Ernst Hardt
Tantris der Narr
Ernst Hardt

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Vierte Szene

Marke öffnet das Gitter und läßt den fremden Narren herein. Der Narr geht nach rechts etwas vor und starrt zu Isolde hinüber, Ugrin geht um ihn herum und betrachtet ihn.

Marke. So komm, du Galgenvogel! Höre, Gilain,
Die Wache an dem untren Tor soll gleich
Verdoppelt werden, denn ich will nicht, daß
Sich jemand unbemerkt hindurch kann schleichen!

Ugrin. Doch sollte noch ein fremder König kommen,
Der König, der zu diesem Narren paßt,
So laßt ihn ja herein, mein guter Gilain!

Isolde. Spielt, Dinas, spielt, mich peinigt das Geschwätz!

Marke. Nun Bursch, was drängst du dich an meine Tür
Und schreist? Was willst du?

Der fremde Narr.                       Will hier bei dir bleiben.

Lachen.

Der zweite Baron. Was kochte man zu Abend heut bei Euch,
Herr Marke? Solches Volk hat Witterung!

Der fremde Narr. Ich sah es hell bei dir und kam! – Mich friert!

Ugrin. Ei, zieh dir deinen Mantel an, du Tropf.

Der fremde Narr. Ich hab ihn fortgeschenkt!

Brangäne lachend.                                             Du bist ein guter
Barmherziger Narr demnach . . .

Gimelle.                                           Er sieht nicht aus,
Als könnt er viel verschenken!

Marke hat den Narren aufmerksam betrachtet.
                                                  Narr, wo kommst
Du her?

Der fremde Narr.   Von draußen, Marke, grad von draußen.
Sonst komm ich nirgends her . . .
    Nach Isoldens Tisch hinüber leise singend
                                                      Doch meine Mutter
War Blancheflur!

Isolde zuckt auf und sieht starr zu ihm herüber.

Marke geht lachend an seinen Platz, Ugrin folgt ihm.
                              Ein schlechter Spaß, Geselle,
Kannst du nicht witziger sein? Die Blancheflure
War meine Schwester. Sie gebar dich nicht!

Der fremde Narr. Nun dann gebar mich eine andre Frau,
Die ähnlich hieß, in ihrem Blut und großen
Schmerzen. Was tut es dir?

Lachen.

Der erste Ritter lachend.         Jetzt wird er bitterlich!

Isolde. Laßt doch den neuen Narren näher kommen,
Herr Marke, daß wir ihn im Hellen sehn!

Marke. Komm näher, Bursch. Tritt vor die Königin.

Ugrin. Ein ungelenker langer Esel ist er!
Da siehst du nun, was du an mir besitzt.

Marke. Geh, Narr, und fürcht dich nicht!

Der fremde Narr tritt links vor die vordere Steinbank, Isoldens Tisch gegenüber.
                                                              . . . Mich friert, mich friert.

Isolde sieht ihn eine Sekunde lang an und bricht dann befreit in ein helles Lachen aus.
Was sieht er kläglich aus!

Der fremde Narr deckt die Hände über sein Gesicht.

Gimelle springt auf und kommt nach vorn.
                                            Frau Isot lacht!

Brangäne. Tat er was Spaßiges?

Gimelle.                                       Wes lachst du so,
Isolde?

Dinas.       Schrecklich ist des Narren Fratze!

Isolde. Er sieht gar kläglich aus, find ich . . . ergötzlich . . .

Ugrin. Ich bin dir gram, Frau Isot! Pfui, wie kannst
So lachen über einen fremden Narrn!
Bekommt er jetzt zwei goldne Mark, Herr Vetter?

Der fremde Narr setzt sich währenddessen auf die Lehne, mit welcher die Steinbank in den Kamin übergeht, stützt seine Ellenbogen auf die Kniee, den Kopf auf seine Hände und starrt Isolde an.

Brangäne. Freu dich, Gesell, der König wird dirs lohnen,
Daß du Frau Isot so erheitert hast!

Der fremde Narr ohne seine Haltung zu ändern.
Ich wollte lieber, diese Königin
Hätte geweinet über mich!

Leises Lachen.

Marke.                                       Weshalb?

Der fremde Narr. Weil ich ein Narr zum Weinen bin
Und nicht zum Lachen!
    Gelächter, der Narr fährt auf
                                        Keiner soll je lachen,
So er mich sieht!

Gelächter, der Narr setzt sich wieder.

Isolde ernst.               Was spricht er sonderbar!

Marke. Bürschlein, ich glaub, man hat dich irgendwo
Vom Galgen abgeschnitten!

