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Siebente Szene

Im Palaste des Montezuma zu Tenochtitlan. Ein Saal mit breitem Ausgang im Hintergrund auf eine große Terrasse, die von Wasser umgeben ist. Stufen führen zum Landungsplatz hinunter, wo toltekische Diener mit brennenden Fackeln postiert sind. Es ist die Zeit der Morgendämmerung. Der erste und zweite Gelehrte schreiten in leisem Gespräch auf und ab.

Der erste Gelehrte

Ja, die Tat war fürchterlich,
und das Volk beginnt zu murren.

Der zweite Gelehrte

Doch sie brachen, wie man sagt,
bei dem Anblick Cihua-coatls,
unsrer heiligen Schmerzensmutter,
in die Knie. Sagt, ist das richtig?

Der erste Gelehrte

Ja, das taten sie, wahrhaftig:
war es nun vor Cihua-coatl
oder vor dem heiligen Vater,
der das Kreuz in Händen hielt.
Dieser Altar blieb verschont.
Doch das Wüten nahm kein Ende.
Hätte nicht der Christenpriester
sie bewogen abzulassen,
wären alle heiligen Stätten
nur noch Höhlen voller Trümmer.

Der zweite Gelehrte

Tempelpriester waren hier,
sich dem Kaiser zu eröffnen.
Sie behaupten, ihre alten,
allerheiligsten Gefäße
seien im Besitz der Fremden.
Kostbarkeiten, unersetzlich,
nicht des Goldes, nicht der Steine
wegen, sondern weil uralte
Götterrunen sie bedecken.
Sind die Fremden Diebe? Sprecht!

Der erste Gelehrte

Furchtbar ist der Fremden Goldgier.
Gold, nur Gold! Nicht, was es darstellt,
von kunstreicher Hand gebildet,
ist's, wonach sie stündlich lechzen.
Und sie wissen es zu finden,
sei es noch so sehr verborgen,
sicher, wie der Hund das Aas.

Der zweite Gelehrte

Würdiger, sprecht leise, leise.
Hier wird jedes Wort geahndet,
das des Landes ungebetnen
Gästen nicht ganz günstig lautet. –
Goldgier, Ihr habt recht, erfüllt sie. –
Und von Goldwut ganz besessen,
würden sie den goldnen Gott
in der Sonne, den Erbarmer,
unbedenklich niederreißen,
könnte ihn die Faust erreichen,
wie das Aug' ihn weinen sieht.

Der erste Gelehrte

Nun, ich sehe, wir sind einig,
was der Fremden Habsucht angeht.

Der zweite Gelehrte

Oh, sie ist ganz offenbar.
Und der heilige Schatz des Kaisers,
den sein Vater ihm vermachte,
ist schon längst nicht, was er war.

Der erste Gelehrte

So raunt man im Volk sich heimlich
zu. Doch das zu glauben sträubt
jeder Nerv sich meines Innern.
Dieser Schatz uralter Bilder,
der aus unsres Volkes Tiefen
gleichsam sich von selbst gebildet,
an unschätzbaren Symbolen
reich, unschätzbar für das Wissen
aus der Tiefe aller Zeiten,
er wird dieser Fremden Raub.
Ist nicht jedes seiner Stücke
unanrührbar, unantastbar
fast wie die Person des Herrschers?
Und sie schmelzen es in Tiegeln,
klumpen es zu dicken, rohen,
formenlosen Massen ein.
Wer verriet den Schatz?

Der zweite Gelehrte

Des Kaisers
großer, offner Sinn verriet ihn.
Ohne Arg, wie er's gewohnt ist,
nicht der Fürsten Warnung achtend,
ließ er alle Kammern auftun,
und wer kennt nicht seine offne
königliche Spenderhand?

Der erste Gelehrte

In des Volkes Tiefen gärt es,
drohnde Zeichen mehren sich.
Volk und Herrscher trennt ein Zwiespalt.
Qualpopoca ist geflüchtet.
Cacamatzin hat in seiner
eignen Hauptstadt sich verschanzt.
Graun und Hoffnung knüpfte sich
an den Einzug dieser Fremden.
Doch die Hoffnung ist geschwunden.
Nur das Grauen herrschet noch.
Dazu kommt: der heilige Vater
hat es allen Eingeweihten
rund und deutlich ausgesprochen –
durch den Vogel Ti-hui-tochan
von der Gottheit selbst belehrt:
diese Fremden seien die
urgebornen Feinde Gottes.

