Ernst Hardt
Tantris der Narr
Ernst Hardt

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Zweite Szene

Brangäne verschwindet oben, der Narr kauert regungslos, den Kopf in die Hände gestützt. Isolde kommt im weißen Nachtgewand nach einem Augenblick mit Brangäne die Treppe herunter und tritt dicht vor den Narren, der sich nicht regt. Brangäne bleibt auf den untersten Stufen, über den Treppenpfosten gelehnt.

Isolde. Du grauenvoller Narr, bist du ein Geier,
Ein Wolf, den meine Seele lockt als Fraß,
Daß du nicht gehst? Was lauerst du auf mich
Im Zwielicht wie ein Tier auf seine Beute!

Der fremde Narr blickt auf, schwer
O süße Frau Isolde!

Isolde.                           Narr, was nennst
Du mich, daß flammend mir das Blut gefriert.
Geh deines Wegs!

Der fremde Narr stöhnend, leise
                              O, Herrin, sagt, wo fände
Ich wohl das Meer, des Bette tief genug
Für meine Qual. Dort will ich hingehn!

Isolde.                                                           Geh,
Wohin du magst, nur gehe weit, so weit,
Daß eine Welt mich trennt von dir und deinen
Qualen, denn meine Seele blutet bang
Wie eine Wunde neben dir, als seiest
Ihr Mörder du. Sie will verbluten, meine
Seele, vor deinem Angesicht, du Narr!
Drum sollst du gehn. Doch vorher gib den Ring,
Den du zu Abend von den starren Händen
Des bleichen Todes stahlst zu frechem Spiel.
Es ist Herrn Tristans Ring.

Der fremde Narr.                     Ja, Frau Isolde!
Es ist Herrn Tristans heiligster Besitz!

Isolde. Gib ihn, wenn du nicht sterben willst. Ich lasse
Dich töten, Narr, so wahr ich diese Nacht
Gelitten habe wie Marie am Kreuz
Des Sohns!

Der fremde Narr steht auf
                    Der Ring ist mein! Ich hatte ihn
Dem Toten, der gestorben ist für Euch und mich,
Wie meine Seele in die Hut gegeben,
Auf daß er Euch mit diesem Ring zu mir
Hinabzwang in den Wald in dieser Nacht.
Denovalin kam Euch und mir zur Unzeit
Geritten durch den Wald. – Nun sage mir,
Frau Isot, willst du Herren Tristan Treue
Halten in dem, was du geschworen hast?

Isolde starr
Ich will nie einen Schwur zerbrechen, denn
Bei allen meinen Schwüren half mir Gott!

Der fremde Narr. So ruf ich dich, Isolde Blondhaar, hier
Bei diesem Ring und Tristans Namen!
    Er reicht ihr den Ring.

Isolde. Du kennst auch diesen Schwur, Gespenst! . . .
    Fast feierlich.                                                         Mein Gott,
Ich halt in meiner Hand, die bleich und heiß
Geworden ist in dieser Nacht, weil sie
Auf meinem Herzen lag, den Ring aus Gold
Und grünem Stein, bei dem ich einst Herrn Tristan
Geschworen habe, zu gehorchen, so
Mich einer ruft bei diesem Ring und seinem
Namen! Du riefest mich! Sieh, ich gehorche,
Was willst du nun von mir . . . du unheilvolles
Hohläugiges Gespenst der Dämmerung?

Der fremde Narr. Ich rufe dich, Isolde, meine Freundin,
In meiner Not: erkenne mich, der ich
Dein Freund gewesen bin.

Isolde.                                       Du saugst mein Blut!

Der fremde Narr. Dein Blut war mein! Dein Blut war mir zu eigen!
Ein purpurnes Vermächtnis war dein Blut,
Gelegt in meine ritterlichen Hände
Ohn Widerruf bis an den Tod. Wo du
Hingehst, da will auch ich hingehn, und wo
Du bleibst, da will ich bleiben. Sieh, so sprach
Dein Blut. Ich nehme nur, was mir zu eigen ist!

