Robert Hamerling
Aspasia
Robert Hamerling

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XVI. Die Frauen am Thesmophorienfeste.

Das ist die Schönheit selbst!« riefen die Athener, als Pheidias sein neues Erzbild der Pallas, welches die Lemnier von ihm wünschten, vollendet hatte, und dasselbe zum ersten Male den Blicken seiner Mitbürger enthüllte. Ein Ruf des Staunens und der Ueberraschung ging durch ganz Athen.

Was wollte nur Pheidias? So wie er die Göttin in seinem neuesten Bildwerke hinstellte, so hatte noch kein Grieche sie gedacht.

Sie war ohne Helm und ohne Schild. Frei wogten die gekräuselten Locken um ihr in hoheitsvoller, aber nicht minder anmutreicher Wendung emporgerichtetes Antlitz. Wunderbar war der Umriß dieses Gesichtes, unvergleichlich zart waren die Wangen gebildet. Man meinte sie erröten zu sehen. Die beiden völlig nackten Arme waren, wie die Hände, Muster der feinsten und edelsten Bildung. Der gehobene Arm gönnte einen Teil der rechten Seite unverhüllt zu erblicken, nur leicht umschmiegte das Gewand die Hüften, und hier wie überall ließ es die Umrisse der Gestalt in unverkümmerter Reinheit hervortreten.

So einstimmig die Athener waren im Lobe der Schönheit dieser neuesten Schöpfung des Pheidias, eben so einig waren sie in der Behauptung, daß für diese Pallas dem Künstler Aspasia zum Modell gedient haben müsse.

Nicht ganz irrtümlich war diese Behauptung.

In der Tat, wenn schon Theodota es verstand, ihren Leib als einen künstlerischen Stoff zu behandeln, die Form mannigfacher weiblicher Götterwesen in demselben zu überraschendem Ausdruck zu bringen und für Kunstleistungen dieser Art ganz Athen zu Zeugen hatte, so wußte Aspasia dieselbe Kunst in noch edlerem und höherem Maße zu bewähren. Aber die einzigen Zeugen dieser Bewährung waren Perikles und Pheidias.

Der ernste Pheidias ging so weit, für einen Augenblick zuzugeben, die Natur könne manchmal dem Ideal sich nähern.

In der Pallas der Aspasia aber hatte Pheidias schon nicht mehr die bloße Natur vor Augen, was er da schaute, war eine Schöpfung der mimischen Kunst, eine Weiblichkeit, aus dem Geiste heraus wiedergeboren. Aspasia drückte dem natürlichen Stoffe ihrer Schönheit mit künstlerischem Bewußtsein ebensogut einen bestimmten Stempel auf, wie Pheidias nach einer bestimmten inneren Anschauung und Absicht den Steinblock meißelte.

Indem Pheidias den ausdrucksvollen Reiz Aspasias, der schönen und weisen, in dauerndes Erz übertrug, vollzog er in der Tat die Mahnung, welche aus dem Munde des Perikles an ihn ergangen war, die Weisheit darzustellen im bezaubernden, allsiegenden Gewande der Schönheit.

Schon Alkamenes hatte Neues und Wunderbares erreicht, als es ihm vergönnt war, aus dem lebendigen Borne der Schönheit Aspasias zu schöpfen. Pheidias löste dieselbe Aufgabe, aber er löste sie als der große Meister aller, als der hohe, unvergleichliche.

Was Pheidias in seiner letzten Pallas gab, war Aspasia, aber emporgehoben zu einer so reinen und übermenschlichen Höhe, daß sie doch zugleich wie ein Ideal erschien, wie ein verkörperter Traum der edelsten Bildnerseele.