Der zweite Gelehrte

Diese Nachricht trifft mich schmerzlich.
Denn nun haben wir die Spaltung,
eh die Frage, die uns ängstet,
zweifelsfreie Antwort zuläßt.
Totonaken, Urbewohner
dieses Landes, meint der heilige
Vater, seien unsre Gäste:
Überbleibsel des Geschlechtes
jener Riesen, die der Sonne
spotteten, die Satzungen
des allmächt'gen Gotts verhöhnten!
Nun, der Kaiser denkt nicht so.
Er, der wahre Sonnensohn!
Er, der eingebornen Wissens
heiligstes Gefäß auf Erden,
nennt die Gäste Gottgesandte,
und er liebt sie wie sich selbst. –
Würdiger, still, dort kommt die Wache.

Zwei spanische Soldaten durchschreiten beobachtend den Saal.

Der erste Gelehrte

Wie, hier im Palast des Herrschers
diese Fremden, ganz in Waffen?

Der zweite Gelehrte

Jeder Zugang ist besetzt.
Nicht am Tage, nicht des Nachts
bleibt der kleinste Schritt des Kaisers
unbeachtet von den Spähern.

Der erste Gelehrte

Nun, dies nenn' ich eine Schmach
für das Weltreich der Tolteken.

Marina huscht durch den Raum und flüstert mit den Wachen.

Wer ist dieses Mädchen?

Der zweite Gelehrte

Ihres
eignen Volkes böser Geist
und der Fremden treustes Werkzeug.

Marina huscht zu den beiden Sprechern herüber.

Marina

Ist des Herrschers Majestät
von der morgendlichen Bootsfahrt,
Würdiger, schon zurückgekehrt?

Der zweite Gelehrte

Du kommst früh, um das zu fragen.
Welche Gründe treiben dich?

Marina

Der erhabne Tonatiuh
denkt den Herrscher zu besuchen.

Der zweite Gelehrte

Noch bevor die Sonne sich
über das Gebirg' gehoben?
Ist er denn so ungeduldig?

Marina

Ja, Hochwürdiger, er ist's.

Guatemotzin kommt eilig herein.

Guatemotzin

Ist mein Vater im Palaste?

Der zweite Gelehrte

Noch nicht, man erwartet ihn.
Früher täglich steigt der Kaiser
in die Gondel, täglich später
kehrt er von der Ausfahrt heim.

Guatemotzin

Wer ist mit ihm?

Der zweite Gelehrte

In drei Booten
folgen ihm, wie jedesmal,
Gaukler, Sänger, Musikanten.

Guatemotzin

Ach, mein gottentsproßner Vater
macht die Nacht doch nicht zum Tage.
Möcht' ihm doch der Tag genügen,
wachen Blicks sich umzusehn.

Zu Marina

Sage deinem weißen Riesen,
Guatemotzin hasse ihn!

Der zweite Gelehrte

Prinz, ich darf Euch nicht verbergen,
daß Euch heft'ger Zorn erwartet.
Folget mir und tretet jetzt
nicht vor Eures Vaters Antlitz.
Daß ich's kurz Euch sage: er
weiß von allem, was im Tempel
Huitlipochtlis sich ereignet,
und mißbilligt Euer Tun.

Guatemotzin

Er mißbilligt, daß ich unsren
alten Göttern beigestanden?

Der zweite Gelehrte

Ja, auch das! Denn wahre Götter,
sagt er, brauchen keinen Beistand.
Aber seiner Ungnade
eigentlicher Grund liegt tiefer.
Er mißtraut Euch: denn Ihr hattet
mit den Priestern Huitlipochtlis
und mit gleichgesinnten Fürsten
eine heimliche Beratung.

Guatemotzin

Um so besser! Um so klarer
wird es zwischen ihm und mir.

Erster spanischer Soldat

zum zweiten

Aufgepaßt, jetzt kommt der Wilde
von der nächtigen Fischerei.

Zweiter spanischer Soldat

Teufel ja, man hört schon klimpern,
und da ist ja auch der Lichtschein.
Donnerwetter, ja, ihm wäre
besser, auf dem Ohr zu liegen,
diesem schwarzen Lumpenhunde!
und der Satan weiß, auch mir.

