Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Heimweh

Herr Jakob Göransson, der bei Vollendung seines sechzehnten Jahres den Vornamen James angenommen, hatte trotz dieser Veränderung noch nach erreichten Fünfundzwanzig keinen Unterschied in seinen äußeren Lebensbedingungen verspürt. Sein Leben war hinter dem Ladentisch der Apotheke »Zum weißen Kamel« in Stockholm ruhig verflossen. Sechs Tage der Woche hatte er daselbst Bromkalium, Aspirinpulver und Rizinusöl zu verkaufen; an einem dieser Tage war er von drei Uhr nachmittags frei. Am siebenten Tage hatte er wohl keine Arbeit zu leisten, mußte aber dennoch einmal monatlich seinen Platz hinter dem Ladentisch des Weißen Kamels einnehmen.

So verlief James (Jakob) Göranssons Leben durch acht Jahre, von seinem sechzehnten bis zu seinem fünfundzwanzigsten. Er lebte dahin, ruhig und mit seiner Arbeit zufrieden; und sein Gehalt stieg langsam, aber ziemlich sicher von den monatlichen fünfundsiebig Kronen des Anfängers bis zu den 225, die er nun jeden Ersten behob.

James Göransson war ein hübscher Junge, blond, mit fast bartlosem Gesicht und einem schlanken Körper. Die erotischen Gefühle, die darin schlummerten, kamen allerdings nicht häufig zum Ausdruck, denn zwölf Arbeitsstunden täglich ermüden, und überdies war er von Natur aus schüchtern.

Einstweilen ging er einmal wöchentlich, an seinem freien Tag, zum Tee zu seinem Prinzipal und dessen Frau. Mitunter war der Prinzipal abwesend, und da geschah es, daß die gnädige Frau aus einem kleinen eichengetäfelten Kühlschrank in der Ecke des Speisesaals eine geschliffene Karaffe mit Punsch hervorholte und James daraus zu trinken gab. Und einmal, als sie allein waren und sie selbst zwei Glas grüne Chartreuse getrunken hatte, küßte sie ihn plötzlich im Vorzimmer auf den Mund.

Bei diesem Kuß erbebte James Göransson, als sei ein Schwert durch seine Seele gegangen, und er ahnte unbestimmte holde Möglichkeiten in einer nahen Ferne. Die Frau des Prinzipals war noch jung, dreiunddreißig, brünett und ein wenig üppig. Die nächsten Tage arbeitete er in seiner Apotheke wie in einem süßen Gesang, und wenn der Prinzipal vorüberging, lächelte er, halb vertraulich, halb ehrerbietig und mit einem Anflug von Mitleid.

Da starb plötzlich James' Tante in Norrland; es ergab sich, daß sie ein Vermögen von sechzigtausend Kronen hinterlassen habe, die mangels eines Testaments unverkürzt ihrem Neffen zufielen.

In der nächsten Zeit ging James umher wie ein Verhexter, ein Gegenstand der schlechtverhehlten Mißgunst seiner Kameraden und ihrer ganz unverhehlten Pumpversuche.

»Was werden Sie mit Ihrem Erbteil machen, Herr Göransson?« fragte ihn die Frau des Prinzipals beim nächsten Tee.

»Ich weiß nicht«, stammelte James mit einem Blick auf sie, der unbewußt verriet, daß er es, wenn sie nur einverstanden sei, gar wohl wisse.

Die Dame, die bei einem so jungen Mann, wie James es war, einen Skandal befürchtete und sich überdies halb und halb in einen Leutnant bei den Grenadieren verliebt hatte, sagte aber statt dessen:

»Denken Sie nicht daran, ins Ausland zu reisen, Herr Göransson? O, wenn ich frei wäre! Dann würde ich nach Paris und an die Riviera und nach Monte Carlo fahren. Diese Herbstmonate in Schweden – man wird ja halb blödsinnig …«

Und damit war der Samen des Bösen in James Göranssons Seele gelegt, wo er allmählich wuchs, Schößlinge trieb und Früchte trug.

Kurz darauf reiste die Frau des Prinzipals auf Besuch zu Verwandten in Göteborg. Auch der Leutnant bei den Grenadieren hatte Verwandte in Göteborg, die er besuchen mußte.

