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Fünfte Szene

Im Quartier der Spanier zu Tenochtitlan. Große Räumlichkeit, deren Eingänge durch spanische Wachen gesichert sind. Cortez hat hier seine Effekten ausgebreitet. Man sieht Waffen, Sättel, Kleidungsstücke, Teppiche, Stoffe, Federschmucksachen, Gegenstände aus Gold und Silber, kurz: Beutestücke aller Art.

Cortez sitzt an einem niedrigen Tischchen und schreibt. Marina beschäftigt sich mit dem Ordnen und Reinigen inmitten der malerischen Unordnung.

Cortez

Unbegreiflich, ganz unfaßlich!
Bin ich denn ein Kind, das Märchen
hört von seiner Amme, die
an dem Bettchen sitzt und flüstert,
und das endlich um sich her
wirklich Märchen hört und sieht?

Marina

Riefst du mich, Malinche?

Cortez

Freilich!
Komm! Komm her und wecke mich!
Von Kastilien zog ich aus
auf dem Weg des Genuesen,
dies mag Wahrheit sein, gewiß!
Aber ob ich wirklich bin
in Westindien gelandet
oder starb auf hoher See, –
in den Meeresgrund versenkt ward
und von dort zum Monde aufstieg:
dies erscheint mir zweifelhaft.

Marina

Wo du mich gefunden, weiß ich,
wo du herkommst, Lieber, nicht.

Cortez

Sei's. Sei dies der Mond, und seist du
Luna, meine dunkle Göttin!
Wenn ich flugs gestorben bin
und von hier hinab zur Erde
auch kein Schiff mich fürder trägt,
nehm' ich dennoch dies Gestirn
in Besitz für Seine Hoheit,
den erhabnen, den großmächtigen,
sehr katholischen Monarchen,
dessen Vollmacht ich besitze:
Karl den Fünften zu Madrid.
Und ich lasse pflichtgemäß
meine Feder zum Bericht
über diese Blätter gleiten,
die ich, wo nicht andre Post geht,
in das Weltall werfen will.

Marina

Wunderbar sind deine Worte.
Durch den Tod bist du gegangen,
und durch ihn kamst du zu uns?

Cortez

Sag mir's anders. In Kastilien
war die Nacht der Träume Schoß
und ein offner Schrein der Wahrheit
jeden Tages Tageslicht!
In Kastilien war die Nacht
meiner Träume reich an Wollust,
reich an nackten Königinnen,
reich an Gold und reich an Silber,
reich an Perlen und Gestein.
Jene heißen spanischen Nächte
legten mir zu Füßen weite,
märchenhafte Königreiche;
doch die Tage glichen Räubern
und entwandten alles mir.
Was ist hier ein Traum, Marina?
Nichts ist hier ein Traum, rein gar nichts!
Denn ein Traum, das ist hier Spanien!
Und das Wachen ist der Mond! –
Also schreib' ich meinem Kaiser:
Cortez hat die Welt verlassen!
Cortez ward in eine zweite,
fremde Wunderwelt versetzt:
eine andre, neue Schöpfung.
Und hier ward der arme Cortez
zum Weltherrscher, ja zum Gotte:
wühlt in Wonnen, schwelgt in Lüsten!
ißt Pasteten von Geflügel,
und des Sonnengottes Sohn,
der die neue Welt ihm hinwirft,
nennt ihn Bruder! Nennt ihn zärtlich
den Erwarteten, den Liebling.
Und ein Sturz von Gold und Silber
überfüllt des Cortez Kisten.
Neue Kisten läßt er zimmern,
immer neue! Und schon sind die
neusten wieder überfüllt.
Cortez schläft des Nachts mit Luna,
er beschläft die schönsten Huris
und verführt des Königs Töchter! –
Himmel, welch ein Brief ist dies!
Nein, des Kaisers Majestät
braucht sich mit des fieberkranken
Cortez Sündeneinmaleins –
wir sind alle fieberkrank! –
nicht notwendig zu befassen.
Dies ist Sache meines Beichtigers.
Mehr erfreut die Majestät
wohl ihr Fünftel an der Beute:
welchen Taumel wird es geben,
wenn das erste Goldschiff einläuft.
Gold! Da haben wir den wahren
Jakob! Gold, Gold! Bei Sankt Jakob!
Dieses ist das wahre Thema
mit Verlaub: und Gold und Gold –
nun, hier ist kein Inquisitor -
setzt in Gunst bei Gott und König!

