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Diebsglück

»Willst du dem Kellner klingeln, Trollius! Wir brauchen ein wenig Whisky, um das Gehirn zu klären. Verfluchtes Glück, das ich da hatte!«

Drei befrackte Herren saßen in einem Zimmer eines größeren Hotels in Malmö. Es war halb sieben Uhr morgens. Der Raum war voll kalten Tabaksrauchs; Punschbouteillen, Kognakflaschen und eine halbe Whisky standen auf dem Schenktische in einem Kreise von Syphons und vollen Aschenschalen. Auf dem Tische vor den drei Herren lagen Karten und Banknotenbündel.

Trollius klingelte und öffnete das Fenster. Es blinkte nachtschwarz aus dem Kanal da unten. Der Himmel war rabenfinster und die Gaslaternen brannten noch. Die Trambahnwagen hatten vorbeizurollen begonnen.

Angenehm kühlend drang die kalte Dezemberluft herein. Der Schnee lag schwer auf dem Fensterbrett, es war eine Erquickung, die Hände hineinzustecken.

»Die Herren befehlen?«

Johansson, der, halbdöselnd und graugelb im Gesicht, die ganze Nacht hindurch aufgewartet hatte, war leise in das Zimmer getreten.

»Whisky, Johansson, und frisches Sodawasser und ein paar Schachteln Zigaretten! Oder will jemand von euch Schampus?«

»Ja, ich glaube, ich möchte ein Glas Champagner, wenn es geht«, bemerkte Großhändler Palmér aus der Tiefe seines Fauteuils. »Fühle mich bißchen zu ranzig für Whisky.«

»Also Johansson: Whisky, Sodawasser, Zigaretten und Schampus. So rasch wie möglich!«

Der Kellner verschwand.

»Ja, es war das reine Satansglück, das ich hatte!« fuhr Leutnant Axberg fort. – »Höre, Trollius, ich möchte mal mit dir reden.«

Sie gingen in eine Ecke des Zimmers, während Großhändler Palmér schweigend an seiner Zigarre weiterpaffte.

Die drei Herren hatten einander nach dem Theater zufällig in dem oberen Speisesaal der »Stadt Hamburg« begegnet. Es war eine ältere Bekanntschaft und sie beschlossen gemeinsam zu soupieren. Das Essen war gut, der Bordeaux vortrefflich und nach dem Kaffee und Punsch hatte einer – es war wohl Axberg vorgeschlagen, ein bißchen Karten zu spielen. Sie waren nach diesem Hotel gegangen und hatten in einem Privatzimmer fortgesetzt, – bloß mit Unterbrechung einiger Butterbrote mit Schnaps und Bier um die dritte Morgenstunde und der beständigen üblichen Proste.

Es wurde Einundzwanzig gespielt und das Spiel war hoch gegangen. Axberg hatte von Beginn an ein wahnsinniges Glück. Was er auch ansagte, brachte Erfolg. Hatte er einen König, so kam ein Achter oder mindestens ein Siebener; das As paarte sich ihm auf die liebenswürdigste Art und von 14, 15, 16 aus kaufte er regelmäßig 21.

Großhändler Palmér war noch glimpflich weggekommen; er hatte in der letzten Stunde einen großen Teil seines ursprünglichen Verlustes zurückgewonnen und gab an, neunhundert Kronen verloren zu haben.

Viel ärger stand es um Trollius, einem Kandidaten der Medizin, der erst tags zuvor ein zu Studienzwecken gewährtes Darlehen von 6000 Kronen bei der Reichsbank behoben hatte. Zwei reiche Verwandte und ein Professor in Lund hatten es gezeichnet. Er sollte zwei Jahre von diesem Gelde in Berlin leben. Und jetzt waren ihm genau 400 Kronen übriggeblieben.