Ungefähr gleichzeitig hatte James sich von seinem Dienst in der Apotheke »Zum weißen Kamel« verabschiedet und einige Monate vergingen in Saus und Braus mit den Kameraden. Hotel Grand und Opernkeller gewöhnten sich an die Souperbestellungen des Herrn James Göransson für drei oder vier Personen; mitunter waren die Soupers auch für zwei und dann wurden sie im Stallmästaregården oder bei Berns bestellt. Und einstweilen erwuchs die Lust am Bösen aus dem Samen, den die Frau des Prinzipals in James' Seele gelegt hatte. Darüber rückte der Oktober ins Land.

Dieser Oktober in Stockholm wurde für ihn ein schrecklicher Monat. Nie zuvor war es noch so gewesen; aber daß er nun, als junger Rentner, mit seinem Glück bei Damen, die Zeit unter diesem nebligen, kalten und schneienden Himmel vergeuden mußte, dünkte ihm Entweihung. Draußen in der Welt schlug das Leben in hohen Schaumwogen an die Kaffeehausmauern der Großstädte, Paris' Kokotten warteten bloß auf einen Wink, um ihn in unbekannte, sündige, erschreckliche Genüsse einzuweihen. Er sah im Geist die Boulevards in blauviolettem Licht erglänzen; die Bäume rauschten noch grün; wunderbare Frauen lächelten im Dunkel der Autos und er fühlte sich eingehüllt in den Duft starker Parfüms.

An einem schönen Abend oder vielmehr an einem schneenebligen Abend des Oktober sah der Zentralbahnhof James Göransson in ein Zweite-Klasse-Coupé steigen mit der Aufschrift: Von Stockholm – über Malmö – nach Berlin. Auf dem Perron standen die erfolgreich bis zuletzt pumpenden Kameraden in einem Kreis; Blumen wurden ins Coupé geworfen; Lichter blinkten, der Kondukteur rief: »Einsteigen«; die Freunde hurrahten und mit einemmal war Stockholm hinter dem Wasser des Stroms und hinter Södermalm verschwunden.

Nach beinahe zwei Tag- und Nachtreisen stieg James eines Abends auf Gare du Nords dröhnendem Bahnhof aus, bereit, dem Lebensmärchen in Form wunderbarer Kokotten, Parfüms und leckerer Mahlzeiten zu begegnen.

Aber merkwürdig genug, war hier alles fast ebenso wie daheim in dem verachteten Stockholm. Das Wetter war grauschwer; der Schnee platschte hinab in die kalten Regenschauer. Ein höchst miserables Auto, allerdings unter Führung eines wahnsinnig gewandten Chauffeurs, führte ihn nach einem Hotel an der Avenue de l'Opéra.

Und die Zeit verstrich; er besuchte die Folies Bergère, Bal Tabarin und Moulin Rouge, aber überall, wo die Frauen schön waren, waren sie auch habgierig, und die wundervollen Parfüms versüßten nur zum Teil den Geldhunger ihrer Worte.

Es liegt am Wetter, dachte James. Im Süden an der Riviera ist es anders; hier zerrinnt mein Geld und ich habe nichts dafür.

Eines nebligen Novembermorgens reiste er nach Monte Carlo ab.

Als er am Tage nach seiner Ankunft aus dem Hause trat, hätte er beinahe vor Überraschung die Hände zusammengeschlagen. Auf dem Kasinoplatz standen die Palmen üppig grün; in ihrem Schatten leuchteten die Rasenmatten saftig, ohne einen gelben Halm; und blühende Rosenbüsche drängten sich mit halbtropischen Schlinggewächsen um den Platz. Die Luft war mild wie daheim im Juni. Die Springbrunnen umplätscherten holde Sommertorheiten und von einem klarblauen Himmel strahlte die Sonne über einer Stadt eitel gelblichweißer Häuser.

In einiger Entfernung blitzte das Mittelmeer in funkelndem Sonnenschein.

James ging sogleich nach dem Ufer hinab und fand ein mit einem Badehaus vereinigtes kleines Restaurant. Er badete und aß ein vortreffliches Lunch. Dann begab er sich nach dem Kasino, zeigte seinen Paß und erhielt eine Eintrittskarte.

Die Tage vergingen. Er spielte mit wechselndem Glück und Pech, aber sein Gemüt ward immer mehr und mehr voll Ungeduld.

Er sehnte sich nach Schweden und er sehnte sich nach Frauen.

Er sehnte sich nach dem Schweden, das ihm in der Erinnerung so nahe war; nach dem Kameradenscherz, dem Gesumm der Kaffeehäuser, dem Punsch in eiskalten Kübeln und dem Morgengeplauder im Zimmer eines Freundes.