Pedro de Alvarado kommt herein.

Pedro de Alvarado

General, in dieser Stadt
kann man nicht fünf Schritte machen,
ohne an den Kopf zu schlagen,
um zu sehen, ob man wache.
Ein Venedig! An dreihundert
Tempel spiegeln sich im Wasser.
Breite Straßen und Kanäle
laufen miteinander hin,
und unzählbar sind die Brücken.
Eben war ich auf dem Markte –
General, es ist unglaublich!
Schon allein der Platz umfaßt
rund zweimal ganz Salamanca.
In gedeckten Hallen schreitet
man bequem um ihn herum,
zwischen starken Strebepfeilern,
alles fest aus Stein gefügt.
Und ich schätze sechzigtausend
Menschen, Käufer und Verkäufer,
die den Riesenmarkt belebten.
Was für Waren, was für Schätze
lagen da nicht aufgestapelt!
Lebensmittel: so Gemüse,
Brot und Fleisch und Fisch und Wildpret!
Goldschmiedwaren: Gold und Silber,
jede Art von edlen Steinen.
Diamanten, Taubeneiern
gleich an Größe, und ein jeder
viele hunderttausend Pesos
unter Freunden, sag' ich, wert.
Dann gibt's Muscheln, Blech und Messing,
Knochen, Federn, Hummerschalen,
Kalk, behaune Steine, Ziegeln,
Bauholz, Vogelbälge, Kirschen,
Bienenhonig, Bienenwachs!
Kurz, die farbigen Venezianer,
Wilde des entlegnen Erdteils,
die, seit Gott die Welt erschaffen,
ohne eine Ahnung lebten,
daß auch weiße Menschen sind,
sind in Sitten und Gebräuchen,
sind in Wissenschaft und Künsten,
die sie doch nicht von uns lernten,
ganz genau so weit als wir.

Cortez

schreibt

Markt, zweimal ganz Salamanca –
kurzum: eine zweite Schöpfung!
Ein Venedig auf dem Mond!

Pedro de Alvarado

General, man führte mich
zu den einzelnen Gewerben,
die, in Gassen abgesondert,
treiben ihre Tätigkeit,
und so sah ich Gärtner, Kürschner,
Töpfer, Bäcker, Baumwollweber
und, Ihr glaubt es oder nicht,
ließ mir meine Locken waschen,
ganz wie drüben in Sevilla,
und sie strählen beim Barbiere.

Cortez

schreibt

Beim Barbier, wie in Sevilla.

Pedro de Alvarado

Doch nicht nur Barbiere gibt es:
auch Lastträger und auch Bettler –
von den Dirnen zu geschweigen! –,
und ich komme, bei Sankt Jakob,
gradezu aus einem Wirtshaus.

Cortez

Seit du laut bist, bin ich stille.
Als du still warst, war ich laut.
Ohne Zweifel sind wir hier
im gesuchten Wunderlande.
Doch was bringst du?

Pedro de Alvarado

Eine Mahnung,
wenn es mir erlaubt, zur Vorsicht.

Cortez

Wer das bringt, hat stets mein Ohr.

Pedro de Alvarado

Das Quartier, das wir bewohnen,
ist im ganzen wohl befestigt
und im Notfall zu verteidigen,
wenn die ganze Stadt uns angreift.
Eines aber würde uns
zum vernichtenden Verhängnis ...

