Friedrich Hebbel
Mutter und Kind (1)
Friedrich Hebbel

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Vierter Gesang.

                Abend ward es und Nacht, eh' Christian kehrte aus Holstein,
Denn die grimmige Kälte war umgeschlagen, es hatte
Tüchtig geschneit und die Wege verschüttet, da galt es, zu schaufeln,
Aber das tut der Bauer allein für die Posten des Königs.
Endlich rollt ein Wagen, er ist gar leicht zu erkennen
An dem muntern Geklingel der schellenbehangenen Pferde,
Vor dem Hause vorbei, und Magdalena, die längst schon
Ungeduldig geharrt und gespäht durch das niedrige Fenster,
Ruft ihm, mit hastigen Händen das eingefrorene öffnend,
Über die Straße entgegen: Ich muß dich heute noch sprechen!
Mit der Peitsche knallt er ihr lustig die Antwort herunter,
Und, durch diese Bewegung die Kruste vom Leibe sich schüttelnd,
Wird er wieder zum Menschen; bis dahin war er ein Schneemann.
Jetzt auch währt es noch lange, bevor er kommt, denn die Tiere
Wollen das Ihrige haben, und nicht dem eignen Besitzer
Würd' er sie anvertrauen, er muß sie selber besorgen.
Aber, nachdem er sie alle mit wärmenden Decken behangen
Und in die reinlichen Tröge den goldenen Hafer geschüttet,
Auch den Wallach, er ist es gewohnt, mit Kümmel erquickt hat,
Wechselt er rasch die Kleider und eilt, bevor er die Kammer
Mit dem Weihnachtsgeschenk auch nur betreten, hinüber,
Denn es ist ihm zu neu, sein Mädchen rufen zu hören,
Um nicht zu brennen, sogleich den Grund zu erfahren. Er trifft sie
Ganz allein in der Küche bei ihrer Lampe, die andern
Sind zum Tanz und die Zofe ist gar, wie sie's nennt, in Visite,
Und er verwundert sich sehr, sie unbeschäftigt zu finden,
Denn er sieht nicht die Schere und auch nicht die Nadel und dennoch
Kann sie, das weiß er, nicht atmen, so lange die Finger ihr ruhen,
Und sie beklagt es noch immer, im Hause nicht spinnen zu dürfen.
Aber, wie wächst sein Erstaunen, als sie, die Schämige, Scheue,
Gleich an den Hals ihm fliegt, und wieder und wieder ihn drückend,
Spricht: Du darfst mir nicht fort, dich sollen die Bären nicht fressen!
O, ich weiß es gar wohl, was über dem Meer dich erwartet,
Wenn du auch Wellen und Winden entgehst, die manchen verschlingen,
Und den Menschenverkäufern, die schlauer, wie ehmals die Werber,
Ihre Netze zu stellen verstehn, ich hab' es erkundet,
Denn noch nie ist das Herz mir bedrängt gewesen, wie gestern,
Und so nahm ich mir Zeit. Zu Tausenden liegen die Toten
An der Straße und weisen dich stumm zurück in die Heimat,
Wenn du sie aber verachtest, die schweigenden Warner, wie viele,
Und nur Zeichen des Weges in ihnen erblickst, die man ruhig
Hinter sich läßt, wie bei uns die Meilensteine, so wirst du
Endlich selber zu einem. Und kämst du auch wirklich ins Goldland,
Ohne vorher zu verhungern, und wärst so glücklich, die Ader
In der Erde zu treffen und auszubeuten, so wirst du,
Eh' du ein Schiff noch erreichst, von Dieben und Räubern erschlagen,
Denn der Teufel regiert, und einer tötet den andern,
Um nicht graben zu müssen und dennoch Schätze zu häufen!
Lache, so lange du willst, du machst mich wahrhaftig nicht irre:
Kalifornien ist der offene Rachen der Hölle,
Welcher sich plötzlich geöffnet, um Seele und Leib zu verderben,
Doch, was red' ich, du bleibst, und so ist alles vorüber!
Christian aber erwidert, sich ihren Armen entwindend:
Immer hab' ich dich sonst gefaßt und besonnen gefunden,
Hat denn deine Natur auf einmal sich völlig verändert?
