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II.

Keys Aufmerksamkeit wurde bald durch einen ihm auffälligen Umstand abgelenkt. Der scharfe Wind, welcher ihm soeben noch gerade ins Gesicht geweht hatte, traf ihn jetzt auf einmal im Rücken. Seine bei Waldbränden schon oft gemachte Erfahrung hatte ihn gelehrt, daß dies die kalte Luft war, welche herbeiströmte, um die durch die Feuersbrunst verursachte Luftleere auszufüllen. Es bedurfte nicht des Brennens und Beißens in seinen Augen und der sonderbaren Trockenheit der Luft, um ihn erkennen zu lassen, daß sich das Feuer näherte. Offenbar rückte es schneller vor als er erwartet hatte. Das bereitete ihm eine Enttäuschung; nicht weil es ihn nötigte, einen andern Weg zu Skinner einzuschlagen, sondern aus einem ganz andern Grunde. Seit jener Erscheinung am letzten Abend war er fest entschlossen, noch einmal den Felsenkessel aufzusuchen und das Geheimnis aufzuklären. Er hatte seine Absicht nicht ausgesprochen, teils weil er die spöttischen Bemerkungen seiner Gefährten zu vermeiden wünschte, hauptsächlich aber weil er allein gehen wollte, da er sich einbildete, mehr gesehen zu haben als sie, obgleich sie mit ihm Zeugen des Vorfalls gewesen waren. Hierzu kam noch die Sorge, daß das rätselhafte Haus mit seinen Bewohnern gerade im Wege des Feuers lag. Diesen Gedanken war er von Anfang an nicht los geworden, er hatte ihn aber, weil Onkel Dick zweifellos die Schuld am Entstehen des Brandes trug, nicht äußern mögen und sein Gewissen mit der Hoffnung beschwichtigt, daß die Leute jedenfalls reichlich Zeit gehabt haben würden, sich zu retten. Aber doch – er und seine Gefährten hätten dableiben und ihnen helfen sollen, aber dann – und dann – aber er war sich noch eines weiteren Grundes für sein Verhalten bewußt. Diesen hätte er jedoch nicht um die Welt gestern verlauten lassen mögen – und sogar jetzt nicht. Prebel Key hatte das Alter der Romantik noch nicht überschritten, aber gleich so manchen Romantikern glaubte er sich von ihr loszusagen, wenn er sie praktisch betrieb.

Inzwischen hatte er die Gabelung erreicht, deren rechte Abzweigung er einschlagen mußte, wenn er um das Feuer herum zu Skinner gelangen wollte. Seine augenblickliche Unentschlossenheit teilte sich dem Pferde mit, es blieb stehen. Key erwachte hierdurch aus seinem Sinnen. Er blickte gewohnheitsmäßig um sich, und als dabei sein Auge auch auf den Boden fiel, erregte ein ungewöhnlicher Gegenstand, der auf dem staubigen Pfade lag, seine Aufmerksamkeit. Es war ein kleiner Schuh – so klein, daß er zuerst dachte, er müsse einem Kinde gehört haben. Er stieg ab und hob ihn auf. Der Schuh – offenbar der einer Frau – war abgetragen und hatte die Form des Fußes angenommen. Lange konnte er hier noch nicht gelegen haben, denn der Wind hatte ihn nicht, wie alles andere ringsum, mit dem Staube des Weges bedeckt. Wenn ihn ein Reisender verloren hätte, der innerhalb der letzten zwölf Stunden aus dieser oder jener Richtung des Weges gezogen wäre, so würde er bei Collinson vorüber gekommen sein. Daß der Schuh seiner Besitzerin unbemerkt vom Fuß gefallen sein sollte, war kaum denkbar; es mußte also während einer eiligen Flucht geschehen sein, sonst würde sie sich die Zeit genommen haben, ihn aufzuheben. So trieb Key praktische Romantik, und nachdem er einmal angefangen, warf er sein Pferd herum und stürzte sich ohne weiteres Besinnen schnurstracks in den Weg, der ihn dem Brand entgegenführte.

Nachdem er zwanzig Minuten geritten, fand er zu seinem Erstaunen, daß das Feuer von seiner ursprünglichen Bahn abgewichen sein mußte. Es wurde vor ihm lichter, die trockene Hitze schien mehr von der Seite aus der Richtung des Umweges zu kommen, den er zu Skinner hätte einschlagen sollen. Er glaubte darin beinah eine Fügung der göttlichen Vorsehung zu erkennen, denn der Umstand, daß nun aller Wahrscheinlichkeit nach das Feuer den Felsenkessel noch nicht heimgesucht hatte, war ganz im Einklang mit seinem Wunsch für den weiteren Verlauf seines Romans. Er wußte, daß er sich jetzt seinem Ziel näherte; trotz der Dunkelheit des gestrigen Abends hatte er sich die Oertlichkeit genau gemerkt. Den Fels hatte er verlassen; die Hufe seines Pferdes weckten keinen hellen Klang mehr; allmählich dämpfte ihn das elastische Moos und endlich erstarb er vollends in dem Gewirr von Gras und Ranken, welche die Nähe des dicht bewaldeten schluchtartigen Zugangs bezeichneten. Schon sah er im Hinabreiten die in größeren Zwischenräumen stehenden Baumriesen, die ihm gestern wie die Wächter des hinter ihnen liegenden geheimnisvollen Verstecks erschienen waren. Doch auch hier, wie schon vorher an einer andern Stelle, fiel ihm der sonderbare Umstand auf, daß je näher er dem tief eingesenkten Felsenkessel kam, es vor ihm heller wurde, statt daß sich der Waldesschatten verdunkelte. Hier waren die Außenposten des Waldes vor ihm, riesige Baumstämme, aber der Wald war fort. Er spornte sein Pferd zwischen den Stämmen durch und hielt dann erstaunt an.