Viele aztekische Diener mit Fackeln füllen jetzt die Terrassen und leuchten, während die Barke Montezumas bei zunehmender Morgenröte unter dem Klange einer melancholischen, fremdartigen Musik anlegt. Sehr langsam steigt Montezuma die Stufen herauf. Alle, außer den spanischen Soldaten und den Fackelträgern, werfen sich vor ihm nieder.

Erster spanischer Soldat

Wenn die Wilden unter sich sind,
heißt es, sollen wir nicht stören.
Komm, 's ist besser sich zurückziehn.

Die beiden Soldaten verlassen den Saal. Jetzt betritt ihn Montezuma von der Terrasse aus.

Montezuma

zu Marina, die sich vor ihm niedergeworfen hat

Ah, dich trifft mein erster Blick.
Dies sei mir ein gutes Zeichen
für den Tag, der eben anhebt.
Wie geht's meinem Bruder, sprich.

Marina

Eures kaiserlichen Anblicks
hohes Glück ihm zu gewähren,
bittet Euch der Sohn der Sonne.

Montezuma

Offen ist der Weg, er weiß es.
Warum steht er hier nicht selber?
Gerne eilt' ich selber zu ihm. –
O Marina, welche Stunden
lebt' ich draußen auf dem Wasser.
Du mußt wissen, daß ich sachte
von dem Lande meines bittren
Schmerzensdaseins Abschied nehme.
Selbst den Kerker, sagt man, der
unbarmherzig den Gefangnen,
lichtlos eingeschlossen, festhielt:
der Gefangene verläßt ihn,
freigegeben, nur mit Wehmut.
Doch das Tal von Anahuac,
wo im Spiegel klarer Seen
sich die weißen Gipfel baden,
ist wohl mehr als solch ein Kerker? –
Zwar die Welt ist Gram, Marina.
Gram war meiner Nächte Speise,
meiner Tage Sättigung.
Frage mich: wieso? Ich weiß nicht!
Oder doch? 's ist schwer zu denken,
noch viel schwerer auszusprechen. –
Dennoch bleibt das Scheiden schwer.

Marina

Wohin denket Ihr zu gehen,
Majestät?

Montezuma

Wohin? Das fragst du!
Sehen wir das gleiche goldne
Land nicht offen, du und ich?
Durch den gleichen Blick der Liebe,
durch den ungeheuren Zauber,
dessen Schoß uns in sich trägt.
Nein, 's ist aus. Hier gibt's kein Weilen
mehr. Obgleich im Glanz des Abschieds
auch die Scholle der Verbannung
über alles Ahnen aufblüht.

Zum ersten Gelehrten

Ihr Gelehrten, sehr Hochwürdigen,
diesen Morgen waren wieder
Rätsel meiner Seele Spielzeug.
Silberschuppige Rätsel schwammen
im Kielwasser meines Fahrzeugs,
glotzend nach der Fackel Licht.
Rätsel flatterten im Schilfe,
mit dem Ruf der Wasservögel
meine Weisheit ängstigend.
Rätsel lag als blut'ger Schein
in die Fluten ausgebreitet.
Und das Antlitz unsrer heiligen
Mondesmutter lag erschauernd
in dem farbigen Spiel der Täuschung.
Sagt, warum ist so viel Täuschung
in der Welt? Wo ist sie nicht?

Der zweite Gelehrte

Heilige Majestät, die Weisen
aller Zeiten, alle klagen
diese Klage! Und sie fragen
diese Frage! Deren Antwort
in dem ewigen Schweigen schlummert.

Montezuma

hat Guatemotzin bemerkt

Nein, ich nenne dich nicht mutig,
weil du dich vor deines Vaters
Blick wagst, Guatemotzin! Du
rechnest fest auf meine Milde.
Darin tust du recht: obgleich
mir der Arm des Herrschers zuckt
und ich mich der Macht erinnre,
die als irdischem Gott mir zusteht.
Ich erschuf dich, und ich kann
dich vernichten, Guatemotzin!
Doch bleib furchtlos! Nicht ein Haar
werd' ich meinen Kindern krümmen,
deren Blindheit, deren Abfall
mich dagegen tief verwundet.
Bitte mich: so will ich dir
deines Irrtums Wolken lichten.
Nicht mein Bruder Cacamatzin,
nicht der starre Qualpopoca
kann dir sagen, was ich weiß,
keiner ahnt die Weltenstunde,
die nun da, und ihr Gericht.

