Karl den Großen begründet wurde. Dieser geniale Monarch ist zwar kein Vorbild reiner Sitten gewesen, und sein Hof- und Familienleben war weder christlich, noch altgermanisch, sondern mehr dem des römischen Kaiserthums nachgebildet, in dem er sein Ideal erblickte. Aber durch seine Vereinigung der mitteleuropäischen Germanen mit den von ihm beherrschten Romanen in ein großes Reich, seine Pflege der antiken Litteratur und der deutschen Sprache zu gleicher Zeit, waren die Grundlagen jener Kultur gegeben, welche auch dann noch eine gemeinsame blieb, als nach seinem Hinscheiden die verschieden sprechenden Völkerstämme wieder auseinander strebten und besondere Reiche bildeten.

Karl der Große verzichtete zwar auf die Vielehe, nicht aber auf die thatsächliche Vielweiberei. Er hatte nach einander vier Gattinnen, neben ihnen aber sechs Genossinnen, deren eine in die Würde der Gattin vorrückte. Von ihnen allen hatte er achtzehn Kinder, von denen fünf in zarter Jugend und von den übrigen wenigstens alle Söhne bis auf einen einzigen, und zwar den unfähigsten, der ihm nachfolgte, in reiferem Alter vor ihm starben.

Erst in der Vollkraft seines Lebens und Wirkens verlor er seine Mutter Bertrada, die Witwe König Pippins, in der Sage gefeiert als Bertha mit dem Schwanenfuß oder Bertha die Spinnerin, welche mythische Züge der Göttin Freyja oder Berchtha (oben S. 162) erhalten hat. Sie war mit ihrem Gatten vom Papste gekrönt worden, und Karl hielt sie in hohen Ehren, beleidigte sie aber dadurch, daß er die auf ihren Rath geehelichte Tochter des letzten Langobardenkönigs, Desiderata, schon nach einem Jahre verstieß, – warum ist unbekannt. Als die Mutter starb, ließ er sie neben dem Vater in St. Denis bestatten. Noch war kein Jahr nach jener Verstoßung verflossen, als der große Herrscher die erst dreizehnjährige edle Schwäbin Hildegard zur Gattin wählte. Eine wahre Liebe scheint ihn mit ihr verbunden zu haben; sie wurde die Mutter seines Lieblingssohnes Karl, des leider früh Geschiedenen, der, mehr tapfer und lebensfroh, als kirchlich gestimmt, als Nachfolger des Vaters der Geschichte eine andere Wendung gegeben haben dürfte als Hildegards nächster Sohn, Ludwig der Fromme! Auf allen seinen Feldzügen begleitete die junge Mutter den königlichen Gemahl; leider starb sie schon im Alter von 25 Jahren nach der Geburt einer Tochter, und Karl verordnete, daß auf ihrem Grabe in der St. Arnulfskirche zu Metz Tag und Nacht Lichter brennen, täglich Messen gelesen und Gebete gesprochen werden sollten. Seine dritte Gattin Fastrada war ein harter Charakter und übte auf ihn keinen günstigen Einfluß, indem sie ihn zu scharfem Einschreiten gegen Rebellen aufstachelte; ja sie soll die Empörung Pippins des Buckligen (des ersten unehelichen Sohnes Karls) verschuldet haben. Als sie nach zwölfjähriger Ehe starb, folgte ihr als letzte Gattin die bisherige Genossin Liutgarde, eine schöne und edle Alamannin, welche durch Herzensgüte sich auszeichnete und nach Bildung strebte, aber schon im Jahre 800 starb, so daß Karl als Kaiser keine rechtmäßige Frau mehr hatte.

Unter Karls Töchtern sind nur zwei, beide von Hildegard, erwähnenswerth: Rotrud und Bertha. Beide erbten das Temperament des Vaters; denn beide lebten in unrechtmäßigen Liebesbünden. Rotrud war zur Verknüpfung des West- und des Ostreiches bestimmt (oben S. 180 f.), die sich aber zerschlug, und hatte später von dem Grafen Rorich von Maine einen Sohn Ludwig, der drei Abteien erhielt und Karls des Kahlen Reichskanzler wurde. Ihre Schwester Bertha schenkte dem Geliebten Angilbert, späterem Abte von St. Riquier, sogar zwei Sprößlinge: Hartnid und den Geschichtschreiber Nithard. Die Sage ließ sich an diesen Verhältnissen nicht genügen und verwandelte sogar des Geschichtschreibers Einhard fromme Gattin Imma (Emma) in eine Tochter des Kaisers. Zu entschuldigen sind jene illegitimen Bünde durch des Herrschers Weigerung, seine schönen Töchter, die er nicht missen mochte, zu verheirathen; gemildert wird ihre Anstößigkeit durch die hohe Bildung, welche diese Mädchen erhielten und welche sie befähigte, an den Arbeiten der berühmten »Akademie« Karls teilzunehmen, und gedeckt wurden jene Verhältnisse durch den Glanz, mit dem der Monarch seine Familie besonders bei Jagden umgab, wie auch durch das im übrigen trauliche und innige Verhältniß zwischen ihm und seinen Kindern. Man sagte damals, eine Enkelin des Kaisers, Gundrade wäre das einzige tugendhafte Mädchen am Hofe gewesen. Zwar begann schon Karl, denselben von unreinen Elementen zu säubern; aber es blieben deren noch genug, um dem frommen Ludwig eine noch gründlichere Reinigung zu gestatten. –

Der letztgenannte Herrscher ist durch seine alles Maß übersteigende Schwäche und Haltlosigkeit die unschuldige Ursache der Trennung des großen, aber unbehilflichen Frankenreiches in seine natürlichen Theile: Deutschland, Frankreich und Italien geworden. Wahrscheinlich hätte sich diese Theilung eines schwer zu regierenden Kolosses auch dann vollzogen, wenn an Ludwigs Stelle ein kräftiger Kaiser regiert hätte, – aber wohl erst in späterer Zeit und vielleicht ohne die Greuel eines Krieges zwischen Vater und Söhnen und zwischen Brüdern.

Auch in Ludwigs wechselvollem Leben haben Frauen eine Rolle gespielt. Seine erste Gattin, Irmengard († 818) hatte nicht geringen Einfluß auf seine Regierung, aber wie es scheint einen günstigen. Sie hielt das königliche Hauswesen in Ordnung und gab dem Gatten manchen guten Rath, der ihn vielleicht von noch weiter getriebener Schwäche abhielt; so lange sie lebte, hatte er noch Zeiten erwachender Thatkraft, die sich namentlich in der schnellen Unterdrückung des Aufstandes seines Neffen Bernhard kundgab, dessen grausame Bestrafung jedoch mit Unrecht der Kaiserin zur Last gelegt wurde. Nicht lange nach ihrem Tode nahm der Kaiser Judith, die junge, anmuth- und geistreiche Tochter des alamannischen Grafen Welf zur Gattin. Sie wurde nicht seine Gehilfin, sondern seine Beherrscherin, und seitdem kam er nicht mehr aus einer unabsehbaren Reihe von Demüthigungen heraus, die mit seiner Kirchenbuße in Attigny, durch welche er seine Anfälle von Energie als große Sünden bereute und sich völlig unter die Vormundschaft der Geistlichkeit begab, den Höhepunkt erreichte. Die ärgsten Zerwürfnisse in der karolingischen Familie aber hatten ihren Ausgangspunkt in der Geburt des Sohnes Judiths, des späteren Karl des Kahlen. Seitdem bildete der Einfluß der Kaiserin ein Gegengewicht gegen denjenigen der Geistlichkeit am Hofe. Die Bestrebungen der schönen Frau waren auf eine glänzende Zukunft und eine möglichst ausgedehnte Herrschaft ihres Söhnchens gerichtet, und sie brachte in dem ehrgeizigen Streber Graf Bernhard von Barcelona einen ihr unbedingt ergebenen Mann an die Spitze des Hofes, mit dem sie in unlautern Verdacht zu bringen ihre Gegner natürlich nicht unterlassen haben. Aber Bernhard hatte nicht die Ausdauer, dem Bunde des Adels und Klerus, die er beide durch seine Rücksichtslosigkeit erbittert hatte, und an deren Stelle sich der durch Judiths Plane zumeist bedrohte Thronfolger Lothar stellte, die Spitze zu bieten, und floh nach Spanien; Judith mußte sich in ein Kloster zurückziehen, was Lothar als Gnade betrachtete, da sie eigentlich das Leben verwirkt hätte, wie er behauptete. Wir können diese Wirren nicht weiter verfolgen; es gilt hier nur, zu betonen, welche Elastizität Judith besaß, so daß sie bei den wechselvollen Parteigestaltungen bald wieder an den Hof zurückkehrte, dann mit Gatten und Sohn Gefangene ihrer Stiefsöhne, von jenen getrennt und nach Italien geführt wurde, wo ein muthiger Jüngling, Rodbern, sich zu ihr schlich und ihre Verbindung mit dem Kaiser herstellte, dessen Anhänger sie befreiten und zu Ludwig nach Aachen brachten. Endlich erreichte sie des Sohnes Königskrönung (838) und Ausstattung mit einem Besitze, der die Grundlage des späteren Frankreich wurde. Um diesen zu sichern, bewirkte sie Ludwigs Versöhnung mit Lothar. Bald darauf Witwe geworden, erlebte sie noch den blutigen Krieg zwischen den Söhnen und starb zu Tours im Jahre des Vertrages von Verdun, noch vor dessen Abschluß.