Und er sehnte sich nach Frauen; das heißt eigentlich, nach der Frau seines Prinzipals.

Er fühlte noch immer ihren Kuß, voll, sinnlich, duftend von der starken, süßen Chartreuse. Er ging noch umher, wie von ihm berauscht.

Er fixierte die Frauen, denen er im Kasino und in den Cafés begegnete. Keine konnte es mit ihr aufnehmen. Alle waren sie kalt wie Metall, mit blanken, mathematischen Augen; ihre Wangen waren weiß von Puder, die Lippen rot von Schminke und die Wimpern mit Tusche gezeichnet. Mitunter fühlte er, wenn sie schön waren, einen Augenblick lang Lust, sie anzusprechen; sie verschwand aber, wenn er ihre kalten, schwarzen Augen sah, die da fragten:

» Combien, monsieur?«

Am 17. November war der Geburtstag des Fürsten und das treue Volk von Monaco rüstete sich, ihn mit Ehrenpforten und Feuerwerken zu feiern; übrigens weilte der Fürst in Paris. An diesem einzigen Tage des Jahres ist das Kasino gesperrt. James, von Natur aus loyal wie alle Schweden, nahm an den Festlichkeiten teil und begab sich abends 11 Uhr hinauf in das Nachtcafé auf dem Boulevard du Nord, The Austria.

Es war noch recht leer; die Saison hatte für England und Amerika noch nicht begonnen und die Deutschen fanden das Lokal zu klein und zu kostspielig. Eine Kapelle rotbefrackter Zigeuner fiedelte an der rechten Saalseite drauflos; daneben warteten einige Tänzerinnen ihre Zeit ab.

James ließ sich an einem unbesetzten Tisch nieder und bestellte eine Ganze Champagner nebst einer Schachtel Pall-Mall.

Der Kellner schenkte ehrerbietig ein halbes Glas ein, stellte die Flasche in den Eiskühler und verschwand.

Binnen kurzem fand James sich in eine Unterhaltung auf Zeichensprache vertieft. Die halbnackte Tänzerin, mit der er das Gespräch führte, war nicht unangenehm, hatte ein freundliches Betragen und eine girrende knabenhafte Stimme. James und sie tranken einander auf schwedische Art Bruderschaft zu, indem sie Arm in Arm ihr Glas leerten.

Noch eine Ganze Champagner kam herein und verschwand. Die kleine Tänzerin wurde hungrig und erhielt zur großen Freude des Kellners Austern und ein Souper.

Eine dritte Ganze wurde entkorkt.

Die kleine Tänzerin begann zu tanzen, einen spanischen Tanz mit vielem Hüftenwiegen und schmeichelnden Gebärden. James, der betrunken war, spürte ein plötzliches Verlangen nach ihr. Plötzlich war der Tanz zu Ende und sie stand vor ihm, leicht keuchend.

» Faut me donner quelque chose!« sagte sie.

James holte einen Louis hervor und legte ihn auf ihre japanische Platte.

» C'est pas assez,« sagte sie, » après m'avoir engagée toute la nuit.«

»Fahr' zur Hölle,« erwiderte James, plötzlich erbost, mit der unbedachten Wut des Betrunknen, »hast du nicht zu essen bekommen, he? Und Champagner, drei Ganze? Ich bin nicht geizig, ich habe Geld, aber Betteln vertrag' ich nicht, zum Kuckuck; und mehr kriegst du nicht. Nein, mach', daß du fortkommst …«

Es stellte sich heraus, daß er diese Worte auf schwedisch gesprochen hatte. Die Tänzerin, die die Worte nicht verstand, verstand den Ton und verschwand, um sich zu einem neuangekommenen Italiener zu gesellen.

James rief den Kellner, um zu zahlen.

»Sagen Sie, Kellner, écoutez, ist das nicht eine verfluchte Art? Da saß – da sitzt sie dort, maintenant elle est là, garçon, n'est-ce-pas, und hier hat sie Champagner getrunken, in Champagner gebadet, ja, das hat sie, und mangé, c'ést affreux, n'est-ce pas, garçon?«

» Oui, monsieur,« sagte der Kellner, » voici la note, monsieur, quatre-vingt-trois francs et cinquante Centimes, monsieur.«

James begann zu krakeelen und das Lokal füllte sich mit Gästen.

