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Vierte Szene

Ein großer abgeschlossener Platz vor dem Tempel des Sonnengottes Quetzalcoatl. Vor dem Eingang des Gebäudes eine Gruppe von Priestern mit Rosenkränzen im Haar und brennenden Fackeln in den Händen. Dem Tempel gegenüber, rechts, Montezuma mit Guatemotzin, Cacamatzin und Qualpopoca. Hinter ihm in geordneter Reihe ein großes Gefolge von Standesherren. Im Hintergrund, geradeaus gesehen, mündet eine Straße in den Platz. Bei der Einmündung stehen Wachen. Die Straße selbst, die rechts und links Tempel und stattliche Gebäude zeigt, wimmelt von Eingeborenen. Man vernimmt das Brausen der Volksmenge.

Montezuma

Botschaft! Botschaft! Sind die Läufer
lahm und blind? Bedienen mich
träge Raupen oder Schnecken? –
Auf, und melde!

Erster Läufer

der atemlos erschienen war, sich zu Boden geworfen hatte, berichtet nun kniend

Majestät!
Eben zieht der Sonnensohn
aus der Stadt Culhuacan.
Seine Schultern sind von Erz
und sein Haupt von Erz umwachsen.
Weiß von Antlitz, weiß von Locken,
sitzt der Gott auf einem weißen
ungeheuren Fabeltier.
Und ihm folgen viele Götter,
weiß von Locken, weiß von Antlitz
und mit Leibern ganz aus Stahl.
Und sie zucken ganz von Strahlen,
und es scheint, als wenn die Sonne
sie ernährte durch ihr Licht.
Und sie lachen laut und prächtig,
zeigen Reihen weißer Zähne,
wiegen sich auf ihren Drachen,
sicher sind's Unsterbliche.

Montezuma

Hörst du das, o Sonnenpriester?

Der Priester

Ja, ich höre, und ich schaudre,
von dem Wunder ganz verzückt.

Qualpopoca

Töte mich! doch reden muß ich!
diese Stunde ist entscheidend.
Alles hab' ich vorbereitet.
Gib ein Zeichen, und wir schnallen
morgen alle diese Götter
auf des Kriegsgotts Opferblock.
Denn wenn sie den Damm betreten,
der vom Ufer nach der Stadt führt,
und wir Stadt und Ufer fest
mit den Mauern deiner Krieger,
undurchdringlich fest, verriegeln,
halten wir sie in der Hand.

Montezuma

Qualpopoca, welcher Wahnsinn!
Was denn haben deine Taten,
deine Klugheit, deine Tücke,
sage, gegen sie vermocht?
Haben Flüsse, Felsenmauern
diese Geister aufgehalten?
Ritten sie nicht viele tausend
Meilen übers große Meer?
Haben sie denn die Gebirge
nicht wie Adler überflogen,
ruhten sie nicht, wie du selbst sagst,
auf dem Haupt der Weißen Frau,
deren Scheitel ew'gen Schnees
kein Tolteke je erreichte,
sich von Marsch und Mühsal aus?
Bebte nicht der Berg im Innern,
wie die Kundschafter berichten?
Hast du selbst nicht zugegeben,
daß sie Donnrer, Fernhintreffer,
ja auch Fernhinwisser sind?
Zeigten sie dein Opfer dir,
das im Tempel du geschlachtet,
dir im Bild den Tonatiuh nicht?

Qualpopoca

Sei's. Es seien Fernhintreffer,
Fernhinwisser meinethalben!
Zauberkundige mögen's sein.
Haben wir im Tempel wirklich
statt des weißen Riesenleibes
nur ein Blendwerk hingeschlachtet –
ihrer Künste Gaukelspiel? –
Trotzdem! meinem Lande wahr' ich,
meinem Volk und Gotte Treue:
diesen Göttern dien' ich nicht!

