Ernst Hardt
Tantris der Narr
Ernst Hardt

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Fünfte Szene

Der fremde Sieche, dem während des Streites die Kapuze vom Kopfe gefallen, geht, die Stirn von einem schmal gefalteten Tuch umwunden, mit einer schnellen Bewegung vor den Fuß der Treppe. Isolde steht noch regungslos mit geschlossenen Augen da.

Der fremde Sieche.                       Isolde!
    Angstvoll, erstaunt und beschwörend     Isot!

Isolde sie beugt schauernd den Kopf mit geschlossenen Augen in den Nacken, langsam und schwer
Du Tier, du Tier, du Tier!

Der fremde Sieche.             Ich rufe Euch,
Isot!

Isolde schnell und hastig, als wolle sie sich mit den Worten bedecken.
          Ich bitte dich, du Tier, sprich nicht,
Du böses Tier! Wenn du noch irgendwo
Etwas vom Menschen hast, so töte mich,
Doch sprich mir nicht!

Der fremde Sieche fassungslos
                                      Isolde!

Er senkt sich der Treppe gegenüber, doch in weitester Entfernung, in die Kniee und biegt die Oberschenkel nach hinten bis zu den Hacken herab, – so sitzt er.

Isolde.                                             Sprich nicht! Schweige
Und töte mich. Sie haben ja zum Töten
Nicht eine Nadel mir gelassen! Sieh,
Ich flehe so, wie eine niedre Magd,
Auf meinen Knieen: Töte mich, du Tier,
Ich will dich segnen, töte mich!

Der fremde Sieche.                         Isolde!
Liebt Ihr den Tristan nicht, der Euer Freund
Gewesen ist?

Isolde sieht ihn einen Augenblick lang an.
                      Du sprichst, du sprichst, du Tier,
Und starrst mich an. Gott wird dich einmal strafen,
Weil du mich jetzt nicht töten willst.

Der fremde Sieche verzweifelt aufschreiend.   Erwachet,
Goldene! Tristan ruft!

Isolde.                               Du willst mich martern
Mit deinem Hohn und Spott! Dann töten! Sage,
Daß du mich töten willst, wenn du genug
Gespottet hast! – Nicht wahr – du wirst nicht näher
Kommen zu mir!

Der fremde Sieche.   Isolde, ich beschwöre Euch,
Wacht auf und sprecht! Isolde, sprecht: liebt Ihr
Den Tristan noch?

Isolde.                         Der war mein Freund! Doch sollst
Du mich nicht martern jetzt mit seinem Namen.
Ich liebte ihn, des steh ich ja vor dir!
Nun töte mich!

Der fremde Sieche eilt an den Fuß der Treppe
                          Gott helfe mir! Isolde, wißt,
Ich bin . . .
    Mit einem fast schluchzenden inneren Zusammenbrechen
                  Ich bin ein Bote Tristans, Eures Freundes,
Den Ihr geliebt habt.

Isolde zornig.                   Willst mich schmähen noch
In meiner Schmach, du Tier!

Der fremde Sieche.                   Ich will Euch retten . . .
Liebt Ihr den Tristan noch?

Isolde sie geht einige Stufen herab, langsam und aufmerkend.
                                              Du bist ein Bote
Des Herren Tristan, sagst du? Sollst du gar
Mich zu ihm bringen?
    Ausbrechend             Will dein Herr mich wohl
Als ein fremdländisches Geschenk erwerben
Für sein Gemahl?
    Der Fremde verbirgt sein Gesicht in seinen Händen.
                              Soll ich im Käfig sitzen
Und schaun, wie er sie küßt und Isot ruft?
Hat er sich dieses ausgedacht, dein Herr?
Oder ist Frau Isolde mit der weißen
Hand lüstern auf mein blondes Haar geworden,
Daß sie ein Kissen sich draus mache für
Verliebte Stunden? O, was fällt Herrn Tristan
Für seltsames Gelüsten an nach mir,
Daß er mir Boten schickt! Will er mich wohl
Ins selbe Bett mit seiner Frau Isote
Zur Nachtzeit legen und uns beide herzen?
Dein Herr war früher keuscheren Geblüts!
    Leidenschaftlich
Nun töte mich, nun töte mich, du Tier,
Ich mag nicht länger sein!