»Da haben Sie«, sagte James mit schwerer Zunge. »Sie sind auch ein Flegel, Kellner. – Merken Sie sich das. Jetzt geh' ich.«

Und er ging, nachdem er dem flegelhaften Kellner 20 Franken Trinkgeld geschenkt und dem Italiener und der kleinen Tänzerin einen drohenden Blick zugeschleudert hatte.

»Pfui Teufel, die Frauenzimmer hier … Konstabler – ah so, monsieur le constaple, où est-il un local ouvert?« fragte James, einen monogassischen Wachmann antastend. » Je suis durstig, – Bier, bière, vous savez

Der Schutzmann zog seine Uhr hervor, die auf halb fünf zeigte, und wies gen Westen. » Là, monsieur, la Condamine, beaucoup de buvettes, plenty of bière, monsieur! Oh merci, monsieur …«, denn James hatte ihm drei Havannazigarren gestiftet, die er in »Austria« erstanden hatte.

In Condamine, einem Stadtviertel im Tale zwischen Monaco und Monte Carlo, brachte James nach vielen lallenden Anfragen in Erfahrung, erstens, daß buvette Schenke bedeute, zweitens, daß dergleichen Gasthäuser überall offen seien. Er erfrischte sich mit Bier und stolperte wieder die Avenue de Monte Carlo hinan, am Hafen entlang. Hinter Kap Martin graute blendend weiß der Tag. Das Meer bebte in einem Spiel blauer und schiefergrauer Farben; im Hafen war das Wasser grün und die Schiffe schaukelten wie auf einer Woge von kühlströmender Luft.

Mit einemmal blitzte das Sonnengold aus den leichten östlichen Nebelbänken hervor.

Und mit einemmal fand James Göransson in einer Ecke des Kasinoplatzes, unter den blauen Morgenschatten der grünen Palmen, eine deutsche Bürgerin.

»Hallo!« sagte James Göransson. »Zum Kuckuck auch, wie Fräulein der Frau des Prinzipals ähnlich sieht! Heißt das Fräulein etwa Anni?«

So hieß die Frau des Prinzipals.

Das Fräulein antwortete auf gut deutsch:

»'n Morgen, mein Herr, kommen Sie mit mir nach Hause?«

»Ja, natürlich«, sagte James Göransson. »Darf ich eine Zigarette anbieten?«

»Danke vielmals, ja, später. Sind Sie Schwede, mein Herr?«

»Ja natürlich«, lallte James unter den traubenblauen leichten Palmenschatten des dämmernden goldenen Novembermorgens.

*

Halb ein Uhr desselben Tages erwachte er durch einen Stoß in die Seite, verabfolgt von einem halbangekleideten weiblichen Wesen, das in einem ihm unbekannten Zimmer umherging.

»Es ist halb ein Uhr; Sie müssen fort.«

»Der Henker auch«, sagte James. »Haben Sie Sodawasser? Ich bin verteufelt durstig.«

Das Sodawasser kam; James trank und parlamentierte vergebens wegen einer Schäferstunde.

»O nein, das verstehn Sie doch, nicht wahr? Das geht nicht. Jetzt müssen Sie aufstehn; die Frau kommt gleich, verstehen Sie?«

James trank einen Schluck Sodawasser und begann sich anzukleiden. Verdammt auch, auf was für Dummheiten man verfiel! Er zählte die Kasse; fünf Louis schienen die Taxe dieser liebenswürdigen Dame zu sein. Na ja, nun mußte man sich waschen und ankleiden und kämmen und rasieren. Das Leben ist jedenfalls absonderlich. Da geht man nun hier in Monte Carlo umher und wäscht sich und kleidet sich an und kämmt sich und rasiert sich. In Monte Carlo, wo man spielt! Und schlecht sind die Frauenzimmer hier in Monte Carlo – und pfui Teufel über Paris. Nein, da lob' ich mir Schweden. Im Stallmästaregården, da läßt sich's schmausen, und bei Berns … Das war damals; ach Gott, wie lustig Belli damals war … Ja freilich, das war noch damals …

Plötzlich begann es aus dem anderen Zimmer, in das die junge Deutsche sich zurückgezogen hatte, zu trällern. Taramta-raramta-raramta … Was der Kuckuck … Und plötzlich ging es in James' Gedächtnis auf, die Melodie von damals, – es war einige Jahre her:

»Es gingen drei Mädeln im Sonnenschein
Auf dem Wege nach Lindane Le…«

»Wo haben Sie das gelernt?«

»In Kopenhagen. Taramta-raramta-raramta …«

James kleidete sich an wie in einem Traum. In dieser einfachen Melodie erwachte für ihn ganz Schweden mit seiner Geographie, seiner ruhmreichen Geschichte, Karl XII., Axel Oxenstierna und Gustav Adolf stiegen begraben daraus hervor … Er sah das Volk ausziehen in den Dreißigjährigen Krieg, bärtige alte Fronbauern des 17. Jahrhunderts, und in ein Dutzend anderer Kriege. Er sah an warmen Samstagnächten beim Gatter eines Birkenwäldchens die Leute sich zum Tanz versammeln.