Cortez

Und das wäre?

Pedro de Alvarado

Uns in einem
Käfig sicher auszuhungern,
braucht man hier nichts weiter tun,
als die Brücken abzubrechen.

Cortez

Merkst du etwas, wackrer Pedro?
Um die Fahnenfluchtverdächt'gen
meiner Leute zu behalten,
bohrt' ich meine Brigantinen
nach der Landung in den Grund.
Aber Nägel, Eisen, Tauwerk
nahm ich viele hundert Leguas
mit hierher ins innre Land.
Nun, das war nicht leicht, wahrhaftig,
und du hattest Grund zu murren,
wenn ich für den Plunder dir
Sorg' und Mühsal aufgenötigt.
Doch nun ist's ein kostbar Gut.
Denn nun kann der brave Martin
Lopez uns die Schiffe zimmern,
die wir dringend hier benötigen.

Es treten ein: Pater Olmedo, Las Casus, Bernal Diaz und andere.

Kameraden, seid willkommen!
Was gibt's Neues auf dem Mond?

Alle lachen herzlich.

Redet Ihr zunächst, Las Casas!
Was ereignet um den hohen
kaiserlichen Wilden sich,
dem Euch dauernd beizuordnen
mir besonders wichtig ist?

Las Casas

General, von allen Wundern,
in die Euer kühnes Banner,
vorwärts dringend, uns geführt hat,
ist der Herrscher Montezuma
mir das allergrößte doch.
Niemals, auch nicht in Europa,
sah ich einen Mann wie diesen:
einen, der auf unsrer Erde
wahrhaft fremd und einsam ist.

Cortez

So Las Casas, der Poete!

Las Casas

Nennt mich so! dies Wort entehrt nicht.
Dieser König Montezuma
wandelt gar nicht unter uns.
Ihn umtönen andre Sphären.
Ihn umrauschen andre Lüfte.
Er hört Dinge, sieht Gestalten,
die nicht von der Erde sind.

Cortez

Nun, mir geht es hier nicht anders,
und mir scheint, ich bin im Mond.

Las Casas

Ja, auch er scheint mir ein Mondprinz.
Seine Seele scheint gewoben
aus des Mondes kühlem Lichte.
Wie nachtwandelnd, wie an einem
Gängelband von bleichen Strahlen,
schwebt er durch die Sonnenwelt.
Lacht nur, lacht nur, werte Spanier!
Euer Spott beirrt mich nicht.
Sprecht Ihr, Pater, wir sind einig!

Pater Olmedo

In der Tat: der Sonnensohn
scheint viel mehr ein Kind des Mondes.
Ob die Sonne noch so heiß brennt
um ihn her, was hilft's? Er friert.
Magisch scheint ihn anzusaugen
sein vampirisches Gestirne,
dem er wie ein traumgequälter
Schläfer, hin und her sich wälzend,
sich doch nicht entwinden kann.

Cortez

Und wie nimmt er denn die frohe
Botschaft auf des ew'gen Heiles
durch die Gnade Jesu Christi?
Wie der hochgebenedeiten
Himmelskönigin Maria
allerseligste Person?

Pater Olmedo

Schwer ergründbar. Wahrhaft seltsam.
Sprech' ich ihm von Jesus Christus,
Sprech' ich von der Gottesmutter,
faßt er's auf, als spräch' ich nur von
Eurer Mutter und von Euch.

Cortez

Der Gedanke schon ist Lästrung.
Wenn es Euch gelingt, des Heilands
Kreuzestod ihm aufzuschließen ...

Pater Olmedo

Dann erklärt er: oh, er wisse
alles aus sich selber schon.

Cortez

Was denn weiß er?