Der fremde Narr starrt Isolde versunken an, langsam.
                                              Marke, was
Hast du für eine stolze, kühle Frau!
Ich glaub, sie heißt Isolde, deine Frau?

Marke lächelnd.
Gefällt sie dir?

Der fremde Narr.   Ja, sie gefällt mir, Marke!
    Lachen.
Isolde mit dem blonden Haar: Mich friert!

Isolde. Der Narr ist toll. Ich mag ihn nicht!

Ugrin zum Narren.                                         Da hast dus!

Gimelle. Siehst du Frau Isot heut zum erstenmal?

Marke. Bist fremd, mein Bursch?

Der fremde Narr.                         Kann sein, ich sah sie schon,
Und kann auch sein, ich sah sie nie! Ich weiß nicht.

Gelächter.

Gimelle lachend.
Was ist das für ein sonderbarer Spaß!
    Zum hinteren Tisch
Kommt doch, ihr Herrn, der fremde Narr ist seltsam.

Der fremde Narr in immer gesteigerter Qual.
Ich hatt ein Liebchen . . . es war schön!

Marke lachend.                                             Ich glaubs!

Der fremde Narr. Es war wohl fast so schön wie deine Frau!
    Gelächter.
Mich friert!

Isolde heftig.     Du Narr, was stierst mich an! Sieh weg!

Der fremde Narr. Lachet noch einmal über mich, Frau Isot.
Ihr lachtet schön! Doch schöner muß es sein,
Wenn Eure Lider schwer von Tränen sind.
Ich wünscht, ich könnte dich zum Weinen bringen,
Frau Isot!

Stille.

Ugrin geht zu ihm.
                  Hu, hu, sind das Späße! Hör,
Ich fange gleich zu heulen an, du Eule,
Du Trauerkauz!

Der fremde Narr auffahrend.
                          Nehmt diesen Narren weg,
Ich schlag ihn sonst!

Ugrin springt zurück.

Marke.                             Hör, Bursch, du bist recht dreist!

Gimelle. All seine Späße sind von neuer Art!

Marke. Sag an, wem dientest du bisher?

Der fremde Narr.                                     Ich diente
Dem guten König Marke fern in Kurnwal!
    Lachen.
Der hatte eine schöne Frau mit langem
Goldenem Haar.
    Lachen.           Was lachst du, armer Dinas?

Das Lachen bricht scheu ab. Die Barone und Ritter, die im Vorigen allmählich vom Tisch der Königin aus einen Kreis um den fremden Narren gebildet hatten, weichen etwas zurück.

Dinas erschrocken.
Jetzt weiß der Bursche gar, wie man mich ruft!

Der erste Baron. Verwunderlich!

Der zweite Baron.                         Du, Bursch . . .

Ganelun.                                                                 Er ist geschickt
Und nützet, was er hört!

Isolde.                                   Ich finde seine
Späß' nur frech und wünschte, er ginge fort!
Er peinigt mich!

Marke.                     Es ist an ihm etwas,
Das mir gefällt. Ich glaube, seine Narrheit
Sitzt tiefer!

Ugrin.               Ja, im Bauche, Vetter. Wahrlich,
Leibschneiden hat er!

Marke.                             Du, erzähl uns was!

Der fremde Narr auffahrend.
Was gafft ihr so, erbärmliches Gesindel!
Was höhnt ihr mich!
    Gequält.                 Ich bin ein armer Narr!
Schick sie nach Hause, Marke. Hör auf mich!
Wir wollen hier allein zusammen bleiben,
Die Königin und du und ich. – Dann will
Ich euch auch was erzählen. Schöne Sachen,
Verliebte Sachen, daß man friert vom Hören!
Dies Volk schick weg.

Der erste Baron.             Hör, Söhnlein, werde nicht
Zu kühn.

Der zweite Baron.   Es setzt sonst Schläge!

Marke.                                                             Laßt ihn, Herren!
Ich finde seine Narrheit gar ergötzlich,
Weil er nicht dumme Späße macht, wie sonst
Die Possenreißer.

Der fremde Narr.     War ein Ritter früher, so
Wie ihr.

Lachen.

Ganelun lachend.
              Ich möchte dich gesehen haben!

Der fremde Narr fest
Du sahst mich oft, Freund Ganelun, und warst
Mir lieb!

Man weicht scheu zurück.

Der erste Ritter bekreuzigt sich.
                Gott schütze mich, er kennt uns alle
Bei Namen.

Isolde.               Ja, der Narr ist unheimlich.
Herr Marke, schickt ihn fort. Er ist ein Toller!

Marke. Sprich weiter, du!

