Friedrich Hebbel
Mutter und Kind (1)
Friedrich Hebbel

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Zweiter Gesang.

                  Während dies in der Küche geschah, ist alles im Hause
Nacheinander lebendig geworden, das fleißige Mädchen
Hatte zuerst sich erhoben, in ihrer ländlichen Weise
Nach der Kälte nicht fragend, nur nach der Stunde, verdrießlich
Ist ihr nach langer Pause, mit offenen Ohren verdämmert,
Dann die zweite gefolgt und hat Kamine und Öfen
Bis zum Zerspringen geheizt, vom Schlaf erst völlig ermuntert,
Als ihr auf einmal die Haube zu glimmen begann und ein Löckchen
Sich entzündete, rasch, wie Hanf, am Feuer verflackernd,
Und die Augenbraunen, ja selbst die Wimpern ihr sengend.
Noch viel später schlüpfte der Kutscher in seine Pantoffeln:
Diesen weckt zwar gewöhnlich die Kaffeemühle, doch hütet
Er sich, aufzustehn, bevor sie wieder verstummt ist,
Denn er käme zu früh, noch wäre das Brot nicht geröstet
Oder die Sahne gesotten, das hat er längst schon berechnet,
Und ein verständiger Mann verachtet nie die Erfahrung.
Jetzt sogar bleibt ihm noch Zeit, den Thermometer am Fenster
Um den Grad zu befragen, doch ist's ihm freilich nicht möglich,
Auch nach der Uhr zu sehn, die ihm zu Häupten am Bett hängt,
Denn es wird ihm da unten zu still, sie sind schon beim Trinken.
Endlich huscht auch die Zofe hinab, das Prasseln im Ofen
Hat sie herausgetrieben, doch sind ihr die Augen noch immer
Matt, und gleichen den Lichtern, die, nachts in der Kälte beschlagen,
Oder mit Wasser bespritzt, nicht brennen wollen am Morgen.
Darum bemerkt sie's auch nicht, daß Magdalena schon weinte,
Sondern erkundigt sich bloß, ob keiner ihr Traumbuch gesehn hat.
Nur der Bediente fehlt, der muß die Klingel erst hören,
Aber er rühmt sich der Kunst, so flink in die Kleider zu kommen,
Daß er, wie schwach sie der Herr auch ziehn mag, immer schon fertig
In das Zimmer tritt, bevor noch die Glocke verhallte:
Und da darf er's schon wagen, die Nachricht»Die Nachricht«, die am meisten gelesene Hamburger Zeitung. im Bette zu lesen.

Dennoch irrt er gewaltig, indem er das Knattern des Bodens,
Welches er über sich hört, allein dem Springen der Bretter
Zuschreibt, wenn sie auch mächtig im klingenden Winter sich krümmen,
Denn schon lange wandelt der Kaufherr sinnend und schweigend
In den Gemächern herum, die königlich weit und geschmückt sind,
Aber nicht mit Stolz, man sieht es ihm an, und Behagen.
Vor dem Spiegel flammen in schweren silbernen Leuchtern
Noch die Kerzen, sie sind zwar nicht mehr nötig, doch mag er,
Wie er sie angezündet, sie nicht auch selber noch löschen,
Und noch weniger scheint er den Diener schon rufen zu wollen.
Jetzt beschaut er die Blumen und fremden Gewächse, sie füllen
Fast ein ganzes Gemach, und alle Teile der Erde
Haben ihr Schönstes geliefert, doch fesseln die schwellenden Knospen,
Die er sonst wohl mustert, als wär' er in Holland geboren
Und ein Bürger der Zeit, wo Zwiebeln die Wechsel vertraten,
Diesmal ihn nur wenig, ja selbst die geöffneten Kelche
Hauchen ihm heute vergebens die heißen Düfte entgegen,
Welche den Papagei, er schließt vor Behagen die Augen
Und ist betäubt und berauscht, zurück in die Heimat versetzen.