Unter den späteren Karolingern ist durch seine Beziehungen zum weiblichen Geschlechte Lothar II., der Sohn Lothars I., König von Lothringen (855-869) bemerkenswerth. Mit Teutberga vermählt, konnte er die Geliebte seiner Jugend, Waldrada, nicht vergessen; zu dem Ziele, die Trennung von jener zu erzwingen und diese an ihre Stelle setzen, war ihm jedes, auch das schlechteste Mittel gut genug. Durch Fälschungen suchte er die Gattin als schuldbeladen hinzustellen, mißhandelte sie und fand bei seiner servilen Geistlichkeit in dem Grade Hilfe, daß sich eine Synode in Metz bereit finden ließ, die Königin zu verurtheilen und die Buhlerin zu erhöhen, welchen Beschluß aber der strenge Papst Nikolaus I. aufhob und dessen Urheber absetzte, indem er sich dabei zum ersten Male auf die pseudoisidorischen Dekretalen berief. Damit war die seltsame Sachlage gegeben, daß die gefälschten Ansprüche des Papstthums auf der Seite der Tugend und Unschuld, die dieselben mit Recht bekämpfenden Bischöfe aber auf der Seite des Lasters und der Ungerechtigkeit standen. Der König wankte aber in seinen Entschlüssen, unterwarf sich dem Papste, und die Bischöfe folgten seinem Beispiele. Kaum war jedoch auf Nikolaus der milde Hadrian II. gefolgt, so suchte Lothar II. dem Sohne der Waldrada, dem nachher so unglücklichen Hugo, die Nachfolge zu sichern, was seine Oheime Karl und Ludwig natürlich zu verhindern strebten, und der schwache Papst wagte nicht, die Sache des Ehebruchs kurzweg zu verwerfen, sondern zog sie in die Länge und nahm den gebannten König, der keck sein Verhalten gegen die beiden Frauen leugnete, kurz vor dessen jähem Tode wieder in die Kirche auf.

Erst mit dem Aussterben dieses Hauses aber wurde das bisherige ostfränkische Reich wirklich ein deutsches. Und seitdem dieses losgelöst ist von der gallisch-römischen Verderbniß, bemerken wir eine auffallende Besserung in den Sitten und besonders im Ehe- und Familienleben der Großen (unter dem deutschen Volke scheinen diese Verhältnisse überhaupt nicht gelitten zu haben). Das sächsische Königs- und Kaiserhaus, wenn auch zeitweise von politischen Zerwürfnissen heimgesucht, steht in Hinsicht auf den häuslichen Herd durchaus rein da. Eine tiefe Pietät knüpfte den großen Otto an seine treffliche Mutter Mathilde, an seine Schwestern Gerberg und Hedwig; eine in seltener Weise innige Liebe verband ihn mit seiner ersten Gattin, der Angelsächsin Editha; ein wahres Idyll inmitten des Kriegsgetümmels war der Gewinn seiner Adelheid im wundervollen Italien, wo er die Erbin der eisernen Krone, welche in der Freiheit schöne Gastfreundschaft an der, Deutschen geübt hatte, aus dem Kerker ihrer Feinde befreite und die verhängnißvolle Krone des Wälschlandes an sein Haus heftete. Das stille, edle Wesen seiner Tochter aus erster Ehe, Liutgarde, wurde sinnig gezeichnet durch die ihr Grab in einer Kirche zu Mainz schmückende silberne Spindel. Das tiefinnige Familienverhältniß dauerte auch unter dem Sohne des großen Kaisers Otto II. fort. Ihn umgaben im Rathe der Krone auch die edlen und staatsklugen Frauen seines Hauses: seine byzantinische, aber in Italien und Deutschland rasch heimisch gewordene Gattin Theophano, seine treue Mutter Adelheid, seine gebildete und selbst Reichsangelegenheiten leitende Schwester Mathilde, die erste Aebtin von Quedlinburg. Um so mehr ist zu beklagen, daß nach dem allzu frühen Ende Ottos II., unter dessen schwärmerischem, dem deutschen Geiste völlig entfremdeten und einem unhaltbaren altrömischen Phantom nachjagenden Sohne Otto III. jener wohlthätige weibliche Einfluß in eine unheilvolle Weiberherrschaft ausartete, in welcher sich die alte Adelheid und die herrschbegierige Theophano nicht gut vertrugen. Der junge Kaiser starb zu rechter Zeit, um einer Herstellung deutscher Politik unter des großen Otto Großneffen Heinrich II. Platz zu machen. An der Seite dieses mit Unrecht als Betbruder hingestellten tüchtigen Kaisers steht würdig die ihn in allen Bestrebungen unterstützende edle Gattin Kunigunde, die Mitstifterin Bambergs. Allen Thatsachen dieser seltenen, wenn auch unfruchtbaren Ehe widerspricht das alberne Märchen von einem Gottesurtheile des glühenden Rostes, durch welches sich die Kaiserin gegen falsche Anklagen zu rechtfertigen gehabt hätte. – Eine ebenso herrliche Gestalt ist Gisela, welche, Witwe Herzogs Ernst I. von Schwaben, Kaiser Konrad II. heimführte, »eine schöne und ehrgeizige, aber geistig hochbedeutende Frau, welche auf ihn bald großen Einfluß gewann und ihn in seinem Streben nach Macht und Besitz klug und erfolgreich unterstützte.« Prutz, Staatengeschichte des Abendlandes im Mittelalter, I. S. 291. Leider suchte die damalige Engherzigkeit der Kirche diese Ehe wegen Verwandtschaft der Gatten zu untergraben, so daß Erzbischof Aribo von Mainz ihr die Krönung verweigerte, worauf Piligrim von Köln aus Eifersucht auf den Mainzer sie vollzog. Ihr Alter wurde verbittert durch den rebellischen Wandel, aber heldenhaften Untergang ihres Sohnes, des Herzogs Ernst II. von Schwaben.

Von tiefgreifender Bedeutung für die Kulturentwickelung des deutschen Reiches war die Vermählung des kräftigen Heinrich III., des Sohnes Konrads II., mit Agnes von Poitou, deren Verwandtschaft mit ihm diesmal unangefochten blieb. Damit begannen Einwirkungen Frankreichs auf Deutschland, welche in den Resten römischer Kultur, die jenes Land, wie Italien, noch besaß, ebenso heilsam für das noch vielfach uncivilisirte deutsche Volk waren, wie die zu gleicher Zeit mit eindringende Lockerung der Sitten eine ungünstige Folge jener fremden Einflüsse war. Die neue Königin und ihre wälsche Umgebung brachten Ueberfeinerung und Verweichlichung an den deutschen Hof. Zwar Widerstand der Kaiser noch ihren Schattenseiten, wie z. B. dem losen Treiben der Spielleute, die er aus seiner Umgebung wegwies, während er auf der anderen Seite dem Eindringen übertriebener Askese und mönchischer Werkheiligkeit aus den französischen Klöstern in die deutschen Thür und Thor öffnete. Alle diese Bestrebungen aber erhielten ein heilsames Gegengewicht an den damals, nicht von oben, sondern aus dem Volke hervorgehenden Streben einer allmählichen Verdrängung der lateinischen Sprache im Schriftwesen durch die deutsche.

Blieb nun auch der Einfluß französischer Sittenlockerheit aus Heinrich III. und seine Gattin durch die strenge Kirchlichkeit beider ausgeschlossen, so machte er sich um so mehr bei ihrem allzu früh der elterlichen Zucht beraubten Sohne Heinrich IV. geltend. Agnes, eine zarte, hochgebildete und gutwillige Frau, war dem herrschsüchtigen Fürstenthum, das sich, bei dem Mangel eines Königs im Mannesalter, schrankenlos entwickelte, nicht gewachsen, und die Bischöfe waren keine Freunde der von ihr begünstigten Klosterreformen.

