Hans Freiherrn von Hammerstein
Ritter, Tod und Teufel
Hans Freiherrn von Hammerstein

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Raubzeug

Der Roßmüller sah hin.

»Ein Schimmel, zween Braune,« brummte er. »Sind die Ebersteinischen, die ehegestern vorbeigeritten.«

Der Böhme sprang auf und machte Miene, ums Haus zu flüchten.

»Kusch!« herrschte ihn der Landsknecht an und riß ihn auf die Bank zurück. »Sie jackeln bleete (reiten weiter).«

Aber die Reiter hielten schon, saßen ab, banden die Pferde, lehnten die Spieße an den Zaun und betraten den Garten. Der Hans Schau war es mit zwei Gesellen.

Der Wirt ging ihnen langsam entgegen.

»Trunk,« verlangte der Schau.

»Nur Bier,« entgegnete der Wirt.

»Frisch?« 35

»Geht.«

»Her.«

Der Schau, nachdem er den Landsknecht und den Böhmen kurzen Blicks gemustert hatte, begrüßte lärmvoll den Pfeifer und setzte sich zu ihm an den Tisch. Die zwei andern Reiter taten desgleichen. Sie huben zu scherzen und zu lachen an.

Der Pfeifer, lebhaft redend, hatte wie versehentlich an die Kanne gestoßen, daß etwas Getränk auf den Tisch geflossen war. Er zog die Lache mit dem Finger unauffällig in ein paar Zeichen aus. Der Schau raunte dem einen der Reiter, während die übrigen lebhaft sprachen, etwas zu.

»Mir ist kalt,« sagte dieser, ein kleiner drahtiger Kerl. »Ich geh in die Stube. Komm mit, Klaus.«

»Hast recht,« versetzte der andere, sich erhebend. »Der Abend wird frisch. Wir sind scharf geritten.«

Sie trafen in der Tür mit dem Müller zusammen, der die hölzernen Kannen brachte.

»Gib her,« sprachen die Reiter. »Wir bleiben in der Stube.« Jeder nahm ihm eine Kanne ab.

Die dritte brachte der Müller dem Schau und ging dann zum Landsknecht, der jede Bewegung der Reiter mit unruhvollem Blick verfolgte. Der Landsknecht sagte leise etwas zu ihm, worauf der Wirt sich wieder zum Haus begeben wollte.

Der Schau tat einen Schluck, spie aus, fuhr in die Höh und schleuderte die Kanne dem Wirt hinter die Beine, daß ihm das Getränk an die Waden spritzte.

»Lump!« schrie er. »Häng dein abständiges Gesüff den Bauern an! Ich will dir geben, eine ehrliche Reutergurgel mit stichigem Bier verätzen!«

»Ich hab kein Wein,« trotzte der Müller.

Der Schau hob des Pfeifers Kanne an die Nase.

»Und das? Ist das Regenwasser? Aber du bringst einen bessern, sonst steck ich dich kopfüber in diesen Gluntenflössel, bis du versoffen bist.«

Der Wirt wollte aufbegehren.

Da ging ein Gepolter unten im Mühlgang los. Die Tür flog auf, eine Henne fuhr mit entsetztem Gegacker heraus, 36 und der kleine Reiter erschien, das Pferd, das der Landsknecht gebracht hatte, am Halfter nachzerrend.

»Da haben wir schon den Braten!« rief er herauf. Und im selben Augenblick trat der andere Reiter unter die Haustür und warf das Sattelzeug und einen Bund zusammengeschnürter Kleider in den Hof.

Der Böhme stieß ein Wehgeheul aus. Der Landsknecht fuhr auf und schrie: »Was geht dich mein Zeug an! Wirst du den Gaul lassen! Ich schlag dir alle Zähn in den Hals!«

Mit einem Satz war der Schau zur Stelle.

»Schuft!« rief er. »Mordgesell! Wir wissen's, wem du den Gaul abgekauft hast. Drüben bei Saaleck stinkt er im Holz.«

»Gelogen!« brüllte der Landsknecht. »Hüt dein Fell, Ehrabschneider!«

»Da klebt noch der nasse Sudel,« rief der Reiter Klaus, der das Bündel aufgerissen hatte und ein blutiges Wams schwenkte.

Der Böhme war hinter den Baum gesprungen und wimmerte unverständliche Beteuerungen. Der Landsknecht und die Reiter fluchten durcheinander. Eine Klinge blitzte. Zwei andere fuhren heraus. Der Wirt bekam einen Stoß vor den Bauch, daß er gegen die Wand taumelte. Der Sauhirt flüchtete mit wildem Jammergeschrei zum Garten hinaus. Die Bärbel stand in der Tür und rang die Hände. Der Pfeifer zog das Mädchen zu sich hinter den Tisch.

Vorgebeugt, mit rot rollenden Augen, die Klingen stoßbereit in den Fäusten, standen der Landsknecht und die zwei Reiter gegeneinander wie kämpfende Hähne.

»Oi schmayes! Oi schmayes Jisroel! Oi weh chajes! Oi weh!« klagte da ein seltsam psalmodischer Singsang vom Garteneingang mitten in den Lärm hinein.

