Friedrich Hebbel
Ein Trauerspiel in Sicilien
Friedrich Hebbel

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Siebente Szene.

Ein Bauer (tritt auf mit einem Korbe).
                                    Holla! Beweis genug!

Herr Gregorio. Wo kommst du her?

Der Bauer.                                         Aus jenem Baum! Ich saß
Hoch oben in der Krone!

Ambrosio.                                 Nun ist's aus!
Mir fehlt's am Stein, der unsichtbar mich macht!
So kam das O von dem!

Herr Gregorio (zum Bauer).     Nun?

Der Bauer.                                           Zieht dem Langen
Die Stiefel ab! Ihr werdet Ring und Kette
Des Mädchens darin finden!

Herr Gregorio.                             Also der?

Der Bauer. Und der, jawohl! Die beiden!

Herr Gregorio.                                           Weiter, weiter!
Wie kamst du in den Baum?

Der Bauer.                                   Du lieber Gott!
Ich hatte mir ein bißchen Obst geholt
Aus einem Garten, der nicht meiner war,
Und da ich hier die Wächter stehen sah,
So kroch ich, um den vielen Fragereien
Mich zu entziehn, hinauf. Nun kam das Mädchen;
Und was mit der geschah, das seht Ihr selbst.
Du armes Kind, ich konnte dir nicht helfen,
Es war kein Mensch zu hören, noch zu sehn!
Ich wäre fast im ersten Schreck gestürzt,
Mein Korb entglitt mir, doch zu meinem Glück
Fing ich ihn wieder auf, sonst wär' ich selbst
Den Bösewichtern in die Hand gefallen –

Ambrosio. Und wüßtest jetzt, ob Petrus sich rasiert!

Der Bauer. Dann ward ich starr und steif und konnte kaum
Ein Glied noch rühren, ja ich hatte Mühe,
Nicht einzuschlafen, denn mir war zumut,
Als hätte ich in meinem ganzen Leibe
Nicht einen Tropfen warmen Blutes mehr!

Bartolino (zu Ambrosio). Du siehst, wenn ich es nicht verraten hätte –

Ambrosio. Ich seh, die Tat war im voraus verflucht,
Und was verloren ist, das ist verloren,
Sprach Bonaparte auf Sankt Helena!
Nun, der hat auch daran gemußt, wie ich.
        (Zu Herrn Gregorio und Anselmo.)
Ich tat's, der Lump hat keinen Teil daran,
Ich meine diesen, der hier bei mir steht,
Seht nach, sie kann nur eine Wunde haben,
Die ist von mir, nun macht, was euch gefällt!
Ich bin Soldat, mir wird ein Tod durchs Schwert,
Wie schnell der kommt, das sah ich ja (deutet auf die Tote) an der!

Sebastiano (will Ambrosio das Schwert entreißen).
Hund!

Ambrosio.     Halt! Du bist nicht zünftig! In Palermo!
Und das mit allem Pomp, der sich gebührt!

Anselmo (zu Sebastiano).
Wie konntest du nur –

Sebastiano.                         Weil ich sterben wollte,
Und weil sie, wär' ich früher hier gewesen – –
Da liegt's! Da liegt's! Ich trag' die größte Schuld!

Anselmo. Du darfst nicht sterben!

Sebastiano.                                     Nicht?

Anselmo.                                                       Ich bin ein Bettler,
Und brauche jemand, der – verstehst du mich?
Hast du mein Kind geliebt, so zeig' es jetzt,
Indem du ihre Pflichten übernimmst!

Sebastiano. Ein Bettler? Ihr?

Anselmo.                                 Dem Alten da gehört, –
Aus falscher Scham hab' ich's bisher verhehlt –
Was ich besitze, und er jagt mich morgen,
Weil ich ihm nicht die Frau mehr liefern kann,
Aus meinem Haus und macht's zum Pferdestall.

Herr Gregorio. Das tu' ich! Doch ich glaub', ich tät' es nicht,
Wenn Ihr –

Anselmo.             Schweigt still! Hätt' ich die Tochter noch,
So wär' ich nicht verlassen!

Sebastiano.                                   Ganz gewiß nicht!
Ihr sollt's auch jetzt nicht sein, ich werde leben
Und Euch beweisen, daß ich Brot für zwei
Zu schaffen weiß; eßt es, so lang Ihr könnt,
Es wär' wohl auch für drei genug gewesen,
Doch seid gewiß, daß Eure Todesstunde
Auch meine sein wird!

Herr Gregorio (zu den Soldaten).
                                      Auf nun nach Palermo! –
Wie gählings kommt der Tod!

(Schüttelt sich.)


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