Cacamatzin

Bruder, so gib mir nun Urlaub!
Selbst ein König, hab' ich Pflichten
für mein Reich und meine Hauptstadt,
die ich deshalb nur verließ,
um vereinten Widerstand
gegen diese fremden Teufel,
lieber Bruder, zu beraten.
Doch ich seh's: du gibst dich preis,
und das gleiche liegt mir ferne!
Denn wir Chichimeken werden
kämpfen bis zum letzten Mann.

Montezuma

Armer Bruder, Blindheit schlägt dich!
siehst du doch nur schwarze Schatten,
wo die volle Sonne einbricht.
Was geschieht, was sich ereignet,
weiß im Tal von Anahuac
jeder Bettler, nur nicht du.
Durch die Mauern dringt die Freude,
die mein ganzes Volk begeistert.
Groß ist diese Zeit, und laut
wahrlich redet ihre Stimme.

Zweiter Läufer

ist atemlos wie der erste hereingesprungen und hat sich vor dem Kaiser niedergeworfen.

Montezuma

Auf, und melde!

Zweiter Läufer

Majestät!
Durch Mexicaltzinco braust
eben jetzt der Zug der Götter.
Ruhig schreiten ihre Drachen,
laut ausschnaubend, silberklirrend,
stampfend, festen Gangs, einher.
Und die Blondgelockten sitzen,
schrecklich strahlend, obenauf.
Auch die plumpen Donnertiere
poltern hinterdrein auf Rollen,
fromm, als hätte keines jemals
von sich Blitz und Tod gespien.
Und dein Volk in abertausend
Barken wimmelt um den Damm:
Zweige schwingend, Sträuße, Kränze
schleudernd auf der Götter Weg.
Zu des Dammes beiden Seiten
schwillt vom Wasserspiegel Jubel,
gleichwie eine Doppelbrandung
alles unter sich begräbt.

Montezuma

Nun, was sagst du, Qualpopoca?
Du, Cacama, trüber Ängstling:
ich wohl galt dafür euch einstens,
doch die Seelen sind vertauscht.
Fasse Mut, und, statt zu flüchten,
steig, Geliebter, in die Sänfte
und begrüße vor der Stadt
den so lang erhofften Retter!

Guatemotzin

Vater, welch ein fürchterlicher
Irrtum herrscht in deinem Innern.
Diese fremden Zaubrer haben
fernhin dich mit Gift gelähmt.
Sende mich hinaus, mein Vater,
gib Befehl, daß alle Tempel
mit dem dumpfen Laut der Pauken
jeden Mann zum Kampfe rufen:
noch ist's Zeit! – dann ist's zu spät.
In die Flut sie jetzt zu stoßen,
sie im Wasser zu ertränken,
unter Pfeilen zu begraben,
unter Steinen zu verschütten
muß uns jetzt ein leichtes sein.

Montezuma

Wenn Gedanken Früchten gleichen,
wirst du, Baum aus meinem Samen,
auch einst sehn den Tag der Reife!
Bringt mir nun aus den Gewölben,
von dem Schatz Axayacatls,
meines sehr erhabenen Vaters -
denn auch ich war einem Vater
in Verehrung einst gehorsam! –,
bringt Kleinodien mir herbei,
von den schönsten Goldarbeiten,
und der Edelsteine größte,
daß wir sie zu Füßen legen
unserm Gast, dem Sonnensohn!

Dritter Läufer

ist ebenso wie der erste und zweite erschienen und hat sich niedergeworfen.

Montezuma

Auf, und melde!

Dritter Läufer

Majestät!
Niemals sah Tenochtitlan
einen Jubel so wie diesen:
denn die weißen Sonnenkinder
zogen strahlend zu uns ein.
Ihrem Zug voran die Sklaven,
die im Auftrag deiner Hoheit
deine fürstlichen Gesandten
übergaben. Viele Träger
mit den Lasten der Geschenke
deiner heiligen Majestät.

Man hört lautes Jubeln der Volksmenge.

Montezuma

Wankt die Welt? Mich packt ein Schwindel.
Welch Getöse! Haltet mich!