Als Sokrates dieses neue Bildwerk sah, da sagte er in seiner sinnigen Weise: »Aus diesem Bilde könnte die schöne Aspasia von dem Meister Pheidias ebensoviel lernen, als der Meister Pheidias gelernt hat von der schönen Aspasia!«

Seltsam war es, daß die Lobpreisungen, mit welchen die Athener den Pheidias in betreff seiner lemnischen Pallas überhäuften, ihn verstimmten und mürrisch machten. Er hörte nicht gerne davon sprechen. Er liebte dies Werk vielleicht darum weniger, weil er es nicht ganz aus sich selbst geschöpft hatte. Er hatte, so schien es, mit einem Reste halbunbewußten Unmutes sich der Aufgabe entledigt, welche ihm von außen her gestellt worden, und mit deren Lösung er nur eine Unruhe loszuwerden suchte, welche wie durch einen fremden Zauber in ihm erweckt worden war.

Nun schien er um so tiefer in sich selbst zurückkehren zu wollen. Schweigsamer und ernster als je wandelte er umher und versenkte sich in ein erhabenes Gebilde, das in der verborgenen Tiefe seiner Seele leuchtete. Er war wieder ganz er selbst geworden. Er vermied Aspasia, er verkehrte kaum noch mit Perikles, und eines Tages verließ er still und heimlich Athen, an einer für alle Griechen gemeinsam-heiligen Stätte den größten Gedanken seiner großen Seele zu verwirklichen.

Der unersättlichste und unermüdlichste Betrachter der lemnischen Pallas blieb Sokrates. Er schien seine Liebe von der Milesierin auf die Göttin des Pheidias zu übertragen. Die natürliche Aspasia schien ihm nicht mehr vollkommen von dem Augenblicke an, wo er ihr höheres Ideal in Stein verkörpert sah. Dennoch konnte man damals von ihm sagen, daß er seine Zeit teile zwischen jener Pallas und ihrem lebendigen Urbilde. Täglich sah man ihn seine Schritte nach der Behausung des Perikles lenken, selbst auf die Gefahr hin, dem beredten Protagoras dort zu begegnen.

Wie kam das nur? wenn Sokrates nachdenklich und, wie er meinte, ziellos durch die Gassen Athens wandelte, so fand er zuletzt sich unversehens vor dem Hause des Perikles. Wie das Labyrinth der Gassen, schien er ein Labyrinth von Empfindungen zu durchwandeln, aus welchem er keinen Ausgang fand, und welches ihn immer wieder an dieselbe Stelle zurückbrachte.

Absichtslos also geschah es, wenn Sokrates seine Schritte zu jener Behausung lenkte, was aber tat er dort, wenn er absichtslos dahingekommen? Erging er sich in Huldigungen? Gab er Zeichen von heimlichen Flammen, die ihn verzehrten? Hatte er sich, wie Protagoras, daran gewöhnt, seine Weisheit aus fremden Augen zu schöpfen? Nichts von all' dem. Er stritt sich mit Aspasia. Er stichelte auf sie. Gelegentlich tat er einmal in ihrer Gegenwart den Ausspruch, der seither oft wiederholt worden ist, und welchen die Ueberlieferung gewöhnlich dem Perikles zuschreibt, der ihn doch nur von Sokrates hatte: jene Frau sei die beste, von welcher man am wenigsten spricht. Er sagte ihr Bitterkeiten, und selbst wenn er ihr zu schmeicheln schien, war er voll von jener seinen Ironie, welche ein Merkmal seines Wesens und seiner Rede bildete.

Und Aspasia? Sie erschien in dem Maße sanfter, versöhnlicher, liebenswürdiger und bezaubernder, als Sokrates seiner freimütigen Laune die Zügel schießen ließ. Und umgekehrt: je sanfter und gewinnender Aspasia sich gab, um so grämlicher und absonderlicher gebärdete sich der weise Sokrates.

Was wollten sie von einander, diese beiden Wunderlichen? Kämpften sie miteinander den uralten, neckischen Zweikampf der Weisheit und der Schönheit aus? Sie trieben das seltsame Spiel insonderheit seit jenem Wortwechsel, welchen Sokrates mit Protagoras im Beisein des Perikles und Aspasias gehabt.

