Friedrich Hebbel
Ein Trauerspiel in Sicilien
Friedrich Hebbel

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Dritte Szene.

Ambrosio und Bartolino (kommen zurück.)

Ambrosio. Nun kommen wir nicht mehr zu früh ans Tor.
Wenn du nur Geld hast!

Bartolino.                             Keinen roten Heller.
Ich habe meinen Schuster heut bezahlt,
Und das für Stiefel vom vergangnen Jahr!

Ambrosio. So gibt's noch Zank. Wenn ich nicht trinke, zank' ich!

Bartolino. Ei was, wir können wen besuchen gehn.

Ambrosio. Den Brunnen auf dem Markt, ja wohl!

Bartolino.                                                             Warum nicht?
Man trifft dort manche hübsche Magd!

Ambrosio.                                                     Die Dirnen
Verschlechtern sich, wie alles übrige,
Sie geben nur noch Küsse, her, kein Geld.
Wo find' ich eine, wie ich eine hatte,
Die für mich stahl, bis sie ins Zuchthaus mußte,
Und noch im Zuchthaus Strümpfe für mich strickte!
Das tat die Laura nicht für den Petrark'.
Der Teufel soll mich holen, wo ich nicht
Noch heute abend trinke auf ihr Wohl!
Das war ein Schwur! Sie hat's um mich verdient!

Bartolino. Könnt' ich nur Flöte spielen! Mit der Flöte
Ist man willkommen, wo es Lust'ge gibt.
Man sollt' es eigentlich als Mensch schon können,
Damit man doch vom Tier sich –

Ambrosio (bemerkt Angiolina).               Wer ist da?
Was horcht man? Was verkriecht man sich?

Bartolino.                                                               Ein Mädchen!

Ambrosio. Kennt man uns nicht? Wir fragen für den König!
Respekt der Uniform! Woher? Wohin?
Was schweigt man still?

Bartolino.                               Wie die herausgeputzt ist!

Angiolina. Ach Gott, ihr Herrn –

Ambrosio.                                     Man geht auf bösern Wegen!
Wir wissen's schon! Allein man kommt nicht weit,
Es gibt noch manchen Schlagbaum vor der Hölle!

Angiolina. Wie wird's mir gehn? Die hat mein Vater sicher
Hieher bestellt!

Ambrosio.                   Ja freilich hat er das!

Angiolina. Das ist doch schändlich!

Ambrosio.                                           Schändlich?

Angiolina.                                                                   Hätt' er mich,
Wenn er was merkte, statt mich zu beschimpfen,
Denn nicht im stillen –

Ambrosio.                             Her das goldne Kreuz!
        (Reißt ihr das Halskreuz ab.)

Angiolina. Ich wußte nicht, warum er heut so lustig,
So ausgelassen war, so ganz wie damals,
Als sich Sebastian den Arm gebrochen,
Und es im Anfang hieß, es sei der Hals.
Ich fürchtete – nun seh' ich wohl, warum!
Du großer Gott, verdien' ich's –

Ambrosio.                                           Und den Ring!
        (Zieht ihr den Ring ab.)
Den Finger ausgestreckt! Sonst tut's ja weh!

Angiolina. Ich habe nie gesagt, wie er mich martert,
Ich habe mich geschämt und still geweint,
Nun wird man mit dem Finger auf mich zeigen:
Dort geht die Schwester vom verlornen Sohn!

Ambrosio (reißt ihr ein Kästchen aus der Hand).
Was steckt in diesem Kästchen? (Zu Bartolino.) Sieh dich um,
Ob niemand kommt! (Zu Angiolina.) Ei, ei, die Silberspangen!
        (Zu Bartolino.)
Kein Mensch? (Zu Angiolina.) Sie stehen mit auf unsrer Liste!
Wo ist das bare Geld?

Angiolina.                             Das bare Geld?
So hat mein Vater –

Ambrosio.                         Nun, wie sollt' er nicht?
Bis auf den Pfenning hat er –

Angiolina.                                       Großer Gott!
Konnt' er's so ganz vergessen, daß sein Kind
Auch dein Kind ist?

Ambrosio (zu Bartolino).   Tybaldo, nimm's ihr ab!
        (Heimlich.)
Sprich: Ja, Antonio!

Bartolino.                         Ja, Antonio!
        (Für sich.)
Das ist ein – Ja, ob der in Algier war!
Der könnte auf dem Mond gewesen sein
Und einen Stein herabgeworfen haben,
Dem größten Potentaten auf das Haupt!
        (Zu Angiolina.)
Die Börse her!

