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II. Die Perser

Die Kultur der Perser hat für uns ein seltsames Doppelgesicht. Schöpfen wir aus den Nachrichten der Griechen über Persien, so treffen wir eine völlig nach dem Muster Assyriens und Babyloniens eingerichtete kriegerisch-blutige Despotie ohne irgend welchen hervorragenden Einfluß der Religion. Ziehen wir dagegen unsere Belehrung aus den heiligen Büchern der zoroastrischen Religion, so erscheint uns Persien als ein hierarchischer Staat, in welchem nichts so mächtig ist wie die Lehren des Zendavesta. Die Lösung dieses Widerspruchs ist nicht mit Sicherheit zu erzielen; es spricht aber viele Wahrscheinlichkeit dafür, daß die zoroastrische Lehre nicht in den westlichen Gegenden Irans, wo das persische Reich durch Kyros gegründet wurde, sondern im Norden und Nordosten des Landes entstand, wo Baktrien bis auf dessen Eroberung durch Kyros ihr Hauptsitz war – daß dann diese Lehre im Westen nur sehr langsame Fortschritte machte (wie denn in den Inschriften der Achämeniden nur der Name und das Bild Ahuramazdas, des obersten Gottes, an den Zoroastrismus erinnert) und dort erst, nach dem Untergange der Achämeniden und nach den Zwischenherrschaften der Makedoner und der Parther, unter den Sasaniden zur völlig herrschenden Religion wurde, ohne die babylonischen und griechischen Elemente, die inzwischen in die mit der altindischen (vedischen) verwandte altpersische Religion eingedrungen waren, verdrängen, ja ohne deren Vermengung mit ihr selbst verhindern zu können. Justi, Geschichte des alten Persiens, Berlin 1879, S. 29 ff., 69 ff. Die altpersische Religion und die zoroastrische Lehre treffen sich indessen in dem Gegensatze des Lichtes und der Finsterniß, nur daß die Göttergestalten der erstern in der letztern zu bloßen schattenhaften Begriffen geworden sind. Das üppige, anthropromorphische Götterthum Babyloniens hat vorzüglich in der Göttin Anahita, der Beschützerin des Wassers und der Fruchtbarkeit aller Lebwesen, in Persien Eingang gefunden. Sie war ursprünglich wohl eine Abzweigung der Istar (oben S. 54 f.); aber ihr üppiger Dienst mit seinen Orgien ist unter dem Einfluße des hochsittlichen Zoroastrismus gereinigt worden.

Was nun die irdischen Frauen betrifft, so lebten diejenigen der den Griechen bekannten alten Perser streng abgeschlossen in den Harems, sahen nur ihre Männer und Eunuchen und begaben sich nur in Sänften aus dem Hause. Freier lebten die Beihälterinnen, welche bei Gastmählern durch Gesang, Tanz und Spiel die Gäste des Herrn belustigten. Vielweiberei war bei Wohlhabenden allgemein und die Zahl der Nebenfrauen unbeschränkt. Als Zweck der Ehe galt die Kinderzeugung; große Zahl der Kinder war ein Gegenstand des Ruhmes und wurde, was die Söhne betrifft, von den Königen belohnt.

Das Harem des Schahs nahm mit der Zeit eine wachsende Ausdehnung an. Eine seiner Frauen, entweder die Mutter oder die Hauptgattin des Herrschers, spielte sehr oft eine große Rolle, nicht nur in Palastränken, sondern selbst in der Politik. Die »Königin« hatte ein bedeutendes festes Einkommen; die übrigen Frauen waren nicht viel besser als Sklavinnen oder Gefangene. Um das Harem zu füllen, wurden beständig Nachsuchungen nach schönen Mädchen im Reiche gehalten; denn der Schah geruhte niemals, dieselbe Person mehr als einmal seiner Zärtlichkeit zu würdigen, wenn ihn nicht eine solche ausnahmsweise dauernd zu fesseln wußte. Gewisse Landschaften hatten ihre Tribute in Gestalt von Bereicherung des Harems zu entrichten. Die Babylonier z. B. mußten jährlich 500 zu Eunuchen gemachte Knaben, die Kolchier jedes fünfte Jahr hundert Knaben und hundert Jungfrauen liefern. (Herodot III, 92, 97.) In den späteren Zeiten des Perserreiches waren über dreihundert Damen zugleich zur Verfügung im Harem und begleiteten den Großherrn sogar in den Krieg und auf die Jagd. Sie mußten vor ihm singen und spielen, oft ganze Nächte hindurch. Das Weiberhaus in Susa war ein eigenes Gebäude, durch einen Hof vom Palaste des Schahs geschieden, und hatte drei Stockwerke, eines für die noch nicht verwendeten Mädchen, eines für die in Ausübung ihres »Berufs« begriffenen und das oberste für die Königin, die übrigen wirklichen »Frauen« und ihre Bedienung.

Es war gebräuchlich, daß der Schah seine Schwester ehelichte, wie in Aegypten. Kambyses hatte sogar zwei Schwestern zu Frauen, deren eine er mit nach Aegypten nahm. Als bei einem Thierkampfe einem Hunde sein Bruder gegen einen jungen Löwen zu Hilfe eilte und die Königin darüber weinte, weil ihr der gemordete Smerdis (Bardija) in den Sinn kam, tödtete sie der Tyrann mit einem Fußtritte und bewirkte damit auch, daß sein Stamm mit ihm erlosch.