Gehen werd' ich gewiß, doch hätt' ich dir's gern noch verborgen,
Um dir das Fest nicht zu trüben, allein der Schmied und der Tischler
Haben geplaudert, da wär' es dir dennoch zu Ohren gekommen
Und du hättest am Ende geglaubt, ich wollte dich täuschen,
Darum mußte ich's sagen. Nun aber rede nicht weiter,
Monde noch nennen wir unser, warum sie sündlich verjammern?
Nein, wir wollen sie ruhig in Frieden und Freude verbringen
Und in der Stunde der Trennung dem Vater im Himmel vertrauen,
Deinetwegen allein wird dieser mich segnen und schirmen!
Aber sie lächelt und spricht: Du brauchst nicht die Reise zu machen,
Um es bestätigt zu finden, es hat sich schon jetzt so erwiesen!
Siehe, ich flehte ihn an, die Prüfung, wenn auch nicht gänzlich
Mir vom Haupte zu nehmen, so doch in Gnaden zu wenden,
Und er hat mich erhört. Was sollte ich nun nicht ertragen,
Da du mir bleibst und mir hilfst! Es komme, was wolle, ich werde
Sicher nicht murren und klagen! Doch diesem wär' ich erlegen.
Aber du weißt ja noch nicht! Vernimm's und erstaune! Die Herrschaft
Steuert mich aus, und sie gibt auch dir ein reichliches Erbe.
Schüttle nur nicht mit dem Kopf, es ist so, wie ich dir sage,
Haus und Hof sind unser, sobald wir wollen, man wartet
Oben schon lange auf dich, so geh und höre das Weitre!
Aber der Jüngling versetzt, am Tische sich lehnend, wie schwindelnd:
Sind denn wirklich die Engel noch nicht von der Erde verschwunden,
Und was hab' ich getan, daß sie um mich sich bekümmern?
Doch, was frage ich noch! Nur deinethalben geschah es!
Soll ich denn alles in allem dir schuldig werden? Wie vieles
Hab' ich dir längst zu verdanken! Ich fühl' mich nicht besser, wie andre,
Und ich würde vielleicht, wie sie, im Taumel mich drehen,
Bis ich mich selber verlöre, wenn du nicht wärest! Für alles
Kommt der Tag der Versuchung. Das tägliche Leben und Treiben
Widert jeden, sobald ihn die Hoffnung verläßt, und sie wechselt
Gern, wie der hüpfende Vogel, den Baum. Da greift er zum Glase,
Um sich selbst zu betäuben, und hatten die Karten so lange
Feurige Ränder für ihn, die an den Teufel ihn mahnten,
Der sie zuerst gemalt und herumgegeben, so scheinen
Sie ihm plötzlich vergoldet und locken durch alle Figuren.
Siehe, da ist er geliefert, wenn nur noch Gottes Gebote
Ihm die Straße zur Hölle versperren, wenn Vater und Mutter
Ruhig im Grabe ihm schlummern, und noch kein sorgliches Mädchen
An die Stelle der beiden trat. Die Sterne des Himmels
Zittert der nicht, zu verfinstern, und wenn sie zu schrecklich ihm funkeln,
Schaut er nimmer hinauf, allein das Auge der Liebe
Ist gar leicht zu trüben und seinen ängstlichen Blicken
Kann sich keiner entziehn, da fühlt sich der Mensch denn gehalten!
So erging's mir mit dir. Ich hatte die Eltern verloren,
Und nun war ich gezwungen, an mich zu denken. Das hatte
Ich bisher nicht getan, es war mir genug, mit den Segen
Zu verdienen, mit dem ich als Knabe ihr Hüttchen verlassen,
Um dem Bauern das Vieh zu hüten, zuerst nur die Gänse,
Dann die Schweine und Schaft, und endlich die Ochsen und Kühe,
Und ich fühlte mich glücklich, für sie zu sorgen, auch hielt ich
Ihnen die Not von der Tür. Da raffte die tückische Seuche
Sie hinweg, und auf einmal war alles anders. Die Groschen
Blieben mir zwar, und ich konnte allmählich manches mir schaffen,
Was ich lange entbehrt, doch boten die Uhr und die Pfeife
Keinen Ersatz für das Lächeln der Mutter, womit sie mir's lohnte,
Wenn ich ihr gegen den Winter mit Bohnen und Erbsen die Truhe
Füllte, oder im Frühling zur Mastung ein Ferkelchen brachte.