Jetzt betrachtet er sich die neue chinesische Vase:
Altoum selbst, der Drachen und Schlangen erlauchter Gebieter,
Hat sie in Peking nicht reicher, mit Gold gefüllt bis zum Rande
Wäre sie kaum bezahlt, so selten und rein ist die Mischung
Und so brennend die Farbe! Man stellte in jedem Museum
Einen Wächter daneben, doch er, in plötzlicher Wendung
Gegen ein Bild an der Wand, der Morgen beleuchtet's gerade,
Stößt sie vom Tisch herunter, und wenn er erschrickt, so geschieht es
Bloß des Geprassels wegen, das dennoch der türkische Teppich
Mächtig dämpft, denn er horcht, anstatt die Scherben zu sammeln
Oder auch nur zu beachten, mit angehaltenem Odem
Nach der linken Seite hinüber, wo ihm die Gattin
Schlummert im Bett von Damast, und da's dort still, wie zuvor, bleibt,
Spricht er lächelnd: so war denn doch noch ein Glück bei dem Unglück!
Und, als hätte er nur die Kaffeetasse zerbrochen,
Tritt er gelassen und ruhig, nicht einmal den fegenden Schlafrock
Erst um den Leib sich gürtend und weiteren Schaden verhütend,
Vor das Gemälde hin. Es ist von Rahl»Es ist von Rahl.« Carl Rahl in Wien, eines berühmten Vaters berühmterer Sohn, ist einer der ersten jetzt lebenden Historien-Maler Deutschlands und unbedingt und unbestritten der größte Kolorist., und es zeigt uns
Marius unter den Cimbern im grimmigen Würgen. Kein König
Hat es beim Meister bestellt, nicht einmal der König der Juden,
Auch kein reicher Prälat, kein Julius oder ein Bembo,
Noch viel minder ein Junker, was kümmern sie Künstler und Dichter,
Aber der Handelsherr, obgleich zum Patron nicht geboren,
Und von manchen bespöttelt, die mit ihm rechnen und tauschen,
Rief's ins Leben, sobald er in Wien die Skizze erblickte,
Denn er sucht in Venedig und nicht in Karthago sein Vorbild.

Freilich hält ihn auch dies, so sehr er es schätzt und bewundert,
Heute nicht lange fest. Er nickt zwar, erstaunend, wie immer,
Dem gewaltigen Stier, der eben den Römer gespießt hat,
Und der entsetzlichen Mutter, die ihren eigenen Säugling
Unter die Feinde schleudert, doch greift er nicht nach der Kerze,
Um es heller zu sehn, obgleich das goldene Tagslicht
Wieder verdüstert ward durch jenes graue Geriesel,
Welches nicht Nebel bleibt und auch nicht zu Schnee sich verdichtet
Und die Finsternis mehrt, die Kälte aber nicht mindert.
Nein, er schreitet aufs neue von Zimmer zu Zimmer und heftet
Bald auf die Nipse den Blick, die Tische und Schränke ihm zieren,
Bald auf Figuren und Büsten und bald auf Stiche und Bücher.
Alles besieht er und prüft's, er späht begierig nach Lücken,
Aber er findet sie nicht, und wenn sich die Lust des Besitzes
Auch in seinem Gesicht nicht eben spiegelt, so zeigt es
Doch auch keinen Verdruß. Da fällt sein schweifendes Auge
Auf die Dresdner Madonna, mit ihrem lieblichsten Knaben,
Und den reizenden Engeln, die Raphael malte, und eilig
Wendet er's wieder ab, als sähe er, was ihn nicht freute,
Und sein ruhiger Ernst verwandelt in Schmerz sich und Trauer.
Wär' nur das Stück kein Geschenk, ich würd' es noch heute entfernen,
Spricht er, aber ich darf's nicht wagen, und dennoch vergoß sie
Oft schon Tränen davor, sie kann in der Fürstin des Himmels
Nur noch die glückliche Mutter erblicken und ließe ihr willig
Für den flüchtigsten Kuß des Kindes die ewige Krone.
Wär' doch der Tag erst vorüber, besonders der Abend! Die DomzeitDie Adventzeit heißt in Hamburg die Domzeit; am Gänsemarkt und auf dem Steinwege brilliert vorzugsweise die Weihnachts-Ausstellung, dort die christliche, hier die jüdische.