Der fremde Narr.             Mir klebt mein Gaumen fest,
Und meine Kehle brennt, gebt mir zu trinken!

Marke steht auf und holt von der Anrichte einen Becher.
Ja, dies vergaßen wir, du armer Bursch!
Du sollst aus einem goldnen Becher trinken,
Denn deine Narrheit rührt mich. Herrn, es möchte
Zuzeiten leicht sein, solch ein Narr zu werden!
Isolde, komm, kredenze ihm den Becher,
Damit er was zu träumen hat in kalten,
Durstigen Nächten. Gönn es ihm!
    Er reicht Isolde den Becher.

Isolde.                                                 Ich trinke . . .

Der fremde Narr springt von der Bank herunter.
Trink nicht, trink nicht. Sie trank!
    Er weist den Becher zurück.           Ich will nicht trinken.

Gimelle. Ist das ein frecher Narr!

Brangäne.                                     Pfui, schäme dich!

Der fremde Narr. Ich will nie wieder aus dem gleichen Becher
Trinken mit einer Frau, den gleichen Wein!

Marke. Was stört dich dran?

Der fremde Narr.                 Fragt Frau Isolde!

Isolde zornig und bang.                                         Marke,
Der Narr verspottet mich! Jag ihn hinaus!

Der fremde Narr wirft sich vor dem Tritt zu Boden und flüstert leise und heiß zu Isolde herauf.
Denn die zusammen davon trinken, werden
Sich lieben, sinnlos und mit allen Sinnen,
Gedankenlos mit ihrem Denken, ewig,
Im Leben und im Tod . . . Doch wer den Trank,
Davon er selig trunken ward, treulos
Ausspeit, soll sein ein herrenlos und fremd
Gewürm, Unkraut am Weg. – So sprach mein Lieb,
Als sie mir einst aus einem goldnen Becher
Zu trinken gab. – Es war nicht gut getan!

Isolde wächst während der Worte des Narren in ihrem Stuhl auf und starrt ihn zurückgebeugt mit entsetzten Augen an.

Paranis. Die Königin ward bleich.

Brangäne.                                     Mein Gott, Isolde . . .

Ganelun. Er zaubert!

Der erste Baron.       Ja, das war ein Zauberspruch.

Der zweite Ritter. Faßt ihn, er ist ein Zauberer . . .

Einzelne dringen auf den Narren ein, er springt auf die Bank.

Isolde.                                                                         Verzeiht.
Es ist nur . . . laßt . . .
    Zitternd                   Mir ist die Narrheit dieses
Gesellen widerlich-gespensterhaft . . .
Mir ward nicht gut.

Marke.                           Bursche, soll ich dich
Auspeitschen lassen? Sag, wer bist du! Nenn
Mir deinen Namen.

Der fremde Narr.         Kommt mir nicht zu nahe!

Marke. Ich habe einen schönen Turm, mein Freund!
Auch könnt ich dich für Zauberei vom Husdent
Zerreißen lassen! Sag mir, wer du bist.

Ugrin gutmütig
Sprich, Brüderlein, der Vetter spaßt jetzt nicht!

Marke. Die Wachen ruft.

Ein Ritter faßt nach dem Narren.

Der fremde Narr.           Du, laß mich los! – Ich bin
Ein armer Narr und habe keinen Namen!
Was schiert es euch!? Ich habe meinen schönen
Namen veruntreut und bin namenlos!
Ich trug wohl früher einen, hell und klingend,
Den hab ich nun zerbrochen und vertauscht.
    In steigender Erregung
Ich brach ihn mitten durch und warf die Stücke
Hoch in die Luft und fing und warf sie wieder
Und spielte so mit meinem hellen Namen,
Daß seine Silben klirrten wie Geschmeide!
Sie sind zuletzt verkehrt in meine Hand
Zurückgefallen und nun festgefügt
Zu einem Namen, der kein Name ist.
Ihr sollt mich fortan Tantris nennen!

Isolde.                                                     Tantris . . .

Stille.

Ugrin klatscht in die Hände und wirft sich lachend zu Boden.

Marke. Was hast du, Ugrin . . .

Ugrin.                                       Ho, der Narr ist närrisch . . .
Habt Ihrs denn nicht? So drehts doch um! Aus Tantris
Wird Tristan . . . Ho, er sagt, daß er Herr Tristan
Gewesen ist . . .

Gelächter.

Ganelun.                 Das war der Spaß, den er
So künstlich vorbereitet hat!

Der erste Baron.                         Des Spottes
Spitze trifft diesen Tag und Euch, Herr Marke!

Der zweite Ritter. Ein kluger Narr!