Rudolf von Rheinfelden, der spätere Gegenkönig ihres Sohnes, entführte ihre gleichnamige Tochter aus dem Kloster und trotzte ihr die Heirath mit derselben und das Herzogthum Schwaben ab. Aber ihr Jammer war noch größer, als Erzbischof Anno von Köln und seine Mitverschworenen ihr (1062) den Sohn raubten, der gewiß infolgedessen auf der sittlichen Stufenleiter immer tiefer sank. Seitdem zurückgezogen in Rom lebend und ohne Erfolg für eine Vermittelung zwischen dem Sohne und dem gewaltigen Gregor thätig, mußte sie noch die trüben Tage von Canossa erleben. Die Vermählung Heinrichs IV. mit Bertha von Susa schien lange kein glücklicher Schritt; er strebte sich dieser Fessel zu entledigen, lernte sie aber schätzen und lieben, als sie im Unglücke treu zu ihm hielt und mit ihm die beschwerliche Bußfahrt über die Alpen durchmachte, verlor sie aber allzu früh. Andere Frauen haben in feindseliger Stellung gegen ihn nur schlimmes bewirkt. Dies gilt namentlich von der toscanischen Markgräfin Mathilde. Diese energische und weitblickende Frau, »die geistige Tochter Hildebrands«, hat zur Machtausdehnung des Papstthums mehr beigetragen als Legionen von Männern, war aber ebensosehr, wie von der Liebe zur Kirche, vom Hasse gegen die deutsche Nation beherrscht. Unter Heinrich III. mit ihrer reichsfeindlichen Mutter Beatrix als (freilich sehr mild gehaltene) Staatsgefangene nach Deutschland geführt, widmete sie unter Heinrich IV. ihr Leben dem Kampfe gegen dieses Reich, nahm theil am Triumphe Gregors in ihrem Schlosse Canossa und schützte ihn so weit möglich gegen die erbitterten Deutschen. War sie aber bis zu Gregors Tod von ihrem Standpunkte aus von hohen Idealen geleitet, so machen diese nach jenem Ereignisse der gemeinsten Rachsucht Platz. Sie und ihre geistlichen Rathgeber reizten 1093 den jungen König Konrad zum Abfalle von seinem unglücklichen Vater und waren eifrig besorgt, das rebellische Heer des pflichtvergessenen Sohnes zu vergrößern. Noch schlimmer aber wurde des Kaisers Lage, als seine zweite Gattin, Adelheid oder Praxedis, eine geborene Russin, der Treue Berthas durch ihren Verrath das häßlichste Widerspiel folgen ließ. Sie stand in doppelt anstößiger Verbindung mit Konrad und trat in geheime Beziehungen zu Mathilde und dem in sehr reifem Alter von dieser gefreiten jungen Herzoge Welf, und die saubere Gesellschaft braute ein solches Lügengewebe gegen den unseligen Kaiser, daß es den modernsten Skandalen die Spitze bieten konnte und sein Leben für immer brach. Nun ist es aber merkwürdig, daß Mathilde, nachdem sie des Todfeindes ledig war, in dem Kampfe mit Heinrich V., der seinen erst befehdeten Vater empfindlich rächte, die Kirche im Stiche ließ und sich neutral verhielt. Sie starb 1115 im Alter von 69 Jahren und vermachte ihr Land der Kirche, die ein Jahrhundert lang um dasselbe kämpfte, aber nur den kleineren Theil davon erhalten konnte.

Der Rückgang der Opposition des Kaiserthums gegen die römischen Weltherrschaftsplane unter Lothar II. ist zu nicht geringem Teile seiner Ehe mit Richenza, der Enkelin Ottos von Nordheim, des Hauptfeindes Heinrichs IV., zuzuschreiben, die ihn an die Spitze des fürstlichen Partikularismus gegen Heinrich V. stellte. Indessen nahm Richenza eine vermittelnde Stellung ein und versöhnte den greisen Kaiser mit seinen bisherigen Gegnern, den Staufern, deren spätere Politik nur die Fortsetzung der von Lothar nothgedrungen gegen Rom gemachten Frontveränderung war. Als Witwe trat Richenza indessen an die Spitze des sächsischen Adels gegen König Konrad III., der ihrem Schwiegersohne Heinrich den Stolzen, seinem Hauptgegner, Sachsen genommen hatte und auch noch Baiern nahm. Nach seinem frühen Tode setzten Richenza und ihre Tochter Gertrud für deren Sohn, den späteren Heinrich den Löwen, den bereits erfolgreichen Kampf fort und behaupteten die Herzogthümer, die ihnen der König schließlich lassen mußte, – trotz seinem Siege bei Weinsberg (1140), welchen die stets zu Ausschmückungen bereite Dichterin Saga durch die schöne aber unwahre Erzählung von den Weibern, die ihre Männer, als ihr Kostbarstes, aus den Thoren getragen haben sollten, um ihr Leben zu retten, zu verherrlichen gesucht hat. Bornheim, Lehrbuch der historischen Methode S. 222 ff.

Bald nach dem herrlichen Feste, welches der unvergeßlichste Kaiser des alten deutschen Reiches, Friedrich I. Barbarossa (1184) in der Rheinebene bei Mainz mit ungewohntem Glanze einem zu vielen Tausenden herbeigeeilten Volke gegeben, vermählte er seinen damals zum Ritter geschlagenen ältesten Sohn Heinrich mit Konstanze, der Erbin Siciliens. Es war ein verhängnisvolles Geschenk für das staufische Haus, ein Geschenk, welches dasselbe auf die Dauer von dem armen zerrissenen Deutschland abwandte und diesem die starke, ordnende Hand des Kaisers entzog. Zwei Jahre später wurde die Hochzeit des jungen Paares in dem nach seiner Zerstörung wieder versöhnten Mailand gefeiert, Konstanze zur deutschen Königin, Heinrich VI. zum italienischen Könige gekrönt. Sicilien verhielt sich aber ablehnend gegen die deutsche Herrschaft und sollte erobert werden. Der Kriegszug mißlang und Konstanze fiel in die Gefangenschaft ihrer Landsleute. Seitdem spielte sie eine doppelzüngige Rolle; sie ließ sich zwar mit ihrem endlich siegreichen Gatten (1194) in Palermo krönen, spann aber, als Regentin zurückgelassen, mit der nationalen Partei Ränke gegen den Kaiser, der dieselben aus Großmuth und Klugheit ignorirte und die treulose Frau von dem furchtbaren Strafgerichte gegen die Rebellen ausnahm. Allzufrüh Witwe geworden, ließ sie ihren jungen Sohn, der ganz Sicilianer war und niemals ein Deutscher wurde, Friedrich II., krönen und starb noch in demselben Jahre mit der Genugthuung, ihr Erbland der Fremdherrschaft entzogen zu wissen.

Doch der Raum dieses Buches würde nicht ausreichen, wollten wir alle Frauen des Mittelalters, welchen irgend eine Bedeutung in der Geschichte der Staaten zukam, mit Namen aufführen. Eine große, vielleicht auch die größte Menge von ihnen übte auch eigentlich keinen Einfluß auf die Geschichte der Völker, sondern mehr auf das Schicksal ihrer Gatten, Söhne oder Familien aus, oder stellte irgend einen Typus weiblichen Wirkens im guten, schlimmen oder gemischten Sinne dar. Solche Typen von spezieller Bedeutung für besondere kulturgeschichtliche Momente auf die Besprechung der letzteren verschiebend, nennen wir hier nur noch einige hervorstechende Beispiele von Frauen, die in der politischen Geschichte eine nicht unwesentliche Rolle spielten. Wir erinnern mit wenig Worten an die römischen Machthaberinnen Theodora und ihre Tochter Marozia im 10. Jahrhundert, welche Päpste (ihre Geliebten und Söhne) nach Belieben auf den heiligen Stuhl setzten, – an die beiden sittenlosen Johannen, I. und II., Königinnen von Neapel aus dem blutigen Stamme Karls von Anjon, im 14. und 15. Jahrhundert, – an die kräftige Margarethe, welche 1389 alle drei nordischen Reiche in ihrer Hand vereinigte, – an Eleonore von Poitou, erst die Gattin Ludwigs VII. von Frankreich und von diesem wegen Leichtfertigkeit geschieden, Heinrichs II. von England, dem sie einen großen Theil Frankreichs zubrachte, woraus die langwierigen Kriege zwischen beiden Mächten entsprangen, – an Isabeau von Baiern, die aus Haß gegen ihren Sohn Karl VII. Frankreich an die Engländer verrieth, – an die beiden schönen Gegnerinnen im englischen Rosenkriege: Margarethe, die Gattin Heinrichs VI., und Elisabeth, die Mutter der unglücklichen Söhne Eduards IV., – an die drei königlichen Geliebten auf der iberischen Halbinsel, Eleonore de Guzman, der zulieb Alfons XI. von Kastilien die Königin zurücksetzte, Maria de Padilla, die mit ihrer Familie am Hofe seines Sohnes, Pedros des Grausamen herrschte, der seine Stiefmutter, die genannte Eleonore, und seine eigene Gattin tödten ließ, und Inez de Castro, die Hofdame der Gattin Pedros I. von Portugal, nach deren frühem Tode sie im Herzen und am Hofe des Königs regierte, bis der harte Schwiegervater Alfons IV. sie (1355) ermorden ließ. – Groß ist die Zahl der einflußreichen Frauen auch am polnischen Hofe und in den ephemeren Staaten, welche aus den Kreuzzügen hervorgingen; wir müssen auf ihre Nennung verzichten.