Qualpopoca und Cacamatzin treten herzu, und er stützt sich auf sie. So bleibt er bis zum Schluß.

Am Eingang des Platzes erscheint jetzt der Zug der Spanier. Voran Cortez und seine Offiziere, die abgesessen sind. Der Eintritt der Spanier mit der Fahne des Kreuzes wirkt äußerst imposant. Alle sind reich mit Blumen geschmückt. Cortez selbst trägt einen Kranz von roten Rosen um den Hals.

Cortez

bleibt stehen und bringt dadurch den ganzen Zug zum Stillstand, dessen Spitze natürlich nur sichtbar ist

Welcher ist nun hier der König?

Pedro de Alvarado

Doch nicht der, den sie dort tragen,
einem kranken Raben gleich?

Cortez

Wenn sie wollen, sind wir hier
in der allerschönsten Falle.

Pedro de Alvarado

Die Musketen sind geladen.
Jeder Kerl ist kampfbereit.
Treiben sie uns in die Enge,
gilt ein Spanier tausend Wilde.

Cortez

Nennst du diese Leute wild?
Welch ein Glanz und welch ein Reichtum!

Pedro de Alvarado

Bei Sankt Petro! Pedro heiß' ich:
Petrus ist mein Schutzpatron.
Und, bei meinem Leben, hier
schmeck' ich was von Petri Fischzug.

Cortez

Laß die Späße. Er bewegt sich.
Wirklich scheint der kranke Vogel
mir der Kaiser selbst zu sein.
Nun Geduld, wir können warten.

Montezuma

immer den Blick wie gebannt auf Cortez gerichtet

Haltet, Füße! Brich nicht, Auge!
Denn so wahr ich selbst von Göttern
stamme, dieser ist unsterblich.
Hingeschlachtet auf dem Blocke,
tritt er stolz und unversehrt,
unverwundbar unter uns.

Guatemotzin

halblaut zu Cacamatzin

Eine Armbrust, einen Bolzen:
und das Gegenteil beweis' ich.

Gonzalo de Sandoval

Gibt es hier nicht Gold zu wiegen,
so, ich schwör' es bei Sankt Jakob!
fehlt die Waage, nicht das Gold!

Montezuma

hat sich bis auf einige Schritte, immer gestützt, dem Cortez angenähert. In abgemessenem Abstand folgen seine Leute. Jetzt macht er die Zeremonie der Begrüßung, mit der Hand den Boden berührend, dann sie küssend. Cortez erwidert militärisch.

Fremdling – und seit meiner Kindheit
mir Vertrauter, hochwillkommen!
Wär' ich nicht ein finstrer Grämling,
ungesunden Leibes Sklave,
hätt' ich eine Tagereise
vor der Stadt dich eingeholt.
Doch nun ich dich hier erblicke,
fühl' ich Reue, zeihe mich
erdgebunden groben Sinnes.
Zwar ich sah dein weißes Haupt
überall vor meiner Seele.
In den Teichen meiner Gärten,
in den Spiegeln meines Silbers
sah ich's jede Nacht im Traum,
ja, im Wachen sah ich es
lächeln aus dem Kern der Sonne.
Doch nicht stark genug im Glauben,
trug ich mich mit Zweifeln noch.
Dies bereu' ich, dies beklag' ich!
Selbst der Zauber deines toten
Gotteshaupts voll Blut und Wunden,
selbst dein Helm in meinen Händen
hob die letzten Zweifel nicht.
Herr, vergib mir: Zweifel, Glaube
stieben nun weit fort von mir.
Was mich jetzt erfüllt, ist Wissen.
Sündenfluch, jahrtausendalter,
hat mich nicht so sehr entartet,
daß ich meines Blutes Bruder
nicht sogleich erkennen sollte.
Nein! Daß du gelebt hast, wüßt' ich,
ob ich auch nicht wußte, wo.
Bruder, meine Brust zerreißen
Quellen, die auf einmal quillen,
steigend von lebend'gem Wasser.
Ich muß schweigen: Graun und Liebe,
Schmerz und Jubel töten mich.
Aus dem finstern Fluch der Zeiten,
aus der Öde der Verbannung,
aus dem Nebel leerer Fremde
ist die Heimkehr nicht so leicht.
Und der ausgestoßnen Väter
Nachgeborner, der nicht einmal
mehr die fürchterliche Schuld
kennt, für die er Strafe duldet,
duldet schwerer noch als sie.
Bruder, diese Welt der Fremde
ist von Sünden überwuchert.
Unterm Schutze der Verdammnis
pflanzt sich Greul auf Greuel fort.
Wärst du nicht gekommen, würde
bald der letzte Tropfen heiligen
Bluts in deinen Brüdern, unrein.

