Friedrich Hebbel
Der Diamant
Friedrich Hebbel

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Fünfter Akt.

Erste Szene.

Wald. Benjamin und Schlüter treten auf.

Benjamin. Br! Wie dunkel! Ich war noch nie zur Nacht in einem Walde. Was war das für ein Geräusch?

Schlüter. Vermutlich eine Eule. Die hat einen schweren Flug. Liebst du die Finsternis nicht, Jude?

Benjamin. Heute schon, denn sie verbirgt uns. Wilde Tiere gibt's hier ja nicht!

Schlüter. Das wildeste ist der Hase, und auch den trifft man nur alle Jubeljahre. Bei uns sind so viele Jäger angestellt, daß der eine kaum abdrücken kann, ohne den andern zu treffen.

Benjamin. Gott gebe, daß uns keiner davon bemerke. Er könnte uns für Wildschützen halten und losbrennen!

Schlüter. Das wär' so unmöglich nicht, besonders nachher, wenn der Mond aufgeht.

Benjamin. Ja! Das Mondlicht ist nur dazu da, daß man sich dabei versieht.

Schlüter (für sich). Wenn man so in der Nacht geht, so fällt einem all das Böse ein, das schon im Dunkeln verübt ward, und da kommt es einem vor, als ob das, was man selbst, als ein einzelner Mensch, verüben könne, reine Lumperei dagegen sei. Ich wollte, der Jude reizte mich, daß ich in Wut käme. (Laut.) Holla, Kamerad, warum entfernst du dich von mir?

Benjamin. Tu' ich das? Ich meinte, ich ginge auf Euch zu. (Für sich.) Wär' ich ihn doch erst los!

Schlüter. Gibt mir die Hand.

Benjamin. Zum Abschied? Da ist sie! Recht habt Ihr, es ist besser, daß wir uns trennen, einer schlägt sich leichter durch, als zwei. Schade, daß es so finster ist, und daß ich hier nicht Papier und Tinte habe, sonst stellt' ich Euch auf der Stelle einen Wechsel über hundert Taler aus, zahlbar den Tag nach meiner Zurückkunft vom Hof. Also einstweilen meinen innigsten Dank, und der Teufel soll mich holen, wenn ich Euch jemals die Hand wieder reiche –

Schlüter. Was?

Benjamin. Ohne Euch etwas hineinzudrücken! Ihr laßt mich ja nicht ausreden!

Schlüter. Hundert Taler! Du bist bescheiden!

Benjamin. Wie meint Ihr das?

Schlüter. Du schlägst dich und dein Leben nicht hoch an. Du glaubst ja doch, daß ich es dir geschenkt habe, nicht wahr?

Benjamin. O, mein Freund, verkennt mich nicht! Mit jenen hundert Talern wollte ich ja bloß Euren Kindern – Ihr habt doch welche? – eine kleine Freude machen. Euch selbst konnt' ich sie freilich nicht anbieten wollen. Wie dankbar ich bin, hat noch keiner meiner Wohltäter erfahren, denn wie sollt' ich mein Gemüt zeigen, hatt' ich doch den Diamant noch nicht. Aber nun soll's geschehen! Bei meinem Vater will ich anfangen, zwar ist er tot, doch ich will ihm ein Denkmal setzen, daß jeder, der es erblickt, sich verwundern soll, wenn er näher hinzutritt und sieht, daß kein anderer, als der einäugige Salomon darunter liegt. Und was Euch betrifft, nun, aus Euch will ich einen Mann machen, gegen den ich selbst ein Bettler bin.

Schlüter (für sich). Nun ist's Zeit. Warum sprech' ich leise? (Laut.) Wir sind mitten im Walde. Hier bring' ich's zu Ende. (Er zieht sein Messer.) Komm!

Benjamin. Zu Ende? Was wollt Ihr?

Schlüter. Wehr dich! Ich bin ein einzelner Mann, du bist auch einer. Zähl' deine Gliedmaßen nach! Wenn ich einen Arm mehr haben sollte, als du, so will den ungebraucht lassen, denn es gilt ehrlicher Kampf.

Benjamin. Ihr scherzt, Ihr müßt scherzen. Wenn Ihr meinen Tod wolltet, warum hättet Ihr mich befreit!

Schlüter. Um den Diamanten zu bekommen. O Jude, wie dumm warst du, daß du mit mir gingst! Konntest du dir wirklich einbilden, daß ich meinen Hals daransetzen würde, den deinigen zu retten? Weißt du auch, Hund, daß du mich durch diesen Gedanken beleidigt hast?

Benjamin. Beleidigt?

Schlüter. Ja, beleidigt! Mußtest du eitler Geck nicht denken, ich hielte mich für geringer, als dich, ehe du mir das zutrauen konntest? Für geringer, als einen solchen Halunken? Der die Armut selbst bestahl? Der Bauer ist mein Vetter, denn er ist ein Bettler, wie ich, ich zieh' dies Messer als Verwandter: wehr' dich!

Benjamin. Ich will mich aber nicht wehren!