»Höre, Trollius!« begann Axberg, ein wenig verworren, aber in herzlichem Ton. »Es war ja des Teufels, was ich gewonnen habe. Und gerade das meiste von dir. Der Quarteronjude hat ja fast alles wieder zurückgewonnen. Ja, verzeih, aber wolltest du nicht mit dem Geld nach dem Ausland reisen, ein Jahr nach Berlin oder wie doch? Du bist doch nicht beleidigt, aber willst du es nicht zurückhaben? Zum Kuckuck auch, ausborgen, können wir ja sagen … Es sagt mir nicht zu, Kameraden auf diese Art zu berappen, der Henker auch!«

»Danke sehr,« erwiderte Trollius mit etwas belegter Stimme, »aber das will ich wirklich nicht. War ich dumm genug, das Geld zu verspielen, das ja streng genommen nicht mein eigenes war, so ist das meine Schuld und keines anderen. Ich muß meine Suppe selbst auslöffeln. Nein, danke dir vielmals. Wir wollen jetzt einen Whisky nehmen, da er vor uns steht.«

»Ja, ein Whisky wird gut tun; sag' mir aber doch …«, schob Axberg ein, wurde jedoch von Trollius mit einem »Prost!« unterbrochen.

Sie tranken. Großhändler Palmér sah auf seine Uhr.

»Wollen wir noch ein Partiechen machen?« fragte er.

»Nein, den Satan auch!« erwiderte Trollius. »Mein Pech ist zu groß. Die vierhundert, die ich übrig habe, bin ich übrigens jemandem schuldig, dem ich noch heute zahlen will.«

Axberg schwieg, tat einen tiefen Schluck aus seinem Whiskyglas und zündete eine Zigarette an. Durch das geöffnete Fenster drang in kurzen Stößen die kalte Luft des Wintermorgens. Eine Trambahn rasselte vorbei und plötzlich erscholl das Dröhnen von Waggons und ein schrilles Pfeifen vom Bahnhof her.

»Da ist der Berliner Zug aus Stockholm angekommen«, sagte Palmér.

»Berlin, Berlin! Hurra!« schrie Axberg plötzlich wie närrisch auf. »Hurra, hip, hip, hurra! Ich hab' einen Plan. Ich hab' heute nacht sechstausend Kronen gewonnen. Das ist unchristlich, das ist ungerecht; ich will das Geld nicht haben. Auch Trollius will das Geld nicht haben. Was zum Kuckuck sollen wir mit dem Geld machen? Meine Herren, ich habe das Vergnügen, Sie zu einer Reise nach Berlin einzuladen. Das heißt, eigentlich sind Sie es, die einladen, und ich der, der dankt!«

Im nächsten Augenblick hatte er geklingelt.

»Johansson, ich möchte bezahlen! Ja so, da ist die Note: zweiundvierzig Kronen. Hier, bitte, Johansson, fünfzehn schöne Fünfer und zerreißen Sie sie in Gesundheit. Na, schon gut, Johansson … und – hallo! Bitte, telephonieren Sie nach dem Bahnhof …«

»Staatsbahnhof, Herr Leutnant?«

»Jawohl, und bestellen Sie drei erste nach Berlin …«

»Nein, höchstens zwei,« unterbrach Palmér; »ich kann nicht mitkommen.«

»Selbstverständlich kannst du mitkommen. Du mußt mitkommen. Drei Billetts erster nach Berlin, Johansson …«

»Ich kann nicht mitkommen, Axberg. Wir haben morgen bei der Gesellschaft Revision. Es ist Dezember und alle sind nicht solche Tagediebe wie die Herren.«

»Still, Palmér!« sagte Axberg. »Willst du nicht mithalten, so magst du dich selbst versorgen! Aber Trollius muß unbedingt mit mir nach Berlin fahren und wenn ich ihn als Leiche in meinem Koffer mitnehmen müßte. Johansson, also zwei erster …«

»Einen Augenblick, lieber Axberg! Ich habe wohl Lust, mit dir nach Berlin zu fahren, – ob es nun dieser hinterlistige Morgenwhisky ist oder nicht, müssen andere Doktoren entscheiden – aber zurückzahlen kann ich dir das Geld nicht, ehe …«

»Willst du den Mund halten, du Pechvogel! Da hab' ich dich ausgeraubt wie ein Doppeljude und du sprichst von bezahlen – schäm' dich, Kerl! Johansson, zwei erster, und laufen Sie, Mensch! Kaufen Sie sie selbst, wir kommen nach; hier ist Geld. Fort mit Ihnen, Johansson!«

Johansson schoß davon. Er war ein alter Kellner und an plötzliche Oberklasseneinfälle gewohnt.