Aspasia gab sich den Anschein, zu glauben, daß Sokrates das Haus des Perikles um seines Lieblings Alkibiades willen besuche. Sie ging in ihrer neckischen Laune so weit, Verse an ihn zu richten, in welchem sie ihm als einem Liebenden Ratschläge erteilte, Sokrates nahm alles dieses lächelnd hin, ohne die geringste Einwendung, ohne einen Versuch, die schelmische Freundin Lügen zu strafen. Er zeigte sich auch niemals des schönen Knaben überdrüssig, der noch immer mit einer fast zärtlichen Vorliebe an ihn sich schloß. Dem Knaben gegenüber betrug er sich offen, heiter, freundlich, Zutrauen erweckend, ohne eine Spur von jener Grillenhaftigkeit und jener Ironie, mit welcher es ihm gefiel, die anmutendste Begegnung der schönsten aller hellenischen Frauen zu erwidern.

Häufige Unterredungen hatte Aspasia auch noch immer mit dem Weiberhasser Euripides, der als tragischer Dichter jetzt zu größerer Geltung gelangte. Die zur Betrachtung neigende Art seiner Muse fand Anklang, und er wurde bald der Lieblingsdichter einer Epoche, welche von der unmittelbaren und naiven Anschauung der Dinge mehr und mehr zu gedankenvoller und aufgeklärter Beobachtung derselben sich fortbewegte. Er hatte reiche Erfahrungen gemacht, und so quoll sein Mund beständig über von den geistigen Ergebnissen dessen, was er erlebte. Dabei hatte er ein scharfes, rückhaltloses Wesen, das ihm gestattete, offen und freimütig auszusprechen, was er dachte. Er machte keine Zugeständnisse, nicht einmal dem Volke der Athener, dem jeder schmeicheln zu müssen glaubte. Als man ihm einmal einen Vers auszischte, dessen Inhalt den Athenern nicht gefiel, so trat er auf offener Scene hervor, um sich zu verteidigen, und als man ihm entgegenschrie, daß man diesen Vers getilgt sehen wolle, so erwiderte er, das Volk habe von den Dichtern, nicht die Dichter vom Volke zu lernen.

Er schmeichelte auch Aspasia nicht, und niemand würde es gewagt haben, in dem Tone, wie er, mit ihr von den Frauen zu reden.

Er hatte seine erste Frau verstoßen und eine andere genommen, eine Tatsache, welche Aspasia, wie erzählt worden, in einem Schreiben an Perikles mit schlauem Bedacht als ein Beispiel männlichen Entschlusses gepriesen.

Eines Tages kam Aspasia mit Euripides zufällig auf diese Sache zurück, im Beisein ihres Gatten und des Sokrates. Nachdem sie neuerdings seiner raschen Entschlossenheit Lob gespendet, fragte sie ihn nach seiner neu erkorenen Gattin.

»Sie ist das Gegenteil jener früheren«, erwiderte mürrisch Euripides, »aber darum nicht besser: sie hat nur die entgegengesetzten Fehler. Jene war ein nüchternes, aber ehrliches Weib, das mir mit einer hausbackenen Art von Liebe lästig fiel; diese ist eine Gefallsüchtige, welche durch leichten Sinn und Wankelmut mich zur Verzweiflung bringt. Ich bin aus dem Regen in die Traufe gekommen. Ich bin ein Unglückskind, und alles Bittere geben mir die Götter nacheinander durchzukosten.«

»Ich hörte von deiner Gattin erzählen«, sagte Aspasia, »daß sie schön und liebenswürdig ist.«

»Jawohl, für alle Welt«, versetzte Euripides, »nur nicht für mich. Sie würde es freilich auch für mich sein, wenn ich mich entschließen könnte, ihre schlimmen Eigenschaften als ebenso viele Tugenden zu betrachten.«

»Welche schlimmen Eigenschaften sind es, die du ihr vorwirfst?« fragte Aspasia.

»Sie vernachlässigt das Hauswesen«, versetzte Euripides; »das Garn auf dem Webstuhl zerzausen die Hühner. Sie tanzt und schmaust bei Freundinnen, sie hat die Unart, vor die Haustür auf die Straße hinauszugucken.«

»Ist das alles?« fragte Aspasia.