Schlüter. Tu's, oder tu's nicht, es ist einerlei. Beides macht meinen Grimm größer. Wenn du's tust, so empört mich dein Trotz, wenn du's nicht tust, deine Erbärmlichkeit. (Für sich.) Bauer, der Himmel ist mein Zeuge, daß ich die halbe Million redlich mit dir teilen will; so bekommst du doch ein Viertel, wenn ich diesen davongehen ließe, bekämst du gar nichts. (Zu Benjamin.) Nun, Schuft? Willst du dich wehren, oder nicht? (Für sich.) Er soll mir den ersten Schlag geben, damit ich später beschwören kann, daß er angefangen hat. (Zu Benjamin.) Weißt du nicht, daß einer, der nicht um sich haut, wenn man ihn angreift, vor Gericht so betrachtet wird, als ob er selbst ins Prügeln und Morden eingewilligt hätte? (Er gibt sich einige Ohrfeigen.) So, das ist das beste Mittel, sich in Hitze zu bringen. (Zu Benjamin.) Kamen die von dir? Hattest du meine rechte Hand verführt, sich gegen meine Ohren zu empören? Ich will's so ansehen! Der Mond geht auf, sag' ihm gute Nacht! (Er dringt mit dem Messer auf Benjamin ein.)

Benjamin. Einen Augenblick! Einen Augenblick! Mir wird sonderbar zumute, ich glaube – Haltet mir die Stirn oder erlaubt, daß ich sie gegen einen Baum lehne!

Schlüter. Ja? Mir ist's recht! Oder denkst du vielleicht zu entspringen? Wohl! (Führt Benjamin zu einem Baum.) Drei Schritte geb' ich dir vor, und der Erfolg ist ein Gottesurteil! (Tritt etwas von ihm weg.) Nein? So sag' Vivat, wenn's gelingt! (Für sich.) Und wenn's nicht gelingt? Man könnte hochmütig werden, man fühlt, daß man auch sein Gewissen hat. Torheit! Ist der Kerl nicht selbst schuld daran, daß man in ihm nicht mehr einen Menschen sieht, in dem eine Seele sitzt, sondern nur noch einen ledernen Sack, in dem ein gestohlner Diamant steckt? Doch, wer weiß! Die Todesangst –

Benjamin (schreit). Vivat!

Schlüter. Ich gratuliere.

Benjamin (mit dem Stein). Da!

Schlüter. Ist das der Stein?

Benjamin. Seht Ihr nicht, wie er im Dunkeln funkelt?

Schlüter. Bedanke dich! Ich schenke dir das Leben!

Benjamin. Das heißt, Ihr erspart Euch selbst die Mordtat!

Schlüter. Leb wohl! (Ab.)

Zweite Szene.

Benjamin (allein). Ist das der Stein? Esel! Weiß den Diamant nicht vom Kiesel zu unterscheiden und geht doch mit ihm davon! Was ist mir nun das Leben! Bei Gott, ich wollte, ich hätte mich von ihm umbringen lassen, dann müßt' er doch wieder daran glauben und hätte nichts von seinem Reichtum! War ich je versucht, Hand an mich selbst zu legen, so bin ich's jetzt! Hätt' ich sein Messer, ich würd's brauchen, damit er als Mörder verfolgt würde! (Man hört Geräusch und sieht Fackeln.) Was ist das für Lärm? Mitten in der Nacht?

Dritte Szene.

Der Prinz, der Graf, Dr. Pfeffer, Richter Kilian, Block, Jakob und Jörg treten auf.

Jakob (springt auf Benjamin zu). Da hab' ich sie! Da hab' ich meine halbe Million!

Benjamin (entspringt und stellt sich hinter Kilian). Hier steh' ich, wie hinter einem Baum!

Jakob. Hier ist's nicht geheuer. In einer und derselben Minute sieht man etwas und sieht's nicht.

Der Prinz. Weiter!

Kilian (wendet sich hastig; er sieht Benjamin und packt ihn). Der Jude, Durchlaucht, der Jude!

Der Prinz. Leuchtet dem Menschen ins Gesicht! Ist's der rechte?

Dr. Pfeffer (tut's). Guten Abend, Benjamin! Er ist's.

Der Prinz. Schließt einen Kreis! Die Fackeln herbei! (Es geschieht.) Und nun, Doktor, ans Werk! (Dies letzte zu Kilian.)

Kilian. Ich?

Der Prinz. Wer sonst?

Der Graf. Würde der Jude nicht besser, so wie er dasteht, nach der Residenz abgeführt?

Der Prinz. Nein. Das gäbe nur neue Zögerungen, neue Bedenklichkeiten! (Zu Kilian.) Schnell!

Kilian. Ich – ich ließ die Instrumente zurück.

Dr. Pfeffer (zieht sie hervor). Da sind sie, Herr Doktor, ich bemerkte Eure Vergeßlichkeit und steckte sie zu mir!

Kilian (zu Doktor Pfeffer). Plagt Euch der Teufel? Ich kann keinen kalekutischen Hahn tranchieren und sollte einem Menschen den Leib aufschneiden? Nein, darauf laß ich mich nicht ein!

Dr. Pfeffer. Stellt Euch nur, als ob Ihr darangehen wolltet, dann fallt in Ohnmacht.

Kilian. Dabei macht man die Augen zu, nicht wahr?

Dr. Pfeffer. Allerdings.

Kilian. Schlägt auch mit Fäusten um sich?

Dr. Pfeffer. Bewahre! Ihr laßt die Arme niederhängen, wie die Toten.

Kilian. Wenn ich mir nur nichts entzweifalle! (Laut.) Man halte den Juden fest und entkleide ihn!