Pater Olmedo

Etwa dieses,
was ich nur mit vieler Mühe,
Winken, Mienen, dunklen Worten
Seiner Hoheit abgewann:
danach seid Ihr selbst der Heiland.
Seid, so wahr ich selbst ein Christ bin,
irgendwo am Kreuz gestorben
und seid wieder auferstanden.
Alles dies um seinetwillen
und im Sinne einer alten
Sage seines Hauses, einer
heiligen Überlieferung.

Cortez

Davon hört' ich. He, Marina,
was weißt du von dieser Sache?

Marina

tritt vor, ernst, aber mit einem fanatischen Feuer im Auge

Ich weiß alles!

Cortez

Was? Erklär dich!

Marina

Daß du unser Heiland bist.

Cortez

Und wieso das?

Marina

's ist verheißen.

Cortez

Die Verheißung nenn uns denn!

Marina

Des Kaziken von Tabasco
Tochter bin ich, wie du weißt.
Und mein Vater, zwar Tolteke,
war dem Dienste Quetzalcoatls
in Cholula zugetan.
Dieses ist der wahre Gott,
sprach er oft, nicht Huitlipochtli.
Huitlipochtli ist ein Kobold
und des wahren Gottes Feind.
Aber dieser Kobold hat
nach und nach das Land erobert.
Und den Sonnengott, den Gott,
dem die Könige entstammen,
arg verfolgt und eingeengt.
Doch der Wahre blieb doch wahr,
und der Mächtige blieb mächtig.
Und wir Letzten seiner Kinder
blieben fest in unsrem Glauben,
standen froh zu der Verheißung.

Cortez

Gut so! Aber ohne Umschweif
die Verheißung selbst bericht uns,
die vor allem wichtig ist.

Marina

Herr, du spottest! denn du bist
ja doch selber der Verheißne,
bist des Sonnengottes Sohn
oder Quetzalcoatl selber,
der gekommen ist, die Seinen
aus den Qualen, aus den Ängsten,
aus der Not der Unterdrückung
triumphierend heimzuholen
in sein seliges Himmelreich.

Pater Olmedo

Solche Mythen sind sehr seltsam.

Alle

Seltsam, seltsam solche Mythen!

Pater Olmedo

Dieser Heide, dieser Wilde,
er erwartet seinen Heiland:
nun – und bringen wir ihn nicht?
Eines Spaniers totes Haupt
zeigt man ihm im Sonnentempel. –
Seine ahnungsvolle Seele
sieht in ihm den Gottessohn:
ahnte sie den Welterlöser
mit der Dornenkrone nicht?
Spricht man ihm vom Auferstandnen,
denkt er an Fernando Cortez:
nun, Fernando Cortez bringt
ja den auferstandnen Jesus –
groß ist dieser Irrtum nicht.

Las Casas

Herr, die Majestät besucht Euch!

Cortez

Ei, der Gute kommt recht oft.

Montezuma

gleichsam beschwingten Ganges, mit der Miene stiller Heiterkeit, ja innerlicher Seligkeit

Eines lauen Gastfreunds Lauheit
ist oft weniger beschwerlich
als der Eifer eines Guten.
Doch du wirst, geliebter Bruder,
dich mit Recht darob beklagen.
Übe fürder keine Nachsicht
und verschließ mir deine Türe,
wenn ich allzu lästig bin.

Cortez

Nie, o Herr, bist du mir lästig,
und du ehrst uns ganz ausnehmend,
immer, wenn du uns besuchst.

Montezuma

Nichts von Ehre. Liebe treibt mich.
Liebe hoff ich zu empfangen.
Wenn ich dich nicht sehe, du
Langersehnter meiner Seele,
sinkt mein Geist in Nacht zurück;
doch nicht wie zu tiefem Schlummer,
der von allem Dasein frei macht,
sondern wacher Sorgen Raub.
Stellt man euch auch wohl zufrieden?
Wie? Und fehlt es euch an nichts?