Wider Willen riß es allen die Gesichter herum. Ein ältlicher Jude kam in einer Art von schwebendem Tanzschritt, Haupt und Oberkörper hin und her wiegend und dazu fortwährend sein Klagelied singend, herbei. Er trug einen spitzen, gelben Hut mit braunem, gerolltem Aufschlag und einen mit schäbigem Pelz verbrämten Mantel, der die braun und gelb geringelten Ärmel des Unterkleides frei gab. Über den Rücken 37 hatte er einen Sack geschwungen, in der Rechten hielt er einen langen Stecken.

Obgleich jammernd, als ginge es ihm selbst an Leib und Habe, und mit allen Zeichen der Furcht, wagte er sich doch bis dicht an die Gruppe der Raufenden heran. Hier warf er Sack und Stab zur Erde und streckte die Arme mit weitausgespreizten Händen gen Himmel. »Gott über die Welt!« rief er. »Wo mer hinkümmt im Land zu Franken, machen die Herren Balmachomer Machloike ünd Krach. Ist nit nefehre ([jüdisch-rotwälsch] schade) um so tapfere Helden, daß sie sich caporen vor einen Tinnef? Soll fließen Blut um e Krey (Pferd), um an Bafel (Pofel), um an Soch (Kram)?«

»Fahr ab, Judenschwein!« schrie der Schau, ihm die Klinge vors Gesicht haltend. »Sonst capor ich deinen Lausemarkt.«

Der Jude wich einen Schritt zurück, ließ sich aber nicht hindern, in seiner Anrede lebhaft fortzufahren.

»Kuffen (einschlagen) die Herren Jacklerleben mir ein den Kabas (Kopf), wer wird fragen darnach?« sagte er, die Schultern hebend mit ergebener Salbung und schlauem Blick. »Bin ich a armer Jüd, werd ich sein e toter Jüd. Bin ich der römisch-kaiserlichen Majestät Kammerknecht. Wird der Kaiser fragen nach mir? Hat der Kaiser mich verpfänd't der Stadt Nürnberg. Wird der hochmögende, wohlehrsame Rat fragen nach mir? Steuern zahl ich viel, aber die Stadt Nürnberg, Gott laß se gedeihen und reich werden, hat Jüden genug. Was is a Jüd? Vielleicht dem Herrn Thomas von Absberg wird leid sein um mich. Wird er fragen, der edle Herr Thomas, mein gnädiger Herr, wo is der Chajm Wachtel, wird er fragen, mit dem ich hab gemacht so gute Geschäfte?«

So viel war erreicht, die Reiter lachten und hatten die Klingen gesenkt. Der Wirt hatte sich dazwischen gemacht, der Pfeifer stand dabei, die Bärbel nahte. Es war ein Knäuel geworden, in dem ein Schwert sich erst hätte Luft machen müssen, und erregtes Dreinschwätzen von allen Seiten verwässerte den Zornesmut.

Chajm, den Vorteil gewahrend, fuhr eindringlich fort: »Was hamoren (hadern) ünd machloiken (kämpfen) die festen Herren? Tut weg die gefährlichen Messer! Wer das Schwert 38 ergreift, wird fallen durch das Schwert. Gebt Gehör dem Jüden. Wer ich lösen das Schlamassel (Mißgeschick), wie Salomo gelöst hat manche Hamore. Kauf ich ab die ganze Chembene (Kramladen), geb ich gutes Geld, und die Herren Balmachomer schabolen (teilen) das Geld, und die Sach ist gut.«

Während der Wirt, der Landsknecht, der Böhme und selbst die Bärbel diesem Vorschlag zustimmten und die Reiter zu überreden suchten, rief der Schau: »Teilen? Das wär dir recht, schlauer Babolde (Jude)! Damit du dein Geschäft machst! Nichts da! Die zween Lumpen lassen uns den Gaul, oder ich bring sie an den Galgen. Den anderen Schuricht mögt ihr behalten.«

»Nü nicht!« sprach der Jude. »Hab ich gegeben guten Rat. Wann sich die Herren lieber caporen, was geht's mich an. Geh ich zur Seite und schau zu. Bin ich doch nur da, weil mich geteidingt hat der Herr von Absberg, mein Balmerachem (gnädiger günstiger Herr). Wirt, ist noch nix gekümmen zu steigen der Junker von Absberg? Nein? Werd ich warten. Wird er kommen zu reiten, muß er kommen jede Stund.«

Neuer Tumult erhob sich. Die Reiter schoben den Wirt zur Seite und drangen erneut auf den Landsknecht ein. Auch der Klaus kam nun heran, nachdem er das Pferd dem Pfeifer zu halten gegeben hatte.

»Er kimmt! Er kimmt!« schrie der Jude. »Gott sei gepriesen! Der Herr von Absberg kimmt mit vielen Reitern, dort kimmt er geritten herauf!«

Er zeigte lebhaft deutend talabwärts, wo in der Straßenenge zwischen Fluß und Wald tatsächlich einige Reiter sich langsam der Mühle zu bewegten.