»Trollius, du hast ja deine Sachen hier im Hotel. Die müssen für uns beide reichen, ich habe keine Zeit zu packen. Du siehst, du kommst auf alle Fälle nach Berlin. Die Vorsehung führt dich, Trollius! Rasch den Überrock an; wir haben nicht mehr als zehn Minuten Zeit … Portier, Doktor Trollius' Sachen sollen mit dem Berliner Zug aufgegeben werden, und zwar augenblicklich, expreß, telegraphisch – Sie verstehen? Vorwärts, Trollius; Zeitungen kaufen wir uns auf dem Bahnhof …«

Zehn Minuten später sahen John Axberg, Leutnant beim Husarenregiment des Kronprinzen, und Gustav Trollius, Kandidat der Medizin, Malmö unter einem grauenden, rußigen, von den Gaslaternen noch gelbgefärbten Himmel verschwinden.

Beide waren feierlich mit Frack, weißer Krawatte und Zylinder angetan.

Der Zug schaukelte dahin über die winterlich gefrorenen und nebligen südschonischen Felder. Da und dort stieg Rauch aus einer Fabrik empor zum Dämmerhimmel. Plötzlich waren sie in Trälleborg und wurden auf eine der weißen Stahlfähren bugsiert.

Um halb neun des Abends stiegen sie nach einer langen Fahrt durch das sandige Brandenburg auf dem Stettiner Bahnhof aus und eine Stunde später hatten sie im Zentral-Hotel in der Friedrichstraße Zimmer bestellt.

Nach einer weiteren halben Stunde saßen sie bei der Mahlzeit im Speisesaal des Hotels, immer noch im Frack des gestrigen Tages, aber in neuen Hemden von Wertheim und neuen schönen Schuhen.

Das Abendessen war vorüber, der Wintergarten folgte, Um halb ein Uhr stiegen zwei befrackte Herren vor Maxim in der Jägerstraße aus einem Automobil und ertranken dort in einer Woge leichter Berliner Damen.

Drei Tage verrannen. Das Geld desgleichen. Am Morgen des vierten Tages frühstückte man bei Hiller, Unter den Linden.

»Höre, Trollius«, sagte Axberg. »Dieses Berlin ist teuer, du!«

»Das sagte ich dir ja«, erwiderte Trollius. »Jetzt mußt du es auskosten. Du weißt, ich wollte …«

»Mund gehalten, Trollius! Ich sagte dir soeben, Berlin sei teuer. Warum ist es teuer? Nanu, weil man Geld ausgibt und keines verdient; daher ist es teuer, siehst du! Prost!«

»Prost! Ja, darin hast du ja recht …«

»Ja, und wie zum Kuckuck sollen wir in Berlin Geld verdienen, Trollius?«

»Tja?«

»Sollen wir Einbruch begehen, fälschen, einen Mord verüben, falsch zeugen, lästern? Nichts damit! Darum habe ich einen Plan, Trollius!«

»So, so!«

»Ja, sieh mal, ich habe noch zwischen drei- und viertausend Kronen. Weißt du, wozu ich die anwenden will? Ich weiß es, verstanden? Wir wollen nach Monte Carlo reisen und alles zurückgewinnen!«

»Du bist verrückt, rein verrückt, du närrischer Axberg! Spielen, ja freilich, und von dem Konsulat heimgeschickt werden! Nein, danke! Fahre du, aber sei so gut, mir das Nötige für die Heimreise zu leihen. Ich kann nicht …«

