Ernst Hardt
Tantris der Narr
Ernst Hardt

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Dritte Szene

Der Knappe meldet, Isolde betritt, gefolgt von Paranis, den Saal und bleibt im Hintergrund stehen. Die Barone erheben sich.

Der Knappe. Die Königin Isolde kommt!
    Ab.

Isolde ruhig, zart.                                       Man rief
Mich her, ihr werten Herren, sprecht nun, dann
Ich bin gekommen!

Marke macht heftig einen Schritt auf sie zu, bleibt dann stehen, sieht sie starr an und spricht langsam, ohne sich zu regen.
                                  Dinas, Isot von
Irland soll näher kommen.

Isolde tritt, ohne des Dinas Geleit abzuwarten, in die Mitte des Saales. Marke verändert seine Haltung nicht. – Lauter

                                            Dinas, Isot
Von Irland soll am Tisch zu oberst sitzen,
Mir gegenüber.

Isolde.                     Marke, willst du, daß ich
Dich frage, welch absonderlicher Brauch
Dies ist, da du ihn wiederholen läßt?
In Irland sah ich niemals einen Mann
So tun mit seiner eignen Frau. Wenn es
Dich nicht beschwert, so mag ich stehn!
    Weder Marke noch die Barone regen sich. – Angstvoll
                                                                  Will niemand
Sprechen zu mir!?

Marke.                       Ihr Herren, setzt euch!

Er geht nach vorn vor den Tisch. Paranis kniet sich dicht neben Isolde nieder, und sie legt ihre Hand auf seinen Kopf als wie auf den Kopf eines Hundes.

Isolde.                                                               Marke,
Ich ward gerufen, rauh und streng, und bin
Gekommen, weils mich herzlich drängte, Euch zu
Gehorchen, der Ihr gut und freundlich seid
Zu mir. – Ihr wisset, daß an diesem Saal
Und diesem Kreis von Männern ein Erinnern
Hanget für mich, das schmerzvoll ist. Drum bitt ich
Um schnelle Antwort, was man heischt von mir.

Marke rauh.
Wes ward der Gawein heimlich aus der Burg
Gesandt nach Tintajol?

Isolde.                                 Er wurde nicht
Heimlich gesandt, Herr Marke, sondern offen!
Es heißt, ein fremdes Schiff mit Handelsmännern
Kam übers Meer nach Tintajol. Ich wollte
Sie herberufen lassen, um aus ihren
Waren mir manches auszufinden, das
Mir not tut oder mir gefällt.

Marke.                                       Der Einkauf
Mußte so eilig wohl betrieben werden,
Frau Isot, weil es Euch an diesem Ort
Am Nötigsten gebricht? Gewiß, wir ließen
Die fünfzehn all mit Eurem Zeug beladnen
Saumtiere unterwegs an einem Brunnen
Vergeßlich stehn! Seht, ich entsinne mich!

Isolde. Nein, Herr! – Doch Sankt Lubin bringt mir gar leere
Und trübe Stunden, und so wollt ich mir
Zerstreuung schaffen durch die Handelsmänner.
Ihr wißt, mich freut das bunte Durcheinander
Von Dingen, welche kostbar sind und fremd,
    ängstlich
Der Seiden Knittern, Goldgewirk der Kleider,
Der Edelsteine Prunk und Pelze, Bänder,
Goldgürtel, Nadeln, Schnallen . . . solche Dinge
Zu schaun und prüfend mit der Hand zu streichen,
Belustigt mich, mag es auch kindisch sein.
Ihr selber schufet mir ja oft die Freude
Und schicktet Handelsleute mir aufs Schloß.
Was wunderts Euch, wenn ich es heute selber
Zu tun gesonnen war.

Marke.                             Gewiß, ich tat
Euch unrecht, denn ich bracht Euch selber oft
Gar viel von solchem Volk ins Haus. O diese
Krämer und Schacherer sind herrliche
Gesellen. Ich begreif es jetzt! Sie kommen
Gar weit umher und sind geschickt und schlau,
Für Botendienste wie geschaffen.

Isolde.                                                 Marke,
Du tatest unrecht mir, doch größeres
Brangäne und dem Gawein. Laß sie frei,
Sie taten nur, was ich zu tun gebot.

Marke heftig.
Man soll den Gawein und die Kupplerin
Brangäne aus dem Turm entlassen! –

Ein Baron geht zur Tür und spricht hinaus.