Ja, der Wald war wirklich fort; nur die toten schwarzen Stümpfe, welche den ganzen Grund füllten, verrieten, daß hier Bäume gestanden hatten.

Eine ganze Weile blieb Key in Betrachtung der Verwüstung versunken und bemerkte dabei verschiedene Zeichen, aus denen er schloß, daß das Feuer schon am gestrigen Abend hier eingedrungen sein mußte, bald nachdem er mit seinen beiden Gefährten umgedreht und den Berg herauf geritten war. Er stand vor einem jener unerklärlichen aber durchaus nicht seltenen Vorkommnisse, wo das Feuer ganze Strecken überspringt. Hier hatte es einen dazwischen liegenden Bergausläufer übersprungen. Der ringsum auf den Höhen stehende Wald war unversehrt geblieben, nur den Kessel und den Felsvorsprung, gegen den die drei Reiter bei der Suche nach dem Fenster in der Dunkelheit geraten waren, hatten die Flammen ergriffen.

Key stieg jetzt ab und betrat den Felsvorsprung, der sich noch warm anfühlte. Er kletterte weiter und kam zu einem großen Haufen graufarbigen Schuttes, der augenscheinlich einer vorspringenden Schicht des bröcklichen Hanges entstammte, der stundenlang in voller Glut gestanden haben mußte. Vorsichtig weiter schreitend stutzte er plötzlich. Er sah etwas, das ihn alles andere vergessen ließ. Vor ihm in einer kleinen Vertiefung lagen die verkohlten Trümmer eines Hauses. Halb verborgen durch eine natürliche Hecke von Myrthengebüsch, welche diesen Felswall gegen den Pfad hin bekrönte, konnte das Haus gestern abend kaum noch hundert Fuß von ihnen entfernt gewesen sein, als sie wieder umdrehten.

Trotz der gänzlichen Zerstörung der Wohnstätte ließ sich indessen nach dem Grundriß doch noch unterscheiden, daß vier Räume vorhanden gewesen sein mußten; während alles Verbrennbare von der Glut verzehrt worden war, lagen doch noch genug halb geschmolzene oder krumm gezogene Metallgeräte, zersprungene Eisenstangen und Werkzeuge herum, welche die Lage der Küche und Schirrkammer erraten ließen. Im übrigen war nichts zu sehen, was eine Andeutung auf die ursprüngliche Beschaffenheit des Hauses gegeben hätte. Es konnte ebensogut das ganz gewöhnliche Blockhaus eines Grenzers wie irgend ein Landhaus gewesen sein. Jetzt war jedenfalls nichts mehr davon übrig, als die häßliche, übelriechende Ruine einer abgebrannten menschlichen Wohnung. Gerettet konnte nur wenig sein. Anscheinend war das Haus mit allem was es enthielt, dem Brande zum Opfer gefallen.

Mit einem Gefühl von Schauder wagte Key es endlich, einige der größeren Aschenhaufen auseinander zu werfen. Er förderte dabei nichts zutage als Ueberbleibsel von Kleidern, Betten und irdenem Geschirr – auf menschliche Ueberreste stieß er zu seiner Beruhigung nicht.

Indessen, Menschen hatten hier gewohnt, das stand fest, und Collinson, ihr nächster Nachbar, hatte nichts von ihnen gewußt. Auch er, Key, und seine Gefährten waren auf ihrem ersten Ritt bei hellem Tage hier vorüber gekommen, ohne auch nur eine Spur von dem Hause zu bemerken; erst das erleuchtete Fenster hatte in der Dunkelheit zu der Entdeckung geführt. Dahinter barg sich ein Geheimnis. Unzweifelhaft war das Haus sehr gut versteckt und zwar absichtlich. Warum aber?

In der Lösung dieser Frage lag die weitere Ausspinnung seines Romans und gänzlich beschäftigt damit stand Key eine ziemliche Weile in starrer Unbeweglichkeit: – Ein Klausner, der Verlangen trug, abgeschieden von aller Welt, nur in Gottes freier Natur zu leben, oder der vielleicht der Hohlheit der menschlichen Gesellschaft überdrüssig geworden war, hatte sich hier mit seiner einzigen Tochter eingesperrt. Als reiner Naturmensch war er bald ein guter Pfadfinder geworden und hatte zur Herbeischaffung seiner Lebensbedürfnisse leicht einen geheimen Wechsel ausgekundschaftet, auf dem er zu den Niederlassungen gelangte, ohne bei Collinson vorüber zu müssen, was seine Nachbarschaft verraten haben würde. Doch nein – das war nichts – Klausner pflegen für gewöhnlich nicht, sich in Begleitung jugendlicher Töchter zurückzuziehen, welche die Welt mit ganz andern Augen wie ihre Väter ansehen und deshalb unsichere Kantonisten sein würden. – Aber warum nicht eine Frau – eine junge Frau? Das Gesicht am Fenster hatte einen jugendlichen Eindruck gemacht und der gefundene kleine Schuh ließ ebenfalls auf Jugend schließen. Freilich, daß eine ganz junge Frau sich in einer so völligen Einsamkeit absperren lassen würde, war auch sehr unwahrscheinlich. Aber – die Frau eines andern! – Ja, das war es! Das war der Grund der Verborgenheit und der Abschluß eines Vorkommnisses, wie es selbst der Wildnis nicht fremd ist. Sogar das Walten der Nemesis fehlte nicht. – Vortrefflich – sie hatte das Paar in seiner sündhaften Abgeschlossenheit überrascht. Die Geschichte war jetzt wirklich fertig, selbst die Moral am Schluß. Und doch, befriedigen wollte sie ihn nicht ganz. Das gänzlich Unbekannte reizt doch mehr als eine noch so fein ausgearbeitete Theorie.