»Nein!« sagte Euripides. »Sie ist unbeständig, sie ist launisch, sie ist ungetreu, sie ist lügenhaft, sie ist voll Verstellung, sie ist falsch, sie ist boshaft, sie ist tückisch, sie ist ungerecht, sie ist grausam, sie ist rachsüchtig, sie ist neidisch, sie ist eigensinnig, sie ist leichtgläubig, sie ist töricht, sie ist verschmitzt, sie ist schwatzhaft, sie ist eifersüchtig, sie ist putzsüchtig, sie ist gefallsüchtig, sie ist gewissenlos, sie ist herzlos, sie ist kopflos ...«

»Genug!« unterbrach ihn Aspasia. »Es dürfte dir schwer fallen, dies alles im einzelnen zu beweisen.«

»Dies alles und noch mehr!« erwiderte Euripides.

»Vielleicht erzeigst du deiner Gattin zu wenig Liebe«, sagte Aspasia, »und machst sie dadurch dir abgeneigt!«

»Ei freilich!« entgegnete Euripides hohnlachend; »wenn man auf solche Weiblein hört, so lassen es die Gatten immer an Liebe fehlen. »Du hast kein Herz, mein Freund!« sagte die Viper zum Ziegenbock. Aber im Gegenteil, ich sag' euch, mein Unglück stammt eben daher, daß ich das Weib nicht so behandle, wie die meisten Athener ihre Frauen behandeln; daß ich ihr zu großen Einfluß auf mich, auf mein Gemüt verstatte, daß ich mich von ihr quälen lasse. Denn sanft wie die Lämmer sind die Weiber, solange man sie kurz hält, werden aber gleich übermütig, wenn man ihnen Anlaß gibt, sich für unentbehrlich zu halten. Ja, es gibt nur ein einziges Mittel, sich eines Weibes, seines Herzens, seiner Liebe, seiner Hochschätzung, seiner Ergebenheit zu versichern; dies Mittel besteht darin, daß man sie vernachlässigt, Wehe dem Manne, welcher sein Weib merken läßt, daß er es nicht missen kann! Es wird ihm den Fuß auf den Racken setzen. Ein Weib lieben, heißt den bösen Dämon in ihm erwecken, wer aber dem Weiblein mit freundlicher Kühle begegnet und im übrigen seiner Wege geht, wer ihm beweist, daß er es entbehren kann, der wird umtänzelt und umkost, dem wird die Wange gestreichelt, dem wird die Hand auf die Schulter gelegt mit der Frage: »Was willst du heute abend essen, liebes Väterchen?« der wird verehrt als »des Hauses und der Familie heiliger Hort und Herr«, dem wird gerührter Dank gezollt für jeden Brosamen der Gnade, den er fallen läßt. Zeigte aber derselbe Alarm sich schmachtend und verliebt, so erschiene er in acht Tagen langweilig, in einem Monat wäre er verabscheut und in einem Jahre zu Tod gequält.«

Lächelnd hörten Perikles und Aspasia diese in grämlichem Tone vorgebrachte Auslassung. Euripides aber fuhr mit gleichem mürrischen Ernste und Nachdruck fort:

»Des Mannes Parze ist das Weib. Sie ist's, die seinen Lebensfaden spinnt – dunkel oder golden.«

Perikles erschrak fast bei diesen Worten, Aspasia lächelte.

»Ich kann nicht glauben«, sagte Perikles, »daß der Mann im allgemeinen so abhängig sei vom Weibe.«

»Er wird es werden, wenn er es nicht ist«, erwiderte Euripides. »Ich wittere die Zukunft. Des Weibes Macht ist in gefährlichem Wachsen begriffen. Versteht ihr nicht die Dichter und die Bildner, welche seit uralten Zeiten das Fabelbild der Sphinx aufstellten, das weichbusige aber scharfkrallige Rätselweib? Die Sphinx ist das Weib. Das verlockend schöne Antlitz, den verlockend weichen Busen hält es uns entgegen, aber sein übriger Leib ist ein Tier mit Tigerpfoten und tödlichen Krallen!«