                                                              Jetzt,
Herzog Denovalin, sollst du dein Märchen
Recht laut und deutlich uns erzählen. Hört zu,
Ihr Herren, denn es ist ein schönes Stück.

Er kauert sich auf die Thronstufen und starrt Isolde an. Denovalin tritt vor die hintere, schmale Seite des Tisches.

Denovalin. Ich kam durchs Morois bei Morgengrauen,
Als noch der Nebel um die Bäume zog,
Und sah an einer Biegung einen reiten,
Der stolz und hart im Sattelbogen saß.
Doch schien er nicht zu wünschen, daß ein menschlich
Auge ihn maß, denn er vermied bedachtsam
Die Lichtungen und lauschte um sich, spähend
Und klug, und bog ins Dickicht ein, als er
Von fern den Hufschlag meines Pferds vernahm.
Ich folgte ihm und kam ihm bald so nahe,
Als eine gute Männerstimme trägt,
Und rief ihn laut und herrisch an. Da gab
Er seinem Pferd die Dornen so ins Fleisch,
Daß es gleich einem weidewunden Hirsch
Hoch ausbrach und ins Weite fuhr. Ich hielt
Mich hinterdrein und bot dem Mann, bei Ritter-
Und Heldenehre anzuhalten, doch
Er achtete auch dieses Rufes nicht
Und stürmte zu. Da schrie ich hell, er solle
Halten beim Namen Isots mit dem blonden Haar . . .

Isolde leidenschaftlich, fest.
Da stand Herr Tristan Euch!
    Ängstlich                             Nicht wahr?
    Flehend                                                     O sagt,
Daß Euch Herr Tristan stand bei diesem Ruf,
    leidenschaftlich
Und ich will Eure Lippen segnen . . .

Marke unterdrückt schreiend.                   Isot!

Isolde. Und will Euch Eure Hände küssen, Herzog,
Und Euch . . .

Denovalin.         Wer sagt Euch denn, Frau Isot, daß
Der Mann Herr Tristan war von Lonnois?

Isolde lenkt ihren Stimmklang zu hartem, leidenschaftlichem Stolz um.
Ich will Euch Eure Hände küssen, Herr
Denovalin, so Ihr mir sagt, ob meines
Gemahls Geblüt, der edle Herre Tristan
Euch stand, denn wahrlich, seht, es würde mich
Gar schwer verdrießen, wenn je solches Blut
Vor einem solchen Mann, wie Ihr es seid,
Geflohen wäre, ja, das wäre mir
Wohl bittre Schmach, denn wißt, ich achte Euch
Gleich einem Hund, Denovalin!

Denovalin gepreßt, leidenschaftlich.   Ob Tristan
Mir stand, ob vor mir floh, Euch sag ichs nicht!

Isolde. Das kränkt mich wahrlich, Herzog! – Doch an euch,
Ihr Herren, muß ich mich mit harter, schwerer
Klage nun wenden wider Herren Tristan,
Daß er so blindlings den Vertrag zerbrach
Und mich verstrickt in eine Schuld, an der
Ich keinen Teil in meiner Seele habe.

Marke kauert auf den Thronstufen, stöhnend.
O, wie doch ihre rote irländische
Zunge die Worte wohl zu setzen weiß!
So glatte Worte hat sie, daß die Hand,
Die packen will, daran ausgleitet wie
An schillernden, gewundnen Schlangenleibern.
Und sie hat laue Worte, schmeichelnde
Und sinnbetörende und heiße Worte,
Und stolze Worte hat sie, die wie Hengste
Die Nüstern blähen und die Kniee werfen.
O sie hat Worte, Worte, alle Worte,
Die sie zum Lügen braucht.
    Er geht auf sie zu, heftig
                                              Seht diese Augen!
Was sind das wunderliche Augen, Augen,
Wie man sie braucht zum Trügen! Und mit diesen
Augen und Lippen trog Isolde mir,
Solange sie in Kurnwal ist!

Isolde bebend.                           Und Eure
Worte, Herr Marke, sind wie Frauenschänder
Und wüste Hände! Wohl, ich bin von Irland!
Dort herrscht in Tat und Worten Maß und Sitte,
Und niemals wird der Zorn der Männer Herr;
So hab ich nicht gelernt in meiner Jugend,
Wie man sich schützt vor Zornestrunkenheit.

Marke. Das war von ihren stolzen Worten eines!
Isot von Irland, unterschriebet Ihr
Mit eigner Hand und eignem Blut hier den
Vertrag?