Jakob. Ich hab' ihn schon lange beim Kragen!

Kilian. So wollen wir denn an die Operation gehen!

Benjamin. Ich protestiere! Ich protestiere!

Dr. Pfeffer. Beschnittener Protestant, wir glauben's dir.

Benjamin. Ich protestiere gegen alles, und zunächst gegen einen solchen Doktor. Das ist ja gar kein Doktor, das ist ja der Richter!

Dr. Pfeffer. Die Todesangst macht den Menschen verrückt. (Zu Benjamin.) Ist jener Baum da nicht dein Vater?

Benjamin. Verrückt? Was? Ich bin nicht verrückt! Meinen eignen Widersacher ruf' ich zum Zeugen auf! Sag' an, Bauer, ist dieser Mann, der sich jetzt für einen Doktor ausgibt, nicht der Richter, bei dem du mich verklagtest? Und ist der andere mit der Schmarre über die Nase nicht der Doktor?

Jakob. Wenn ich antworten muß, so muß ich auch ja sagen!

Der Graf (Kilian und Dr. Pfeffer fixierend) Was ist das? Man hätte sich vor den Augen seiner Durchlaucht so sonderbaren Betrug erlaubt?

Kilian (für sich). Ich spreche nicht zuerst. Der Doktor ist pfiffig für ein ganzes Regiment, und doch wett' ich, er merkt nicht, warum ich jetzt schweige.

Dr. Pfeffer. Wir sind beide ohne Zweifel strafbar, aber doch nicht so sehr, als es scheinen mag. Dieser arme, alte Mann, der Richter, verlor den Kopf, als er in einem und demselben Augenblick die Flucht des Juden und die Ankunft Ew. Durchlaucht erfuhr. Jupiter kann es selbst unmöglich wissen, wieviel Schreck sein Donnerkeil einflößt; so kann auch ein Prinz es sich schwerlich vorstellen, wie geringen Leuten zumute wird, wenn er von der Höhe der Majestät einmal zu ihnen herniedersteigt. Der alte Mann war im Begriff, sich ein Leides anzutun; ich weiß nicht recht, (zu Kilian) wolltet Ihr ins Wasser gehen, oder –

Kilian. Ins Wasser! (Für sich.) Wie scharf der Doktor sieht! Ich dachte wirklich an den tiefen Teich hinter meinem Garten, in dem sich vor Jahren der Schulmeister ertränkte, als er dem Pfarrer eine Ohrfeige gegeben hatte.

Dr. Pfeffer. Da erbarmte es mich sein, ich glaubte, es sei meine Pflicht, einen Selbstmord zu verhüten und gab mich auf sein flehentliches Bitten für den Richter aus. Wenn das ein Verbrechen war, so war es eins gegen die Fische. Denen raubte ich ihre Beute, und zwar eine höchst ansehnliche.

Der Prinz. Sei hier Richter oder Doktor, wer will, nur daß, wer Doktor ist, nicht länger säume!

Dr. Pfeffer. Streckt den Juden am Boden hin!

Block (zu Jörg). Nun werden wir zu sehen kriegen, ob ein Mensch inwendig wirklich, wie ein Schwein aussieht!

Benjamin. Durchlauchtigster Herr, allergnädigster Prinz, Erbarmen, Erbarmen! Ich habe den Diamant nicht mehr im Leibe, ich habe ihn von mir gegeben!

Dr. Pfeffer. So gib ihn her!

Benjamin. Ach, der Gefängniswärter hat ihn mir geraubt. Der böse Mensch stellte sich, als ob er mich aus Mitleid befreie, aber als wir mitten im Walde waren, fiel er mich mörderisch an, und die Angst, die sein blinkendes Messer mir durch die Glieder jagte, bewirkte das auf einmal, was alle Mittel, deren ich mich vorher bediente, nicht hatten bewirken können.

Kilian. Das ist eine neue Lüge.

Benjamin. Eine Lüge? Zehn Gelehrte mögen kommen und den fürchterlichsten Eid zusammensetzen, ich will ihn schwören und nicht einmal stottern.

Dr. Pfeffer. Ew. Durchlaucht haben zu befehlen.

Der Prinz. Ich befahl bereits. Was fragt Ihr noch?

(Dr. Pfeffer legt Hand an Benjamin.)

Benjamin (reißt sich los). O Schicksal, verfluchtes Schicksal, bist denn du allein außer aller Verantwortlichkeit und darfst tun, was du willst? Ist es nicht genug, daß ich den Diamant verlor, muß ich nun auch noch sterben, weil diese glauben, daß ich ihn noch besitze? O, daß ich wieder Bauchgrimmen bekäme, wie vorher! Dann würd' ich doch die Stiche und Schnitte nicht so fühlen! Oder, daß ich verrückt würde und mir einbildete, ich sei ein Stück Holz, aus dem mit dem Schnitzmesser ein Gott herausgegraben werden solle! Verrückt? Mir deucht, ich bin es schon, denn der muß es wohl sein, der es zu werden wünscht. Heidi und Hopsasa! (Er fängt zu singen und zu tanzen an.) Warum bin ich nicht unter Türken! Denen sind die Wahnsinnigen heilig!

Der Jäger (hinter der Szene). Steh, oder ich schieße!

Benjamin (hält im Tanzen ein). Gilt das mir? Ich stehe!

Vierte Szene.