»Wirst du nicht das Weibergeschlecht stolz machen«, sagte Aspasia, »wenn du seinem Wesen durch solche Vergleiche einen Charakter des Großartigen aufdrückst?«

»Großartige Verbrechen«, entgegnete Euripides, »können von seiten eines Mannes Bewunderung einflößen, ein Weib mit großen Lastern ist immer widerwärtig. Denn die Verbrechen des Mannes mögen zuweilen aus einem Uebermaße an sich rühmlicher Eigenschaften entspringen, die Laster eines Weibes aber gehen immer hervor aus kleinlichen, zum Uebermaß gesteigerten Schwächen.«

»Und doch sehen wir Weiber mit diesen kleinlichen Schwächen triumphieren!« sagte Aspasia.

»Nicht für immer!« entgegnete Euripides. »Es kommt der rächende Tag, der mit den Flammen einer gesunden und berechtigten Leidenschaft das wüste Geflacker einer krankhaften und schwächlichen Neigung auslöscht. Nur solange wir Männer uns schwach zeigen, sind die Weiber stark. Das Weib ist eine Sphinx, allerdings! aber man braucht ihr nur die großen Krallen zu beschneiden, dann ist sie unschädlich. Mit unbeschnittenen Krallen ist sie eine Tigerin, mit beschnittenen nur mehr eine Katze. Unsere Väter haben wohl getan, daß sie die Weiber kurz hielten. Wir Neueren aber sind zu weichmütig – mich einbegriffen – wir lassen den Weibern die Klauen wachsen. Das ist nicht gut« ...

Die Stirn Aspasias runzelte sich ein wenig, als der grämliche Poet diese Worte polternd herausstieß. Sokrates merkte dies und sagte: »Vergiß nicht, Freund, daß du zu Aspasia sprichst!« »Zu Aspasia«, versetzte Euripides, schnell gefaßt, »aber nicht von Aspasia. Ich spreche von den Weibern. Aspasia ist ein Weib, aber die Weiber sind keine Aspasien.«

Sokrates ließ es, wie schon erwähnt, in seinen Gesprächen mit der Gattin des Perikles nicht an Bitterkeiten fehlen. Aber niemals war er in den Ton des Euripides verfallen. Es geziemt zu erwähnen, daß Euripides in seinen Gesprächen mit Aspasia das ganze weibliche Geschlecht verunglimpfte, Aspasia selbst aber immer mit bereitwilliger Höflichkeit davon ausnahm, während Sokrates umgekehrt seine Pfeile immer nur gegen die Person Aspasias abschoß, das Geschlecht im ganzen aber gerne verteidigte.