Die andere, Atossa, wurde die Gattin seines Nachfolgers Dareios I. und bewirkte bei diesem die Wahl ihres Sohnes Xerxes zum Nachfolger, was für die Zukunft des Reiches von ungeheurer Tragweite war. Sie hatte auf dem weiblichen Antheile des Thrones eine Anzahl Nachfolgerinnen von solch dämonischem Charakter, daß in ihnen die altiranische Sage von den Drudschas Kulturgeschichtliche Skizzen S. 253 f., weiblichen Unholden in Ahrimans Dienst, und von den Pairikas, verführerischen Wesen, die den Menschen nachstellen (gleich den indischen Apsaras und Nagas) und jede Art von Unheil anrichten, lebendig geworden zu sein schien. Ein solches Scheusal von Weib war Amestris, die Gattin des Xerxes. Freilich durch die Ausschweifungen ihres launischen Gatten gereizt, namentlich durch sein sträfliches Verhältniß zu seiner Nichte und Schwiegertochter Artaynte, ließ sie sich von dem Schwächling deren Mutter »schenken« und sie dann in scheußlicher Weise verstümmeln. Dieselbe Unholdin soll sieben Kinderpaare vornehmer Perser dem Gotte der Unterwelt durch Lebendigbegraben geopfert haben. Von nicht geringerer Grausamkeit war Parysatis Halbschwester und Gattin des Schahs Dareios II.; sie bewirkte, daß zwei Rebellen, darunter ihr Schwager, in glühende Asche geworfen wurden. Nach der Thronbesteigung ihres Stiefsohnes Artaxerxes II. suchte Terituchmes, der Bruder der neuen Königin Statira, seine Gattin Amestris, die Schwester des neuen Schahs, zu beseitigen, um seine eigene zweite Schwester Roxane, eine Amazone, zu besitzen. Obschon nun der König den Terituchmes tödten ließ, sandte ihm die blutdürstige Parysatis auch seine Mutter und 5 Geschwister im Tode nach. Roxane wurde zusammengehauen, die übrigen lebendig begraben! Statira konnte der schwache Schah nur durch Fußfall vor der Wuth der Megäre retten; aber auch sie brannte nach Rache und ließ den Udiastes, der auf des Schahs Befehl ihren Bruder ermordet, zu Tode martern. Und noch nicht genug! Nachdem der Parysatis eigener Sohn, der jüngere Kyros, im Kampfe gegen ihren Stiefsohn das Leben verloren, ließ sie den Soldaten, der dem kühnen Prätendenten den Todesstreich versetzt, zehn Tage lang foltern, dann blenden und ihm glühendes Erz in die Ohren gießen und den Eunuchen, der dem Gefallenen auf Befehl des Königs Kopf und Hand abgehauen, schinden und kreuzigen. Endlich ließ sie noch die Statira vergiften, wurde dann aber von dem sich zu spät ermannenden Schah verbannt.

Hervorragende Frauennamen treffen wir auch in den letzten Zeiten der Sasaniden. Die persische Dichtung feiert neben dem grausamen und zuletzt auch grausam beseitigten Chosro II. Parvez dessen als Christin geborene Geliebte Schirin, der zu Ehren der Schah ein Jagdschloß bei Holwan erbauen ließ und Kasri Schirin benannte. In den Zeiten der Reichszerrüttung nach seinem Tode regierten neben anderen ephemeren Größen auch seine beiden Töchter Burandocht und Azarmidocht kurze Zeit nach einander. Die letztere stellte sich, als wolle sie die Liebeswerbung ihres Wesirs erhören, ließ ihn aber am Orte des Stelldicheins ermorden und erlitt dann dasselbe Schicksal durch seinen Sohn Rustam, und zwar unter schmählichen Umständen. Der Bluträcher fiel im Verzweiflungskampfe der Perser gegen die siegreichen Söhne des Islam.

Es erübrigt uns noch, der Vorschriften des Zendavesta im Gebiete der Eheschließung zu gedenken. Dieses Religionsbuch betrachtet es als besonders verdienstlich, wenn nahe Verwandte einander heirathen. Es muß gegenseitige Einwilligung, aber auch die der Eltern vorhanden sein. Verlobt werden die Brautleute oft sehr frühe durch einen Priester, und zwar unauflöslich. Der Hochzeit gehen Reinigungen voran; der Priester bestreut im Hause der Braut diese und den ihr die Hand reichenden Bräutigam mit Früchten und sagt Segensformeln her, was dann im Hause des Gatten wiederholt wird. Eine zweite Frau darf nur genommen werden, wenn die erste kinderlos ist und ihre Einwilligung dazu giebt; auch darf die erste Frau nicht der zweiten zu Liebe verstoßen werden. Scheidung verlangen kann nur der Mann, und zwar wegen Untreue, Unfruchtbarkeit und – Zauberei. Die Frau muß gehorchen, der Mann aber sie achten; strenge Strafen treffen Unzucht und Ehebruch.


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