»Taramta-raramta-raramta!« scholl die Stimme der jungen deutschen Kokotte aus dem Nebenzimmer.

Er sah sich selbst mit der Studentenmütze dekoriert; sechzehn Jahre!

Hurra Göransson! Die Linden dufteten in einer Sommernacht in Stockholms Park, weiße Mützen leuchteten, und die Sonne ging hinter dem Schlosse auf …

Er saß mit den Kameraden, ach, den lieben alten Kameraden im Opernkeller; beim Eingang schmetterte die Musik, und von der Bronzedame in der Mitte des Saales glänzte es rot her durch den Zigarrennebel. Der Punschkühler war weiß von Eis und in den Gläsern sank die seimige Flüssigkeit im Takt.

»Sie schwangen, sie schwenkten die Röcklein …«

Er hatte die Toilette beendet, sagte Adieu und ging fort, voll von einem Gedankengewirr. Schweden … der Henker auch, es war hier nicht dasselbe. Die Frau des Prinzipals – ja die Deutsche hier glich ihr ja wie eine Beere der anderen, und vielleicht wäre sie ihr auch ähnlich gewesen; obwohl – nein …

Ohne es zu wissen, war er in Quintos Grillroom am Boulevard du Nord geschlendert und hatte sich an einem Tisch niedergelassen.

»Monsieur?«

»Smörgåsbord, der Kuckuck, und einen Schnaps und ein kaltes Pilsner.«

Er hielt inne und begann auf französisch zu erklären: » Hors d'œuvres, oui, de la bière, oui, Branntwein, Schnaps …«

» Ah, schnapps, monsieur, vous voulez du schnapps. Un vodki, monsieur? Ça c'est très bon, le vodki!«

»Geben Sie mir Vodki«, sagte James. »Daß Sie aber keinen schwedischen Branntwein haben, das ist ein Skandal, sage ich Ihnen.«

Smörgåsbord, Vodki und Bier kamen und wurden vertilgt; Beefsteak mit viel Zwiebel folgte und verschwand und James begehrte Kaffee und Punsch.

» Du café, monsieur, oui; mais du punch, nous n'en avons pas; il n'y a de punch suédois qu'au Café de Paris

»Egal!« sagte James. »So fahre ich ins Café de Paris. Heute soll schwedischer Punsch getrunken werden, seht ihr, Jungens. Denn Schweden, das ist eben doch was für sich, sehen Sie, garçon! Zahlen!«

Und nach einer kurzen Weile saß James Göransson im Café de Paris und trank Kaffee mit schwedischem Punsch zu 13 Franken die Halbe – zwei Halbe. Die Musik spielte noch Monacos patriotische Hymnen, und neue Instinkte erwachten in seiner Seele. Der schwedische Zapfenstreich wurde verlangt, war aber nicht da. Er wanderte hinüber zur Musik.

» Bonjour, est-ce que vous avez des mélodies suédoises?«

» Mais oui, monsieur, nous avons le Bellman!«

» Oui, oui!« und eine Weile darauf saß James Göransson vom »Weißen Kamel« in Stockholm mit Tränen in den Augen in diesem fremden Kaffeehaus und lauschte dem größten Sänger, den der Norden besitzt. Als die Musik zu Ende war, erhielt das Orchester ein Zwanzigfrankenstück von einem patriotisch erregten, punschtrinkenden, morgenmatten Schweden.

Und als desselben Abends der Blitzzug Basel – Hamburg abging, zählte er unter seinen Passagieren Herrn James Göransson aus Stockholm, der auf der Heimreise begriffen und entschlossen war, den Dienst der dortigen Apotheke »Zum weißen Kamel« wieder anzutreten.

Jetzt hatte man wenigstens der Frau des Prinzipals etwas zu erzählen.

Und vielleicht …


 << zurück weiter >>