Angiolina.                 Ich habe keine Börse!
Und glaubt, ihr Herr, mein Vater ist mein Vater;
Doch, wenn er sagt, ich hätt' ihm was genommen,
So tut er's nur, weil er erbittert ist.
Die Kette ist von meiner armen Mutter,
Sie hing sie auf dem Krankenbett mir um.
Das war ein Tag – o Gott, wie weinte ich,
Als sie es tat! – es war mir ja ein Zeichen,
Daß sie vor Augen ihren Tod schon sah.
Den Ring hat mir mein Vater selbst geschenkt,
Er war mir wert, wie sollt' er es nicht sein!
Jetzt durfte denken, wenn ich ihn beschaute:
Dein Vater hat dich auch einmal geliebt!
Die Spangen sind von meinem Bräutigam,
Er hat gedarbt, daß er sie kaufen konnte,
Wie hätte ich sie wohl zurückgelassen,
Sie sind mir heilig, wie's die Kette ist!

Ambrosio. Das hört sich recht gut an!

Angiolina.                                             Nur, weil es wahr ist!
Ihr Herrn, seht mich an, ich weiß ja selbst,
Was ich getan, als ich – nur schließt nicht draus,
Ich sei ein unbesonnen-leichtes Mädchen,
Bei meiner Mutter Grab, ich bin es nicht!
Mir war von jeher, aus dem Fenster schauen,
So viel, wie andern, auf die Straße gehn;
Schließt auf die Qualen draus, die ich ertrug,
Und auf die größeren, die meiner harrten!

Ambrosio (zu Bartolino).
Wenn dir's am Strick fehlt, einen aufzuknüpfen,
So zupf ihm aus dem eignen Mund den Hanf.
Gibt acht, wie man das macht! (Zu Angiolina.) Ich hab' als Mensch
Zwei Ohren, links und rechts, das zeigt mir an,
Daß ich von links und rechts die Stimmen hören,
Und mit dem Hirn, das in der Mitte liegt,
Sie unparteiisch dann vergleichen soll.
Erzählt mir mehr denn vom Warum und Wie,
Damit ich sehe, wer gelogen hat,
Wer weiß, auf welche Seite ich mich schlage!

Bartolino. Den könnt' ich küssen! Hätte mich der Wind
Doch auch – Wer wär' nicht gern ein Kerl wie der!

Ambrosio (zu Angiolina.).
Nun? Ohne Furcht!

Angiolina.                       So sagt doch selbst, ihr Herrn,
War es ein väterlicher Schwur, mich lieber
Im Würfelspiel den trunkenen Soldaten,
Wie's wohl mit Hund und Lamm geschieht, zum Preis
Zu setzen, als Sebastian mich zu geben? –
Beim ew'gen Gott, es war nicht väterlich!

Ambrosio. Die Väter sind zuweilen etwas seltsam,
Wie ging's mir mit dem meinigen! (Zu Bartolino.) Er sprach:
Kauf' mir den Segen ab, verdammter Bube,
Damit ich mich einmal betrinken kann,
Sonst gebe ich dir meinen Fluch umsonst!
        (zu Angiolina.)
Nun, der Sebastian –

Angiolina (heftig).               Wenn ihr ihn kennt,
So werdet ihr nichts Schlimmes von ihm sagen,
Mein Vater selbst, ich zweifle, ob er's tut!

Ambrosio. Er will ihn aber nicht zum Eidam, will nicht,
Daß seine Enkel Nasen tragen sollen,
Die an Sebastians Nase ihn erinnern,
Er ist nun einmal im Geschmack kurios.

Angiolina. Er will ihn nicht zum Eidam, weil er arm ist!
Sind wir denn reich? – Und will Sebastian
Denn mehr, als mich? – Hat er nicht oft gesagt:
Gebt mir die Tochter, seht, zwei Hände hab' ich,
Und sie nur einen Mund. Das übrige
Verschenkt, wohin Ihr wollt. Wenn's Euch gefällt,
Davon der Mutter Gottes einen Altar
Zu stiften, seid gewiß, wir werden kommen,
Daran zu beten für Eu'r Seelenheil!

Ambrosio. Ein frommer Bursch! (Zu Bartolino.) Den untern Tisch zu saufen
Und dann vor eine Kirchentür zu legen,
Das müßte eine Götterwollust sein!
Ich möchte ihn im Katzenjammer sehn,
Besonders, wenn es just Karfreitag wäre!
        (zu Angiolina.)
Und dieser Vorschlag, rührte er den Vater?

Angiolina. Die Antwort war ein fürchterlicher Schwur!
Noch mehr! Es kam ein Feuer bei uns aus,
Und wäre nicht Sebastian gewesen,
So läge jetzt in Asche unser Haus.
Er tat das Übermenschliche, ich sah's
Mit Angst und Schaudern, aber auch mit Stolz,
Und reicht' ihm, als er nach vollbrachtem Werk
Mit glühnden Wangen und verbrannten Wimpern
An mir vorbeiging, öffentlich die Hand.
Er faßte sie und sah auf meinen Vater,
Der in der Ferne stand, doch dieser rief:
Wenn das zum Abschied ist, so mag es gehn,
Sonst aber wird's Herr Gregor sich verbitten,
Denn dieser wirbt um sie –ach, es ist wahr,
Der alte Mann ist plötzlich toll geworden! –
Und wenn du Dank von mir verlangst, so bau' dir
Ein Haus und ruf' mich, wenn es einmal brennt,
Ich werde kommen, meine Schuld zu tilgen!