2. Das Leben und Wirken der Frauen im Hause.

Was bereits (S. 222 f.) in einigen allgemeinen Zügen angedeutet ist, muß hier noch weiter ausgeführt werden. Es ist der geschichtlichen Wahrheit kein Genüge damit gethan, daß man das Mittelalter als die Zeit des Minnedienstes, die Zeit überschwänglicher Verehrung der Frauen preist. Diese Richtung der Gefühle und Anschauungen, wahrscheinlich eine Verbindung der altgermanischen und altkeltischen Hochhaltung des Weibes mit der religiösen Verehrung der Gottesmutter Maria, war auf gewisse Stände und auch in diesen auf gewisse Kreise, ferner auf eine gewisse Zeit (das 12. u. 13. Jahrhundert) und endlich auch auf ein gewisses geographisches Gebiet, dessen Haupttheile Frankreich und Südwest-Deutschland waren, beschränkt. Was wir aus mittelalterlichen, meist poetischen Werken über die Stellung der Frauen im Abendlande wissen, bezieht sich größtenteils auf die adeligen Kreise der genannten Zeit und auf das angedeutete Gebiet.

Schon ehe diese Zeit anbrach, hat die abendländische Frau eine gewaltige Wandlung durchgemacht, und zwar gilt dies vor allem von der deutschen Frau. Denn die nordgermanischen Frauen machten jene Entwickelung nicht mit, und die Frauen jener Theile Europas, die einst des römischen Reiches Provinzen gewesen, bedurften ihrer nicht, weil die Vorbedingungen zu dem Typus, den die Frau in der Periode des Ritterthums und des Minnedienstes gewann, bereits in römischer Zeit vorhanden waren. Diese Vorbedingungen bestehen in einer den Gegensatz zum Manne scharf ausdrückenden Weichlichkeit der körperlichen und einer den Mann überragenden Feinfühligkeit der seelischen Elemente. Diese persönliche Stimmung und Charakterrichtung entwickelte sich mit der Zeit weiter und sprach sich entschiedener aus. In den von Germanen eroberten Teilen des ehemaligen römischen Westreiches unterlagen dieser Entwickelung auch die Frauen der Eroberer. Geschah dies auch sehr langsam, so ist doch ein gewaltiger Schritt von dem verbrecherisch-dämonischen Charakter einer Fredegunde und dem männlich-energischen einer Brunhilde bis zu den Gestalten der sanften Hildegard und der fein berechnenden Judith, – ein gewaltigerer, als von diesen bis zu den geistig hoch entwickelten Erscheinungen der Kaiserinnen Kunigunde und Gisela.

Die altgermanischen Frauen und noch die der zunächst aus der Völkerwanderung hervorgegangenen Reiche waren – und die der nordischen Reiche blieben bis in weit spätere Zeit – rauh und stark, oft bis zur Härte und Gefühllosigkeit. Verirrte sich aber ihre naturwüchsige Kraft nicht in dieses schlimme Extrem, so lebte in ihnen jenes tiefe Gefühl, das um so tiefer war, als es sich nicht in Empfindsamkeit äußerte, in der Art, wie es schon die in der Edda zusammengestellte altnordische Götterlehre in den Asinnen feierte. In Deutschland, welches ja in seinem Südwesten (bis zum Rhein und zum Pfahlgraben) einst römische Provinz gewesen, fand die römische Verweichlichung des Körpers und Verfeinerung des Geistes der Frauen leichter Eingang als im Norden, und zwar um so mehr, als sein Westen mit dem einst ganz römischen Frankenreiche, in welchem, wie gesagt, die deutschen Eroberer dem römisch-gallischen (romanischen) Geiste unterlagen, unter derselben politischen Herrschaft stand. Die Trennung Deutschlands vom Frankenreiche änderte hieran nichts; denn nicht nur aus Frankreich, sondern auch aus Italien, als dies das Ziel deutscher Weltherrschaftsplane wurde, drangen fortwährend romanische Elemente in das Land, – aus Frankreich die feinere Sitte, aus Italien die geistige Bildung. Siegreich wurde diese Einwirkung, wie bereits (oben S. 230 f.) angedeutet, durch den Einzug der Kaiserin Agnes von Poitou. Ihre eigene streng kirchliche Stimmung war dabei nicht das entscheidende Moment; es war diese Stimmung schon vorher, namentlich im höheren Alter Ottos des Großen und noch mehr unter seinem asketischen Enkel eine tiefgreifende, und der Agnes Gemahl, Heinrich III., huldigte ihr sehr stark. Ueberwogen wurde sie bei weitem durch die aus der Provence und Aquitanien in der Umgebung der Kaiserin hereingebrachten Wurzeln der späteren Gaya scienza der Troubadours, deren von religiösen Skrupeln nicht beeinträchtigtes frohes Liebeleben und Liebedichten ein Resultat des herrlichen Klimas und der bewegten Geschichte ihrer schönen Heimat war.

Diese Einwirkungen verstärkten sich namentlich im Verlaufe der Kreuzzüge, in welchen die Deutschen mit den Romanen gemeinsam kämpften, litten und untergingen, wenn sie schon von ihnen aus schwarzem Undank bei jenen Unternehmungen systematisch zurückgesetzt wurden.

Wie sehr die in Deutschland eindringende romanische Verweichlichung und Verfeinerung mit der Zeit das Denken und Fühlen der Deutschen und namentlich ihre Auffassung vom »Ewig-Weiblichen« beeinflußte, zeigt schon der Abstand zwischen den auf Grundlage älterer rein germanischer Dichtungen im 12. und zu Anfang des 13. Jahrhunderts neu bearbeiteten und den nach französischen Mustern in derselben Periode, aber etwas später neu geschaffenen Heldengedichten. Welche ungeheure Entwickelung liegt zwischen den rein germanischen, wenn schon durch die höfische Dichtung beeinflußten Gestalten einer Brunhild und Chriemhild und einer Gudrun und den gänzlich der höfischen Richtung angehörenden einer Sigune, Condwiramurs und Isolde!

Die allmähliche Entwickelung, welche diesen gewaltigen Schritt vom Echtnatürlichen und Derbkräftigen zum Weichen und Zarten im weiblichen Wesen that, ist auf zwei Faktoren zurückzuführen, auf die höfische Erziehung und auf die Gestaltung des Gefühls der Minne. Näheres darüber s. bei A. Schultz, das höfische Leben zur Zeit der Minnesinger, Leipzig, 2. Aufl. 1889, I. Band, und K. Weinhold, die deutschen Frauen in dem Mittelalter, Wien 1882, Band I und II.

Die Erziehung der Mädchen niederer Stände, ja sogar des Bürgerthums der aufkeimenden Städte im Mittelalter ist ein unbeschriebenes Blatt der Kulturgeschichte des Weibes. Die Töchter des Adels hingegen erhielten, etwa seit dem Beginne des Zeitalters der Karolinger, eine sorgfältige Geistesbildung. Bis zum Eintritte der sogenannten Ritterzeit, zu Anfang des 12. Jahrhunderts, wurde dieselbe in Nonnenklöstern, nachher aber von Hofmeisterinnen ertheilt, was an königlichen Höfen jedoch schon früher geschah. Im früheren Mittelalter bis zur Zeit des Aufblühens der humanistischen Richtung lernten die Töchter weit öfter lesen und schreiben als die dem weltlichen Stande bestimmten Söhne, für welche das Waffenhandwerk als das wichtigste galt und welche sogar als Dichter des Führens der Feder unkundig waren. Es erinnert dies an die Beschwerden der Gothen über die Erziehung Athalarichs (oben S. 194). Die Töchter Karls des Großen (S. 225) waren wohl die ersten höher gebildeten Frauen im Norden der Alpen. Freilich dürfen wir uns diese Bildung nicht allzuhoch vorstellen; denn begreiflicherweise blieb sie im Zauberkreise der kirchlichen Lehren stehen. Der Psalter bildete Jahrhunderte hindurch das Lese-, Lern- und Gebetbuch der Frauen, und schon unter Karl dem Großen (789) wurde den Nonnen verboten, weltliche Lieder ( winileodes) aufzuzeichnen und einander zuzusenden. Im 12. Jahrhundert beginnt die Schreibekunst unter geistlichen und weltlichen Frauen bedeutend zuzunehmen, um gegen Ende des 13. und im 14. sich wieder zu vermindern.