Der fremde Sieche.                 . . . Kennt Ihr mich nicht?

Isolde. Wie sollt ich dich wohl kennen, wissen gar,
An welcher Ecke dich Herr Tristan schnell
Erhandelt hat, auf seiner Flucht im Morois
Vor einem Manne, der ihn rief bei meinem
Namen!

Der fremde Sieche.   Isolde, schmäh ihn nicht, er hat
Dem Mann gestanden wohl beim ersten Laut!

Isolde leidenschaftlichen Zornes.
Er stand, sagst du? So ist wohl auch Isolde
Weißhand nicht sein Gemahl geworden? Wie?
Ich träumt es nur, ich ächzte nur im Traum,
Traumtränen weint ich nur ob dieser Kunde!

Der fremde Sieche. Isolde, habe Mitleid mit dem Tristan!

Isolde geht wieder ein paar Stufen herab, sieht ihn starr an und spricht gewissermaßen lauernd und forschend.
Bist du von seinen Dienern einer? Warst
Bei ihm, als er noch Treue hielt, und bist
Nun siech geworden auf der Hochzeitsfahrt?
So weine über deinen Herrn, du sieches Tier!
Ich kenn dich nicht! Ja, stände auch dein Herr,
Der Herre Tristan, den ich einst geliebt
Und der mich wiederliebte in der Jugend,
Ständ er vor mir, wie du jetzt stehst, und spräch
Zu mir, wie du jetzt zu mir sprichst, ich möchte
Ihn nicht erkennen durch die feige Maske,
Die er sich vorgebunden hat seither!
Treulosigkeit klebt so wie Pech auf ihm!
Geh, sag ihm das! Ich hass ihn in der Maske,
So heiß und süß, als ich ihn einst geliebt!
Gott soll ihn strafen!

Der fremde Sieche.       Isot, Gott hat ihn
Gestraft, daß seine Seele sich in Krämpfen
Windet vor dir!

Isolde.                     Ja, seine Seele ist
Wohl siech! Und das ist schlimm, wenn wer an seiner
Seele aussätzig ist. Ich hass ihn!

Der fremde Sieche rast auf.               Isot!

Isolde wild.
Willst du die Geier rufen? Rufe sie!
Ich will in ihre braunen Arme tanzen
Und fliehn vor Herren Tristans siecher Seele,
Die mich verraten und geschändet hat.

Der fremde Sieche. So helf ihm Gott, als er Euch liebt, Isolde,
Im Leben und im Tod!

Er stürzt nach dem Ausgang.

Die Stimme des Herzogs Denovalin.
                                      Laßt niemand aus
Der Burg, die Brücken hoch, die Tore zu,
Ich fang den fremden Hund!

Isolde flieht taumelnd und bricht zusammen.

Der fremde Sieche.                     Denovalin!
Isolde, unser Feind Denovalin!
Deckt Eure Blöße hier mit diesem Mantel!
    Er breitet seinen Mantel über sie und beugt sich tief zu ihr herab.
Isolde, süße Frau! Ich töte ihn
Und mich!

Denovalin kommt.

Denovalin.       Du dort, wer bist du, fremder Hund,
Der König Markes Richtersprüche kühn
Zunichte macht?

Der fremde Sieche ist auf den Rand des Brunnenbeckens gestiegen.
                            Denovalin, du fliehst
Zum zweiten Male nicht vor mir. Paß auf!

Er springt Denovalin an, stößt ihn nieder und schwingt sich auf die Mauer, oben steht er mit offenem Siechenrock in silbernem Kettenpanzer hell vor dem hellen Himmel.

Denovalin. Tristan von Lonnois!

Der fremde Sieche nimmt das Tuch von seinem Kopf.
                                                Erkennst du ihn
Am Stoß! Gott sei mir gnädig.

Er springt von der Mauer.
Die Bühne bleibt für eine Weile leer, die Orgel schwillt an, dann werden die Türen geöffnet, zwei Knappen kommen heraus und stellen sich auf die Treppe, die Kirche leert sich allmählich.

 


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