Da begann ich zu rechnen, und leider mußt' ich's bejahen,
Wenn die Genossen mir sagten, mein Sparen bringe mich einzig
Um die Freuden der Jugend, und sichre mir doch nicht das Alter,
Höchstens könnt' ich den Doktor aus eigenem Säckel bezahlen,
Wenn ich einmal erkrankte, allein das danke mir keiner,
Den besolde die Stadt. So warf ich denn wirklich mein Flickzeug
Eines Sonntags beiseite, denn Sonntags flickte ich wieder,
Was ich zerriß in der Woche, und mischte mich unter die andern,
Um, wie diese es nannten, doch auch mal den Herrn zu probieren.
Wohl gekämmt und gebürstet, und blank in der Tasche den Taler,
Prunkt' ich daher, auch gefiel's mir, zuerst den Hafen zu sehen,
Wo die Masten so eng und so dicht zusammen sich drängen,
Wie die Spitzen des Schilfs bei uns in Gräben und Sümpfen,
Dann an dem Ufer der Elbe hinab zu spazieren nach FlottbeckFlottbeck, ein am Ufer der Elbe reizend belegenes Dorf; in Flottbeck: Bauers Garten als Kulminationspunkt.
Und die Schiffe zu zählen, die eben kommen und gehen,
Oder die Gärten, die bunt sich am breiten Flusse dahinziehn.
Gern bezahlt' ich auch mittags mein Essen, obgleich ich's zu Hause
Besser und billiger hatte, ich ließ mir's sogar noch gefallen,
Daß wir auch Kaffee tranken, ich wollte den Mäkler nicht machen.
Aber, als sie nun riefen: jetzt müssen wir karten und kegeln
Und den guten Likör daneben versuchen, da sprach ich:
Weiter halt' ich nicht mit! und ging, wie sehr sie auch höhnten,
Denn oft sagte mein Vater, es würde keiner die erste
Schenke betreten, der ahnte, in welcher Gestalt er die letzte
Einst nach Jahren und Monden verlassen würde, auch schlüpfte
Selbst der Gesunkenste schwerlich des Morgens hinein, wenn er wüßte,
Wie er sich abends entfernte, und dieses klang mir im Ohre.
Nicke mir nicht so freundlich, es wär' wohl noch anders gekommen,
Denn der Grund, der mich trug, ich fühl' es noch heute mit Schaudern,
Wankte mir unter den Füßen, und Taumelnde können auch fallen,
Doch, ich erblickte dich! – Und wurdest – versetzt sie – mein Retter,
Als ich mich vor dem Verfolger nicht länger zu schützen vermochte.
Mich auch hatte der Spott, wie dich, vom Hause getrieben,
Denn ich fühlte mich glücklich, daheim zu sitzen, ich hatte
Angst vor der großen Stadt, und wünschte mich ebensowenig
In den Strudel der Menschen, wie in den Strudel der Elbe,
Wenn sie flutet, hinein. Da aber hieß es beständig:
Diese ist wohl in Sachsen vom Baum heruntergefallen,
Daß sie keiner besucht, es kommt nicht Bruder noch Schwester,
Oder Onkel und Tante, auch hat sie ja keinen Geburtstag,
Denn ihr wird nicht geschrieben! Da ging ich denn endlich, als wär' es
Zu Verwandten und Freunden, allein ich kannte nicht einen
Von den Tausenden, welche hier wohnen, und all mein Vergnügen
War, die Stunden zu zählen, mein Kleid im Gedränge zu schützen
Und mir die Straßen zu merken, um abends den Rückweg zu finden.
So gelangt' ich vors Tor. Da aber gesellte sich plötzlich
Ein Begleiter zu mir. Ich hatte ihn niemals gesehen,
Lang und schmal, wie er war, und prangend in Ketten und Ringen,
Aber er wollte mich kennen, und grüßte von Vater und Mutter.
Als ich ihm sagte, er irre, die lägen schon lange im Grabe,
Sprach er, er meine die seinen, und blieb mir ruhig zur Seite.
So gewiß ich auch wußte, daß keiner mich kannte, so wollt' ich
Dennoch ersticken vor Scham, als wenn es mir mitten im Dorfe
Unter den Meinen geschähe, und suchte ihm rasch zu entkommen.
Aber, wie ich auch lief, und wie ich mich drehte und wandte:
Nichts gewann ich ihm ab, und spöttisch rief er am Ende:
Dirne, ich bin ja der Wind, du willst doch dem Wind nicht entlaufen?
Nun begann er sogar, von häßlichen Dingen zu reden,
Und je stiller es wurde, je mehr die Menschen verschwanden,
Um so kecker erging sich seine verworfene Zunge.