Im zehnten Jahrhunderte lernten nicht nur Nonnen, sondern oft auch weltliche Frauen lateinisch. Die gefeierte Schwabenherzogin Hadewig, eine Nichte Ottos des Großen, lernte griechisch, als sie einen der byzantinischen Konstantine heirathen sollte, was sich jedoch zerschlug; aber dies weckte ihren Lerneifer so sehr, daß sie sich von dem St. Galler Mönche Ekkehard II., dem Neffen des Walthersängers, auf ihrer Burg Hohentwiel in der Sprache Roms unterrichten ließ und mit ihm den Horaz und Vergil las; doch war der Unterricht, den sie ihres Lehrers Neffen, dem späteren Abte Burkhard, im Griechischen (bereits mit neugriechischer Aussprache) ertheilte, wohl nicht andauernd und gründlich. Gerbirg, Hadewigs Schwester, war Aebtin zu Gandersheim (957 bis 1001), und so gelehrt im damaligen Sinne, daß sie eine Schülerin heranziehen konnte, die eine ganz eigenartige Erscheinung in der Geschichte der Frauen darbietet. Hrotsuit, gewöhnlich Roswitha genannt, Nonne in Gandersheim, überlebte wahrscheinlich das dreißigste Altersjahr nicht, hat aber so viele Zeugnisse ihrer hohen Bildung hinterlassen, daß sie Staunen erregen mußte und sogar den (unbegründeten) Verdacht der Fälschung ihrer Werke in späterer Zeit erwecken konnte. Sie schrieb sechs Komödien, deren Helden Märtyrer beider Geschlechter sind und durch welche sie den (also doch in Klöstern gelesenen) schlüpfrigen Terentius zu verdrängen gedachte, in lateinischer Prosa und die Thaten ihres großen Kaisers, sowie Legenden in leoninischen (in der Mitte und am Ende gereimten) Hexametern. Sie haben alle einen hohen, sittlich-religiösen Zweck, sind aber nicht ganz frei von Derbheiten, wie jene Zeit sie liebte.

Zweihundert Jahre nach ihr lebte wieder eine hervorragend gelehrte Nonne, Herrad von Landsperg, 1167 bis 1195 Aebtin des Odilienklosters im Elsaß. Ihr Werk, der Hortus deliciarum (Lustgarten) stellte lateinische, meist prosaische Auszüge über biblische Geschichte, Theologie und alle übrigen ihrer Zeit bekannten Wissenschaften zusammen, begleitete dies mit Gedichten und schmückte es mit originellen Bildern. Leider ging dieses kostbare Werk 1870 bei der Beschießung Straßburgs zu Grunde, ist aber durch Heliographie vervielfältigt.

Von einer frommen Frau, der niederösterreichischen Klausnerin Awa († 1127) stammen die ersten in deutscher Sprache geschriebenen Verse. Sie sind natürlich religiösen Inhalts und handeln von den Gaben des heiligen Geistes, vom Antichrist und vom jüngsten Tage. Awa war Mutter zweier Söhne, die ihr die Gedanken zu ihren Schriften gaben, welche den Geist der Mütterlichkeit mit dem der Andacht vereinigen. Sie blieb nicht ohne Nachfolgerinnen, die aber ohne Bedeutung sind, und im Zeitalter der mittelhochdeutschen Dichterblüthe finden wir die Frauen gar nicht mehr als Dichterinnen, sondern nur noch als Preisgegenstände und Heldinnen der Dichter; an dem allein herrschenden Minnedienste konnten sie ja nicht theilnehmen.

Ohnehin an dieser Geistesrichtung nicht betheiligt waren die Nonnen, und diese wandten sich mehr und mehr von weltlichen Gegenständen ab und dem Reiche des Jenseits zu. Ihre Vorläuferinnen in dieser Beziehung waren die seit dem 10. Jahrhundert häufig vorkommenden Einsiedlerinnen, deren Klausen übrigens oft nicht in der Einsamkeit des Waldes oder Gebirges, sondern mitten in Städten bei den Kirchen standen. In einer Einöde am Harz lebte die fromme Sisu 64 Jahre lang und ging so weit, das von ihr abfallende Ungeziefer selbst wieder anzusetzen. In St. Gallen lebten Wiborada, die von den eindringenden Magyaren erschlagen wurde, und Wendilgarde, Gräfin vom Linzgau, deren Gatte von jenen wilden Horden als Gefangener weggeführt worden, aber unverhofft wieder erschien, worauf sie ihr Gelübde kirchlich auflösen und sich aufs neue mit dem Grafen vermählen mußte, ihr Kind aber dem Kloster weihte, wo es später Abt wurde. Die Klausen beider Frauen standen beisammen, und die Gräfin, der Vorliebe für bessere Speisen nicht entwöhnt, mußte sich darob von der asketischen Genossin herbe Vorwürfe gefallen lassen.

In späterer Zeit trat mehr die Mystik an die Stelle der Askese. Die ihr ergebenen Frauen, besonders Nonnen, vertieften sich in das innere Seelenleben und glaubten in Visionen und Träumen Himmel und Hölle zu sehen. Von Päpsten, Kaisern und Königen geehrt war als Seherin die Aebtin Hildegard auf dem Ruprechtsberge bei Bingen († 1179), die übrigens auch in weltlicher Wissenschaft bewandert war und sogar über Naturwissenschaft schrieb, aber daneben mit Christus selbst zu verkehren glaubte. Die Nonne Elisabeth im Kloster Schönau bei Oberwesel hatte in ihren Gesichten Umgang mit den Heiligen. Noch mehr häuften sich die seherischen Frauen im 13. Jahrhundert, dessen vermehrter religiöser Eifer sich in den Bettelorden und der Inquisition äußerte; unter ihnen befanden sich sogar Dorfmägde und andere Personen niederen Standes. Die Nonne Mechthild aus Magdeburg (sogar dem Sänger des Jenseits, Dante, als Matelda bekannt, wie man wenigstens glaubt), veröffentlichte ihre Offenbarungen in niederdeutscher Zunge. Ihr eiferten die Aebtin Gertrud von Hakeborn und die Nonne Gertrud von Helfta nach, indem sie ihr inneres Schauen in einer Art von Tagebüchern verzeichneten. Im 14. Jahrhundert waren die mystischen Nonnen dieser Art, besonders unter der Leitung der mystischen Volksprediger Heinrich Suso und Johannes Tauler zahlreich. Jene Mystik stand aber der sog. Ketzerei nicht fern, und die Beginen huldigten beiden Richtungen ebenso, wie sie sich durch wohlthätiges Wirken für Arme und Kranke auszeichneten. Dies letztere gilt auch von der heiligen Elisabeth, der ungarischen Königstochter und Landgräfin von Thüringen, die als junge Witwe sich unter der Leitung des fanatischen Ketzerrichters Konrad von Marburg der extremsten Kasteiung ergab, sich geiseln ließ und die nothwendigsten Maßregeln der Reinlichkeit vermied, so daß sie schon mit 24 Jahren ein Opfer mißleiteter Frömmigkeit wurde.

Nach dieser Abschweifung von den gelehrten zu den asketischen Frauen kehren wir zur höfischen Erziehung der Mädchen zurück. Nach der Erwerbung von Kenntnissen, ja eigentlich meist sogar noch derselben vorgängig, war die Anstandslehre das wichtigste Moment der Ausbildung einer Dame (welcher Titel, aus Domina französirt, in den höheren Kreisen das gleichbedeutende »Frau« verdrängte). Dieselbe, damals (nicht immer zutreffend) »Moralität« genannt, war ungemein weitläufig und zeigt den schärfsten Kontrast gegen die Zwanglosigkeit im Auftreten der germanischen Frauen früherer Zeit. Die Haltung des Körpers, das Tragen der Kleider, das Benehmen gegenüber Männern war genau in Regeln gebracht. Als Vorbild galt durchaus die französische Sitte, und diejenigen Deutschen, die von ihr noch nicht durchdrungen waren, galten nicht nur den Nachbaren, sondern sich selbst als roh, ungebildet und bäuerisch (»dörpisch«, im Gegensatze zu »höfisch«). Ja man gab dieser Zwangsjacke ein eigenes deutsches Wort: masse (Maßhaltung). Die Frauen durften einen Mann nicht lange und scharf ansehen, ihn nicht zuerst anreden oder grüßen, nicht mit offenem Munde lachen, nicht laut sprechen u. s. w. Die Bilder jener Zeit zeigen übereinstimmend die damals vorgeschriebene, für unsere Begriffe unschöne Haltung, welche darin bestand, daß die Brust zurückgezogen, der Unterleib aber vorgestreckt wurde. Damals auch entstand die noch heute geltende Sitte, daß die Frauen zu Pferde beide Füße auf der nämlichen Seite herabhängen ließen.

Anmuthender als jene Anstandslehre ist es, daß den »Damen« Wohlthätigkeit und Gastfreundschaft zur Pflicht gemacht wurde. Geschenke an Gäste und Untergebene, sowie an fahrende Leute (Gaukler, Tänzer, Spielleute u. s. w.) waren feste Regel und ungemein häufig. Dazu paßt auch, daß man von den Frauen Kenntniß und Uebung in der Heilkunde verlangte, so daß sie in einer Zeit, die arm an Aerzten war, namentlich auf den entlegenen Burgen, Kranken und Verwundeten treffliche Dienste leisten konnten, natürlich in den Schranken ihrer geringen Kenntniß der Naturkräfte.