Seine Aufmerksamkeit wurde jetzt von der überhängenden, zerbröckelnden Felswand angezogen, die außen zu einem graufarbenen Schutt verglüht war. Vielfach geborstene Spalten zeigten, in welch ungeheurer Hitze der Fels sich lange Zeit befunden hatte. Als Erzsucher seiner Gewohnheit folgend hob Key einige noch warme Bröckel auf. Dieselben zerfielen dabei in seiner Hand zu einem grauen, sandigen Pulver. Indessen, trotz seiner augenblicklich ganz anderswo weilenden Gedanken, war doch auch der Erzschürfer infolge langer Gewohnheit in ihm wach und er steckte fast mechanisch einige Stücke in die Tasche.

Darauf ging er nochmals an eine sorgfältige Besichtigung der Oertlichkeit, um irgend welchen Anhalt betreffs der verschwundenen Bewohner aufzufinden, und schritt nach erfolglosem Bemühen zu seinem Pferde zurück. Hier nahm er fast gedankenlos aus der Satteltasche ein absonderliches, in einem Holzfutteral steckendes Fläschchen, aus dem er eine rauchende Flüssigkeit in ein dickes Glasgefäß goß; dann krümelte er etwas von dem verbrannten Gestein in das Glas und beobachtete mit Spannung das sogleich erfolgende Aufwallen. Nachdem dies beinahe völlig aufgehört, ließ er den Inhalt in ein anderes Glas ablaufen und setzte es nieder. Hiernach goß er Wasser aus seiner Trinkflasche in einen gewöhnlichen Zinnbecher und tat in diesen drei oder vier Prisen Salz. Nun tauchte er seine Finger in das Salzwasser und ließ einen Tropfen in das Glas fallen. Augenblicklich bildete sich in der farblosen Flüssigkeit eine weiße Wolke, die in einem feinen Niederschlag auf den Boden des Glases sank. Während dieser Beobachtung verlor Keys Gesicht den zerstreuten Ausdruck, seine Blicke bohrten sich förmlich in das Glas. Seine Finger zitterten leise, als er abermals Salzwasser in die Lösung träufelte. Aufgeregt sah er dasselbe Resultat wie vorher. Noch mehrmals wiederholte er die Manipulation, bis der Boden des Glases sich von dem Niederschlage völlig grau zeigte. Fast ebenso grau war sein Gesicht geworden.

Jetzt zitterte seine Hand nicht mehr, als er sorgfältig die Lösung von dem Niederschlag abgoß. Dann zog er sein Messer hervor, nahm ein wenig von dem grauen Bodensatz auf die Spitze, leerte seinen Zinnbecher und setzte ihn verkehrt auf sein Knie. Auf die blinde Bodenfläche desselben streifte er den grauen Satz von seinem Messer ab und begann nunmehr, diesen auszubreiten. Er hatte beabsichtigt, ihn mit der Messerklinge blank zu reiben, aber schon während er ihn zu einer dünnen Schicht ausstrich, nahm der Becher unter dem Messer einen politurartigen Silberglanz an.