Macht sie fast immer krank. Was schelt' ich den göttlichen Künstler
Und sein köstliches Blatt! Die quiekendste Weihnachtstrompete,
In der schmutzigsten TwieteTwiete heißt in Hamburg ein enges Verbindungsgäßchen. vom garstigsten Rangen geblasen,
Tut ihr ja eben so weh! Die bunten, beleuchteten Buden,
Welche den Gänsemarkt den ganzen Advent so beleben,
Schneiden ihr tief in das Herz. Sogar die Juden am Steinweg
Mit den Karren voll Tand entlocken ihr seltner das Lächeln
Halber Ergötzung, nach dem ich oft Wochen vergebens mich sehne,
Als den Seufzer des Grams. Denn neben den scharfen Gesichtern,
Die das häßliche Schreien verzerrt, bemerkt sie noch immer
Auch die Öchslein und Esel von Zinn, mit denen sie trödeln,
Und um die sich begierig die Knaben und Mädchen versammeln,
Und da kehren sogleich die bittren Gefühle ihr wieder.
Nun, es geht ja zu Ende! Wenn nur nicht heute gerade
Alles so übel sich träfe! Der Affe ist nicht gekommen,
Weil das Schiff, das ihn trug, verschlagen wurde, die Vögel
Freilich sind eingetroffen, doch scheinen sie krank, und ich werde
Schon zufrieden sein, wenn sie nur leben bis Neujahr.
Wäre die Blumenuhr nicht da, ich müßte verzweifeln,
Denn hier fehlt es an nichts, und alles ist dreifach vorhanden,
Aber es wird sie zerstreun, es wird sie vielleicht gar erfreuen,
Wenn ihr die persische Rose, bis auf die letzte Minute
Fest geschlossen, den Mittag, die türkische Tulpe den Abend,
und der Jasmin von Athos die Mitternachtsstunde verkündigt,
Ja, es wird sie erfreun, die Schritte des Tages an Düften
Abzuzählen und Farben, die alle Wunder der Ferne
Vor die Seele ihr rücken! Er wiederholt es und klingelt
Endlich dem Diener: ihm folgt sogleich auf dem Fuße der Doktor,
Welcher, des Hauses Freund und alter Vertrauter, sein Vorrecht
Braucht, und das um so eher, als er schon lange gewartet.

Ei, da sind Sie ja – ruft ihm der Kaufherr freundlich entgegen –
Ich bin auch schon bereit, hier liegen in Gold und in Silber
Ihre Summen, und wollen Sie mehr, so kommen Sie wieder!
Nun verschonen Sie mich mit Ihren Berichten, ich mag nicht
Wissen, wo Sie es lassen, ich mag die Perlen nicht sammeln,
Welche aus Freudentränen bestehen sollen, ich müßte
Sonst auch den Ärger verwinden, wenn unser Pfenning nicht wuchert,
Wie er wohl könnte. Sie lächeln? Sie glauben, daß ich nur scherze
Oder mich selbst verleumde, weil jede Erfahrung mir mangelt?
Freund, ich habe sie nicht aus Grille gemieden! Sie zweifeln?
Kennen Sie wirklich das Herz des Menschen so wenig? Die Bäume,
Welche er pflanzt und begießt und säubert von Raupen und Würmern,
Werden ihm nimmer zu grün, doch leicht die Armen zu fröhlich,
Und ein Heiliger wird nicht jeder durch Essen und Trinken,
Welche ein Märtyrer ist durch Hungern und Dursten und Frieren;
Wen man aber beschämt, den wird man zugleich auch erbittern.
Darum soll man die Kluft, die zwischen dem Geber und Nehmer
Einmal besteht, durch Milde nicht füllen wollen, man kann's nicht,
Nein, man soll sie mit Nacht, mit heiligem Dunkel bedecken,
Und, wie der Ewige selbst, ins tiefste Geheimnis sich hüllen.
Denn es ist nicht genug, daß bloß die Rechte nicht wisse,
Was die Linke tut, sie soll es auch selber vergessen;
Reiche den Becher und wende dich ab, so wirst du erquicken!
Sie verhalten's darnach – entgegnet der Doktor mit Rührung –
Sie entkleiden die Pflicht des einzigen Reizes und üben
Jede um Gottes willen, nur nicht die Stirne gerunzelt,
Heute müssen Sie's hören, ich heiße seit Jahren das letzte
Unglück aller Heroen, und meine verrufene Zunge
Schont auch so wenig den Cäsar, als Bonaparte und Friedrich,
Oder die hohen Poeten, die immer mit Worten bezahlen,
Aber wenn ich das Große in Völkerwürgern und Künstlern,
Wie sie auf Ihren Gesimsen zu Hunderten prunken im Lorbeer,
Auch nur selten entdecke, das Edle vermag ich zu schätzen,
Und, wer nie noch geschmeichelt, der scheint mir berufen, zu loben.