Isolde in höchster Leidenschaft
Was tat ich dir, daß du mein frühres Sein
Mir hersagst so wie einen Spottgesang?
Wer bist du, Narr, wer bist du? Sieh, ich rüttle
An deiner Seele wie ein Toter an den
Toren der Seligkeit. Wer bist du, Narr?
Bist du ein Zauberer, bist ein Gespenst,
Bist eine von den Seelen, welche ruhlos
Umgehen müssen für verruchte Taten?
Bist du ein ungetreuer Liebender,
Dem Gott den Himmel und die Hölle wehrte
Und ihn zur Strafe durch die Länder scheucht
Vor alle Frauenherzen, um zu betteln
Um Liebe? Gab dir Gott zu wissen, was
Niemand gewußt denn ich und Herre Tristan,
Damit du wähnst zu deiner Pein, du seiest Tristan,
Und tiefer büßt?

Der fremde Narr.     Ich bin ein Treuebrecher,
Der treulich liebete, du süße Frau Isolde!

Isolde. Was singst du meinen Namen unaufhörlich,
Wie Eulen stöhnen, wenn sie hungrig sind,
Du bleicher Narr? – Was siehst du mich mit Augen
Aus Qual und Tränen unbarmherzig an?
Ich weiß von deinen Schmerzen nicht und bin
Kein Arzt für solches Narrentum.

Der fremde Narr.                               Isolde!

Isolde in wachsender Erregung
Soll ich wie du mir meine Haare scheren
Und Narrenkleider tragen und mit dir
Auf alle Märkte ziehn und Tristan heulen,
Damit das Volk etwas zu lachen hat?
Ist dies zu deiner Heilung not, du Narr?
Hat mich Herr Tristan deiner blöden Tollheit
Aus Rache preisgegeben, weil ich ihn,
Bevor er Isot Weißhand sah, geliebt
Und ihm zu eigen mich gegeben habe
Mit meiner Seele und mit meinem Blut?
Hat er in höhnischen und argen Worten
Von unsren Heimlichkeiten dir erzählt
Und mich verraten an sein Weib? Bist du
Mit ihr im Bund, und hat sich ihre schwarze
Seele dies ausgeheckt, daß du mich quälen
Und töten sollst mit düstren schauerlichen
Zerrbildern des gelebten Seins, das starb?
Gesteh es mir, ich will mit Schätzen dich
Beladen, täglich für dich beten, deine
Wege mit Dienern säumen lassen und
Dich ehren so wie einen Adligen,
Wo du erscheinst!
    Sie bricht in die Kniee.
                              Erlöse mich, du Narr,
Eh ich vor Graun und Schauder selbst zur Närrin
Geworden bin!

Der fremde Narr hebt sie auf
                          Was tut Ihr, süße Freundin?

Isolde sie ist für einen Augenblick in seinen Armen und weicht dann scheu zurück
Wann mich Herr Tristan rief, so klang der Himmel
Golden wie eine goldne Glocke durch
Die Welt, und aller Dinge Tiefen quollen
Jubelnden Herzens auf bei diesem Klang
Und tanzten rings mit meinem Herzen! – Stand
Der Leib des Herren Tristan, wo ich stand,
So bebte rings die Luft von Seligkeiten
Geheimnisvoll, daß Tiere zitterten
Und Vögel mit Gesang anhuben, auch in
Der Nacht, und uns verrieten. Sag, wer brach
Den Bann des heilig anverwandten Blutes?

Der fremde Narr. Herr Tristan hat ein andres Weib treulos
Erkannt! O, Frau Isolde, seht, das hat
Er uns getan!

Isolde hat ihn starr betrachtet
                        Ich höre eines Raben Stimme
Und fühle kalten Hauch von fremden Gliedern,
So du in meiner Nähe glühst, du Blasser!

Der fremde Narr. Und hast doch diese Glieder oft umfangen
Zur Reise durch die weiten Purpurmeere
Und Sternenbahnen unsrer Einigkeit,
Und hast doch dieser Stimme oft gelauscht,
Wenn sie die Nachtigallen dir zu Häupten
Kirrte im Busch und Worte flüsterte,
Die dich umwogt mit Glut und Süßigkeit!
Soll ich jetzt wieder solche Worte finden?
Willst du noch einmal gehn mit mir, so wie
Wir gingen durch die Welt mit klingenden
Und jauchzenden Gefühlen des erregten
Singenden Bluts und unsrer träumenden
Schweigenden Seele?