Key stand auf und tat einen tiefen Atemzug, um das ungestüme Pochen seines Herzens zu beschwichtigen. Darauf kletterte er eilig über den Fels zurück nach der Stelle, wo er den kostbaren Fund gemacht hatte. Als er wieder über die Trümmer des Hauses schritt, schleuderte er in seiner Ungeduld ohne weiteres die verkohlten Ueberreste, die ihm in den Weg kamen, mit dem Fuß beiseite, ohne den leisesten Gedanken an das, was etwa darunter sich finden könnte. Key war kein gefühlloser, auch kein ungebildeter Mensch; nein, er war eine ehrenhafte Natur und hatte für seine Mitmenschen ein offenes Herz, aber in diesem Augenblick war all sein Denken nur allein auf das von der Glut zerbröckelte und geborstene Gestein gerichtet. Sein erstes war jetzt, sich zu überzeugen, ob Merkmale einer früheren Schürfung oder Spuren der Arbeit der plötzlich durch das Feuer vertriebenen Bewohner oder Eigentümer des Platzes zu entdecken waren. Er fand nicht den geringsten Anhalt dafür. Offenbar hatten die Leute den Wert ihres Verstecks nicht gekannt. Es ließ sich auch nicht annehmen, daß sie jemals in ihre verborgene Heimat, die jetzt zerstört und dem freien Sonnenschein und neugierigen Blicken ausgesetzt war, zurückkehren würden. Ein Gefühl unendlicher Erleichterung überkam die Seele dieses moralischen Romandichters. Er lief rasch zu seinen Satteltaschen zurück, zog einen sorgfältig geschriebenen, regelrechten Anzeigezettel heraus, welchen er und seine früheren Gefährten bei ihrer kurzen Teilhaberschaft mitgeführt hatten, strich deren Unterschriften aus und ließ nur die seine stehen. Danach begab er sich wieder zurück und pflanzte – als er daran dachte, daß seine beiden Freunde über alle Berge waren, mit einem neuen Dankespsalm im Herzen – einen verkohlten Pfahl einige Fuß von dem Schutt in den Boden. An den Pfahl befestigte er die Anzeige, welche besagte, daß er dieses Stück Staatsland in Besitz genommen und die Arbeit darauf begonnen hätte. Mit einer Gewissenhaftigkeit, die wohl das Ergebnis seiner neuen religiösen Erkenntnis der alles leitenden Hand der Vorsehung sein mochte, löste er darauf mit seiner Spitzhaue einen mäßig großen Haufen von der geborstenen brüchigen Wand; denn – »persönliche Arbeit auf der Stelle« – forderte das Gesetz und mit gutem Gewissen wollte er behaupten können, diese Forderung erfüllt zu haben. Beruhigt ging er dann wieder zu seinem Pferde. Als er seine Sachen in die Satteltaschen steckte, kam ihm der Schuh in die Hände; sein Denken war so vollständig von seiner späteren Entdeckung eingenommen, daß er schon im Begriff stand, ihn als überflüssigen Ballast wegzuwerfen, als ihm einfiel, derselbe könnte ihm möglicherweise nützlich werden, falls es einmal nötig sein sollte, falsche Ansprüche an seinen Fund zu widerlegen. Bei dieser kühlen Berechnung war er sich ebensowenig einer Treulosigkeit gegen die Heldin seines Romans bewußt, wie vorhin einer solchen gegen seine früheren Gefährten, als er sich gefreut hatte, daß das Glück ihm allein so günstig gewesen war. Unter Erzsuchern kam solch eine Glückslaune oftmals vor.

Die Bedeutung seiner Entdeckung erschien ihm von ungeheurer Tragweite. Nach der Menge des Niederschlages, der sich bei seinem einfachen Experiment gebildet hatte, ließ sich selbst bei ganz oberflächlicher Schätzung eine kolossale Ergiebigkeit des Erzlagers erwarten. Soweit seine geologischen Kenntnisse reichten, mußte das Flöz eine sehr erhebliche Länge, Breite und Dicke haben. Natürlich erfordert die Ausbeutung Kapital, es blieb ihm daher nichts übrig, als andere an seinem Reichtum teilnehmen zu lassen; immerhin aber würde er doch der eigentliche Besitzer bleiben.

Plötzlich erschrak er wie noch nie in seinem ganzen Leben. In dem verkohlten Unterholz raschelten Fußtritte, und keine zwanzig Schritt entfernt erblickte er Collinson, der eben von einem Maultier abgestiegen zu sein schien. Das Blut stürzte Key in das blasse Gesicht.

Wieder beim Erzsuchen? fragte der Herankommende mit dem ihm eigenen müden Lächeln.

Nein, erwiderte Key schnell, habe nur meine Sattelgurte fester angezogen. Seine Wangen erröteten tiefer bei der unwillkürlichen Lüge. Hätte er Zeit gehabt zu überlegen, so würde er Collinson bewillkommt und ihm alles erzählt haben. So aber durchblitzte ihn ein häßlicher Argwohn. Vielleicht hatte der so treuherzig scheinende Mann gelogen und kannte die Existenz des verborgenen Hauses. Vielleicht – er hatte gestern abend von einem silbern schimmernden Felsen gesprochen – vielleicht wußte er sogar etwas von dem Erzlager. Key sah ihn an, als wollte er sich auf ihn stürzen. Doch Collinsons nächste Worte zerstreuten seinen Verdacht.

Ich freu' mich, daß ich Sie gefunden hab', sagte er. Sehn Sie, ich sah Ihn'n nach, als Sie fortritten und merkte, daß Sie statt um das Feuer 'rum gerade drauf zu lenkten. Da dacht' ich: der junge Mensch macht stracks auf Skinner los und bringt sich in Gefahr, bloß um 'n gut Wort für dich bei Skinner einzulegen. Warum hab' ich auch vor euch Jungens erst von dem leeren Pökelfaß gered't; ich hätt's Maul halten sollen! Na ja, und da sagt' ich mir: Wirst dein Bein über die Jenny häng'n und wirst nach ihm sehen und selber bei Skinner vorfragen, dabei kannst du denn auch gleich deine Stimme abgeben.

Gewiß, das tun Sie, wir wollen zusammen reiten, rief Key eifrig, um Collinson schnell von hier fort zu bringen. Wollen schon sorgen, daß Ihr Faß wieder gefüllt wird. Das meinte er in der Tat auch ehrlich, denn in seinem Glück empfand er aufrichtige Freude, dem guten Kerl helfen zu können. Machen wir rasch, daß wir weiter kommen, trieb er ihn an, denn wer weiß, ob das Feuer uns sonst nicht den Weg außen herum verlegt. Hastig bestieg er sein Pferd und wandte es.

Na, woll'n Sie denn wieder retour? fragte Collinson mit dummem Erstaunen. Ich dacht', Sie hätten hier 'nen Richtweg gefunden. Sieht ja auch vorn alles klar aus.