Rennen konnt' ich nicht mehr, und mag man die Augen verschließen:
Offen bleiben die Ohren, und herzlich begann ich zu weinen.
Aber er hörte nicht auf, es wurde je länger, je ärger
Und zugleich auch die Gegend verlaßner und wilder und wilder.
Da vernahm ich von ferne ein Pfeifen, das fröhlich und mutig
Klang und mir Hilfe verhieß, ich schrie, so laut ich's vermochte,
Und es währte nicht lange, so wurdest du sichtbar, dich hatte
Nur ein Knick»Ein Knick«, niedriges Gebüsch. noch verborgen. Du eiltest herbei, doch der andre
Lief nicht davon, er besah dich mit seinem vergoldeten Glase,
Welches an schwarzem Bande ihm baumelte über der Weste,
Sprach, er sei kein Räuber, doch ich das albernste Gänschen,
Und erkundigte sich nach Bauers Garten. – Du aber,
Mit den Augen mich prüfend und über und über erglühend,
Tratest ihm ernst in den Weg und riefst mit donnernder Stimme:
Herr, das Kind hat geweint, und ich, ich bin aus dem Lande,
Wo man die zinnernen Krüge vor Zeiten, wie lederne Schläuche,
So mit den grimmigen Fäusten zusammendrückte und quetschte,
Daß das verschüchterte Bier die Decke bespritzte und Löcher
Machte, als käm's aus der Büchse! Er lachte höhnisch und sagte,
Leicht in die Tasche greifend und klingelnd mit Gold und mit Silber:
Hier ist ein Taler, mein Freund, nun führ' Er die Liebste zu Ahrens,
Dort wird abends getanzt! Doch du – Ich mag es nicht denken,
Aber der Jüngling erwidert, die hangenden Locken ihr scheitelnd:
Kind, ich hätte mich selbst des Zorns nicht fähig gehalten,
Der mich so plötzlich ergriff, und keiner meiner Genossen,
Denn ich galt für ein Lamm. Auch wär' ihm gewiß nichts geschehen,
Hätt' er nur mich beschimpft, die seidenen Kleider allein schon
Hätten ihn sichergestellt, ich hätt' mich im stillen geärgert,
Auch vor dir mich geschämt, und doch wohl albern gelächelt,
Denn noch erblickt' ich den Herrn in jedem, welcher den feinern
Rock auf dem Leibe trug, und ließ mich drillen und hänseln.
Aber, wie ich dich sah und alles, was er geredet,
Von der brennenden Wange dir ablas, ward ich ein andrer,
Als ich mich je noch gefühlt im ganzen Leben, und eher
Hätt' ich dich selber verletzt, du wichst zwar bald auf die Seite,
Aber du faltetest doch die Hände und schienst mich zu bitten,
Ihn zu verschonen, als ihm die bündige Probe erlassen,
Daß die Fäuste noch immer in Wesselburen gedeihen»Daß die Fäuste noch immer in Wesselburen gedeihen.« Die Holsteiner sind als grob verschrien, die Dithmarscher als noch gröber und die Wesselburer als die allergröbsten. Wesselburen ist ein Marktflecken im Norderdithmarschen. .
Nun, es sei ihm verziehn! Er wird es nicht wieder versuchen,
Und ich hab' es am Ende doch ihm allein zu verdanken,
Daß ich dich kennen gelernt, wie hätt' ich dich sonst wohl getroffen?
Und du wärst auch vor mir vielleicht so ängstlich gelaufen,
Wie nur immer vor ihm, drum wünsch' ich ihm nicht einmal Narben.
Aber, nun sprich, was es gibt! Mir dreht sich der Kopf noch im Wirbel!