Wären Sie nur auch so glücklich, als gut! Wie ging es denn gestern? –
Aber der Kaufherr seufzt und spricht mit stockender Stimme:
Nun, Sie wissen's am besten, wie sehr die Woche der Kinder
Ihr die Hölle im Busen entzündet, das Schlimmste ist aber,
Daß mit jeglichem Jahre die Qualen sich steigern und mehren.
Ehmals lenkte sie selbst vom Weihnachtszimmer das Auge
Auf die Krankenstube, vom Tannenbaum mit den Kerzen
Auf die Trauerweide hinüber und fand sich getröstet:
Jetzt erblickt sie nur noch die festlichen Räume des Jubels,
Aber der Kirchhof rückt in immer weitere Ferne,
Und doch stehen die Särge so nah an den Wiegen und werden,
Wie wir es selbst schon erlebt, an teuren Verwandten und Freunden,
Oft aus dem nämlichen Baum vom nämlichen Meister gehobelt,
Ja, ich fürchte für sie, ich will es nicht länger verhehlen,
Und Sie fürchten sich auch, obgleich Sie's mir nicht bekennen,
Und so mag es wohl kommen, daß sich der letzte der Bettler,
Welchen ich heute beschenke, noch glücklicher fühlt, wie ich selber,
Denn sie ist mir der Mund, mit dem ich esse und trinke.
Ihrethalben könnte ich wünschen, wir wären katholisch,
Wenn ich sie hoch auch ehre, die protestantische Freiheit,
Und ihr göttliches Recht auf jeglichen wahren Gedanken,
Wie es der zwölfte Apostel, denn Judas hat sich gestrichen,
Wie es der eiserne Luther mit feuriger Zunge erkämpfte.
Denn da dürft' ich mit ihr von einem Orte der Gnade
Zu dem anderen pilgern, und erst am heiligen Grabe
Zu Jerusalem würde die Hoffnung völlig erlöschen,
Aber da wäre zugleich doch auch das Leben zu Ende.
Was mich selber betrifft, so fand ich mich längst in mein Schicksal,
Denn ich hab's nicht verschuldet, es ward mir von oben gesendet,
Und ich glaube den Finger des Ewigen deutlich zu sehen.
Sie verwundern sich, Doktor? Vernehmen Sie, wie ich es meine.
Wissen Sie, was mich zumeist am großen Brande entsetzte,
Welcher ein Fünftel der Stadt in Asche legte vor Jahren?
Nicht die flammenden Straßen mit ihren donnernden Häusern,
Welche vor dem Minieren gen Himmel flogen und barsten;
Nicht der tückische Wind, der, wie ein dämonisches Wesen,
Immer sich drehte, sobald die Spritzen Meister geworden;
Nicht die lodernde Börse mit all den Kaisergestalten,
Die das römische Reich, doch auch uns Bürger bevogtet;
Nicht die grünlichen Flammen der Türme, welche von Kupfer
Sich ernährten und Blei und gräßlichen Regen verspritzten;
Nicht der endliche Sturz von Nikolai und PetriNicolai und Petri, zwei Hauptkirchen Hamburgs, welche bei dem großen Brande von 1842 teils ganz in Flammen aufgingen, teils stark beschädigt wurden.,
Fast so entsetzlich für uns, als bräche die Erde zusammen;
Nicht einmal das Geheul der Feuerglocken, die alles
Überwimmerten, selbst die Stunden-Uhren, so daß man
Keine einzige hörte, als wären die Zeiten vollendet,
Und als müßte der Richter nun gleich in den Wolken erscheinen:
Alles dieses verschwand mir gegen die Hungergesichter,
Welche mit Ratten und Mäusen verschüchtert zutage sich drängten,
Ja, sie kamen mir vor, als sollten sie klagen und zeugen
Und erwarteten nur noch den Engel mit seiner Posaune.