Ja, es sieht so aus, erwiderte Key ungeduldig, weiterhin aber brennt es noch um die ganze Senkung herum. Das Feuer hat nur einen Sprung gemacht. Wir müssen zur Gabelung zurück. Kommen Sie nur!

Collinson schwang sich schwerfällig wieder auf sein Maultier, setzte sich aber nicht gleich in Bewegung; es schien, als ginge er mit dem Gedanken um, sich den Kessel erst etwas näher zu betrachten. Key rückte auf seinem Sattel, als wenn er auf glühenden Kohlen säße. Von neuem schoß ihm eine dunkle Röte ins Gesicht. Ritt der Mensch vorwärts, dann mußte er bald den Pfahl mit der Anzeige sehen. Das durfte aber nicht sein. Seine Entdeckung mußte sein Geheimnis bleiben, bis er als Besitzer der Stelle gerichtlich eingetragen war. Der Mann, für den er eben noch mit Freuden bereit gewesen, Bürgschaft zu leisten, wurde ihm plötzlich ein Greuel, und fast grob schrie er ihn an: Na, nun aber endlich vorwärts!

Zu seiner Beruhigung fand der rauhe Anruf nicht allein augenblicklich williges Gehör, sondern Collinson sagte auch noch mit einem Blick freundlicher Abbitte für den bereiteten Verdruß: Ja, ja, Sie werden wohl recht haben, und es ist Ihnen drum zu tun, meine Sache mit Skinner bald ins Reine zu bringen, damit Sie bald weiter können, 's ist mir wirklich leid, daß ich davon gesprochen habe.

Sie ritten schnell weg, und als Key, nachdem sie den Kessel im Rücken hatten, mit einem Gefühl der Erleichterung sein Pferd etwas zügelte, fuhr Collinson fort:

Ich hab' auch über das nachgedacht, was Sie mich gestern fragten – ob jemand hier leben könnt', ohne daß ich davon wüßte!

Nun! stieß Key mit neuem Erschrecken hervor.

Na! ich dacht bloß, wir hätten da, wo Sie was zu sehn geglaubt haben, uns mal mitsammen umsehn können.

Ach, Unsinn! lachte Key gezwungen auf. Wir haben gar nichts gesehen – es war alles Einbildung; Onkel Dick hatte mich nur zum besten, weil ich gemeint hatte, ein Frauengesicht zu erkennen.

Collinson sah ihn fast vorwurfsvoll an. So, so, war also nur Spaß? Hätt's mir denken können; hätt's merken müssen nach Onkel Dicks Reden!

Eine Weile ritten sie schweigend weiter. Keys Gedanken waren gänzlich von seiner Entdeckung in Anspruch genommen. Er konnte es kaum erwarten, zu Skinner zu kommen, der außer Kaufmann auch Beamter, das heißt Postmeister und Registrator des Distriktes war. So lange dieser seine Anzeige und das von ihm in Besitz genommene Stück Staatsland nicht ordnungsmäßig registriert hatte, fühlte er sich noch nicht ganz sicher. Es bedeutete das durchaus keine Veröffentlichung seines persönlichen Geheimnisses, noch irgend eine Gewißheit des Erfolges, es war eben nur eine gerichtliche Eintragung, die aller Wahrscheinlichkeit nach unter den vielen ähnlichen Registrierungen hoffnungsreicher Erzsucher unbemerkt und unbeanstandet bleiben würde. Seinen Gedanken wurde er plötzlich durch Collinson entrissen:

Sie sagten vorher, als ich Sie traf, Sie hätten Ihren Sattelgurt fester geschnallt.

Ja, erwiderte Key beinah zornig, das tat ich auch.

Hielten Sie nicht auch an der Gabelung des Pfades an, um dasselbe zu tun?

Kann wohl sein, gab Key gereizt zu.

Seien Sie nicht böse, wenn ich noch was frage. Tragen Sie vielleicht 'nen Frauenschuh bei sich?

Key fühlte, wie er erblaßte. Was wollen Sie damit sagen? stotterte er, kaum wagend seine Augen zu dem ehrlichen Gesicht seines Gefährten aufzuschlagen. Als er es aber tat, war er erstaunt zu bemerken, daß dieser ihn ebenso unsicher ansah, wie er ihn.

Ich weiß wohl, es ist nicht in der Ordnung, danach zu fragen, aber die Sache ist nämlich die, fuhr Collinson zögernd fort: Seh'n Sie, gerade da, wo der Pfad sich gabelt, da fand ich einen Frauenschuh. Mich hat fast der Schlag gerührt, so erschrak ich mich, denn es ist doch seit Wochen kein Mensch nicht bei mir vorbeigekommen, als ihr Jungens, und nach seinem Aussehn kann der Schuh noch nicht so lange da gelegen haben. Eine Frau gibt's hier herum doch nicht. Onkel Dick oder der Parker konnten ihn doch auch nicht verloren haben, sonst hätten Sie, Herr Prebel, ihn auf dem Wege liegen sehen. Na, und so vermut' ich, er gehört Ihnen. Da – ist er.

Collinson zog dabei den Schuh langsam aus der Tasche. Key erkannte auf den ersten Blick, daß derselbe genau zu dem andern paßte, den seine Satteltasche barg. Die schöne Flüchtige hatte offenbar beide verloren.