Guatemotzin

Hast du, kaiserlicher Vater,
es vernommen, was der heilige
Hatuey, unser Oberpriester,
von den weißen Fremden sagt?

Montezuma

Nein, doch finde ich Belehrung
über diese Sonnensöhne
nicht bei ihm: nur er bei mir.

Guatemotzin

Doch ihm ward Erkenntnis, Vater,
durch die Taube Ti-hui-tochan,
die der Geist ist aller Gottheit,
deren Bild sogar die fremden
Riesen, über ihren Götzen
aufgehängt, zuhöchst verehren.

Montezuma

Was ist mir der Ti-hui-tochan,
dieses gurrnde Pfaffentäublein,
der ich selbst den Sonnenadler
und den Blitz im Wappen führe.
Mächtig ist der Flug des Kondors.
Und er schraubt sich bis zur Sonne,
taucht hinein und brennt zu Asche,
um sich neu herabzustürzen
wie ein Bolz durch alle Zonen,
flügelbrausend, unversehrt.
Dieser ist mein großer Diener,
dieser ist mein wahrer Bote:
zwischen mir und meinen Himmeln
braucht es andrer Boten nicht.

Cortez, begleitet von Pedro de Alvarado, Pater Olmedo, Bemal Diaz, Las Casas, Gonzalo de Sandoval, Christoval de Guzman und Jeronimo de Aguilar, tritt ein. Sie verharren in gemessenem Abstand.

Froh begrüß' ich dich, Malinche!

Cortez

Dich, o Freund, grüß' ich in Ehrfurcht.
Wir erscheinen, dir zu sagen,
daß die span'schen Brigantinen,
deine Schiffe, fertig sind,
und am vorgerückten Morgen
noch wird man die Riesenrümpfe
unter segelschweren Masten
draußen auf dem Meere sehn.

Montezuma

Welche Aussicht! Und von selber
werden diese Götterschiffe
sich im Wasser fortbewegen?

Cortez

Durch die Kraft des Himmelsatems!
Ganz allein durch Gottes Kraft!

Montezuma

Immer wenn ich euch erblicke,
spür' ich unsres Bluts Entartung,
staunend hör' ich eure Worte.
Staunend seh' ich aller reichen
heiligen Kräfte Spiel in euch,
aber eure Taten zwingen
mich zu Schauern der Bewundrung.
Nehmt ihr schon, nichts kann euch lohnen.

Er winkt. Hinter ihm haben sich inzwischen in geordneter Aufstellung drei jugendliche Prinzessinnen, seine Töchter, mit ihren schönen Dienerinnen angefunden und eine weitere Anzahl Diener, die Geschenkgegenstände tragen. Diese nähern sich Montezuma auf seinen Wink.

Wie denn stünd' ich vor euch, hätt' ich
nicht das Gold, von dem ich weiß,
daß sein Glanz euch Freude macht.

Cortez

schwere Kostbarkeiten entgegennehmend

Uferlos ist deine Gnade!

Montezuma

Gold ist gut, doch süßre Freuden,
hoff ich, gibt der Königstochter
unberührter zarter Körper.
Nimm – sie liebt dich! Wie auch sollte,
den ich liebe, sie nicht lieben?
Sie ist dein! So nimm sie hin!

Eine der Prinzessinnen ist vor Coriez geführt und entschleiert worden. Sie steht schamübergossen. Er streicht ihr huldvoll über das Haar und küßt sie auf die Stirn.

Cortez

Spanier kennen keine Sklaven,
Jungfrau! Und du trittst in meinen
Schutz als eine freie Christin!

Montezuma

die Reihe der Spanier abschreitend. Zu Alvarado

Euer Blick, Don Alvarado,
ward von meinem jüngst gefangen,
als er in die Augen einer
meiner Töchter sich verloren.
Nehmt sie an! Sie liebt Euch. Hier. –
Es ist gut, uraltes, träges
Blut des alten Sonnenstammes
der Azteken durch das Feuer
Eures jungen aufzufrischen.

Cortez

mit verändertem Ton

Herr, es schmerzt mich, denn ich muß
in tiefernster Sache jetzt
leider um Gehör Euch bitten.

Die Spanier brechen unerwartet in den lauten Freudenruf ihres Feldgeschreis »Sankt Jakob!« aus. Fast gleichzeitig stimmen die Azteken in den lauten Ruf der Überraschung ein. Auf der Wasserfläche sieht man die vier spanischen Kriegsschiffe unter allen Segeln vorübergleiten.