Still, Trollius! Iß, trink und sei guter Dinge. Und nicht einen roten Heller kriegst du für die Heimreise. Du wirst mit mir nach Monte Carlo fahren und meine kalte Leiche obduzieren. Und im übrigen, – wir werden gewinnen. Siehst du, die Sache ist die, daß ich in Roulette nicht verlieren kann.«

»Ja natürlich, das sagen alle solche Esel wie du, Axberg – na, du verzeihst; und …«

»Und übrigens, jetzt still, denn hier sind die Fahrkarten für uns beide. Ich habe sie vor zwanzig Minuten bei Cook gekauft. Du wirst doch wohl das Geld nicht hinausschmeißen wollen, Trollius. Es ist dein Geld, soviel ich weiß!«

Desselben Tages reisten die beiden Herren in besonders aufgeräumter Laune nach Monte Carlo.

In Monte Carlo stiegen sie in einem kleinen, zumeist von Ungarn und Deutschen bewohnten Hotel ab: Hotel de Russie.

»Siehst du, das heißt sparen, Trollius. Personen in unserer Stellung können nie sparsam genug sein. Aber ein Lunch zu essen, können wir uns leisten, das kommt nicht in Frage; und der Quarteronjuden soll nach der Revision eine Ansichtskarte haben.«

Sie aßen im Hotel zu Mittag, der Sekt floß und an den Quarteronjuden ging eine Ansichtskarte ab.

Man ging nach dem Kasino.

Es ergab sich jedoch, daß es nicht so leicht war, Eintritt zu erhalten, wie Axberg gedacht hatte. Sie waren an einen ungewöhnlich brummigen Kommissariatsbeamten geraten.

» Ces Messieurs haben keinen Paß. Empfehlungen? Keine Empfehlungen? Es tut uns leid, Messieurs, aber es ist unmöglich. Wenn Sie sich Referenzen verschaffen können …«

Und Achselzucken.

Der Nachmittag verging mit Grübeln, das endlich abends von dem Hotelwirt gelöst wurde.

»Ist in einem Augenblick geschehen, meine Herren«, sagte er und schrieb etwas auf eine Visitenkarte.

»Hör' mal, Trollius«, sagte Axberg. »Du verstehst wohl, was das hier bedeutet?«

»Nein, mein Bruder, ich verstehe nichts; außer das eine, daß wir uns auf eine verdammt dumme Expedition eingelassen haben. O Vaterland, o Schweden! …«

»Still, Trollius! Verstehst du nicht, was dies bedeutet, so bist du vernagelt! Sie haben Angst, begreifst du wohl! Und setzt sollen sie's zu spüren kriegen!«

Am nächsten Tage wurden die Eintrittskarten bewilligt und die beiden Herren zogen in den ersten Saal ein.

Trollius ergriff das Spielfieber sogleich beim Rattern der Kugeln. Er wollte beim ersten besten Tisch beginnen.

»Nein, siehst du, Trollius, wir wollen uns einen sympathischen Chauffeur aussuchen oder wie zum Kuckuck sie heißen. Das ist außerordentlich wichtig, weißt du.«

Sie gingen von dem einen grünen Tisch zum anderen. Plötzlich blieb Axberg stehen.

»Da, Trollius, der da! Hast du je ein sympathischeres Gesicht gesehen? Rotblond wie Gustav Adolf und ziemlich fett; und wie gemütlich er aussieht, ganz wie der alte Kellner im Königspark. Gu'n Tag, Onkel! Bitte, Onkel, wollen Sie mal hundert Franken auf einundzwanzig setzen? Oui, cent francs en plein sur vingt-et-un! Merci!«

»Bist du toll?« keuchte Trollius, »hundert Franken – wir haben ja nicht mehr als ein paar tausend, – Axberg, – Mensch …«

»Warte und sei still, o Trollius!« beschwichtigte Axberg.