Isolde.         Ich unterschrieb!
    Sie schließt die Augen.      »Und wenn Herr Tristan,
Mein lieber Neffe, je von diesem Tag an
Sein Wappen blicken läßt in Kurnwal, soll er
Zusammen mit Isolde, meiner Frau
Von Irland, Todes sterben.« – Ich schrieb
Mit meiner Hand und meinem Blut . . .

Marke.                                                         Der Herzog
Denovalin, ihr Herrn, hat heilig mir
Sein Haupt verpfändet, daß er meinem Neffen
Tristan von Lonnois begegnet ist
In meinem Land. Wenn niemand widerspricht,
So soll Isot von Irland Todes sterben!

Dinas steht auf.
Ich widerspreche dem Denovalin!

Marke. Dinas von Lidan!

Ganelun.                           Gut tut Ihr, Herr Dinas.

Dinas. Auch ich bin einem Mann begegnet, Marke,
Zur selben Stunde um das Morgengrauen,
Den ich für deinen Neffen Tristan hielt.
Doch da mein Weg von Osten kam durchs Morois,
Denovalins von Westen, und Lubin
Inmitten liegt, so müßte sich Herr Tristan
Verdoppelt haben, um in West und Ost
Zur selben Stunde meinen Weg zu kreuzen
Und den des Herrn Denovalin. Da dies
Unmöglich ist, war einer von den beiden
Der echte Tristan nicht, es hat sich also
Einer getäuscht von uns, und konnte einer
Sich täuschen, möcht es wohl auch möglich sein,
Daß beide irren, ich und der Denovalin!

Marke. Dinas, kennt ich dich nicht von Jugend auf,
Wahrlich, ich möchte dich für schuldig halten
An Isot. Hat sie wohl auch dich gefangen
Mit falschen Schwüren und verlogner Gunst,
Daß du so lüstern bist, für sie zu sterben?
Dein Haar ist grau wie meines! Träume nicht! –
Denovalin hat sich verpfändet, Dinas,
Daß er den Tristan sah! Bedenk es gut,
Eh du den Handschuh aufzuheben gehst.

Der zweite Baron. Und dennoch hat Herr Dinas recht!

Der Dritte.                                                                       So mein
Auch ich!

Der Fünfte.   Es können nicht im Wald von Morois
Zwei Männer Tristan sein.

Denovalin auffahrend.               Ich hab, ihr Herrn,
Mein Haupt verpfändet! Hütet eure Zungen!

Ganelun. Mir scheint es recht zu sein, daß Frau Isolde
Nicht sterben soll, eh man den echten Tristan
Tot oder lebend fing.

Der zweite Baron.         Ja, Ganelun!

Der Dritte. Darauf bestehn wohl alle, König Marke!

Isolde. Bei Gott, ihr Herren, seht, es ist genug!
Es wird hier kühl darüber abgehandelt,
Ob ich nun leben oder sterben soll,
Als sei ich nur ein Tier des Feldes. Ich
Bin adeligen Stamms und will, daß man
Vor meinem Blut sich beugt, so man es nicht
Gelernt vor Frauenschaft! Ich will, daß man
Mich jetzt in mein Gemach entläßt, mich länger
Nicht hier so stehen läßt als wie ein böses,
Gebundnes Tier. – Herr Marke kann mir euren
Beschluß mitteilen lassen, wann ihr ihn
Gefaßt! Ich will jetzt gehn!