Schlüter (tritt eilig auf und wirft sich zu Boden, gleich darauf fällt ein Schuß).

Der Jäger (tritt auf). So geht's. Die Rebhühner fliegen davon, aber wenn man auf einen Menschen anlegt, trifft man, als ob man mit Freikugeln schösse.

Kilian. Warum habt Ihr den Mann erschossen?

Der Jäger. Weil er ein Wildschütz war.

Benjamin. Ist Euch gut zumut, Jäger?

Der Jäger. Nicht sonderlich.

Benjamin. Nicht wahr, das Blut steht Euch immer vor Augen?

Der Jäger. Mir ist, als ob die Welt auf einmal rot angestrichen wäre.

Benjamin. Und Ihr wart sonst gewiß immer oben hinaus, und fingt zu pfeifen an, wenn Euch der Gedanke an den lieben Gott einmal durch den Kopf lief, he? (Zu Dr. Pfeffer.) Nehmt ein Beispiel!

Block. Der wär' ein Wildschütz gewesen? Er hat ja gar keine Büchse.

Der Jäger. Keine Büchse? Nun, dann – dann bin ich ein Mörder!

Jakob. Warum übereiltet Ihr Euch so?

Der Jäger. Um dem Förster wenigstens einen Wildschützen zu liefern, da ich kein Wild liefern kann. Das ist notwendig, wenn ich nicht brotlos werden will. In dem Buschschleicher da glaubte ich meinen Mann zu finden – allmächtiger Gott, nun ist der Mensch ohne Büchse!

Dr. Pfeffer. Vielleicht hat er sie ins Gebüsch geworfen! Wer ist's denn? Kennt ihn niemand? (Der für tot daliegende Schlüter wird beleuchtet.)

Benjamin (wirft sich bei Schlüter nieder). Ich bin gerettet! Haltet mir diesen Toten fest! Haltet ihn fest!

Dr. Pfeffer. Das ist ja –

Kilian. Schlüter ist's, der Gefängniswärter, der – De mortuis nil, nisi bene! Da er tot ist, so mag er stillschweigend passieren! Wär' noch ein Funke Leben in ihm, so sollte er so viel zu hören bekommen, daß er gestorben zu sein wünschte.

Benjamin. Ich bestehe darauf, daß der Tote gepfändet werde. Auf der Stelle! Er hat den Diamant!

Kilian. Man durchsuche ihn!

Jakob. Hand davon, Jude! Das kommt mir zu. (Er macht sich an Schlüter.)

(Schlüter steht auf.)

Jakob. Alle guten Geister –

Der Jäger (zu Schlüter). Ich dank' Euch, daß Ihr mir den Gefallen tut und wieder aufsteht, ohne bis zum jüngsten Tag zu warten, aber wie ist's möglich? Ich hatte scharf geladen!

Schlüter. Ich trage ja den Wunderstein bei mir! (Beiseite.) Wenn hier ein Hase in der Nähe ist, so will ich ihn das Geheimnis lehren. Er muß niederstürzen, ehe der Schuß fällt, dann kann er nachher ebenso gesund wieder aufstehen, wie ich.

Block. Also der Stein schützt gegen Stich und Schuß?

Schlüter. Sehr Ihr in mir nicht den Beweis?

Block. Nun, dann wundert's mich nicht mehr, daß der König seinetwegen das ganze Land durchsuchen läßt. Würdet Ihr nicht zittern, wenn der Jäger wieder lüde oder wenn ich Euch mit einem Messer zu Leib ginge?

Schlüter. Gewiß nicht.

Block. Wer hätte gedacht, daß es solche Steine gäbe! Nun will ich nie wieder zweifeln, wenn man mir etwas Unglaubliches erzählt. Ich sehe ja, daß nichts unmöglich ist.

Schlüter (für sich). Wenn es mit den übrigen Wundern des Steins ebenso steht, wie mit diesem, so ist alles wohlbestellt!

Kilian (zu Schlüter). Halunke!

Schlüter. Herr Richter, hier ist der Diamant! Wollt Ihr mir verzeihen? Sonst werf' ich ihn, ehe Ihr mich davon abhalten könnt, ins Gebüsch, und dann könnt Ihr lange suchen!

Kilian. Geb' Er her! Ihm ist verziehen. Ich wollte ja bloß sagen: Halunke, man muß Ihm alles nachsehen.

Schlüter. Da!

Jakob (ergreift den Diamant). Mir her! Hurra! Durchlaucht! Herr Prinz!

Der Prinz (steckt den Diamant zu sich). Zu Pferde! (Ab.)

Jakob. Aber meine halbe Million?

Der Graf. Folg' uns, Bauer. Du kannst uns notwendig sein! Mein Reitknecht soll dir sein Tier abtreten. (Ab.)

Jakob (sieht sich im Kreise um). Nun? Wer ist der erste?

Jörg. Was meint Ihr?

Jakob. Der den Hut vor mir abzieht!