Die Kugel hatte die Hand des Croupiers verlassen und schwirrte rundum, rundum in der Scheibe. Sämtliche Gesichter um den Tisch, rote, bleiche, schweißige, trockene, alte und junge, folgten ihr mit starren Blicken.

Klick, fiel sie hinab in ein Loch.

» Vingt-et-un, rouge, impair et passe«, sagte der Croupier.

Sie hatten gewonnen.

»Hör' nun, Trollius,« sagte Axberg, »gewonnen haben wir zwar, aber womit hatte ich bloß immer in Malmö solch ein Glück bei Einundzwanzig? Werd' nun nicht böse, war es nicht König und acht? Ja, mir schien es so. Hören Sie nun, Chauffeur, bitte, schieben Sie hundertachtzig Franken auf dreizehn – siehst du, Trollius, das ist so viel wie ein König – und geben Sie mir dann den Rest! Oui, neuf louis pour treize, et le reste à moi. Merci

Wieder sauste die Kugel aus der Hand des sympathischen alten Croupiers und die Luft widerhallte von Trollius' Vorwürfen.

»Hör' nun auf! Warum hast du nicht aufgehört, Axberg? Wir wollen abreisen, dann haben wir ja mehr als dreitausend Franken gewonnen. O Axberg, Narr du …«

» Treize, noir, impair et manque«, verkündete der Croupier und Axberg zog ruhig sechstausend Franken in Scheinen und Gold ein.

Ein Stuhl wurde frei und er setzte sich, trotz der Proteste des halbbetäubten Trollius.

»Was braucht man nun zu einem König? Eine Acht, ich dacht' es wohl. Onkelchen, neun Louis auf acht! Darf ich um die Büchse bitten, la boîte; bitte sehr, Herr Oberchauffeur« – dies an le chef de table, der die Trinkgeldbüchse der Croupiers handhabt – »sehen Sie hier, ein gelbes Kanarienvögelchen! Wollen Sie vorliebnehmen! So, so, es ist gekommen, natürlich, ich wußte es ja!«

Denn der Croupier hatte soeben: » Huit, noir, pair et manque!« ausgerufen und Axberg sah sich als den Besitzer weiterer 6000 Franken.

»Wie verteufelt langsam man bei diesem Spiel Millionär wird, mein guter Trollius! Gott sei Dank gibt es solch klare und bestimmte Regeln darin. Immer von oben anfangen, das ist die Grundregel, Onkelchen; bitte, Onkelchen, neun Louis auf einundzwanzig und sechstausend auf Rot.«

»In Himmels Namen, Kerl, Axberg, John – Jesus, hör' auf, nimm's zurück; sechstausend und wieder einundzwanzig! Bist du verrückt?« sturmflüsterte Trollius; und mit unerschütterlich ruhiger Stimme verkündete der alte Croupier wiederum:

» Vingt-et-un, rouge, impair et passe

Ohne eine Miene zu verziehen, strich Axberg seine zwölftausend Franken ein und steckte vierzig davon in die kleine Büchse.

Er erhob sich von seinem Stuhl.

»Wohin geht Onkelchen nachher? An den nächsten Tisch?«

» Table six, monsieur«, erwiderte le chef de table; denn die Croupiers selbst dürfen nicht sprechen. » A droite, monsieur, dans la salle intérieure. Au revoir, monsieur!«

»Danke, Herr Oberchauffeur! Komm, Trollius, wir wollen ein Schlückchen machen. Wir haben es uns verdient. Übrigens haben wir mehr verdient; irre ich nicht, so sind es beinahe dreißigtausend in blauen Scheinen. Denk' bloß, in Schweden sind die Tausender rot, das geht so wie mit unseren Nasen, Trollius, zuerst rot, dann blau. Jetzt wollen wir was trinken.«

Sie tranken, und Trollius bat Axberg auf den Knien, aufzuhören. 30 000 Franken! Gott, ein Gewinst, das Lösegeld eines Königs – eine Schenkung für einen ganzen Amtsbezirk!