Der Roßmüller, die Hand über den Augen, sagte: »Ist der Absberger nit dabei. Hint einer trägt ein Thüngisch Fähnlein.«

Der Schau aber, nachdem er scharf hingespäht hatte, kehrte sich rasch um und gab seinen Gesellen ein Zeichen, das sie zu verstehen schienen.

Die Reiter mochten das Geschrei an der Mühle und das 39 Blinkern der Klingen wahrgenommen haben. Die zwei vordersten setzten sich in Trab, die übrigen folgten, und bald hielt der Trupp vor dem Gärtchen.

Der erste, ein langer, sehniger Mann, auf einem hohen, langschwänzigen Schwarzbraun, ritt gleich in den Garten herein. Er trug Eisenhaube, Koller und Krebs über einem braunen Reitrock aus Kämmelgarn und war von jenem weißblonden Schlag, der lange jung bleibt, gedrungen und frischfarbig sein Antlitz mit bösem Graublick, kurzer Sperbernase, hellem, spärlichem Bärtchen und gewalttätig vordringendem Kinn. In der rechten Faust hielt er eine Hetzpeitsche, die um den Stiel gewickelt war.

»Was gibt's da?« rief er, hoch in die Bügel gestellt, mit scharfer, heller Stimme und einer scharfen, eckigen Armbewegung.

Ein anderer war gleich den übrigen draußen abgesessen und kam starken Schrittes nach. Er war hoch gewachsen, wie der zu Pferd, von hagerem, knochigem Bau, breit in den Schultern und trug sich etwas lässig vorgebeugt. Sein Antlitz größer und zerlegter in den Zügen, entbartet und von trockenem, kühnem Schnitt: sehr ernsthaft die Stirn, stahlblau, bald sinnend verschleiert, bald raubvogelhaft aufspähend das Auge, von blondbuschigen Stirnbogen in kräftiger Wölbung überschattet, lang und kantig die Nase, beredsam und nicht ohne Güte der Mund. Er trug kein Eisen, sondern einen halblangen Reitrock von grobem, grauem Tuch, einen breiten zerschnittenen Hut von schwarzer Farbe mit einer Adlerfeder über einer roten Kappe, die mit grünen Zottlein und einer grünen Wage benäht war, rote Hosen mit derselben grünen Wage, langbespornte, weiche Lederstiefel, Lederhandschuhe mit Stulpen und ein breites Schwert nebst einem Dolch im Gehäng. Zwanglos und unbekümmert in Haltung und Bewegung, hatte sein Wesen, mächtig in jedem Zug, eine herrische Wucht, die ihm selbst unbewußt sein mochte, der Umgebung aber sogleich fühlbar wurde.

»Was habt ihr für Händel?« fragte er, unter die Streitenden tretend.

Der Schau erklärte kurz den Hergang. Der Landsknecht 40 fiel ihm erregt ins Wort, der Böhme kniete gar nieder und beschwor seine Unschuld.

»Wenn's weiter nichts ist,« sprach der Edelmann mit wegwerfender Geste. »Laßt ihnen den Fang. Sollen die Nürnberger sich drum scheren. Was geht's mich an, wann ihren Bürgern die Häls abgeschnitten werden. Mag ihnen bald noch schlimmer sein. Komm, Fritz, wirf dich ab, wir wollen eins trinken.«

Der andere Reiter sprang ab und übergab dem Schau die Zügel. Die zwei Junker gingen zum Tisch, an dem der Jörg mit dem Mädchen saß, nahmen am oberen Ende Platz und zogen die Handschuhe ab.

Die Knechte, die mit den Edelleuten gekommen waren, hatten inzwischen die Pferde draußen am Zaun angekoppelt und den Garten betreten. Es gab Begrüßung hin und her.

Der Wirt nahte mit tiefer Verbeugung, das Käppchen in der Hand, und fragte nach dem Belieben der Herren.

Es wurde Wein für alle angeschafft.

Der Schau gab sich aber noch nicht zufrieden. Er trat zu den Junkern und sprach leise: »Um den Gaul, Herr, ist schad. Wann wir ihn den Landstörzern lassen, kriegt ihn doch der Jud.«

»Da hätt'st du gleich einen Handel mit den Nürnbergern,« sagte der hellblonde Ritter, indem er den Helm abnahm. »Nimm das Roß und laß sie's wissen.«

»Ich bin kein Aasvogel,« versetzte der Junker. »Hab besseren Grund.«

Der Schau ging nachdenklich hinunter und setzte sich wieder zum Pfeifer.

»Wer sind die Herren?« fragte Jörg Dietz flüsternd den Schau, der sich wieder zu ihnen gesetzt hatte.

»Hüt dich!« raunte der Pfeifer. »Ist nit Reuterbrauch, jedem hergelaufenen Tropf eines Herren Namen zu sagen.«

Der Schau lachte.

»Wann du's wissen willst, mußt du mich anrühren,« sprach er bedeutungsvoll.

»Was heißt das?«

»Dann bist du mein Gefangener.« 41

Der Schüler erblaßte.