Natürlich durfte Collinson hiervon ebenso wenig wie von dem Silberfund erfahren, und Key war um eine neue Lüge jetzt auch nicht mehr verlegen. Es wurde ihm um so weniger schwer, Collinson auf eine falsche Fährte zu leiten, als die Vermutung desselben ihm zu Hilfe kam. Sich den Anschein einer gewissen Verlegenheit gebend, sagte er lachend: Nun ja, mein Alter, ich will's gestehn, der Schuh gehört mir. Es ist eine verfluchte Torheit, das seh ich ein, aber, na – wir sind ja alle Narren, wenn sich's um Weiber handelt, und ich hätte den Schuh nicht um Haufen gemünzten Goldes verlieren mögen. Geben Sie her!

Er streckte lustig seine Hand danach aus, Collinson aber, der den Schuh mit ernster Miene betrachtete, hielt ihn fest und sagte nachdenklich:

Sie werden wohl nichts dagegen haben, mir zu erzählen, wo und wie Sie dazu gekommen sind?

Natürlich habe ich sogar sehr viel dagegen, lachte Key mit einem gut gespielten Gemisch von Heiterkeit und Entrüstung. Was denken Sie denn eigentlich von mir, Sie neugieriger Mensch, Sie?

Collinson schien aber durchaus nicht zum Spassen aufgelegt zu sein. Mit traurigem Ernst erwiderte er: So seien Sie wenigstens so gut, mir die Person, die diesen Schuh trug, etwas zu beschreiben.

Auch das werde ich nicht tun, versetzte Key wie beleidigt. Nur so viel kann ich Ihnen sagen, es war ein bildhübsches Mädchen, das ihn mir schenkte. Mehr werden Sie sicher nicht von mir erfahren.

Ihnen schenkte? wiederholte Collinson, die Augen groß aufreißend.

Jawohl, mir schenkte! erwiderte Key, die beiden letzten Worte scharf betonend.

So? na, dann nehmen Sie ihn. – Sehn Sie, ich fragte nur, sprach er langsam, aber mit einer gewissen ruhigen Würde, wie Key sie noch niemals an ihm bemerkt hatte, ich fragte nur, weil die Größe und die Form dieses Schuhes mich gewissermaßen an jemand erinnerte; aber dieser jemand – sie, an die ich dachte – ist nicht von der Art, daß sie Ihnen ihren Schuh schenken würde.

Diese Erklärung schloß, wenn auch vielleicht unabsichtlich, einen leisen Vorwurf für Keys Windigkeit und Leichtfertigkeit, sowie eine verhüllte Schmähung seiner erfundenen Dulzinea ein. Key fühlte sich wunderbarerweise besonders durch das letztere verletzt und in Erinnerung an Onkel Dicks Klatsch am gestrigen Abend sagte er spöttisch: Natürlich ist die Person, an die Sie dachten, Ihre Frau.

Ja, so war's, bestätigte Collinson ernst. Darauf verfiel er in sein gewöhnliches stilles Sinnen und auch Key hing wieder seinen Gedanken nach.

Sie näherten sich jetzt dem Feuer, und der dicke Rauch, welcher in dem vom Brand noch nicht ergriffenen Teil des Waldes wie eine Ausdünstung des Bodens dahinkroch, verbarg ihnen oft völlig den Weg. Mitunter wurde die Hitze so groß, daß es schien, als wenn sie sogleich auf die Brandstelle stoßen müßten oder in einem geschlossenen Feuerkreis gefangen wären.

Auffällig war es, wie dieser Umstand auf Keys Stimmung wirkte. Mit der Erlangung des Reichtums schien er seine frühere unbekümmerte Furchtlosigkeit verloren zu haben. Laut murrend äußerte er Zweifel an der richtigen Führung seines Gefährten. Er bereute, ihm auf diesem Wege gefolgt zu sein und hielt Collinson in bitteren Worten das Opfer vor, welches er ihm mit seinem Ritt zu Skinner brächte. – Ja, dieser Mensch allein hatte ihn in Gefahr gebracht. Teufel auch, das Pech wäre doch wirklich zu arg, wenn gerade jetzt, wo er im Begriff stand, das Glück zu erfassen, wenn er gerade jetzt durch die Unwissenheit und Dummheit dieses einfältigen Moralpredigers seinen Tod finden sollte. Erst als sie dank der Führung dieses widerwärtigen Tölpels die steile Anhöhe zu einem zweiten Bergrücken erkletterten, wo sie sich verhältnismäßig sicher fühlen durften, erst da begann er sich seines mürrischen Wesens und seiner noch mürrischeren Reden zu schämen, von denen Collinson entweder infolge seiner unerschütterlichen Geduld oder in seiner völligen Selbstvergessenheit gar keine Notiz genommen hatte.

Ein sanft abfallendes Tafelland von verwitterten Gesteintrümmern trennte sie jetzt von dem Feuer auf dem unteren Höhenzug. Bald ritten sie an der anderen Seite des Kammes hinab und endlich trafen sie auf eine Fahrstraße mit den ersten Räderspuren, die Key seit vierzehn Tagen sah. Holprig wie sie war, erschien sie ihm doch als die Heerstraße des Glückes, denn er wußte, daß sie bei Skinner vorüber führte und in die Poststraße nach Marysville – sein letztes Ziel – mündete. Eine kurze Strecke weiterhin erblickten sie schon Skinners Ansiedlung, die wie eine schmutzige winterliche Schneewehe am Berge lag.