Montezuma

Was ist das?

Cortez

Nichts, werter Bruder.

Die Spanier

Unsre Schiffe! Unsre Schiffe!
Unsre alten Brigantinen
schwimmen wieder auf dem Wasser.

Cortez

Danket Gott und Martin Lopez!

Christoval de Guzman

Nach Sevilla, nach Sevilla,
lasset uns die Anker lichten!

Jeronimo de Aguilar

Wären diese gottverlaßnen
Tümpel doch das offne Meer!

Bernal Diaz

Gott verzeih' es mir, ich möchte
neapolitan'sche Würste beißen.

Jeronimo de Aguilar

Nehmt dazu drei Nößel dunklen
Feuerweins von Malaga!

Cortez

Sonderbar: ich sah sie kreuzen,
eh ihr sie ins Auge faßtet,
und im selben Augenblick
stand ich fest erst auf dem Boden.
Und nun keine Zeit versäumt!

Montezuma

ganz hingenommen von dem Anblick der großen kreuzenden spanischen Schiffe

Hielt ich gleich mich für den Höchsten,
ihr seid mehr, ich seh's, ich weiß es.
Doch wie dem Geringeren
muß zumut sein, wißt ihr nicht.
Helft uns, ihr seid reich, beschenkt uns.
Bitter ist es, doch die Götter,
die euch reicher segneten,
ob sie uns auch lange täuschten,
zeigten mir jetzt unsre Armut.
Helft uns, wie ihr mögt und könnt!
Ist uns nicht zu helfen – nun,
auch das Alte kommt nicht wieder.
Und was früher mir erträglich
schien, das wäre jetzt mein Tod.

Cortez

Nun zur Klage!

Montezuma

Klage?

Cortez

Ja, Freund.
Klagen hab' ich! Und die Fordrung
geht auf unnachsichtige Sühne!
Doch dies ist für dich allein.

Montezuma

winkt. Der größte Teil seines Gefolges entfernt sich. Die Zurückbleibenden verharren in weitem Abstande. Unter diesen sind Guatemotzin, der erste und der zweite Gelehrte. Von den Spaniern bleiben in ebendemselben Abstande, aber von den Azteken gesondert, zurück: Pater Olmedo, Las Casas und Sandoval.

Sprich, Malinche!

Cortez

Du warst heute
überaus gnädig, Bruder.
Dennoch muß ich eine Probe
deiner Treue von dir fordern.

Montezuma

Nenne sie!

Cortez

Einstimmig fordern
alle Männer meines Lagers,
nach vorangegangnem Kriegsrat,
heute Qualpopocas Tod.

Montezuma

Sterb' er denn, wenn er gefrevelt.

Cortez

Sterb' er denn: daß er drei Spanier
zu verruchtem Tempelmorde
euren kannibal'schen Priestern
ausgeliefert, ist gewiß.
Doch ich spaße nicht, mein Bruder:
an Befehl streift meine Bitte.
Wolle ganz bestimmt verordnen,
daß man den Geflüchteten
greife, wo man ihn betrete,
und ihn liefere an uns!

Montezuma

Ward gefrevelt, bin ich Richter.
Er mag sterben. Doch durch mich!

Cortez

Welche klar bemeßne Frist
bis zum Tage der Vollstreckung,
kaiserlicher Herr, verlangst du?

Montezuma

Frist, Malinche? Was ist Frist?

Cortez

Keine Ausflucht! Der Aztek
liebt der Schlange feinste Schliche.
Doch verzeih: jetzt pack' ich dich!
Ein Entrinnen ist undenkbar.
Du erhältst zehn Tage Frist.
Und wo dann der Tempelmörder
und Verschwörer doch noch atmet,
nehmen wir statt seiner –

Montezuma

Mich?

Cortez

Nein, nicht dich, doch von den Großen
deines Reiches eine Auswahl.

Montezuma

leicht zurücktretend

Atme nicht so nah, Malinche!
Denn sonst könnt' ich fast vergessen,
daß du heiliger Abkunft bist.
Sei ganz still: der Fürst wird sterben!
Schon seit lange fürcht' ich selber
seinen überstürzten Sinn
und bin selbst durch ihn gefährdet. -
Jetzt indes verzeih, mein Bruder,
denn es ist nun die gewohnte
Stunde meiner Einsamkeit.

Er schickt sich an zu gehen.