»Ja, ja,« lachte der Pfeifer, »auf der Straßen gibt's mancherlei, das nit in Büchern steht.«

»Aber da du des Pfeifers, meines guten Bruders Gefangener bist«, fuhr der Schau fort, »und der auch für dich das Maul halten wird, kann ich dir's sagen. Der so gestreng dreinschaut, ist Herr Mangold von Eberstein, mein Herr, der andere im Harnisch ist Herr Fritz von Thüngen zum Zeitlofs.«

Das Mädchen lief ins Haus, weil ihr die Bärbel scheltend gerufen hatte. Der Wirt brachte einen Arm voll Kannen und blies vor Eilfertigkeit. Unter den Reitern hatte sich bald ein lärmendes Geplauder erhoben. Der Landsknecht mit seinem Kumpan saß still abseits. Der Jude hockte am Zaun auf seinem Sack und verzehrte bescheidentlich ein Stück trockenes Brot.

Die Dämmerung kam aus den Wäldern hervor. Die Wiese und der Fluß atmeten Nebel auf. Die Wälder überwölbte feuchtklares Blau, in das seine Rosenschleier gewoben waren.

Mangold faßte den Pfeifer ins Aug.

»Den Langen sollt ich kennen,« rief er herüber.

»Könnt sein,« antwortete der Pfeifer. »Ich bin auf der Straßen daheim.«

Die zwei Falten, die dem Ritter steil in die Stirn aufstanden, zogen sich scharf zusammen.

»Meinst du etwan, so wären wir eines Hauses?«

»Das deutet, wie's Euch beliebt, Herr. Es bleibt Euch, daß Ihr die Straßen mit Pferdebeinen befahrt, ich nur mit den eigenen.«

»Warst du nicht einmal Huttensch?«

»Ich hab schon so viel Farben gespielt, daß ich der einzelnen kaum mehr gedenk. Aber es stimmt. Herrn Frowin von Hutten hab ich auch einmal gedient.«

»Dann kannst du reiten?«

»Was Ihr wollt, eine Sau oder ein Roß, am liebsten immer ein Mädel.«

Die Reiter huben ein schallendes Gelächter. Die Trudel, eben zwei volle Kannen schleppend, ließ vor Kichern den Wein ausfließen. 42

Mangold stand auf und stellte sich vor den Pfeifer hin.

»Du bist ein kecker Bursch, du gefällst mir. Willst du ein oder andere Reis für mich tun? Ich brauch Leut.«

»Recht gern, Herr. Wem wollt Ihr ans Fell?«

»Den Nürnbergern. Bist du denen verpflicht?«

»Ja, mit meinen Schuhen, die ich nit bezahlt hab. Sie hingen in Hans Sachsens Geräms, als ich vorüberging. Da nahm ich sie, weil ich was auf Reime geb, mit denen sie wohl geflickt sind. Ansonsten bin ich keinem Herrn und keiner Stadt was schuldig.«

»Bist du treu?«

»Wie der Wind, Herr, immer den Straßen. Das trifft sich wohl bei solcher Pflicht.«

Mangold sah ihm scharf ins Gesicht und schien zu zweifeln.

»Er ist ein Schalk, Herr,« nahm Schau das Wort, »aber ein trefflicher Gefährte. Ich kenn ihn lang. Auf ein halb Jahr steh ich für ihn.«

»So wollen wir's mitsammen versuchen,« sprach der Ritter und streckte die Hand hin. »Schlag ein.«

Der lang Hans schlug ein.

»Bei St. Jörg und des alten Eppelein Geist!«

»Ein guter Spruch,« sagte Mangold. »Und dein Famulus da, was hat der gelernt?«

»Das Gruseln, soweit ich ihn kenn. Er sagt auch, daß er schreiben könnt.«

Jörg Dietz war aufgestanden und stotterte erblassend und errötend was von hoher Schule.

»Schreiben?« versetzte der Ritter. »Das brauch ich just, weil's mir fehlt. Komm du auch zu mir. Du sollst es gut haben. Kannst mir Liebesbrieflein an einen hohen Rat aufsetzen.«

Der Schüler nahm zögernd die dargebotene Hand. Er sah nichts wie Blut vor den Augen.

»Stellt euch zum Brandenstein. Da über Roßbach und Zeitlofs ins Hanausche hinauf. Der Schau wird's euch weisen. Ihr reitet jetzt heim«, wandte er sich zu diesem, »und bringt mir Pferde und Gewaffen instand. Ich hab in Farrnbach zu tun, komm in ein paar Tagen nach.« 43

»Und braucht keinen von uns?« fragte der Schau.

Der Ritter schüttelte den Kopf. »Nur den Gilg zum Halten. Zuvörderst soll's in Frieden hergehn.«

Mangold kehrte an seinen Platz zurück. Kaum hatten die Ritter ein Gespräch begonnen, als sich ein leises Räuspern und Scharren neben ihnen vernehmen ließ.

Sie blickten auf. Chajm, der Jude, stand mild lächelnd in demütiger Haltung drei Schritte halb hinten, das spitze Hütlein in der Hand, auf der breiten Wölbung seines Apostelkopfes ein schwarzes Käppchen, unter dem die Ohrlocken sich fettig zum langen, zwiegeteilten Bart herabringelten.