Jörg. O hab' meinen nur in der Eil zu Hause gelassen, sonst –

Jakob. Ich verspreche dir zehn Taler für deinen guten Willen. Und noch zehn sollst du bekommen, wenn du gleich zu meiner Frau gehen und ihr mein Glück verkünden willst. Sie soll die Nase jetzt höher tragen, so wie ich, sollst du ihr sagen, und wenn sie dich zu familiarisch behandelt, so sollst du's ihr verweisen und ihr bedeuten, daß es sich nicht schickt, und an meinem Hund, den sie immer ersäufen wollte, weil er ihr zu viel fraß, soll sie sich nicht vergreifen, und wenn uns ein Bettler die Ehre antut und bei uns einspricht, so soll sie ihn nicht mit leerer Hand gehen lassen, sondern ihn so lange aufhalten, bis ich mit dem Geldsack da bin, und – – Ja, den Spaß will ich mir doch machen! All unsren Bettel, die alten wackligten Tische, die wurmstichigen Stühle, ihren Winterkittel und was sich sonst findet, soll sie in einem Haufen vor der Tür aufschichten und wenn ich komme und pfeife, soll sie alles in Brand stecken! (Ab. Jörg und der Jäger folgen ihm.)

Dr. Pfeffer (zu Kilian). Fünfzig Taler sind's, nicht wahr?

Kilian. Die versprach ich Euch, wenn Ihr Euch für mich ausgeben wolltet.

Dr. Pfeffer. Und hab' ich das denn nicht getan?

Kilian. Im Anfang, ja. Aber habt Ihr nachher nicht selbst zum Prinzen gesagt, daß Ihr der Doktor wärt und ich der Richter? Nicht ohne Absicht ließ ich Euch zuerst sprechen, als der Graf fragte. Keinen Heller bekommt Ihr! (Ab.)

Dr. Pfeffer. Das wollen wir doch sehen! (Folgt ihm mit Block.)

Schlüter (zu Benjamin). Hast du mir wirklich den echten Stein gegeben?

Benjamin. Welch eine Frage!

Schlüter. Ei was! Du stehst mir viel zu ruhig da. Ich verstehe mich nicht auf Diamanten, der Bauer Jakob ebensowenig und der vornehme Herr steckte den Stein in die Tasche, ohne ihn auch nur anzusehen. Hast du nicht, als ich dich allein ließ, einen nichtsnutzigen Kiesel aufgerafft und mich damit angeführt?

Benjamin. Wollt Ihr nicht noch einmal das Messer ziehen?

Schlüter. Ich hab's leider verloren, sonst weiß ich nicht, was ich täte. Der ganze Handel kommt mir jetzt verdächtig vor. Erst läufst du anderthalb Tage herum und kannst den Stein nicht loswerden und dann glückt's auf einmal.

Kilian (hinter der Szene). Schlüter! Schlüter! Wo bleibt Er! Der Doktor bringt mich um! Au weg! Sein Zögern kostet mich schon einen Zahn!

Schlüter (laut). Ich komme! (Für sich.) Das ist ein Glück für mich! Nun kann ich mir so viel Verdienst um den Richter erwerben, daß er mir verzeihen muß. Ich will ihm beispringen – (Laut.) Wo seid ihr? Hört doch nicht zu schreien auf, ich kann Euch sonst ja nicht finden! (Kilian schreit.) – aber, ich will nicht zu schnell da sein, damit die Gefahr, aus der ich ihn errette, auch etwas bedeute! (Zu Benjamin im Abgehen.) Hund, ich glaube, du lachst hinter uns allen her! (Ab.)

Benjamin (allein). Wär's noch nicht aus? Fürchterliche Gedanken kommen mir. Mir ist, als hört' ich den Pöbel hinter mir herrufen: »Das ist der Jude mit dem Diamant im Bauch!« – Er soll ihn ja wieder von sich gegeben haben! – »Lug und Trug! Das hat er selbst ausgebracht, um seines Lebens sicher zu sein. Der Stein hat sich in seinem Eingeweide so tief verkrochen, daß er gar nicht wieder heraus kann! Das ist die Wahrheit!« – Da nützt er ja so wenig dem Juden selbst, als anderen! – »Nützen? Er quält den armen Teufel bis aufs äußerste, der Mensch hat in seinem Schmerz schon mehrmals Hand an sich selbst gelegt, aber das will durchgesetzt sein und er ist zu feig!« – Man sollte ihm zu Hilfe kommen! – »Das ist auch mein Gedanke! Wollen wir ihm aufpassen und ihm den Gefallen tun?« (In seinem natürlichen Ton.) Und nun – hu, ich will mich so lange in einem Gebüsch verbergen, bis die ganze Welt weiß, daß der Bauer mit seiner halben Million zurückgekehrt ist! Aber dann – dann gehe ich auch an den Hof. Was? Benjamin wäre ein Dieb? Ein gemeiner schmutziger Dieb? Schäme dich, Mensch, daß du dich selbst so niederträchtig verkennen konntest! Eine Tat hast du ausgeführt, die in den Sternen beschlossen war, die ausgeführt werden mußte, wenn die Prinzessin nicht eines jämmerlichen Todes sterben, wenn dem Könighause der bitterste Verlust erspart werden sollte! Hättest du die Hütte des Bauern nicht betreten, hättest du den Stein nicht, wie auf den Wink des Schicksals, instinktmäßig zu dir gesteckt und dem einfältigen Besitzer dadurch die Augen über den Wert seines Schatzes eröffnet, würde man ihm auf die Spur gekommen sein? Nimmermehr! Also – – (Er geht pfeifend ab.)

Fünfte Szene.

Königliches Schloß. Morgen. Vorzimmer der Prinzessin. Hofdamen und Kavaliere.