Cortez

Deine Einsamkeit in Ehren.
Doch es ist ein Spiel zu zweien,
das sich jetzt hat angehoben.
Eh der letzte Wurf nicht fiel,
wird mit meinem Willen keiner
von uns zwein den Platz verlassen.

Montezuma

Dies klingt wie Gebot, Malinche.
Nun, es ist mir lieb, daß ich
einmal doch in meinem Leben
fühle, ob ich's dulden könnte,
wenn mir je geboten würde.

Cortez

da Montezuma sich abermals zum Gehen gewendet hat

Was dir wie Gebot geklungen,
ist kein Schein, das sollst du wissen.
Sei ersucht, dich zu besinnen!
Denn sonst müßtest du erfahren
erst, wie dem zumute ist,
den ein echt Gebot bezwingt.

Montezuma

faßt leicht nach der Stirn, wie einen Traum fortzustreichen. Einfach und gleichsam mit sich allein

Nein, mein Sinn ist nicht gestimmt,
solchen Widersinns Geräusche
fernerhin noch aufzunehmen.
Und so wunderlich denkt keiner,
daß er etwa glauben sollte,
irgend etwas könne mir
im Palaste meiner Väter
freies Gehn und Kommen wehren.

Cortez

Keine Zeit bleibt jetzt zum Schwatzen.
Bleibt und gebt präzise Antwort:
Wann stirbt Qualpopoca seinen
wohlverdienten Henkertod?

Montezuma

Wann es mir beliebt: sonst niemals!

Cortez

Hab' ich nun dein letztes Wort?

Montezuma

Jetzt, jetzt eben naht's, Malinche: –
Nie hat so wie du ein Mann
seine Gottheit selbst zertreten!

Cortez

Sandoval, tut Eure Pflicht!

Die Spanier sind inzwischen wieder erschienen, durch dreißig spanische Soldaten verstärkt. Sie sind alle bewaffnet bis an die Zähne. Auf einen Wink Sandovals werden dem Kaiser blitzschnell eiserne Fesseln um die Füße gelegt.

Dies ist Seine Hoheit, des
Kaisers, meines gnädigen Herrn,
unser aller Souverän,
eingesetzter Großprofos.
Und solange nicht erwiesen,
ob Ihr an dem Tod der Spanier
selber Schuld tragt oder nicht,
nehmen wir Euch in Gewahrsam.
Was den Fürsten Qualpopoca,
den Ihr zu verhaften zögert,
angeht, so geschieht bereits
der Gerechtigkeit Genüge.
Denn das Urteil ist im Kriegsrat
von uns selbst bereits gefällt.

Die aztekischen Standespersonen, darunter der erste und der zweite Gelehrte, voran Guatemotzin, scharen sich vergeblich protestierend um Montezuma.

Guatemotzin

Abschaum! Fürchterlicher Auswurf
einer stinkenden Kloake!
Du ein Gott? Ihr Göttersöhne?
Räudige Bestien, weiter nichts!

Montezuma

der zitternd und innig die Hand des Sohnes erfaßt hat, festhält und beruhigend streichelt

Still, mein Kind! Still, Guatemotzin!
Still, mein Vogel Ti-hui-tochan,
oder schelte! Doch nur mich!
Der ich, deinen Ruf nicht achtend,
meinem Sonnenkondor traute
und in Blindheit mich betrog.

Guatemotzin

Schlechte Schurken: weg die Hände!
Ihr mißhandelt unsre Götter.
Ihr besudelt die Altäre,
plündert unsre Kirchenschätze,
raubt die Kreuzeshäuser aus.
Und nun wagt ihr, eure Fäuste,
wagt's, verbrecherische Hände
an den Kaiser selbst zu legen,
den gesalbten Sohn des Himmels?

Montezuma

Er steht da, vor Gott entkleidet.
Denk, wes Blutes wir uns rühmen
dürfen! Schweig! Vergiß den Wicht!

Cortez

zu Sandoval und den Spaniern

Alles nach der Schnur, ich bitte!
Wer unachtsam ist, der büßt!
Denn er macht uns alle büßen.

Er wendet sich kurz und militärisch und geht ab. Nachdem Cortez gegangen ist, treten die Spanier von dem nun gefesselten Montezuma, der in einem Stuhl sitzt, ein wenig zurück. Sie beraten sich halblaut. Auf der Erde, um die Füße des Kaisers und diese weinend küssend, liegen die Azteken. Guatemotzin, seine Hand in der des Vaters, steht aufrecht und mißt die Spanier mit Blicken tödlichen Hasses. Von draußen dringt Brausen und gedämpfter Lärm der Volksmenge. Über das Wasser im Hintergrund ziehen Wolken schwarzen Qualms vom Scheiterhaufen Qualpopocas.