Er wiegte das Haupt und sprach: »Halten zu Gnaden die edlen Herren. Der Herr der Heerscharen segne die Wege der tapferen Ritter. Er lasse ihre Feinde hinsinken vor dem Blitz ihrer Schwerter. Brauchen die Herren nix zu bedörfen gute Pferde . . .«

Mangold wandte sich kurz um, kehrte ihm wieder den Rücken zu und redete weiter mit dem Thüngen.

». . . gute Pferde, starke Pferde,« fuhr der Jude fort und rückte um einen Schritt näher. ». . . oder feines Tuch? Ich hätt eine Sendung ganz neu aus Flandern, gutes, feines Tuch, seltene War' . . . kann's billig geben . . . oder Taffet, Seiden, Thobyn oder Schilcher, feine Sachen für die schönen, ehrsamen Damen . . .«

»Fahr hin!« herrschte ihn der Thüngen an, »oder du hast noch zu wenig Prügel gehabt.« Er zeigte ihm die Peitsche und begann, den langen Lederzopf vom Stiel abzuwickeln.

Chajm blinzelte und sprach: »Hin will ich fahren, wohin die gnädigen Herren befehlen, holen will ich, was sie bedörfen. Haben die Herren nix abzugeben alten Soch, Schund, Eisen, schlechte Sättel, ich kauf alles und zahl's gut . . .«

»Jetzt geh,« sagte Mangold über die Schulter zurück. »Wir sind keine Händler.«

Chajm verbeugte sich um einen Schritt zurück und um zwei Schritte näher.

»Brauchen die Herren zu bedörfen scheene Mädel?« raunte er. »Junge, glatte Schicksen, ich wüßt'er zwo zu Hammelburg . . .« 44

»Himmelherrgott . . .« fuhr Mangold grimmig auf.

»Ei, das wär was,« lachte der Thüngen.

»Wann meine Balmerachem, meine großgünstigen, geruhen zu befehlen, ich fahr, ich eil, morgen früh sind sie da oder dort oder wo die Herren wollen,« beeilte sich Chajm fortzusetzen und drängte sich noch näher dabei heran.

Mangold stieß ihn ärgerlich weg. »Scham dich!« sprach er zum Thüngen. »Bist vor ein paar Wochen fufzig worden, kunnst die Lumperei den Jungen lassen . . .«

»I wo!« unterbrach ihn der andere lustig. »Sieht mir's wer an?«

Mangold: »Das freilich nit.«

Fritz: »Die Lumperei eben, die hält frisch.«

Mangold: »Lauft ohnedem ein halb Dutzend Bankerte von dir im Land herum. Es wär Zeit, daß du heiratst.«

Fritz: »Ei, ich bring meinen guten Schlag ins Volk, werden treffliche Reutersbuben für unsere Nachfahren draus.«

Mangold: »Oder Diebs- und Raubzeug, Allwegfahrer und Landstörzer, wie die dort. Scher dich zum Teufel, Judenkittel . . .«

»Nü, werd ich warten,« sprach Chajm, sich zurückziehend. »Werd ich warten, vielleicht daß den Herren später einfällt ein großer Bedarf.«

Mangold: »Da kannst du warten, bis ich selber ein Jud werd.«

Chajm: »Kann ich warten. Eilen, hat mein Tate gesagt, eilen bringt sechs vom Hundert, warten bringt zwelef vom Hundert, eilen zu warten bringt achtzehn vom Hundert. Ich bin geeilt, ich werd warten.«

Er verbeugte sich, mild lächelnd, holte Sack und Stab vom Zaun und schlürfte ins Haus hinein.

Der Wirt nahte wieder und lud die Herren ein, in die Stube zu kommen, da es gar kühl werde.

»Mir ist nit kalt,« sagte der Ebersteiner. »Ich mag nit in deine stinkige Kammer, und wir reiten ohnedem gleich weiter auf den Reußenberg.«

»Sieh,« rief der von Thüngen, gegen Osten zeigend, »da zeucht unterm ersten Stern ein ritterlich Gespenst herauf.« 45

Alle wandten sich und blickten in die gedeutete Richtung.

An der Wegwende, die aus dem Nebental führte, erschien im Vergilben des letzten Abendscheines der Schattenriß eines langen, behelmten und geharnischten Reiters auf einem hochbeinigen Pferd. Er trug den Spieß nachlässig auf der Schulter, den Kopf gesenkt und schien im Sattel hin und her zu schwanken. Eine Strecke hinten folgte auf kleinem Klepper im Zotteltrab ein Knecht.

»Wenn mich der Teufel nit blendt,« sprach Mangold, »so ist das unser liebwerter und fester Nebukadnezar Voit. Und er hat wie immer einen tüchtigen übern Durst im Nacken sitzen. Der taucht ihn so auf und nieder.«

Die Reiter verschwanden vor dem dunklern Waldsaum, tauchten dann in der Nähe dämmerhaft wieder auf und kamen langsam heran. Der Lange ritt beinahe in die angebundenen Pferde hinein, ward es inne, stutzte und hielt an.

Die Ritter und Knechte im Garten lachten.

»Nebukadnezar!« riefen Mangold und Fritz zugleich.