»Still, Bruder, und trink' aus! Wir gehen jetzt zurück zu Onkelchen. Heut abend gibt's ein feines Souper und dann reisen wir über Paris heim; aber zuvor müssen wir die Bank sprengen. Das hab' ich mir in den Kopf gesetzt. Ruhig, Trollius! Es ist nun mal so: ich kann in diesem Spiel nicht verlieren.«

Und obwohl Trollius mit langen Flüchen protestierte, wurde er in den salle intérieure hineingezogen, wo der alte Croupier an Tisch Nummer 6 thronte.

»Guten Tag wieder, Onkelchen! Machen Sie's nun gut, dann sollen meine gelben Kanarienvögel Ihnen was singen. Wir beginnen mit sechzehn. Ja freilich, hundertachtzig Franken. Wie viele Male, o Trollius, quousque tandem, habe ich nicht mit sechzehn vorliebgenommen, während du mich törichterweise mit achtundzwanzig zu strafen gedachtest. Ja, ganz richtig, Onkelchen, sechzehn hier ist Rot und pair und manque, wie Sie in Ihrem gottlosen Dialekt sagen; darf ich Sie bemühen, sechstausend zu setzen, auf Rot, auf pair und manque! Und jetzt hör' mal, Trollius, nun magst du aufpassen, was Onkelchen sagt.«

» Seize, rouge, pair et manque!« rief der Croupier, diesen redseligen Herrn mit seinem diabolischen Glück selbst voll Bewunderung betrachtend.

» Très bien, très bien, Onkelchen; geben Sie mir den Gewinst und lassen Sie den Rest stehen! Sechzehn genügt für mich; ich bin ein armer Bursche. Und hier sind fünf kleine gelbe Sänger für Onkelchens kleinen Käfig – bitte!«

Sechzehn kam weitere drei Male und beim drittenmal trat le chef de table mit einer Verbeugung hervor und erklärte, das Spiel müsse leider für eine Sekunde unterbrochen werden. Die Kasse sei leer, die 80 000 Franken, die an jedem Tische täglich ausbezahlt würden, seien zu Ende. Aber Monsieur würde sogleich bezahlt werden.

»Siehst du, Trollius,« sagte Axberg, »jetzt haben wir die Bank gesprengt, jetzt scher' ich mich den Kuckuck drum, weiterzuspielen. Nun begeben wir uns zum Mittagsmahl. Aber zuerst gehe ich hinaus zu diesen Brummbären im Kontor und rede französisch mit ihnen, so daß alle sich wundern sollen. Sie hatten ganz recht, daß sie bange vor mir waren.«

Und dasselbe erklärte er auch in fließendem Französisch den Herren vom Kommissariat, während er seine und Trollius' Karte zurückgab.

»Sehen Sie, Messieurs, jetzt haben wir die Bank gesprengt, jetzt reisen wir wieder heim und danken recht schön. Eigentlich hatten wir nicht vorgehabt, mehr als einige Tausend zu gewinnen, aber wenn Sie Quengeleien machen und uns nicht einlassen wollen, so haben Sie es sich selbst zuzuschreiben. Die Rote Wolke hat gesprochen. Gute Nacht, Messieurs!«

Axberg und Trollius mittagmahlten im großen Speisesaal des Hotel de Paris. Beim Dessert holte Axberg seine Brieftasche hervor, die nun geschwellt war von raschelnden blauen Tausendern, zählte nach und schob Trollius fünfzig Stück hinüber.

»Bitte, Bruder Trollius,« sagte er, »wir teilen so ziemlich zu gleichen Teilen, pair, und schönen Dank für das geliehene Kapital! Siehst du, es war eigentlich kein Risiko, denn in diesem Spiel kann ich nicht verlieren. Wenn aber ich die Geschicklichkeit geliefert habe, so hast du das Kapital vorgestreckt, – also keine Einwände! Jetzt trinken wir unsern Schampus aus, denn der Zug nach Paris geht um dreieinviertel Uhr. Prost! Dort können wir uns dann mit gutem Gewissen amüsieren.«


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