Erste Dame (zu der zweiten, die aus dem innern Gemach kommt). Wie steht's mit Ihrer Hoheit, der Prinzessin?

Zweite Dame. Sie ruht noch im tiefen Schlaf auf dem Diwan, angekleidet, wie immer.

Dritte Dame. Heute ist nun ihr Geburtstag!

Erste Dame. Ja, der Himmel gebe seinen Segen zu diesem Tage. Wir sollen sie heute, sobald sie erwacht, ganz so behandeln, wie im vorigen Jahr, als ob inzwischen gar keine Veränderung vorgegangen, als ob sie (leise) gar nicht von Sinnen gewesen wäre. Die Geschenke liegen, wie damals, bereit, die Musiker harren des Zeichens, wie damals, um, sobald sie sich regt, ihre Lieblingsmelodie zu spielen, Ihre Majestät werden, wie damals, erscheinen, sowie die Musik verklingt. Wir vor allen sollen uns leicht und unbefangen gegen sie betragen, ich weiß nicht, wie es zu machen ist.

Dritte Dame. Möchte der Versuch glücken! Ist doch jetzt an unserm Hof alle Freude ausgelöscht! Atmen wir doch, wie unterm Leichentuch.

Erste Dame. Jedenfalls ist es der entscheidende. Der Arzt hat erklärt, daß mit dem heutigen Tage seine Hoffnung steht oder für immer fällt.

Zweite Dame. Ich erwarte doch etwas von dem Versuch. Denn seit gestern abend, wo ich ihr, wie es mir befohlen war, die Krankheit ihrer Mutter mitteilte, ist sie anders geworden. Ich will nicht gerade sagen, daß der Wahn, der sie befangen hält, sie ganz verlassen hätte. Das nicht. Aber sie ward tief nachdenklich und seufzte, ihr Herz war getroffen, und sie kann unmöglich fortträumen, daß sie tot ist und der Erde entrückt, wenn sie sich von dem Stachel des Lebens, des Schmerzes, in ihrem Innersten durchbohrt fühlt. Muß doch einer, der sich für unverwundbar hält, durch die erste wirkliche Wunde von seinem Irrtum geheilt werden!

Erste Dame. Sprach sie etwas? Antwortete sie Ihnen?

Zweite Dame. Nein! Gesprochen hat sie seit jenem Abend, wo sie die Königin, wie den Schemen ihrer selbst anredete, nicht wieder.

Erste Dame. Dann ist auch nichts gewonnen.

Dritte Dame. Wenn nur der Diamant gefunden würde!

Zweite Dame. Davon, glaube ich, hängt alles ab. Mich wundert, daß die Ärzte einen so bedenklichen Versuch anzustellen wagen, bevor sie den Stein in Händen haben.

Erste Dame. Sie fürchten vielleicht, daß er sich niemals wieder finden wird. Unbegreiflich ist es auf jeden Fall, daß man ihm noch immer nicht auf die Spur gekommen ist. Eine halbe Million und völlige Amnestie ist ein so hoher Preis, daß, wie mich dünkt, kein Mensch, nur – ein Geist ihn verschmähen kann. Fast sollte man annehmen, daß – (Sie unterbricht sich.)

Dritte Dame. Daß die Prinzessin nicht geträumt, sondern daß eine höhere, eine geheimnisvolle Macht ihr den Diamant wirklich abgefordert hat. Ich hab' es auch schon gedacht.

Zweite Dame. Das Volk, die Geringeren, lassen sich diesen Gedanken wenigstens nicht nehmen. Man bringt, wie ich höre, im ganzen Land den Verlust des Steins mit dem Kometen, der sich eben jetzt zu sehr unrechter Zeit am Himmel zeigt, in Verbindung.

Erste Dame. Gut wäre es immer gewesen, wenn die Sache sich mehr hätte verheimlichen lassen. Das ging vielleicht nicht an.

Erster Kavalier (zum zweiten). In der Tat, niemand kann die Gelegenheit zu Auszeichnungen, wie sie ein Krieg darbietet, mehr wünschen wie ich. Aber fatal, äußerst fatal ist es doch, daß der Nachbarstaat uns gerade jetzt Krieg ankündigt.

Zweiter Kavalier. Auch der General ist dieser Meinung. Ich hörte ihn gestern mit der ihm eigenen Rücksichtslosigkeit erklären, daß die Soldaten ohne Mut und Vertrauen fechten würden, weil sie den Sieg für unmöglich hielten. Ich bin vielleicht der einzige, der eine Ausnahme macht, setzte er hinzu, und man nenne mich abergläubisch oder nicht, auch ich wollte, der Diamant wäre wieder da, bevor wir ausrücken. (Musik.)

Erste Dame (zu der zweiten). Sie ist erwacht! Es gilt! (Zu der dritten.) Fräulein, es liegt noch zuviel Angst in Ihren Zügen!

Dritte Dame. Ich gesteh's, ich liebe die Prinzessin.

Erste Dame. Meine Gnädige, sind Sie so unglücklich, jemand zu kennen, doch er sie nicht liebt?

Sechste Szene.

Das Hauptgemach wird geöffnet. Man sieht die Prinzessin auf ihrer Ottomane sitzen. Kinder, als Genien gekleidet, stehen mit reichen Geschenken um sie her. Die Musik dauert eine Weile fort.

Die Hofmeisterin (heraustretend). Meine Damen und Herren, Ihre Hoheit wollen empfangen.