Der Angerufene hob den Kopf und blickte, wie aus dem Schlaf erwachend, umher.

»Hier herein, hier herein!« rief der von Thüngen. »Da gibt's Wein zu trinken, da weiter ist nur Wasser.«

Der Ritter hob mühsam das lange Bein über's Pferd und saß mit einem ungewollten Schwung ab, daß er fast hinten überschlug. Schwankend stand er eine Weile, ließ die Zügel fahren und lehnte den Spieß in die Luft, so daß er umfiel und zwischen die Pferde schlug, die erschreckt auseinander fuhren. Der Knecht kam eilig angetrabt, fing den Gaul auf und führte ihn abseits. Der Ritter wandte sich und kam kniehängerisch in den Garten.

Er war reichlich sieben Schuh hoch, so daß die zwei andern Ritter fast klein neben ihm schienen, und von schlottriger Hagerkeit. Unterm Eisenhut stand seine Hakennase vor, deren Spitze wulstig verunstaltet und gleich den eingefallenen Wangen mit roten Pusteln und einem dichten Netzwerk blauer Äderchen bedeckt war. Der graue Schnauzbart, in feuchte Strähnen zerteilt, hing ihm in die Mundwinkel.

Mit müdem rotgeschwollenen Augen sah er die beiden 46 Ritter an und sprach feierlich-dumpf: »Gott schütz euch vor den Weibern!«

Dann knickte er auf die Bank hin und nahm den Helm ab, der einen seltsam gespitzten, von spärlichem, wirrem Grauhaar umkränzten Schädel enthüllte, in den eine schmale, erstaunlich hohe Stirn hinauflangte. Die schwarze Kappe hing ihm unordentlich ins Genick hinab.

Mangold setzte sich neben ihn.

»Woher kommst du?« fragte Fritz von Thüngen.

Der Ritter Voit von Rieneck deutete mit dem Daumen nach hinten und dann mit dem Zeigefinger auf den Frager.

»Arnstein . . .« lallte er.

»So,« sagte Fritz, »beim Vetter Götz, dem Amtmann, warst du, da hat's wohl wieder einmal ein schwer Gesäufte gehabt.«

»Und wohin willst du?« fragte der Ebersteiner.

Nebukadnezar fuhr mit der Hand ungewiß durch die Luft und stützte sie dann matt in die Hüften.

»Willst du Wein?«

Er nickte.

Fritz schob ihm die Kanne zu.

Der Voit trank aber nicht. Die Augen fielen ihm halb zu, er atmete schwer, die Unterlippe hing ihm herunter, und sein Körper kämpfte immer mit der Neigung, vornüber zu sinken.

Die beiden Edelleute überließen ihn seinem trunkenen Hindämmern.

»Nun erzähl weiter,« hub der von Thüngen an, »wie du zu dem Handel kommst.«

Mangold sprach: »Sie ist eine Wittib. Agathe Odheimerin, des Michel Kramer, gewesten Gerichtsschreibers zu Nürnberg, Tochter. Mir weitschichtig verwandt. Die Odheimer sind einstmals ritterlich gewest, in die Stadt gezogen, verbürgert, üppig worden, versaut wie manche.«

Fritz nickte.

Der Ebersteiner fuhr fort: »Der Mann gestorben, seine Sippschaft habgierig Pack, wie die Städter sind, macht aus ihrer Weiberdumbheit Geschäft. Erbhader, Klag und Forderung, römische Doktores, falschzüngig und bauernfängerisch – 47 das kennen wir. Die arme Frau allein mit einem Mädel – bei fünfzehn alt –, weiß sich nit zu raten und zu helfen. Sie knöpfen ihr das ehliche Erbteil ab, halsen ihr noch erdichte Schulden dazu auf, pfänden ihr's Haus unterm Sessel weg, sie verpaßt die Appellation, treiben sie mit üblen Mäulern aus der Stadt. Da sitzt sie nun zu Farrnbach auf einem Merklschen Gut, wo sie Einrecht hat. Aber auch das machen ihr die Schürstabischen Erben strittig, hetzen ihr so einen Teufelsdoktor Drack, so einen gesalbten Ziehaus-Juristen aufn Hals, und weil sie kein Rat und Hilf hat von niemand, die verlassene Seel, soll sie ins Elend wandern.«

»Und da hat sie dich um Schutz angeruft?«

Mangold nickte. »Hat mir ein Brieflein geschickt, gar beweglich ihr Not geklagt.«

»Wie ist sie auf dich kommen?«

Mangold hob die Augenbrauen.

»Das weiß jeder Geplagte, den sie dem Reichskammergericht zum Verrecken im römischen Recht überliefern wollen, daß es noch ein paar Ritter gibt, die teutsches Recht wahren mit der Faust wider den wälschen Sudel und seine Köche.«

»Aber es muß ihr doch wer geraten haben . . .«

»Ja so. Ich hab einen Vertrauten zu Nürnberg. Der hat's gewußt, daß mir ohnedem die Gall auf Städt, Fürsten, Pfaffen und Reichskammergericht, was benebst kaiserlichem Landfried ihre abwürgerische Erfindung ist, daß mir die Gall auf das feige, unehrliche, teutsche Nation ruinierende Zeug schon bis in den Hals hinaufsteht. Da hat er's ihr gesagt. Und so bin ich zu dem Handel kommen, den ich schon lang gesucht, noch dazu just mit Nürnberg, aller Reichsstädt Hurenmutter.«

Sie hatten nicht bemerkt, daß Nebukadnezar schon längst aufgewacht war und ihnen, ohne seine Stellung zu verändern, mit verschleiert lauernden Blicken zuhörte.