Nächstdem gehörte zur höfischen Erziehung die Fertigkeit in Handarbeiten. Vor der höfischen Zeit lernten und übten auch die hochstehenden Damen, selbst Königstöchter (so namentlich jene Karls des Gr.) regelmäßig das Kochen, Spinnen, Weben, Nähen u. s. w. In der höfischen Zeit überließen sie diese Arbeiten, soweit sie nicht in Klöster zurückgezogen oder aus Frömmigkeit dieselben übten, den Dienstboten, und beschränkten sich auf Ueberwachung derselben, sowie auf Zuschneiden der Gewänder und auf feine Stickereien, die eine besonders wichtige Rolle in der Ritterzeit spielten und mit Vorliebe die Heldenthaten, Feste u. s. w. der Gedichte darstellten. Die Dienstboten waren meist Hörige und Unfreie; andere erhielten einen Lohn, meist an Kleidungsstücken, und bei ungehorsamem Verhalten – Schläge.

In der höfischen Zeit gab es auch Ammen, die vorher, als die Frauen noch kräftiger waren und ihre Kinder selbst nährten, nicht vorgekommen waren. Ein Bild aber ist wohl die französische Ueberlieferung, daß dieser Dienst bei einer Königin von einer Herzogin, bei dieser von einer Gräfin u. s. w. versehen worden sei; es sollte damit nur die Klage illustrirt werden, daß das adelige Blut durch Ammen niederer Herkunft Schaden leide.

Neben der Beschäftigung der Damen nahmen ihre Unterhaltungen und Erholungen einen weiten Raum in Anspruch. Dazu gehörte besonders die Musik. Die Gedichte jener Zeit wurden nicht gelesen, sondern von den Dichtern, die zugleich Sänger waren, zum Preise der Frauen und in ihrer Gegenwart, theils recitirt, theils mit Instrumentalbegleitung gesungen (Sagen und Singen). Auch Mädchen und Frauen lernten gern singen, sowie die Harfe, die Laute u. s. w. spielen, während die Männer die Fiedel und Geige vorzogen. Auch unter den Spielleuten niederen Standes war das weibliche Geschlecht durch die »Spielweiber« vertreten. Den Spielleuten wurde in der Regel nur die Instrumentalmusik überlassen, wozu in der höfischen Zeit noch Schnurren und Scherzlieder kamen; die ernste Dichtung blieb ein Vorrecht der freien und adeligen Sänger, nach deren Aussterben sie in vertrocknetem Gewände auf die Meistersänger der Stadtzünfte überging.

Der Musik ist der Tanz zunächst verwandt. Er war in den höheren Ständen mehr ein Wandeln Hand in Hand bei musikalischer Begleitung, nicht ein Walzen und Hüpfen, das den Bauern überlassen wurde. Nach der höfischen Zeit fanden auch unter dem Bürgerthum die wilden und oft wenig anständigen »Reien« Eingang; sie waren außer der Musik durch Gesang der Tanzenden begleitet, der meist aus Liebesliedern bestand, und endeten nicht selten mit heftigen Streitigkeiten um die Gunst der Schönen, ja sogar auf dem Lande oft mit Todtschlag.

Spiele gab es die Menge, von den Puppen (Tocken) der kleinen Mädchen bis zu den geselligen Unterhaltungen der Erwachsenen. Sogar die Würfel wurden von Damen nicht verschmäht; passender war für sie das Brettspiel, dem aber das Schach (Schachzabel, d. h. -tafel) den Rang ablief. Das Kartenspiel fand seit dem Ende des 14. Jahrhunderts im Abendland Eingang. In der höfischen Gesellschaft war das Ballspiel eine sehr beliebte, hübsche und gesunde Erholung, besonders der Damen, im Freien. Ueberhaupt bewegte man sich gerne in den Baumgärten der Burgen und in der Zeit der Blüthe des Stadtlebens in denjenigen vor den Thoren. Kühnere Damen aber widmeten sich gern dem lebhafteren und abwechselungsreichen Waidwerk in Gesellschaft der Männer, hielten auch gern die äußerst beliebten, ja fast angebeteten Jagdfalken nicht nur auf der Faust, sondern auch im Zimmer, wo sie sich außerdem mit der Haltung verschiedener Thiere, besonders Vögel, belustigten. Nicht wenige Damen auch wetteiferten soviel wie möglich mit ihren Verehrern und Gatten in der dem germanischen Stamme eigenen und im Mittelalter, sowie einige Zeit darnach viel weiter als heute getriebenen Trinklust, wozu sie schon durch die ihnen obliegende Sitte des Kredenzens Anlaß fanden.

Der Gesundheit zuträglicher als das Trinken ist das Baden, und es wurde im Mittelalter, besonders in der höfischen Zeit, mit Ausnahme der Asketen und Asketinnen, nicht vernachlässigt. Die römischen Bäder fanden in den an das aufgelöste Reich grenzenden Ländern schon früh, wenn auch in einfacherer Ausstattung, Nachahmung. Klöster, Burgen und Städte hatten alle ihre Bäder und Badeanstalten, welche infolge der Kreuzzüge noch zunahmen. Auf den Burgen wurde Ankömmlingen und Gästen regelmäßig ein Bad bereitet und sie wurden darin auf naive Weise von den Jungfrauen der Familie bedient. Zweisitzige Badewannen für Mann und Frau waren sehr häufig. Noch weiter ging man hierin in den Badeanstalten der Städte, in welchen Männer und Frauen ohne alle Scheu gemeinsam badeten, ebenso in den Heilbädern bis zum Ende des Mittelalters.

Vor der höfischen Zeit speisten in Deutschland Männer und Frauen getrennt; wie in allem Uebrigen fand aber auch hierin die französische Sitte Eingang, welche ein paarweises Zusammensitzen beider verlangte, wobei oft das Loos bestimmte, welche Damen von den einzelnen Herren zu Tische zu führen waren; die Paare tranken jedes aus einem gemeinsamen Becher oder Horn. Nicht selten wurden die Herren von Mädchen und die Damen von Pagen bedient.

3. Die Verhältnisse der Liebe und Ehe.

Daß Frauen allein reisten, kam vor der höfischen Zeit öfter vor; in derselben aber sank die Reinheit der Sitten so sehr, daß es nicht mehr rathsam, weil nicht ungefährlich, und daher nicht gern gesehen wurde. Denn die Verweichlichung und Verfeinerung, die sich aus dem ehemals römischen, nun romanischen, nach dem germanischen Europa verbreitete, war auch von einer bedenklichen Leichtfertigkeit und einer argen Mißachtung der Keuschheit begleitet. Diese Entwickelung des Gegentheils von Tugend wurde namentlich dadurch unterstützt, daß die Geistlichen und besonders die Klöster, die der Nonnen nicht ausgenommen, wie geistliche Zeitgenossen selbst berichten, den Weltlichen das schlimmste Beispiel gaben und so Jahrhunderte lang die Nothwendigkeit der Reformation vorbereiteten. Das ganze höfische Leben war von Frivolität, und daher auch, im Angesichte der zimperlichen Anstandsregeln, von Heuchelei durchsetzt. Man wird uns gern erlassen, auf dieses unerquickliche Thema näher einzugehen und auch die Frauenhäuser zu berücksichtigen, welche das Stadtleben namentlich im 14. und 15. Jahrhundert nahezu beherrschten und von weltlichen und geistlichen Machthabern als eine reiche Einnahmequelle geschätzt und eigentlich verhätschelt, ja sogar Königen gegenüber als Bestandtheil der Gastfreundschaft verwendet wurden.

Im Minnedienste nun begegneten sich die beiden Extreme der reinen schwärmerischen Liebe und der abstoßendsten Sittenlosigkeit oft in unvereinbarer Gegnerschaft, oft in seltsamer Vermischung. Gottfried von Straßburg wagte es, in »Tristan und Isolde« den Ehebruch zu idealisiren, und selbst der fromme Wolfram von Eschenbach unterließ nicht gelegentliche Lüsternheiten in seinem »Parzifal«, während in den Nibelungen die rührende Liebe Sigfrieds und Kriemhilds sich mit der häßlichen Scene von Brunhilds Vergewaltigung so schlecht wie möglich verträgt. Walther von der Vogelweide, der die deutsche Zucht und die deutschen Frauen so hoch feierte, schilderte in seinem Gedicht »Under der Linden« u. s. w. bei allem Reiz der Sprache eine keineswegs züchtige Scene. In den Gedichten jener Zeit thut es der Sympathie mit den Liebenden keinen Eintrag, wenn diese anderweitig verheirathet sind, ja die Aufopferung und der Muth der Liebenden wird um so höher gepriesen, je größer die ihrem Bunde entgegenstehenden Schwierigkeiten sind. Nur müssen die Liebenden ebenbürtig sein; es darf beileibe nicht der eine Theil einem niedrigern Stand als der andere, oder gar dem der Unfreien angehören! Die Kreuzzüge wirkten in dieser Hinsicht noch verderblicher durch das Beispiel der orientalischen Polygamie. Es wird von mancher Bigamie erzählt, und Kaiser Friedrichs II. Harem in Sicilien blieb nicht ohne Nachahmung bei wohlhabenden Rittern.