Erste Dame (im Hineingehen) In der Tat?

Die Hofmeisterin. Ich habe ihr angesagt, daß der Hof versammelt ist, und ohne eine Antwort oder einen Wink abzuwarten, öffnen lassen.

Damen und Herren (gruppieren sich um die Prinzessin, die Musik verstummt).

Erste Dame. Ew. Hoheit geruhen, unser aller herzlichste Glückwünsche zu Dero Geburtstag entgegenzunehmen!

Erster Kavalier. Wir wagen, Ew. Hoheit auch die unsrigen in tiefster Ergebenheit zu Füßen zu legen. Wir würden es versuchen, unsern Empfindungen und Gedanken Worte zu geben, aber erst eben hat hier der heilige Mund der Musik an die Seele geredet; da muß die menschliche Lippe verstummen.

(Die Prinzessin sieht sie starr an. Ängstliche Pause.)

Erste Dame (auf eine Stickerei zeigend, die auf einem Tischchen neben der Ottomane liegt) Wie reizend erdacht! Wie zart ausgeführt! (Zu der zweiten Dame.) Nicht ohne Absicht hat man die Stickerei hiehergelegt. Es war ihre letzte Arbeit. (Laut.) Ich glaubt, Ihre Hoheit haben noch gestern abend daran gestickt!

Dritte Dame. Das haben Sie.

(Die Prinzessin sieht bald auf die Damen, bald auf die Stickerei.)

Erste Dame. Vielleicht zum Geburtstagsgeschenk für die allergnädigste Frau Mutter bestimmt. Ihro Majestät befinden sich leider heut morgen noch schlimmer, als gestern abend.

Zweite Dame. Sonst würden Sie gewiß die erste hier gewesen sein. Jetzt müssen Sie es abwarten, ob die Prinzessin Tochter sich zu Ihrem Krankenbett begeben werden, um Ihren Segen, Ihre Glückwünsche zu empfangen!

(Die Prinzessin erhebt sich, dann schüttelt sie ungläubig den Kopf und sinkt wieder zurück.)

Siebente Szene.

Der König, der Prinz und der Graf treten ein.

Der König. Wilhelmine, Ihr Vater wünscht Ihnen Glück! Und da Sie auf den Diamant, den Sie vermißten, einigen Wert zu legen schienen, so haben wir uns Mühe gegeben, ihn wieder herbeizuschaffen. Hier ist er!

Die Prinzessin (erschüttert). Der Diamant! (Sie erfaßt ihn.) Er ist's! (Sie steht starr.) Wo bin ich? Was ist Wahrheit? Ich rede! Mein Ohr vernimmt die Worte meines Mundes! (Sie sieht von ungefähr in den Spiegel) Ich sehe mein Bild! Wo sind die Flügel?

Der Graf. Mir schwindelt. Nun gilt's.

Der Prinz (legt die Hand an den Degen). Ich bin gefaßt!

Der Graf. Gnädigster Herr! (Für sich.) Hätte ich diese unselige Verbindung doch nie betrieben! Verflucht die Stunde, wo ich sie zuerst anregte!

Der König (zur Prinzessin, kalt und gemessen). In verstümmelter Soldat, krank, wahrscheinlich zugleich wahnsinnig, hat sich in den Hofgarten zu schleichen gewußt, er hat die Ohnmacht, in die Sie fielen, weil die unheimliche Erscheinung, die so plötzlich vor ihnen stand, Sie erschreckte, benutzt und den Stein geraubt. Von ihm ist der Stein dann an einen gemeinen Bauer gekommen; dieser Bauer steht draußen. Alles ist klar, und wenn Ihnen durch die Enthüllung ein Dienst geschah, so haben Sie dem Prinzen dafür zu danken!

Die Prinzessin. Dem Prinzen! (Sie wirft sich wieder auf die Ottomane und bedeckt ihr Gesicht mit den Händen.)

Der König (zum Prinzen) Sie errötet, sie ist wieder Weib, wir haben gesiegt! (Er gibt einem Kavalier einen Befehl, der Kavalier spricht mit einem Bedienten, der Bediente geht ab.)

Die Prinzessin (sich plötzlich wieder erhebend) Entweicht! Ihr seid Schatten! O, ich weiß! Nun liegt Ihr auf Erden in dumpfem Schlaf, und Euer Seelen drängen sich als dunkle Phantome in den Lichtkreis hinein, dem sie noch nicht angehören, und suchen die vorangegangenen seligen Geister zu verwirren und zu betören. Laßt ab von mir, oder wenn Euch verlangt, um mich zu sein, so habt den Mut, zu sterben, dann sind wir auf ewig vereint!

Der Prinz. Alles ist aus! (Er zieht den Degen gegen sich selbst.) Ich habe den Mut!

Die Prinzessin. Ferdinand! Ferdinand! (Sie verhindert ihn.) Warum tu' ich dies? Warum schaudert mir? Gott! Gott! Einen Strahl! Um mich und in mir ist Nacht! (Sie ergreift den Diamant und blickt ihn starr an.)

Der König. Faß dich, Kind, du warst krank, aber sobald du dies einsiehst, bist du gesund!

Achte Szene.

Jakob erscheint mit dem vorhin abgegangenen Bedienten in der Tür.