In ihr befand sich ein Postamt, ein Wirtshaus, ein Lagerhaus für allerhand Waren, eine Schmiede und ein Speditionsgeschäft. Im ganzen waren es kaum ein Dutzend Gebäude, von denen aber jedes im Gegensatz zu Collinsons Mühle, in irgend welcher Weise Leben verriet und, wenn auch matt, so doch in regelmäßigen Schlägen den Puls der Zivilisation selbst hier an der fernsten Grenze derselben fühlen ließ. Zweimal am Tage fand von hier aus ein Frachtverkehr unter gleichzeitiger Personenbeförderung statt, und als Key und Collinson bei dem Speditions-Kontor vorritten, stand der Frachtwagen schon fertig zur Abfahrt vor der Tür, um die Postkutsche an dem drei Meilen entfernten Kreuzweg zu treffen. Dies erschien Key wieder als eine besondere Fügung der Vorsehung. Es blieb ihm noch Zeit, um bei Skinner, als dem angestellten Registrator, die amtliche Eintragung von seiner Besitzergreifung zu machen. Dann pflog er noch ein hastiges Gespräch mit ihm als Kaufmann und hatte dabei die Genugtuung, zu erkennen, welchen Einfluß ein angehender Millionär besitzt. Auf sein bloßes Wort hin gewährte Skinner Collinson jeden Kredit. In freudiger Erregung eilte er zu demselben zurück, überbrachte ihm die gute Nachricht und setzte hinzu: Na, ich denke, wenn Sie weitere Waren brauchen, so wird Skinner sie Ihnen auf Parkers Wechsel geben.

Sie meinen den Fetzen Papier, den jener Laffe mir daließ?

Ja.

Den hab' ich zerrissen.

Den haben Sie zerrissen? schrie Key.

Nun ja! ich sag's Ihnen ja, brummte Collinson.

Key starrte ihn an. Ja gewiß, es war wieder eine Eingebung der Vorsehung gewesen, daß er diesem dummen, in Vorurteilen verrannten Menschen nicht sein Geheimnis anvertraut hatte. Selbst die schwachen Gewissensbisse, welche ihm seine Lüge betreffs des Schuhs verursacht hatte, verschwanden sofort. Auch darin wäre dem verdrehten Peter nicht zu trauen gewesen; von dem hätte er es wahrhaftig noch erleben können, daß er seine Ansprüche und Rechte auf den belegten Platz angezweifelt und angefochten hätte, bis man Gewißheit über den Verbleib der verschwundenen Eigentümer erlangte. Aber konnte er sicher sein, daß Collinson nicht hinter seinem Rücken die Stelle noch einmal aufsuchen würde? Doch auch für diesen Fall war er gesattelt.

Er hatte die Absicht gehabt, Skinner sein Pferd als Sicherheit für die Warenlieferung an Collinson zu lassen, aber Skinners Kulanz machte das unnötig und er bat nun Collinson, es in Pflege zu nehmen und zu benutzen, bis er es abholen würde. Dies setzte denselben in den Stand, seine Waren dem Maultier aufzupacken und nötigte ihn gleichzeitig, der beiden Tiere wegen den Rückweg nach der Mühle über den Fahrweg und den äußeren Pfad zu nehmen.

Habt ihr keine Angst vor den Buschkleppern? fragte ein bei dieser Besprechung gegenwärtiger Mann. Gerade um Gallopers Ridge wimmelt es von ihnen, und erst letzte Woche haben sie die zu Tale fahrende Kutsche angefallen.

Na, ganz so munter sind sie nicht mehr, seit der Untersheriff ihnen im Dickicht bei Bald-Top aufgelauert und eine gute Lehre gegeben hat, entgegnete Skinner. Jedenfalls haben sie seitdem keine Gespanne und Lasttiere mehr angehalten, wenn sie nicht ausgespürt hatten, daß sie dabei zu feinem Pferdefleisch gelangen konnten, und mir scheint, hier ist nicht gerade viel, was sie dazu verlocken könnte, fügte er mit einem spöttischen Seitenblick auf Keys Reitpferd hinzu. Dieser aber saß schon auf dem Wagen und schüttelte dem treuherzig aufblickenden Collinson die Hand; so blieb der Scherz von beiden unbemerkt. Als der Wagen fortrollte, begann indessen Keys lebhafte Phantasie sich die neue Gefahr auszumalen, welche dem verborgenen Reichtum seines Platzes durch die Räuber drohte. Er fand aber schließlich Beruhigung in dem Gedanken, daß eine Zeitlang wenigstens nur das rohe Erz in einer Gestalt nach Marysville versandt werden würde, welche Straßenräubern keinen Vorteil bot. Ja, wäre es eine Goldmine gewesen! – Auch hier zeigte sich wieder das Walten der Vorsehung.

Eine Woche darauf kehrte Prebel Key mit einem Werkführer und zehn Arbeitern sowie einem unbeschränkten Kredit bei der Bank in Marysville zurück. Expeditionen dieser Art waren für Skinner nichts Neues. Schon oft waren solche Trupps heiter in die Wildnis gezogen, niemand wußte, wohin und zu welchem Zweck; die stillen Wälder hatten ihr Geheimnis gehütet so lange sie dort weilten; dann waren sie auf einmal wieder verduftet, niemand wußte wohin – oft – ach, leider oft! – mit einer unbezahlten Rechnung von ihm. Also hatte Keys Trupp nichts, was die Neugier erweckte.