Isolde.                               Tristans Schritte waren
An meiner Seite wie ein großer Schwung
Und Flug des Blutes, und sie hoben mich,
Daß sich der Boden beugte unter unsren
Tritten wie wogend Wasser und uns trug
Gleich hohen Segeln, die zu Siegen fuhren!

Der fremde Narr. O, Frau Isolde, ja, so gingen wir! –
O, Frau Isolde, wißt Ihr noch, wie wir
Mit einem Falken auf der Faust die Halden
An jenem Tag durchflogen, da Herr Marke
Bei Dinas war, und ich von Eurem Pferd
Euch auf das meine hob und Euch umfing
Und Ihr Euch an mich schmiegtet wie ein Kind . . .

Isolde. Und Tristan kühn in seines Herzens süßer
Glücktrunkenheit dem Pferd die Zügel ließ
Und ihm die Sporen gab, daß es so wie
Ein Pfeil mit uns die goldne Luft des Mittags
Durchfuhr und uns gen Himmel trug. – Wie oft
Hab ich von diesem Ritte nicht geträumt
Seitdem! Jetzt reitet Herre Tristan mit
Isolde Weißhand so!

Der fremde Narr.           Soll ich das Lied der
Weißhändigen verhärmten Frau dir singen,
Isolde Blondhaar? Sieh, es ist ein traurig
Und düster Lied von meiner Schuld. Sie hat
Die Augen rot vom vielen Weinen!

Isolde.                                                   Narr! Narr!
Was närrst du mich! Auch meine Augen sind
Vom Weinen rot! Da du so große Kunde
Von Tristan hast: Wes hat Herr Tristan Isot
Der Weißhand sich vermählt?

Der fremde Narr langsam, gequält.   Ihr blinkt ein kühles
Silbernes Lächeln um den Mund, und das
Gefiel ihm einen Abend lang. Doch als
Sie jemand Isot rief am andren bleich-
Dämmernden Morgen, da verging er schier
In Wonnen des Gedenkens an Isote,
Die süße Frau mit goldnem Haar und einem
Lächeln aus Gold . . . und er verlor die Lust
Des Lebens, bis sein großer Jammer ihn
Nach Kurnwal trieb, um seine blonde Freundin
Noch einmal, eh er sterben muß, zu schaun
Von Angesicht zu Angesicht. Das andre
Weißt du!

Isolde heftig.   Ich weiß es, und ich weiß auch, Narr,
Daß es für deine schwarzen Lügen nur
Den Tod von meinen Händen gibt! Ich will
Ein Ende setzen meiner Qual. So du
Der Tristan bist, so sollst du leben und
In meinen Armen, die nach Tristan gluten,
Ein heißes goldenes Vergessen finden
Des kühlen Silberlächelns, das du flohst!
Doch wenn du logst, wirst du zur Nacht nicht träumen
Von silbernen und goldnen Fraun! – Brangäne,
Bring mir den Schlüssel zu dem obren Zwinger!

Brangäne entsetzt
Isot, was sinnest du?

Isolde.                             Gehorch! – Nun hör,
Gespenst, es lebt in dieser Burg ein Hund,
Der uns gar wild geworden ist aus großer
Liebe zu Tristan, seinem Herrn! Der Hund,
Du Narr, ist lüstern wie ein weißer Wolf
Auf Menschenfleisch! Man kann ihm seine Nahrung
Nicht anders reichen denn an langen Stangen,
Weil er seit Tristans Abschied uns den dritten
Pfleger zerrissen hat! Wie denkst du, Narr,
Von diesem Hund? Würd er Herrn Tristan auch
Anfallen wie ein Wolf, wenn Herre Tristan
Von ungefähr in seinen Zwinger tritt?

Der fremde Narr hoch aufwachsend, fremd und starr und groß
O, Frau Isolde . . . Frau Isolde . . . Husdent
War mir ein treuer Hund, ich will ihn sehn.

Isolde weicht zurück
Du weißt den Namen!

Der fremde Narr.             Komm, Brangäne, führe
Den Narrn, wie deine Frau gebeut! Ich kenne
Den Weg, du sollst ihn mir nicht weisen. Gib!

Er nimmt Brangäne rasch den Schlüssel aus der Hand und verschwindet mit starken Schritten hinter der Treppe. Die beiden Frauen stehen für einen Augenblick starr und betäubt.

 


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