Jakob (zum Bedienten). Auf Eure Verantwortung! Was? Bin ich dazu gemacht, mit Königen zu verkehren? Ich möchte hier im Schloß vor jedem Schrank und Tisch drei Kratzfüße machen, so blank und vornehm sehen sie aus; ich hätte den Spiegel, in den ich, als wir vorbeigingen, aus Versehen hineinguckte, um Verzeihung bitten mögen, meines ungewaschenen Bildes wegen; ich würde einen Stuhl, wie den da, eher selbst auf den Rücken nehmen, als mich auf ihn niedersetzen, so viel Respekt flößt er mir ein, und nun soll ich am hellen Morgen so unverschämt sein, und unrasiert und ungekämmt, wie ich bin, vor die Königlichen Majestäten hintreten? (Er bleibt stehen.) So weit gutwillig. Wenn ich weiter soll, müßt Ihr Gewalt brauchen, damit ein jeder sieht, daß ich nicht von selbst komme.

Die Prinzessin. Wer ist der Mensch?

Der König (winkt Jakob). Kommt heran! (Zur Prinzessin.) Es ist der Mann, in dessen Händen sich bis jetzt der Diamant befand. (Zu Jakob.) Nun? (Zur Prinzessin.) Ich ließ ihn rufen, weil meine Tochter über ihn lachen soll!

Die Prinzessin (\1)/wiederholt langsam des Königs Worte). Das ist der Mann!

Jakob (zum Bedienten, auf den Fußteppich zeigend). Nehmt den Teppich auf, daß ich ihn nicht beschmutze, wenn ich gehorche. Doch ich sehe, das könnt Ihr gar nicht, ohne Euer gesticktes Kleid zu verderben. Ihr seid mir ein schöner Bedienter! Wäre ich Euer Herr, ich würde mich hüten, Euch etwas zu befehlen. Wenn Ihr einen Dienst verrichtet, so ist's um den Rock geschehen.

Die Prinzessin (nickt). Das ist der Mann!

Der Graf (für sich) Sie kommt zu sich. An der Realität dieses Bauern muß wohl jede fixe Idee sich zerstoßen!

Jakob (für sich). Jetzt fällt mir's ein, wozu ich gerufen bin. Ich soll mich bedanken. Nun, das kann die Majestät für die halbe Million doch auch wohl verlangen. Für welch einen Esel wird sie mich halten, daß ich so lange zögre. Wüßt' ich nur, wer König ist, daß ich mich nicht an den Verkehrten wende und mich lächerlich mache. Hier ist der König nicht so leicht herauszufinden, wie im Kartenspiel. Doch, der wird's wohl sein, der mich vorhin rief. (Er nähert sich eilig und ungeschickt dem König.) Ich bedanke mich, Majestät! Zwar hab' ich das Geld noch nicht, aber ich bedanke mich, als ob ich's schon hätte, und ich bin erbötig, alle Tage zu kommen und mich zu bedanken. Wenn ich mich zuerst weigerte, so war's nur, weil ich noch nicht begriff, was ich hier sollte.

Der König. Nicht wahr, Prinzessin, er hat wenig von einem Geist?

Die Prinzessin. O, mein Vater!

Jakob (der inzwischen einen Taler aus der Tasche gezogen hat und abwechselnd den König und den Taler betrachtet hat). Die Wette hätt' ich verloren!

Der König. Was für eine Wetter, Freund?

Jakob. Ich saß einmal, als ich noch unverheiratet war, in einem Krug und zog einen Taler hervor. Den legte ich vor mich auf den Tisch und sagte zum Wirt: dies Bild Seiner Majestät kann nicht richtig sein, denn die Krone fehlt. Der Wirt stritt dagegen und behauptete, ein König trüge die Krone niemals selbst, sondern ließe sie sich immer durch den stärksten Soldaten vortragen, denn sie sei viel zu schwer. Ich stritt wieder gegen den Wirt, der Wirt wollte sich auch nicht geben und meinte, wenn das Bild falsch sei, so müsse auch der Taler falsch sein und dann sei ich selbst falsch, weil ich falsches Geld ausgäbe. Zuletzt wetteten wir, hätten wir das nicht getan, so würden wir uns noch geprügelt haben. Nun sehe ich, der Mann hat's besser gewußt, als ich, denn von einer Krone werd' ich hier wirklich nichts gewahr.

Der König. Jetzt geh und laß dir dein Geld auszahlen.

Jakob. Eine Gnade möcht' ich mir aber doch noch ausbitten, nämlich die, mir soviel von dem Gelde abzuziehen, als nötig ist, um den allerschönsten Ring für die Prinzessin Tochter zu kaufen. Ohne Umstände! Sie hat ihn wohl verdient, und sie sollte ihn bekommen, wenn sie auch gar nicht so sparsame, dünne Finger hätte, wie sie hat, sondern derbe Arbeitsklauen, wie die meinigen. Sie ist es ja doch ganz gewiß, die dem Soldaten den Diamant gab, wahrscheinlich hat der Mensch sich nicht einmal bedankt, denn vom Reden war er kein Freund, da will ich's denn durch den Ring in seinem Namen tun. (Im Abgehen.) Bitte, meine Person nicht übel zu nehmen! (Ab.)

Der König. Prinz, reichen Sie Ihrer Braut den Arm, die Königin ist krank, wir können sie nicht zu schnell wieder gesund machen. (Alle schicken sich zum Abgehen an.)

Finis


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