Welche ein Elend erblickt' ich! Und tief, wie unter der Erde,
War es verborgen gewesen, und stahl sich, als wäre es Sünde
Gegen die glücklichen Brüder, auch jetzt noch zögernd und ängstlich,
Und vom dräuenden Tode gejagt, hervor aus den Löchern!
Männer, Weiber und Kinder! Und das im christlichen Hamburg,
Welches der Armen und Kranken doch wahrlich nie noch vergessen.
Fast mit Grausen gedacht' ich der eigenen Güter und schämte
Mich des eigenen Kummers! Allein nicht lange verharrt' ich
In dem stumpfen Entsetzen: mir schien auf einmal das Rätsel
Meines Lebens gelöst. Für diese strömen die Schätze
So zusammen bei dir, und wenn es am Erben dir mangelt,
Ist's der Verzweifelten wegen! So rief's in mir, und so ruft es
Bis zur Stunde noch fort! Ich möchte, wie Fugger in AugsburgDie »Fuggerei« in Augsburg ist bekannt und sieht sich bis jetzt in Frankfurt vergebens nach dem Filial um. ,
Ein Asyl begründen, in welchem es nimmer an Mitteln,
Eher an Dürftigen fehlte. Man spricht von roten Gespenstern,
Die man mit Pulver und Blei verscheuchen müsse. Sie sind wohl
Noch viel leichter zu bannen: man gebe ihnen zu essen,
Und, anstatt die Erde in unersättlicher Goldgier
Auszuschmelzen und dann als Schlacke liegen zu lassen,
Wie es ein Rothschild tut, bestelle man Wüsten und weise
Ihnen die Äcker an! Das heißt, sich selber beschützen,
Denn wir besitzen die Habe noch nicht, wie Arme und Beine,
Die wir freilich mit keinem zu teilen vermögen, und sollen
Nicht vergessen, was Moses gebot und Christus voraussetzt:
Fürchterlich könnt' es sich rächen! Ich würde mit Freuden beginnen,
Und mir wär' es genug fürs Leben und sicher fürs Sterben,
Wenn ich mir sagen dürfte: Du wirst bis ans Ende der Zeiten
Hier die Hungrigen speisen und so den heiligen Frieden,
Denn ihn bricht nur die Not, auf ewig im Innern besiegeln!
Ja, mir wär' es genug! Doch sie ist anders geschaffen,
Sie entbehrt die Tochter, wenn ich auch den Sohn nicht vermisse,
Und der heimliche Gram verzehrt ihr leise die Kräfte.
Anfangs freute ich mich, daß sie am heutigen Morgen
Nicht so früh, wie gewöhnlich, erwachte, aber es währt mir
Jetzt schon wieder zu lange: sie hat die Nacht nicht geschlafen,
Und ein trauriger Tag wird folgen! Sie kommen doch abends?
Sicher! – versetzte der Doktor – und einen eignen Gedanken
Bringe ich mit: Sie mögen ihn nun als töricht verwerfen
Oder, wie ich, als tröstlich mit einiger Freude begrüßen,
Immer verdient er die Prüfung. Ich war vorhin in der Küche,
Und da fand ich das Mädchen vom Lande in bitteren Tränen,
Das gesunde und frische, das ich dem Hause empfohlen.
Sie eröffnete mir ihr Herz, denn seit ich vom Fieber
Sie befreite, vertraut sie mir, als wär' ich ihr Vater.
Ei, wie bunt ist die Welt! Hier oben fehlt es an einem
Und dort unten am andern! Es wäre vielleicht noch zu helfen,
Wenn man die Hände sich böte. Denn: Alles beruht ja auf Mischung!
Sagt Apotheker Franz, der Helgoländer, und kämen
Mit den Kräutern des Berges die Kräuter des Tals nicht zusammen,
Würde kein Übel geheilt! Ei nun, wir wollen's versuchen.
Nur nicht zu früh erwarten Sie mich. Ein glücklicher Schneider,
Dem sie unter die Arme gegriffen haben, erlaubt sich
Mit den Seinigen heute den ersten Pudding. Er lud mich,
Und ich möchte wirklich das kleine Fest nicht versäumen,
Denn nicht lieber seh' ich den Regenbogen am Himmel
Als im Menschengesicht die wiedererwachende Freude.


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