Ambrosio. Sebastian nun, natürlich, stach ihn tot,
Das mußt' er tun, und wären ihm die Flügel
Schon halb heraus, womit er einst als Engel
Mich schamrot machen wird am jüngsten Tag!

Angiolina. Sebastian wurde bleich, daß mich's entsetzte.
Dann sagte er: Du hörst! und sah mich an;
Ich nickt' ihm zu und flüsterte: am Kreuz!
Er spreizte sieben Finger aus und ging.
Den tags zuvor schon hatt' er so gesprochen:
Auf gradem Wege wird es nichts mit uns,
Drum laß uns nicht mehr vor dem krummen schaudern;
Wenn du nur willst, so sind wir Mann und Frau,
So schnell ein Pfaff uns dazu machen kann,
Ich kenne einen, der den Dienst mir leistet,
Nur kommt er nicht zu mir, ich muß zu ihm.
Bist du einmal mein Weib, so kann dein Vater
Dir nichts mehr tun, als dir die Tür verschließen,
Was schadet das? Er schlägt dir dann den Arm
Nicht wieder lahm – er tat's, doch war's im Rausch! –
Das ist kein Unglück, darum folge mir!
Als er so sprach, daß schüttelt' ich den Kopf,
Doch, als mein Vater ihn mit Füßen trat,
Statt ihn, wie er's verdiente, zu umarmen,
Da nickte ich, und nun, nun bin ich hier!

Ambrosio. So kommt er auch?

Angiolina.                                 Was sollte ich sonst da?
Um sieben wollt' er kommen, doch sein Herr
Hält ihn wohl auf, wie immer!

Ambrosio (zu Bartolino).                     Hörst du das?

Bartolino. Ei wohl, und bin begierig, was du tust?

Ambrosio (zu Angiolina).
Sind Ring und Spangen und die Kette echt?

Angiolina. Sie sind's, doch sind sie drum nicht minder mein!

Ambrosio (zu Bartolino).
Was meinst du, geben wir's zurück?

Bartolino.                                                   Ist das
Die Weisheit aus Algier? Dann wär' der Spaß
Wohl besser unterblieben!

Ambrosio.                                   Du hast recht!
Wer weiß, ob die nicht dennoch plauderte!

Bartolino. Zu ihrem Bräutigam gewiß, und der
Legt's ernsthaft aus –

Ambrosio.                           Und wir, wir sind zu kennen!
Die Schmarre hier –
        (Zeigt auf sein Gesicht.)

Bartolino.                           Sie hat dich einmal schon
Verraten – denkst du noch an den Tabak?
Das ging vortrefflich mit der Schmuggelei!

Ambrosio. Wohl! Dieser Schmarre wegen muß sie dran!
Auch gibt es nächstens eine Musterung,
Da dürfen wir nicht ohne die Medaillen
Erscheinen, die wir jüngst für Wein versetzt;
Woher das Geld, sie einzulösen, nehmen?

Bartolino. Verflucht, daß wir uns ausgezeichnet haben,
Als es die Diebe einzufangen galt,
Das dringt uns jetzt verruchte Taten ab.

Ambrosio. So zieh'!

Bartolino.                   Zieh' du!

Ambrosio.                                   Ich nicht allein!

Angiolina.                                                               Ihr Herrn!

Ambrosio. Nun? Müßig Zusehn gilt hier nicht! Drauf los!
Denk' dir, sie habe dies und das getan!

Bartolino. Hei! Kinderköpfe und Algier!
        (Sie durchstechen Angiolina.)

Eine Stimme von draußen.                       O! O!

Angiolina (sterbend). Das – ist – ja schrecklich für Sebastian!
        (Stirbt.)

Bartolino. Ist das schon aus?

Ambrosio.                               Was war das für ein O?
Vernahmst du's nicht?

Bartolino.                           Die Erde hat geseufzt,
Das soll sie, wenn sie Blut trinkt, immer tun!

Ambrosio. Mir war, als käm' es aus der Luft!

Bartolino.                                                         So ist's
Ihr Geist gewesen, der noch – armer Geist!

Ambrosio. Wenn's nur kein Mensch war!

Bartolino.                                                 Sahst du einen Menschen?

Ambrosio. Fort! Fort! Doch nein! Mir fällt was Beßres ein!
Beiseite nur! Wir passen, bis der Bursche
Sie einstellt, der Sebastian, denn –

Bartolino.                                                 Man kommt!

Ambrosio. Er ist's! Der Mörder! Wenn es nur nicht zwei sind!
Jetzt hintern Baum!

Bartolino.                         Steht die nicht wieder auf?

(Beide ab.)


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