Montezuma

Ich muß weinen, Guatemotzin! –
Zwar mein Volk wird es nicht dulden.
Und die Schande dieses Tages
wird vielleicht an einem spätren
wiederum vergessen sein.
Dennoch muß ich weinen, Knabe,
weinen, wie ich nie geweint.

Guatemotzin

Vater, jetzt stirbt Qualpopoca.
Stirbt, an einen Pfahl gebunden,
hoch auf einem Berg von Scheitern
trocknen Holzes aufgestellt.
Und das Holz ward angezündet,
und nun wirft es Riesenzungen
über das Quartier der Spanier.
Lebend kämpft der Held in Flammen
seinen letzten schweren Strauß.

Montezuma

Wehe, wehe! Qualpopoca
mordete den Tonatiuh.
Wer das tat, muß furchtbar sühnen.

Guatemotzin

Vater! Vater!

Der erste Gelehrte

Laß ihn! Dämmer
hüllt die Martern seiner Seele,
denn zu viel drang auf ihn ein.

Erster spanischer Soldat

Drückt das Eisen? Es gewöhnt sich.
Erst ein wenig unbequem,
will man's später nicht entbehren.

Velasquez de Leon

Eine Sänfte!

Pedro de Alvarado

Noch nicht, Bester!
Lieber warten wir ein wenig.
Alle Straßen sind voll Menschen,
und sie murren recht bedenklich.

Velasquez de Leon

Ach, das sind Alfanzereien!
Werft den Wilden in die Sänfte
und bringt ihn in unsre Festung,
sei's auch mit gezognem Schwerte!
Ist's dafür zu spät: nun dann,
kurzerhand, dann stoßt ihn nieder!

Montezuma

Soll ich ins Quartier der Spanier?

Guatemotzin

Ohne deinen Willen nicht.

Montezuma

Und mit Willen geh' ich niemals.

Pedro de Alvarado

mit einer gewissen Heiterkeit

Weiland sehr großmächtiger Herr,
trügerisch ist Menschenschicksal.
Wär' ich Ihr, ich machte gute
Miene zu dem bösen Handel.
Unser Hauptmann will Euch wohl.
Waren wir oft Eure Gäste,
seid nun unser Gast einmal,
und an nichts wird es Euch fehlen!

Montezuma

Und ich soll, wie Qualpopoca,
auf dem Holzstoß festgebunden -
denn so liebt ihr ja dem Himmel
eure Helden zu vermählen! –,
als ein Flammenopfer sterben?
Hilft mir niemand? Rettet mich!

Im Hintergrund sind weinende Träger mit einer schlechten Sänfte erschienen. Las Casas und Pater Olmedo treten gütig an Montezuma heran.

Pater Olmedo

Gott im Himmel ist mein Zeuge,
wie Eu'r Mißgeschick mir nahgeht.
Unsres Generals Verfügung
kommt mir selbst ganz überraschend:
doch es ist für Euer Leben
nichts zu fürchten, wie ich weiß.

Las Casas

Nehmt so viele Diener mit Euch,
als Euch immer mag belieben.
Eure künftigen Gemächer
sind aufs reichste hergerichtet.
Ungeachtet seines Zornes
ob der Taten Qualpopocas
liebt Fernando Cortez Euch,
wie ich weiß, mehr als sich selber.

Montezuma

schüttelt den Kopf

Einstmals hab' ich das geglaubt.

Pater Olmedo

Mir hat es der General
rund und deutlich ausgesprochen:
daß er im Quartier der Spanier
fortan Euch zu wohnen bittet,
gilt nur Eurer Sicherheit.
Dies Quartier ist wohl befestigt,
während Euer königliches
Haus den Gegnern offenliegt:
Gegnern aus dem eignen Volke,
die Ihr, wie Ihr wißt, besitzt.

Montezuma

zu Guatemotzin

Bleibe bei mir!

Guatemotzin

Immer, Vater!

Montezuma

Bleibe bei mir!

Guatemotzin

Bis zum Tod!

Montezuma

Bleibe bei mir! Bleibe bei mir!


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