Es ist daher nicht zu verwundern, daß das Wort »Minne«, welches ursprünglich eine rein geistige Bedeutung hatte, mit der Zeit einen übeln Beigeschmack erhielt und in Bezug auf die reine Zuneigung durch »Liebe« ersetzt wurde. Weinhold, die deutschen Frauen in dem Mittelalter I. S. 223 ff. Dieses durchaus nicht seltene Gefühl verehrte die Geliebte wie eine Göttin; ihr Name wurde in Baumrinden geschnitten, ihre Fußspuren wurden geküßt; sie erhielt Namen wie: rothe Rose, weiße Lilie, Sommerwonne, Glückesborn, Maienthau, Osterblume, glänzender Morgenstern u. s. w. in zahlloser Menge. An Geschenken von beiden Seiten fehlte es nicht; ja arme Ritter lebten oft von der Freigebigkeit ihrer Angebeteten, deren Geschenke, wenn es Sachen waren, die sie getragen, mit in den Kampf oder in das Turnier wanderten und im Triumphe blutig und zerfetzt zurück kamen, wie auch der Sieger seine besiegten Feinde der Dame seines Herzens zur Verfügung über ihr Schicksal zusandte. Aber dieser rührende Ernst in der Liebe blieb nicht ohne ihn begleitende Thorheiten. Närrische Ritter, wie Ulrich von Lichtenstein, trieben den tollsten Schabernack, und auf der andern Seite verlangten übermüthige Damen von ihren Anbetern hohnvoll die unmöglichsten Leistungen in Herschaffung dieses oder jenes Gegenstandes, oder gar einen Kreuzzug!

In den Norden Europas drang das höfische Wesen nicht ein, und hier verband sich der wilde Muth des Berserkers und die Wagelust des Wikingers mit der tiefen Gluth der Empfindung, wie wir sie in den Recken der Edda staunend bewundern; es ist der unter seiner Schneedecke brennende Hekla (vergl. das Beispiel Helgis oben S. 164). Es kamen dort aber noch tief im Mittelalter abstoßende Gebräuche vor; Viele lebten in Vielweiberei, und es war nicht seltener, daß Ehefrauen letztwillig vermacht, verschenkt und sogar verkauft wurden. Weinhold a. a. O. I. S. 10 ff.

Mit der Ehe als solcher hatte die Minne nichts zu schaffen. Stand und Vermögen (dies letztere freilich erst später) gingen der Liebe als Motive weit voran, ohne daß sie deshalb als solches gefehlt hätte. War aber in der Liebe der Werbende der Diener, und die Geliebte die Herrin, so kehrte sich dies in der Ehe um; da galt nur das Machtwort des Mannes und in der Familie des Vaters. In den Kreisen der Vornehmen erhoben die Könige von England und Frankreich den Anspruch, die Eheschließungen von ihrer Zustimmung abhängig zu machen, um die Interessen der Krone zu wahren. In dem zerrissenen deutschen Reiche war dies, soweit durchführbar, schon früh vom König auf die einzelnen Landesherren übergegangen.

Das Alter, in welchem Ehen geschlossen wurden, war ein sehr verschiedenes. Die höfische Zeit zeichnete sich unvortheilhaft durch unnatürlich frühe Ehen, besonders auf weiblicher Seite aus, Gattinnen mit 14 und Mütter mit 16 Jahren waren keine Seltenheit; ja man vermählte aus Familienrücksichten oft Kinder mit einander, die dann allerdings bis zum Alter der Pubertät getrennt lebten. Der Vater verfügte in der Regel frei über die Hand der Tochter, ohne diese nach ihrer Einwilligung zu fragen. Nicht so konnte der Vormund gegen den Willen seiner Mündeltochter handeln. Die Verlobung konnte nur vom Vater oder dessen Stellvertreter ausgehen; wenn sich die Braut selbst verlobte, so hatte dies keine Gültigkeit, und sie verlor alle ihre Familienrechte. Entführungen kamen im Mittelalter, besonders aber in der Zeit der Kreuzzüge häufig vor, sogar gegen den Willen der Frauen, ja selbst aus dem Kloster, gingen aber oft nicht ohne blutige Kämpfe mit den Verfolgern ab, so daß der Entführer mit dem Leben büßte. Der Brautkauf war verschwunden und durch ein Geschenk ersetzt; die Mitgift blieb allgemein, wurde bei der Verlobung festgesetzt und galt oft als Erbabfindung. Die Zukunft der Frau eines wohlhabenden Mannes sicherte das Widum oder Leibgedinge. Der Ringwechsel bei der Verlobung kam erst im späteren Mittelalter als französische Sitte nach Deutschland.

Ein unausweichliches Erforderniß zur Ehe war die Ebenbürtigkeit. Doch wurde dies bis in das 13. Jahrhundert nicht streng genommen, wenn es sich um eine Verbindung zwischen Edlen und Gemeinfreien handelte; desto mehr war eine solche zwischen Freien und Unfreien verpönt und hatte die schlimme Folge, daß die Kinder unfrei wurden. Auch die Verschiedenheit des Volksstammes war häufig und die der Religion stets ein Ehehinderniß. Während der Kämpfe, mittels deren die Deutschen im 10. bis 12. Jahrhundert das nordöstliche Germanien den dort eingedrungenen Slawen wieder abnahmen, galten Ehen zwischen Deutschen und Wendinnen als unerlaubt, was aber später hinfällig wurde. Seitdem das römische Christenthum im ganzen Abendlande herrschte, war die Versuchung zu Ehen mit Heiden oder Arianern ausgeschlossen; hingegen lag in Spanien und in den an den Bahnen der Kreuzzüge liegenden Ländern die Möglichkeit von Verbindungen mit Mohamedanerinnen vor, die natürlich nur unter der Bedingung der Taufe solcher gestattet wurde. Mehr Anlaß hatte die Kirche, ihren Einfluß gegen Ehen in nahen Graden der Verwandtschaft geltend zu machen. Sie ging in dieser Beziehung immer weiter und verpönte am Ende des ersten Jahrtausends die Ehen bis und mit dem siebenten Grade. Gegen den rheinischen Grafen Otto von Hammerstein und dessen schöne Gattin Irmengard wurde wegen (nicht näher bekannter) Verwandtschaft 1018 der Kirchenbann verhängt und vom Kaiser (Heinrich II.) eine Fehde gegen das Paar angehoben, welche dasselbe ins Elend brachte, aber ihren Bund nicht brach. Otto wankte schon, als es Irmengard gelang, vom Papst Benedikt VIII. Dispens zu erhalten, nicht ohne daß dessen Spitze gegen die nach Unabhängigkeit strebenden deutschen Bischöfe gerichtet war, welche (s. oben S. 230) dieselbe Strenge sogar gegen eine Kaiserin versuchten. Viele Ehen wurden damals wegen Verwandtschaft aufgelöst und die Gatten in das Kloster verwiesen, während doch das Verbot der Wiederverheirathung Geschiedener bei Hochgestellten oft nicht gehandhabt wurde, so daß die katholische Lehre von der Unauflöslichkeit der Ehe nahezu eine illusorische war.

Für den Abschluß der Ehe gab es erlaubte und verbotene Zeiten und Tage, die sehr verschieden warm. Der Gebräuche bei der Trauung gab es eine schwere und bunte Menge, deren Schilderung eines eigenen Buches bedürfte. Eine Auswahl bei Weinhold a. a. O. I. S. 362 ff. Zusammengegeben wurde das Paar durch den Vormund der Braut, seit etwa 1200 aber durch einen Freund oder Verwandten, und es ist merkwürdig, wie spät in dem frommen Mittelalter die Trauung durch Geistliche in der Kirche allgemein gebräuchlich wurde. Schon Karl der Große hatte dieselbe ohne Erfolg verordnet. Durch die nachfolgenden Jahrhunderte hin machte die Kirche alle Anstrengungen, die Trauung in ihre Hand zu bekommen, fand aber von Seite des Staates keine Beihilfe. Nicht nur in dem aus der Heidenzeit stammenden, wenngleich verchristlichten Nibelungenlied, sondern sogar in einigen der unter voller Herrschaft der Kirche entstandenen höfischen Gedichte glänzt die Geistlichkeit bei Hochzeiten durch ihre Abwesenheit, während sie in anderen jener Werke (die aus französischen Originalen stammen) bereits mitwirkt, aber theilweise im Hochzeitshause. Erst im 14., an manchen Orten sogar erst im 15. Jahrhundert, wurde die kirchliche Trauung allgemein üblich und zu einer Pflicht. Viel bereitwilliger waren die guten Christen des Mittelalters zur Feier der Hochzeit durch möglichst unmäßiges Essen, Trinken, Tanzen und allzu oft auch Raufereien; Spielleute, Gaukler und anderes fahrende Volk fehlte nie dabei. An den Hochzeiten der Vornehmen aber bildeten Turniere und Buhurte einen Haupttheil der mehrere Tage andauernden Festlichkeiten. Der Aufwand war bei Wohlhabenden ein ganz maßloser. Begab sich das junge Ehepaar zur Ruhe, so folgten noch mancherlei Gebräuche (der »Brautlauf« u. s. w.), die an die altindischen, altgriechischen, altrömischen u. s. w. (s. oben S. 82 f., 114 f., 136 ff.) erinnern und wohl altarisch sind.