Qualpopoca

Herr, erlaube, daß ich unsres
Herrschers Rede dir eröffne.
Er ist streng, doch ist er gastfrei.
Seine Majestät genehmigt
euch drei Tage Aufenthalt.
Und es soll in dieser Zeit
euren Leuten an nichts mangeln!
Freilich unter der Bedingung,
daß im Weichbild dieser Stadt
sich kein Friedensbruch ereignet:
denn wir ahnden ihn mit Blut.

Cortez

Unbesorgt! Wir sind's zufrieden.
Doch die Rede deines Kaisers
mißverstandest du, mein Fürst.
Er und ich verstehn uns besser,
glaube mir, als er und du.

Montezuma

zu Qualpopoca

Sprich! Was sagt er?

Qualpopoca

Dreiste Lügen!
Eurer Majestät Begrüßung –
spricht er gleich kein Wort Toltekisch –
sei ihm deutlich Wort für Wort.
Seine Antwort strotzt von Hochmut.

Marina

auf einen Wink des Cortez, nach der vorgeschriebenen Begrüßung

Herr, Erhabner und Großmächtiger!
Ich bin dieses Sonnensohnes
Seele! Und auf seinen Wink
steht sie zu Gebote dir.
Nicht so leicht ist Kastilianisch.
Eine Göttersprache ist es!
Der Kazike Qualpopoca
faßte das an ihr, was menschlich,
doch, was mehr als menschlich, nicht.

Qualpopoca

Schweig, Geschmeiß! Verfluchte Dirne

Marina

unbeirrt

Allzu hoch stehst du, o Herrscher,
allzu hoch der, dessen Seele
zu dir spricht, als daß wir andern
zwischen dir und ihm zu stehen
jemals könnten würdig sein.
Wir sind nichts, und ihr seid alles.
Wir sind Fremde, ihr seid Brüder.
Und der Bruder grüßt den Bruder,
tiefbeglückt und liebevoll.

Montezuma

Wie Musik sind deine Worte,
süße Seele meines Gastes.
Doch, o Mädchen, sage mir,
die du meines Volkes Kind bist,
wie erlangtest du dies hohe,
ja dies köstliche Geschick?

Qualpopoca

Herr, dies Weib ist eine Schlange,
doppelzüngig, gift'gen Zahnes,
sie zertreten ist Verdienst!
Abgefallen und entartet,
haßt sie ihre eigne Mutter,
ja, verrät ihr Volk und Land.

Montezuma

Schweig, Verblendeter, Verlorner!
Und du rede weiter, Kind!

Marina

Nicht gerecht und auch nicht weise
dünkt mich deines Fürsten Rede.
Der Kazike von Tabasco
starb, ein Fürst so gut als jener,
und ich blieb, ein Kind, zurück.
Nein: nicht hass' ich meine Mutter,
doch die Mutter haßte mich.
Denn sie war's, die mich verkaufte,
mich in öde Fremde ausstieß.
Selig kehr' ich nun zurück.
Und ich bringe meinem Volke
nicht den Geist, der rachelechzend,
sondern bringe die Erlösung
und des Sonnenheilands Gnade
meinem armen Vaterland.


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