Nun fuhr er plötzlich herum, starrte den Ebersteiner mit weitaufgerissenen Augen an und sprach: »Gott schütz dich vor den Weibern – Mangold, laß die Finger davon. Den Handel kennt ganz Franken und Schwaben dazu. Der Götz von Berlichingen hat auch schon dran geschmeckt, hat ihn fahren 48 lassen. Der Götz ist sonst kein Hund, der sich nur die feinen Brocken aus dem Futter zieht. Aber der war ihm auch zu faul. Ein unsauberer Handel.«

Mangold fuhr auf: »Lauter Geschwätz! Ich hab's studiert um und um. Die Frau ist ehrlich wie meine eigene. Betrogen von allen Seiten. So einen Fall findst du nit wieder. Vom Kaiser muß ihr Recht werden, aber bringen muß man's bis an ihn durch all das Strickwerk von Kammergericht und hundsföttischer Juristerei durch. Und dazu sind wir da.« Er schlug auf den Schwertknauf.

»Das glaubst du selbsten nit,« versetzte Nebukadnezar, mit steilem Finger Mangolds Brust berührend. »Du willst raufen. Das ist alles. Tu's. Sag Nürnberg, sag dem Bischof von Würzburg, sag allen Städten und Fürsten und Pfaffen übereins, sag dem Kaiser selbst ab, aber laß die Weiber draus. Rein, rein soll dein Eisen bleiben! Zieh vom Leder! Hau zu! Wozu es erst an eine Katz schmieren?«

Mangold, ein wenig außer Fassung gebracht: »Ich muß doch Ursach haben. Kann doch nit losgehn wie ein Stier für nichts und wieder nichts. Da haben sie's gleich mit den räuberischen Junkern, beim Kaiser verklagt, Acht und Bann auf'n Hals.«

»Um Acht und Bann kommst auch so nit herum. Du kennst Landfriedensordnung so gut wie ich. Hat sich keiner in Sachen zu schlagen, die des Gerichtes sind. Gibt kein Fehd und Recht mit dem Schwert mehr. Kaiserliche Majestät will Ruh auf der Straßen und rechtlichen Vertrag.«

»Beim Reichskammergericht!« fiel Fritz von Thüngen mit funkelnden Augen und blau vor Erregung ein. »Bei den Lügendoktores und Pfaffenknechten, die der Fürsten und des Papstes Säckel wahren! Vertrag und Entscheid beim Reichskammergericht – ja – in Ewigkeit, Amen! Da hol ich mir mein Recht so gut vom Neumond herunter! Landfried – der Strick um des Ritters Hals!«

Nebukadnezar kehrte sich ihm zu und sah ihn groß an.

»Was schreist du ein Loch in die Luft? Was lehrst du mir Gerichtselend und Landfriedensunsinn? Scher ich mich drum? Hol ich mir mein Recht in Worms, wann's mir wer 49 davontragen hat? Gotts Marter – bin ein Ritter, so gut wie ihr zwei, und find im besten Rausch mein Eisen – aber um Weiber rühr ich's nit an – bei Gott! Lieber ein Aas!«

»Weiber hin, Weiber her,« rief Mangold. »Ich will den Nürnbergern aufs Dach, ich will den Städten an den Hals. Die Reichsstadt, das ist der große Schaden im teutschen Land. Die liegt da als ein geiler Wurm zusammengeringelt und stachlicht von Türmen und Zinnen und frißt 's Land aus. Und stinkt dafür die Pest hinein, Üppigkeit und Wollust, Gier und Geiz, Haß und Hader. Daß der Bürger sich mäst und in Sammet und Pelz prunkt, dafür soll sich der Ritter mit den Wälschen und Türken schlagen, dafür wär der Adel gut, den's in der freien Stadt nit geben darf. Daß der Kaufmann seine Säck heil über die Straßen zieht, dafür muß der Landfried aufgericht werden, und daß der feige Prasser, der 's Messer fürcht, seine Judenhändel gewinnt, dafür ist das Reichskammergericht eingesetzt worden. Und Bauern auspressen mit Darlehen auf Wucherzins, und dem Ritterstand Schweinerei und wälschen Brauch lehren, und im ganzen Reich Zwietracht säen, Bauern wider Adel, Adel wider Fürsten, Fürsten wider Kaiser ausspielen, auf daß die Reichsstadt schön still und sicher heimsen, blutsaugen und großmächtig werden kann, das ist die Stadt, alles teutschen Übels Urursach, und darum muß sie geschlagen werden, wie Sankt Jörg den Drachen schlug.«

Nebukadnezar goß die Kanne mit einem Zug hinunter. Er hob die Hand und wollte aufstehen, aber es zog ihn schwer auf den Sitz zurück. Seine Augen traten glasig hervor und starrten ins Leere, als hätt er ein Gesicht.