Cortez

Gott verhüte, daß wir klagten.
Wir erkennen deine Gnade,
großer Gastfreund, unumwunden
an als wahrhaft königlich.

Montezuma

Ihr beschämt mich. Willst du endlich
nicht erkennen, teurer Bruder,
daß mein Reich, mein Haus, die Schätze
meiner Kammern nicht mehr mein sind?
Dein Enthalten, dein Verschmähen
schmerzt mich wahrhaft bitterlich.

Cortez

Teurer Bruder, sehr mit Unrecht
nennst du mich im Nehmen zaghaft.
Schon sind wir dir so verpflichtet,
so durchaus nur deine Schuldner,
daß uns fast die Aussicht schwindet,
so viel Güte zu vergelten.

Bernal Diaz

leise

Gut gefuchsschwänzt, General!

Montezuma

Ist es wahr, daß ihr das Gold liebt?
Manche meiner Leute sagen's.
Nein, sie sagen mehr! Sie sagen,
daß es euch gewaltsam anzieht.
Ist es so? Belehre mich!

Die Spanier lachen unterdrückt, aber herzlich. Montezuma fährt fort, mit einer leichten Betretenheit

Nun, wir sind hier arg unwissend.
Selbst ein flügelstarker Vogel,
fähig, mühelosen Flugs
in die Sonne sich zu schwingen,
bleibt im fensterlosen Keller
blind, bleibt raum- und sonnenfern.

Cortez

Ihr liebt nicht das Gold? Wie kommt das?

Montezuma

Oh, mein Bruder, wie doch fragst du?
Freilich lieben wir das heilige
Gold des leidenden Gestirnes.
Nur das Mißgeschick, das tiefe,
jener Fluch vergeßner Zeiten,
macht, daß wir es kühl betrachten
und nicht brennend, so wie ihr.

Pater Olmedo

halblaut zu Las Casas

Mißgeschick vergeßner Zeiten?
Leidendes Gestirn? Was meint er?

Montezuma

Überflüssige Worte red' ich,
denn wir beide, du und ich,
sind ja eins und sind ja wissend.
Unsres Urahns, Quetzalcoatls,
Tränen sind uns wohlbekannt.

Er streift eine dreifach gewundene Goldspirale vom Arm und weist sie den Spaniern.

Und ihr andern, euch genüge
hier dies Zeichen des Geweihten:
des geheimen Wissens goldne
Viper! die mein reinster Ruhm ist.
Heilig ist das Gold, ihr Spanier!
Jeder Eingeweihte weiß es.
Und ihr sollt Axayacatls,
meines sehr gottseligen Vaters,
sehr hochheiligen Goldschatz sehn.

Cortez

Ja, zeig uns den Schatz, mein Bruder.

Montezuma

indem er Cortez die Goldspirale an den Arm steckt

Sohn der Sonne, erst nimm dieses:
würdiger ist dein Arm als meiner.
Als der ganzen Schöpfung Sinnbild,
wie wir wissen, gilt das Gold.
Und so ließ mein sel'ger Vater
von den Bildnern seines Landes,
zu des Heilsgotts höchster Ehre,
der im Strahlennimbus leuchtet,
in dem göttlichen Metall
Gras und Blumen, Baum und Strauch,
Fisch und Vogel, Mensch und Tier
mühsam und geduldig bilden.
Ja, der Gott selbst ist zu finden
unter seiner goldnen Schöpfung,
wie er goldne Tränen weint.

Christoval de Guzman

halblaut

Mein Schmelztiegel ist in Ordnung.
Und es soll mich nicht verdrießen,
mit Gott, diese ganze goldne
Satansschöpfung einzuschmelzen.

Auf einen Wink Montezumas entfernt sich sein gesamtes Gefolge. Daraufhin entläßt auch Cortez die Seinen.

Montezuma

Nun, Großmächtiger, stört uns niemand!

Cortez

Und so ist es, wie sich's ziemt,
wenn sich Herrscher unterreden.