In der nächsten Woche stand ein einfaches rohes Blockhaus an Stelle des geheimnisvollen abgebrannten Hauses. Zwei Wochen später waren die Minenarbeiten schon in vollem Gange und nach drei Wochen war die letzte Spur von den früheren Bewohnern verschwunden. Was das Feuer nicht vernichtet hatte, war von den Füßen der eifrig schaffenden Arbeiter der »Sylvan Silver Hollow Company« dem Boden gleich getreten. Keiner von Keys früheren Gefährten würde den Ort in seinem jetzigen geschwärzten Zustand wiedererkannt haben; selbst Collinson hätte diese zerspaltenen, zersplitterten Felswände mit ihren Haufen frischer Gesteinstrümmer schwerlich für die Stelle gehalten, wo er Key getroffen. Key selber aber hatte über seinem glänzenden Erfolge alles vergessen, außer dem zufälligen Experiment, dem er sein Glück verdankte.

Deshalb war es vielleicht für ihn ganz gut, daß er einmal aus seiner Sicherheit aufgerüttelt wurde. In einer Nacht, als schwarze Dunkelheit den Schauplatz des verwüsteten Waldes und die noch schlimmeren durch Menschenhand hervorgebrachten Verheerungen gnädig bedeckte und durch die Fichten der unbeschädigten Bergabhänge hin und wieder ein leises Flüstern ging, schreckte plötzlich Pferdegetrappel und ein lauter Ruf die im Blockhaus Schlafenden auf. Eilig ihre Waffen ergreifend stürzten sie hinaus. Ein dunkler Kreis von Reitern mit lodernden Kienfackeln stand ihnen gegenüber; gleichzeitig erscholl eine Stimme, deren fester, ruhiger – die Gewohnheit des Befehlens und das Bewußtsein der Gewalt verratender Ton ihren Eindruck auf die Bestürzten nicht verfehlte:

Weg mit den Flinten! Hände hoch! auf jeden Mann von euch ist ein Gewehrlauf gerichtet.

Key war kein Feigling und auch seine Gehilfen, obwohl erschreckt, waren keine Memmen; trotzdem gehorchten sie.

Einer der Fackelträger schritt in die Mitte des Kreises.

Euer Anführer trete vor! befahl die Stimme weiter. Neben die Fackel!

Mit Ruhe und Entschlossenheit folgte Prebel Key.

Gut so. Nun gebt Jack Rigge, Sydney-Jack, den Franzosen-Peter, und Jack, den Einäugigen, raus.

Diese nächtliche Szene erinnerte Key lebhaft an den finsteren Abend, wo seine und seiner Gefährten Stimmen hier in der Dunkelheit erklangen. Es erwachte die Vermutung in ihm, daß dieser Ueberfall etwas mit dem früheren Bewohner zu tun hätte, und er sagte deshalb ruhig:

Wer verlangt nach ihnen?

Der Staat Kalifornien.

Da muß der Staat Kalifornien sie anderswo suchen; unter meinen Leuten existieren diese Namen nicht.

Wer seid Ihr?

Der Direktor der »Sylvan Silver Hollow Company«, und das sind meine Arbeiter.

Diese Antwort rief lebhaftes Geflüster und eine gewisse Unruhe in dem bisher schweigsamen Kreise hervor. Darauf sprach die Stimme weiter:

Haben Sie Papiere, die Ihre Aussage beweisen?

Ja, in der Hütte. Und Sie?

Ich führe meine Abzeichen als Sheriff der Sierra bei mir.

Es entstand eine Pause, dann kam die schon weniger zuversichtliche Frage:

Wie lange sind Sie hier?

Drei Wochen. Ich kam am Tage des Brandes hierher und ergriff Besitz von diesem Platz.

Giebt es hier weiter kein Haus, als das Ihrige?

Ich fand die Brandruinen eines solchen vor.

Der Sheriff trat aus dem dunklen Hintergrund näher an Key heran.

Es war hier eine Diebshöhle. Das Versteck von Jack Riggs und seiner Bande. Seit drei Wochen habe ich dieses Nest gesucht, und nun ist es leer! Verdammt!

Keys Leute lachten, aber sie verstummten sogleich, als der Sheriff mehr in den Lichtkreis trat und sie sein braves, jetzt von der Enttäuschung düsteres und niedergeschlagenes Gesicht erkannten.

Wollen Sie nicht eintreten und etwas zu sich nehmen? fragte Key freundlich.

Nein. Ich habe genug an der Narretei, daß ich euch unnütz aus dem Schlaf gestöbert habe. Das ist alles, was bei meinem ganzen verdammten heutigen Tagewerk herauskommt. – Schlaft wohl. – Vorwärts, Jungens.

Die zwei Fackelträger ritten voraus, hinter ihnen unbestimmte Schatten als dunkles Gefolge; Hufgeklapper auf dem Felsgeröll und fort waren sie.

Als Key ihnen nachblickte, überkam ihn die wohlige Empfindung, daß mit ihnen der einzige Schatten, der noch auf seinem Glück gelegen, verschwand. War der frühere Bewohner dieses Platzes ein geächteter Bandit und Flüchtling, so konnte Key nun ruhig schlafen. Er hatte von keiner Seite mehr einen Einspruch auf sein unbeschränktes Recht an der Mine zu befürchten.

Aber sonderbar – zum erstenmal seit drei Wochen schwebte ihm in diesem Augenblick wie mit stillem Vorwurf das Gesicht vor, welches er am Fenster gesehen hatte.


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