»So hast du gesprochen als ein Rittersmann, und so ist's wahr,« begann er. »Das ist die große Hur, die die Bibel nennt. In venedischer Seide und wälschem Sammet, Perlengegleiß auf den frechen Brüsten, den funkelnden Kamm im Haar und blitzende Ring am Finger und mit Wohlgeruch überschütt, daß du geil wirst, wenn's dir in die Nasen steigt. So hat sie alle am Schweif, die Ritter, die Fürsten, die Pfaffen, den Kaiser selbst. Hüt dich, hüt dich! Wie sie dich süß anlockt, tanz nit mit ihr, hau sie nieder mit flacher Kling, 50 tritt sie ins Rinnsal! Sei rein, Mangold, sei rein! Gott schütz dich vor . . .«

Die Hand sank ihm herab, der Mund blieb ihm offen hängen, die Worte gingen in blödem Gelall unter. Er griff zur Kanne und fand sie leer. Mangold schob ihm die seine hin. Er nahm sie und hob über.

Es war Nacht geworden. Die Trudel kam mit einem Windlicht und stellte es vor die Ritter auf den Tisch. Der Wirt und Bärbel brachten volle Krüge. Nebukadnezar tat einen tiefen Schluck, raffte sich wieder auf und fuhr mit der flachen Hand ein paarmal über Stirn und Augen, als müßt er Spinnweben wegwischen.

»Hau sie nieder, Mangold,« begann er von neuem, »schlag alle Städt in Grund, ich will dir helfen dazu. Aber laß das Weib aus dem Spiel. Geh hin zum wohlweisen Rat, sag ihnen: Ihr Schwein, ihr des Reichs Zerstörer, da habt ihr meinen Handschuh, seht euch vor auf allen Straßen! – Wozu noch das Weib, Mangold? Hüt dich, sie ist stärker als du.«

»Du schaust wieder einmal Gespenster,« sprach Mangold. »Sollt ich eine arme Wittib fürchten? Ehrlich gesagt: es ist mir mehr um Nürnberg, dann um ihren Handel. Aber aufgerührt hat's mir die Gall, als ich den vernommen. Und so kommt die Ursach zum Grund wie der Nebel zur Nacht. Ist doch eines Ritters Pflicht, die Witwen und Waisen schirmen.«

Nebukadnezar lachte hohl auf.

»Putz dich nur mit solchen Federn und tu wie die seligen Kreuzfahrer vor dreihundert Jahren. Zum Schluß wird man sagen: Der Mangold schlägt sich um eine schöne Wittib.«

Drauf Mangold entrüstet: »Du bist voll! Was weiß ich, ob sie schön ist, kenn sie so wenig als du.«

»Sie ist schön, ich seh sie.«

»Du siehst weiße Mäus. Sie hat ein Mädel bei fünfzehn, so schätz ich sie auf fünfunddreißig. Und mir selber reift der sechsundvierzigste Herbst ins Haar. Und hab ein braves Weib.«

Nebukadnezar zog die Schultern.

»Aber schön ist sie nit.«

Den Thüngen überkam das Lachen. 51

»Wer mich kennt, weiß, wie ich's mein,« sagte Mangold geärgert. »Und ansonsten scheiß ich auf der Leut Geschwätz. Ich hab noch keinen gefragt, ob ich was soll oder nit. Mein Leumund, der ist da in mir selber. Heißt der mich schlecht, so kann mich der Kaiser loben, und ich bin's doch, heißt der mich gut, so beutel ich des Papstes Bann von mir wie der Hund den Regen.«

»Wer dich kennt . . .,« sprach Nebukadnezar verloren. »Mangold, kennst du dich selber . . .?«

»Mit Verlaub, ihr Herren,« ließ sich jemand vernehmen. Mangold wandte sich. Der Landsknecht stand hinter ihm, verbeugte sich und sprach:

»Ich hör, Ihr braucht feste Leut, Herr Ritter. Ich bin dermalen brotlos, und mein Gesell da auch. Und ich kenn die Straßen gut zwischen Regensburg und Frankfurt,« setzte er hinzu, indem er das Einaug verkniff und grinste.

Mangold sah ihn halb über die Schulter an.

»Ein brotloser Landsknecht,« sagte er streng. »Warum bist du nit beim Frundsperg? Der braucht Leut genug. Zeucht mit dem Sickingen auf Frankfurt und macht die Kurfürsten schwitzen. So Gesindel, das hinterm Heer auf der Straßen blieben, danach steht mir der Sinn nit. Geh zum Hans Thum von Absberg. Der hat Geschäft für gartende Landsknecht und ehrlose Krieger. Da kannst du deine meuchlerischen Künst anbringen.«

Der Landsknecht zog sich betreten ins Dunkle zurück.

Breit sprang ein Lachen aus der Finsternis.

»Recht guten Abend, ihr Herren!« sprach eine fette, höhnische Stimme vom Garteneingang her. Die Edelleute fuhren herum und sahen sich betroffen an. 52

 


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