Muß ich gewiß nicht zu Schiff? Ich geh' ja nicht gerne, obgleich ich
Hart am Meere erwuchs! Ich lieb' es den Wagen zu lenken,
Oder die Pferde zu tummeln, auch mag ich pflügen und dreschen,
Aber das Wasser war mir stets zuwider, und nie noch
Hab' ich den Fischer begleitet, so gern ich dem streifenden Jäger
Mich gesellte, wenn's ging! Wie ist nicht das eine schon gräßlich,
Daß man darin nicht bloß ertrinken, sondern darauf auch
Schmählich verdursten kann! Mir ward es hinter den Deichen
Immer schon eigen zu Mut, die gegen Stürme und Fluten
Uns das Ländchen beschirmen. Das Schrillen und Kreischen der Vögel
Mit den langen Hälsen und oft noch längeren Schnäbeln,
Welche im warmen Sande die bunt gesprenkelten Eier
Hinterlassen, die Muscheln und selbst die fettigen Kräuter
Mit den wolligen Blumen erfüllten mich immer mit Grausen,
Und ich brauchte nicht erst auf Toten-Gebeine zu stoßen,
Wie sie aus Schiffer-Gräbern vergilbt und vermorscht wohl hervorschaun,
Um das Knabengelüst nach Bernstein niederzukämpfen
Und von dannen zu fliehn. Da magst du dir denken, wie leicht mir's
Ward, den Entschluß zu fassen, mich dennoch der See zu vertrauen!
Aber ich war es dir schuldig, und wär' es mir übel ergangen,
Und ich erwartete nicht, ich darf es dir jetzt ja bekennen,
Was der Schmied und der Tischler erwarten, so wäre ich drüben
Bis an mein Ende geblieben, und wär's auch als Sklave gewesen,
Um dein Glück nicht zu hindern und andern den Weg zu vertreten.
Du verfärbst dich? Was hast du? O, hätte ich Narr doch geschwiegen,
Diese erzählte mir Träume, und ich, ich nahm sie für Wahrheit!
Aber das Mädchen erwidert: Man schaudert wohl auch bei Gefahren,
Die man erst völlig erkennt, nachdem sie vorübergegangen!
Also hatt' ich doch recht, sogleich das Ärgste zu fürchten
Und mich nicht zu besinnen! Nun mache nur du es nicht schlimmer,
Frage nicht, eile hinauf, und wenn ich selbst nur nicht Nein sprach,
Weil es zu plötzlich kam und mich verwirrte, so zeige
Du dich dafür als Mann, und gib dein entschlossenes Jawort!
Haus und Hof sind unser, sobald wir es selber nur wünschen,
Und wir sollen dafür – – ich weiß nicht, ob ich's verstanden,
Aber dort kommt er selbst, er wird dir's deutlicher sagen!
Und dem Kaufherrn, welcher die Tür soeben geöffnet,
Tritt der Jüngling entgegen und spricht: Ich habe das Mädchen
Nie als töricht gekannt, und dennoch kann ich's nicht glauben,
Daß ich mir wirklich ihr Stottern und Stammeln richtig gedeutet.
Wenn es aber so wäre, wie sie verkündet, so könnt' ich
Nur das einzige sagen: ich kenn' und liebe die Wirtschaft,
Und der jüngre Verwalter hat das voraus vor dem ältern,
Daß er sich selbst nicht schont, und nicht mit der Zunge bloß ackert.
Wenn Sie mir also vertrauen, obgleich die Erfahrung mir mangelt,
Werden Sie, was ich verseh', an Knechten und Pferden ersparen.
Wahrlich, ich werd' es an Fleiß nicht fehlen lassen, ich stehe
Jetzt schon der erste auf und bin der letzte zu Bette,
Und was einer dem Boden nur abzwingt, sei's an Getreide,
Sei's an Obst und an Vieh, das werden auch wir schon gewinnen!
Aber der Kaufherr spricht: Ihr säet und erntet euch selber,
Ich bin höchstens noch da, wenn Überschwemmung und Mißwachs,
Brand, Viehsterben und Krieg euch wider Verhoffen betreffen,
Um euch helfen zu können, im übrigen seid ihr die Eigner,
Und verpflichtet euch bloß, nicht wiederzukehren nach Hamburg,
Denn das Gut, das ich meine, liegt fern am Fuße des Brockens,
Und uns das Kind zu lassen, damit wir es christlich erziehen
Und es zum Träger des Namens, sowie zum Erben ernennen.
Christian, erst so erstaunt, als würd' er belehnt mit der Erde,
Denn er hatte nicht einmal an Pacht, geschweige an Herrschaft
Sich zu denken getraut bei ihren verworrenen Worten,
Fährt zusammen und schaut auf Magdalena, doch diese
Ruft: So ist's! Wir geloben's! und hängt mit ängstlichen Blicken
An dem Munde des Jünglings. Er schweigt noch lange, doch endlich
Sagt er: Was du versprichst, das kann ich halten! und bietet
Nun dem Kaufherrn fest zum Pfand und zum Siegel die Rechte.

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