Marke leise lachend.                           Ich wünscht, Herr Tristan könnte
Dich sehn!

Der zweite Baron.   Er wollte lachen!

Isolde zornig bebend.                             Marke, laßt nicht
Des ritterlichen Tristan, Eures Neffen,
Adel verspotten hier von dem Gespenst.

Marke heiter.
Vergib, Isolde, doch ich finds ergötzlich,
Daß dieser Bursche toll ward, weil er sich
Für Tristan, meinen lieben Neffen, hält . . .
Du arme Spottgeburt! warst du der Tristan?

Der fremde Narr fast schüchtern.
Ich war der Tristan, lieber Herr, und war
Auch oft mit deiner Frau – verzeih es mir!

Gelächter.

Isolde. Herr Marke, er beleidigt mich!

Marke heiter.                                         Siehs nach,
Das Volk liebt solche Späße.
    Zum Narren.                         Du, nenn mir
Ein Zeichen!

Ugrin.                 Ja, ein Zeichen nenn!

Der erste Baron.                                   Der Narr
Soll Frau Isolde uns beschreiben. Hört ihn!

Ugrin. Das wird ein königlicher Spaß. Er soll
Die Füße uns zuerst beschreiben! Auf!

Er setzt sich auf den Boden, Isolde verbirgt ihren Kopf an Brangänens Brust.

Gimelle lachend.
Er wird Euch seiner Dirne ähnlich machen!

Marke. Was sträubst du dich? Ich geb dir Narrenfreiheit!

Der fremde Narr leise und tastend.
Auf Marmorfüßen – kühl und wonniglich
Gegliedert – makellos und hochgewölbt
In Kraft und Süße – wachsen schwellend Säulen
Hinauf zum Strahlendome ihres Leibes . . .

Marke. Ein schöner Spruch! Weißt du nicht mehr zu sagen?

Der fremde Narr in steigender Glut und fiebernder Erregung.
Ein elfenbeinern Gleißen ist ihr weißer Leib,
Aus Maienmondlicht aufgebaut zu einem Wunder
Der Herrlichkeit. – Ein wilder Garten ist dein Leib,
Wo Purpurfrüchte gluten und betäuben.
Dein Leib ist eine Kirche aus Basalt,
Ein Elfenberg, in dem die Harfen klingen,
Ein jungfräuliches Schneegefild. Und deine Brüste
Sind heiligstes Geknosp des Strahlengartens,
Fruchtkapseln, die noch harren auf den süßen Seim
Des Sommermonds! Dein Hals ist wie ein Lilienschaft
Emporgebogen, deine Arme weisen
Wie Blütenzweige eines jungen Mandelbaumes
Keusch und verheißend in das Paradies,
In dem das Wunder deiner starken Lenden
Geheimnisvoll und drohend thront wie Gott. Dein Leib . . .

Marke. Hört mir den Gaukler an! Das Zeichen, Narr!

Der fremde Narr leise, bebend, fast fröstelnd.
Links unter ihre linke Brust hat Gott
Sein Zeichen stolz auf dies sein Werk gesetzt!
Ein bräunlich Kreuz!

Marke starr, heiser.         Faßt mir den Buben! Frau Isolde hat
Das Mal!

Ganelun.     Gott schütze mich!

Der erste Baron.                       Ich habe Scheu
Vor diesem Narrn!

Der erste Ritter zieht.   Ich will ihn mit der Klinge
Euch stellen!

Der fremde Narr entreißt dem ersten Baron das Handschwert und springt auf die Bank.
                        Sieh dich vor! Komm nicht zu nah!
Ich beiße wie ein Tier.

Isolde.                               Was solls, Herr Marke! Habt
Ihr wohl vergessen, daß Ihr mich dereinst
Am Scheiterhaufen stehen ließet, nackt
Vor allem Volk?! Dort mag auch dieser Gaukler
Mit seinen Augen mich geschändet haben.

Marke. Sahst du Frau Isot stehn am Holze, Narr?

Der fremde Narr. Ich sah sie, denn ich stand bei ihr!

Gimelle.                                                                         Das hat
Ihm seinen Sinn verrückt!

Brangäne.                               Der arme Bursch!

Der fremde Narr. Ich bin ein Narr. Seht mich nicht wütend an!
Ich bin ein armer Narr. Ich wollt euch was
Zum Lachen nur erzählen!
    Fast schreiend.                   Lachet doch!

Er wirft klirrend das Schwert zu Boden. Die erste Wache tritt ein. Zwei andre Wachen bleiben mit dem fremden Ritter vor dem Gitter stehen.

 


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