Montezuma

Nein, Malinche, Götter, Götter!

Cortez

In gewissem Sinne freilich,
doch ich bin von Fleisch und Blut.

Montezuma

zutraulich

Faß mich an, auch ich, Malinche!
Denn Malinche dich zu nennen
ist mein Recht wie deiner Seele.
Sage, Bruder, wo sie ist?

Cortez

ruft lachend

He, Marina, meine Seele!

Marina kommt und steht gehorsam.

Doch ich habe eine beßre,
Bruder, die unsterblich ist!

Montezuma

mit einem Anflug abergläubischer Scheu

Oh, ich weiß es. Unsre Seelen,
dein' und meine, sind nicht sterblich:
atmen sie doch in der reinen,
ungetrübten Himmelswelt.
Seit du da bist, der Verheißne,
mich Verstoßnen heimzuholen,
sank die Flut, die mich begraben,
und ich rage mit dem Haupte,
mit den Schultern, mit den Lenden
schon ins Himmelreich hinein.
Meine Trübsal ist gewichen.
Meines Herzens schwarze Wolken
sind nicht mehr. Und Traurigkeit,
die mir Nacht und Frost versüßte,
hat in Wonne sich verkehrt.

Cortez

Dies begrüß' ich wahrhaft freudig.
Selten ward die frohe Botschaft,
die wir als den Schatz der Menschheit
mit uns führen, so gewürdigt,
eh wir ganz sie ausgerichtet.

Montezuma

hat Cortez vertraulich untergefaßt und geht mit ihm auf und ab

Sprich, Malinche! Sprich, Malinche!
Ich bin nicht gewohnt zu warten.
Sag mir deine ganze Botschaft.
Du verbirgst die Hälfte mir.
Ungeduldig lieg' ich nachts,
ganz berauscht von großem Fühlen.
Schluchzend lieg' ich, Letztes ahnend:
doch noch immer ist dies Letzte
dein Geheimnis, Sonnensohn.
Wann erscheint der Sonnenwagen,
uns emporzuführen? Sprich!

Cortez

Er erscheint! Geduld, Großmächt'ger.
Doch erst muß ich deinem armen
Volke das Gesetz erfüllen.
Seufzend unter hartem Joche,
blutend unter Priesterwahnwitz,
hat es Anspruch auf Erlösung.
Und so muß es den erkennen,
der gesprochen hat: »Mein Joch ist
sanft, und meine Last ist leicht.«

Montezuma

Du enthebst mich großer Sorge,
o Malinche, denn die Kleinen
in den Höllen dieser Welt
unterm Fluch zurückzulassen
würde mir kein leichtes sein.
Und ich habe schon gezittert,
ob das nahe Licht des Lebens
auch den Meinen zu verschenken
mir verstattet würde sein.

Cortez

Ja, o Teurer! Dies vor allem
ist die Sendung des Messias.

Montezuma

Ja, ich spür's: ich bin Messias.
Doch erst eure Lichterscheinung
macht mich wissen, daß ich's bin,
füllet mich mit Macht des Guten,
während ich, ohnmächt'gen Wissens,
müde Marter sonst nur kannte.
Doch du wirst nicht von mir gehn,
denn alleine bin ich nichts.

Cortez

Wollte ich dich gleich verlassen,
bleibt doch Jesus Christus bei dir
und des Heiligen Geists Erleuchtung.

Montezuma

Und du selbst?

Cortez

Nun ja, auch ich.

Montezuma

Und du wirst den Herrschersitz
der Tolteken mit mir teilen?
Lenken meiner Strafen Blitzstrahl,
meiner Liebe Segnungen?

Cortez

Ja, das will ich.

Montezuma

Nun, so helf uns
unser Vater Quetzalcoatl!
Und so küss' ich unsre Seele,
die in dieser Jungfrau eins ist.

Er küßt Marina auf die Stirn.


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