Da das Bauernthum mit dem ebenfalls auf dem Lande hausenden Ritterthum in mannigfache Berührung kommen mußte, gefiel es sich oft darin, die ritterlichen Sitten in ungeschickter Weise nachzuahmen, was besonders bei Liebesabenteuern komisch ausfiel. In Niederbaiern und Oesterreich war es nicht selten, daß arme Ritterfräulein reiche freie Bauern heiratheten, wodurch sich manche seltsame Verwandtschaften ergaben.

Unfreie Leute konnten sich begreiflich nur mit Erlaubniß des Herrn verehelichen. Für diese hatten sie eine sehr geringe Abgabe in Geld oder Naturalien zu entrichten, welche infolge des derben mittelalterlichen Humors an vielen Orten einen obscönen Namen trug und wohl in Verbindung mit hier und da vorgekommenen Gewaltthätigkeiten, Veranlassung zu der Fabel vom sog. Jus primae noctis bot, das niemals ein Recht war und dessen von manchen Gelehrten aus vermeintlicher Freisinnigkeit behauptete regelmäßige Ausübung bei dem geringsten unbefangenen Nachdenken als eine Absurdität erscheinen muß. Schmidt, Karl, Jus primae noctis. Eine geschichtliche Untersuchung, Freiburg im Br. 1881. Die geforderte Abgabe wurde übrigens durch Geschenke der Herrschaft weit aufgewogen, und die Herrin wohnte selbst der Hochzeit des hörigen Paares bei, was jene Fabel allein schon ausschließt.

Im Mittelalter war die Annahme, daß der Mann die Herrschaft im Hause führe, eine so selbstverständliche, daß grausamer, aber gerechter Humor der Volksjustiz einem Paare, bei welchem das umgekehrte Verhältniß stattfand, das Haus abdeckte und ein böses Weib, das den schwachen Mann schlug, auf einem Esel zum Gespötte herumführte. Dagegen war die Hausfrau allgemein als die Vorsteherin der Hauswirthschaft und des Gesindes, immerhin unter der Oberleitung des Mannes, anerkannt.

4. Die Verfolgung der Frauen.

Auf die Verehrung der Frauen im höfischen Zeitalter des 12. und 13. Jahrhunderts folgte ein Widerspiel derselben, wie es häßlicher nicht gedacht werden kann, nämlich eine systematische Verfolgung der Frauen durch einen fanatischen Theil der Männer wegen eines eingebildeten Verbrechens, der sog. Hexerei. Wir glauben nicht zu irren, wenn wir annehmen, es sei der Zorn und die Wuth über die Erfolglosigkeit der Kreuzzüge gewesen, was seit dem 13. Jahrhundert die Mehrheit der abendländischen Christen in einen Rausch der Mordgier versetzte. Die ersten Symptome dieser grauenhaften Epidemie, welche die verschiedensten Gestalten annahm, finden wir in der Gestaltung der Inquisition 1215 durch Innocenz III. zu einer bleibenden Einrichtung, deren »Segnungen« zuerst Deutschland durch den Ketzerrichter Konrad von Marburg (s. oben S. 243) zu kosten bekam, den aber verzweifelnde Verwandte seiner Opfer erschlugen. Im 14. Jahrhundert folgten, besonders genährt durch das Wüthen der Pest des schwarzen Todes, die Judenmetzeleien, an denen sich besonders die wahnbethörten Horden der Geißler beteiligten, und die blutige Unterdrückung der Waldenser. Bald darauf trat, begünstigt durch die Einführung des römischen Rechtes, die Trennung der Hexerei von der Ketzerei und ihre Erhebung zu einem System ein, das sich bald genug zu einer Verfolgung der Frauen als solcher gestaltete, deren frühere Verehrung völlig in Vergessenheit gerathen zu sein scheint; denn nur selten wurden Männer dieses angeblichen Verbrechens beschuldigt, während keine Frau, weder alte noch junge, weder reiche noch arme, weder vornehme noch geringe, gegen diese schauderhafte Anklage sicher war, – selbst Kinder waren es nicht!

Das furchtbarste Wüthen der Hexenprozesse begann mit der Hexenbulle Papst Innocenz' VIII. (1484) und mit dem Erscheinen des auf sie gegründeten »Hexenhammers« der Inquisitoren Sprenger, Krämer und Gremper (1489) und dauerte in Frankreich bis auf die Zeit Colberts, in Deutschland bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts (die erste deutsche Hexe wurde 1446, die letzte 1756 verbrannt; die letzte in der Schweiz wurde 1783 in Glarus enthauptet). Ihre Opfer erreichten, wie statistisch nachgewiesen, die höchste Zahl in den geistlichen Fürstenthümern, besonders in Salzburg, Bamberg, Würzburg und Trier. Die ultramontane Behauptung, daß die Protestanten mehr Hexen verbrannt hätten als die Katholiken, ist unwahr. Sie fing bei jenen erst an, als sie den Glaubenshaß ihrer Gegner nachzuahmen begannen, und hörte bei ihnen früher auf. Es war eine krankhafte Epidemie, die durch keine »historische Objektivität« beschönigt werden kann; denn die Richter handelten erwiesener Maßen aus Eigennutz, und die Opfer wurden durch die herrschenden wahnwitzigen Ansichten, durch davon hervorgerufene Träume und besonders durch die Folter und die Aussichtslosigkeit einer Freisprechung in den traurigen Wahn der Wirklichkeit des ihnen zur Last gelegten Thatbestandes versetzt.

Die Hexenprozesse sind so vielfach behandelt worden, Wir verweisen besonders auf Längin, Religion und Hexenprozeß, Leipzig 1888. daß wir uns hier darauf beschränken dürfen, auf einige besonders merkwürdige Beispiele hinzuweisen.

Jeanne d'Arc, Die neulich beliebte Schreibung »Darc« rührt nur davon her, daß das Altfranzösische sich des Apostrophs nicht bediente; Arc hieß der Ort, woher ihre Familie stammte. das heldenmüthige Mädchen, welches Frankreich vom englischen Joche befreite, wurde schon bald nach ihrem glänzenden Erfolge von der französischen Geistlichkeit des Bundes mit dem Teufel verdächtigt, und der jämmerlich schwache König, der ihr die Krone verdankte, hinderte ihr kühnes Vorgehen gegen Paris. So wurde sie, aus Mangel an Unterstützung, von den Burgundern gefangen, und die Franzosen rührten keine Hand zu ihrer Rettung. Burgund lieferte sie schmählicher Weise an die Engländer aus; aber ein abgefallener französischer Bischof, Pierre Cauchon von Beauvais, verlangte sie als Opfer, und der Kampf eines vollen geistlichen Gerichtshofes gegen ein schwaches junges Weib begann, wobei Cauchon vor keiner Niederträchtigkeit zurückbebte, um sie zu einem Widerruf zu zwingen, der seinen Landesverrath rechtfertigte! Sie wurde, noch nicht 20 Jahre alt, am 30. Mai 1431 in Rouen als Hexe, Ketzerin und Aufrührerin (!) lebendig verbrannt. Einem Franzosen des 18. Jahrhunderts war es vorbehalten, sie auch noch als Dirne zu verdächtigen. Ein Deutscher dagegen war es, der ihr den verdienten Heiligenschein um das Haupt wand.

Nur vier Jahre später wurde ein deutsches Mädchen, Agnes Bernauer, eines Baders Tochter aus Augsburg, weil ein Fürst sie liebte, von dessen eigenem Vater, Herzog Ernst von Baiern, dem Hexengerichte übergeben und in der Donau ertränkt, was den Sohn, Herzog Albrecht, zum Aufstande brachte, der freilich mit einer Versöhnung endete.

Das Mittelalter hat trotz seinem Marienkultus diese Verfolgung der Frauen so fest begründet, daß erst eine neue Zeit ihrem tief gewurzelten Wüthen nach langem Kampfe ein Ende bereiten konnte. –


 << zurück weiter >>