Marke in steigender Trunkenheit.   Hört, hört, o hört sie!
Möchte man stöhnend sich nicht niederwerfen
Und ihre Schuhe küssen auf der Sohle,
Wenn sie so hohe Worte findet und
Gefühle? Schaut sie an, ihr Herrn! Wie ist
Ihr Wesen doch des Weinens und des Lächelns
So übervoll wie eine ganze Welt!
Und wenn sie lächelte mit diesem Mund,
Verträumt und blaß wie Silber oder strahlend,
Daß Gottes Welt in Gottes Händen tanzte,
Sie lächelte nicht mir! Und wenn an ihren
Geschwungnen Lidern Tränen bebten wie
Gläserner Tau an Blumenfäden, seht,
Sie weinete nicht mir! Ein Schemen war
Um uns in allen dunklen süßen Stunden,
Und diesem Schemen, der des Herren Tristan
Abbild gewesen ist, dem lächelte
Und weinte ihre Seele treu, dieweil
Ihr leerer Leib an meinem Leibe lag
Und mich betrog mit Lächeln und mit Weinen.
Sie soll erst sterben, sagt ihr, wann Herr Tristan
Gefangen ist? Wieviel Minuten, seht,
Wieviele kostbare Minuten schenkt ihr
Zu weinen und zu lächeln diesem Mund?
Wen wird er nicht verführen und betören,
Lächelnd und weinend? Euch und mich und Gott!
Ich will sein Lächeln drum verkehren nun
In Weinen, und sein Weinen in Gelächter
Der Häßlichkeit, auf daß wir endlich Ruhe
Haben vor Isots großer Frauenkunst!
Wenn sie nicht sterben soll, so will ich sie
Verschenken! Dieses darf ich wohl, ihr Herrn,
Denn ich bin Marke, ihr rechtmäßiger
Gemahl. Ich will sie heut um Mittag, wenn die
Sonne noch goldner färbt ihr goldnes Haar,
Da will ich sie verschenken an die Siechen
Und Bettler von Lubin!

Dinas.                                 Du bist von Sinnen,
Marke!

Paranis.     Die Königin!

Isolde.                             Es ist nichts! Laßt!

Ganelun. Ihr sprecht in Schmerz und Zorn ein Grausames,
Das man sich auszudenken fürchtet!

Der erste Baron.                                     Marke!
Besinnet Euch!

Der Zweite.           Ihr rast!

Der Vierte.                           Ihr tut gar Niedres!

Marke kauert auf den Thronstufen mit dem Rücken gegen die Barone
Um Mittag sollen alle Siechen von
Lubin im Burghof sich versammelt halten!

Dinas. Marke, leb wohl, ich scheide mich von dir!

Ganelun. Ich geh mit Euch.

Der erste Baron.                 Ich auch!

Der Zweite.                                           Wir gehen alle!

Marke wendet den Kopf, fast lächelnd.
Will niemand bei mir bleiben?

Denovalin vortretend.                   Ich, Herr Marke!

Marke fährt auf.
O jagt mir diesen Mann aus meiner Burg
Und heißt ihn eilig reiten, denn ich fühle
Ein groß Gelüst, die Hände mir in seinem
Blute zu weihen nach der schauerlichen
Brautnacht! Und wenn es Gott gefällt noch einmal,
Zu zeugen wider dich, Denovalin,
So stirbst du zweimal! Dieses schwör ich dir!

Denovalin ruhig.
Herr Marke, meine Burg ist steil und fest!

Isolde. Wie macht doch Gier die Männer klein und niedrig,
Wie bist du, Marke, der so weise ist
Und mild, wie bist du doch verzerrt vor Gier!
Du willst mich schänden, statt mich leben lassen?
Was du so liebst, das willst du vor die Geier werfen
Als Fraß, und meinest gar, es sei ein Haß
Dabei? Wie irrst du, Marke, wenn du wähnst,
Du haßtest! Sieh, du dauerst mich! Soll ich
Jetzt flehen, Hände ringen, mich erniedern?
Ich weiß nicht, wie wohl andre Edelfrauen
Lebendig blieben in der Schmach des Siechen-
Gerichts und will jetzt nicht darüber denken,
Weil eine Frau vergehen muß, wenn sie
Darüber denkt! Doch meinen Schwur will ich
Noch einmal schwören jetzt vor Euch und Gott.
Nach diesem Schwur soll er mir helfen oder
Mich fressen lassen von den Geiern und
Den Hunden Sankt Lubins . . . Ich schwöre, daß ich
In Liebe niemals bin erbebt denn zu
Dem einen, der in seine Arme mich
Genommen hat, da ich jungfräulich war
Wie Schnee am ersten Wintermorgen! Diesen
Einen habe ich geliebt in Treuen
Mit allen Gluten meiner Frauenschaft
Und ihm zu eigen mich gegeben, jubelnd
Und tanzenden Gemüts und eines Leibes
So voller Lachen, wie ein Maienmorgen
Auf Bergen lacht! – Seht, diesen liebte ich
Und niemals einen andern, wenn er mich
Auch kränkt und schändet und verrät – Herr Marke!

Marke aufschreiend.
Schütz mich vor ihren Schwüren, wer mich liebt!

Denovalin wendet sich zu Isolde, ruhig.
Führet die Königin in ihr Gemach!

 

Vorhang

 


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