Und so nahm er denn auch jetzt desselben gegen den Weiberfeind Euripides sich an, indem er sagte: »Es scheint mir eine sonderbare, aber unumstößliche Tatsache, daß jeder Mann, wenn er vom Weibe überhaupt spricht, doch immer nur sein eigenes meint. Man sollte also, dünkt mich, nur solchen Männern über die Frauen im allgemeinen zu sprechen erlauben, welche nicht verehelicht sind. Ich rühme mich, einer von diesen zu sein; und wie sehr mich mein Freund Euripides an sonstiger Weisheit hinter sich lassen mag, in betreff der Weiber habe ich, da er verheiratet ist, den Vorzug einer größeren Unparteilichkeit voraus. Da ferner auch Perikles verheiratet, Aspasia aber selbst eine Frau ist, so bin ich hier der einzige, der berufen erscheint, sich des von Euripides verfolgten Geschlechtes anzunehmen. Mir fehlt nun freilich dazu die Beredsamkeit, und ich möchte den Protagoras herbeiwünschen. Dieser würde nicht verfehlen, uns das Weib zu preisen als die Spenderin der süßesten Freuden, als des schönsten Glückes Verwalterin, als Hüterin des göttlichen Schatzes der Schönheit und der Lust auf Erden, als des Mannes Augentrost, als seiner Mühen Rast, als seiner Qualen Arzenei. »Welch ein Wundergebilde«, würde er sagen, »ist ein schönes Weib! Mit jedem Atom seines Wesens entzückt es. Sein Wesen trieft von Wonne« ... So würde Protagoras sagen. Euripides dagegen behauptet: die Weiber sind Sphinxe; sie haben ein liebliches Angesicht und einen weichen Busen, dazu aber scharfe Krallen, wäre es nicht erlaubt, umgekehrt zu sagen: die Weiber haben zwar scharfe Krallen, aber ein liebliches Angesicht? Warum soll man das Hauptgewicht nicht lieber auf das Gute der Weiber als auf ihr Schlimmes legen? – »Man muß ihnen die Klauen beschneiden«, sagt Euripides. Aber würde ihnen dies außer der Möglichkeit zu schaden auch ihre feindliche Gesinnung benehmen? Wäre es nicht ersprießlicher, geradezu auf die Besserung dieser ihrer Gesinnungen auszugehen? Die Klauen würden dann von selbst unschädlich, wie viele Tugenden zu entfalten vermag ein Weib! wie viele Segnungen vermag es auszustrahlen, nicht bloß durch das, was es gewährt, oder sagt, oder tut, sondern schon durch das, was es ist. Des Schönen natürliche Vorkämpferinnen sind die Frauen: aber da sie jede Sache, für welche sie eintreten, zur sieghaften machen, wie herrlich würde es sein, wenn wir sie dereinst auch zu Vorkämpferinnen des Guten und des Wahren gewinnen könnten! Solange das Licht einer weisen Einsicht der Frauen Häupter nicht erhellt, folgen sie freilich nur den Antrieben ihrer leiblichen Natur, und diese Antriebe sind immer roh und eigensüchtig. Der Männer Bemühen wird in Zukunft vielleicht dahin gehen, die Weiber durch Einsicht aus Dienerinnen der dunklen Naturtriebe nicht bloß zu Priesterinnen der echten Schönheit, sondern auch der lauteren Güte zu machen!« –

»Ja, das fehlte noch, daß die Schlangen Flügel bekämen!« rief spöttisch lachend Euripides. »Nicht zu verwundern ist übrigens«, fuhr er fort, »diese Hoffnung auf Besserung der Weiber durch die Erkenntnis von seiten eines Mannes, der überhaupt alles Heil der Menschen von der Einsicht und von den klaren Begriffen erwartet. Ich aber sage, daß des Weibes Wert und Adel nicht auf der Ausbildung seiner erkennenden Kraft, sondern auf der Ausbildung seines Herzens, seines Empfindens beruhe!«

»Dies wird sich so verhalten«, entgegnete Sokrates; »aber nun fragt es sich, ob das Herz und sein Empfinden jemals durch sich selbst ausgebildet werden kann, oder ob dazu nicht doch der Einfluß einer bis zu einem gewissen Grade geläuterten Erkenntniskraft erfordert wird?« –

Perikles zollte den Worten des Sokrates Beifall. Aspasia schwieg und ließ sofort das Gespräch stocken; denn so sehr auch einiges von dem, was Sokrates gesagt, mit ihrer eigenen Denkart zusammenstimmte, schien es ihr doch, als habe der Nachdenkliche unter der Maske seiner Bescheidenheit sich wieder vermessen wollen, sie zu belehren. Für eine geistige Befreiung, für eine Veredlung ihres Geschlechtes zu wirken, dessen war sie ja selber sich bewußt.

Hatte sie nicht ein unverhehltes Ziel sich längst gesteckt? Hatte sie nicht offen sich selbst und den Freunden auf der Akropolis gelobt, jenem Ziele mit allen Kräften zuzustreben, nachdem sie des Perikles Gattin geworden?

Sie hatte Wort gehalten. Das Leben und die Stellung der Frauen von Grund aus umzugestalten, war seit jener Zeit ihr kühnes Augenmerk gewesen.

Um solches aber zu vollbringen, hatte sie trachten müssen, Einfluß zu gewinnen auf die Frauen Athens, die Rolle des Sauerteigs zu spielen in dieser trägen Masse, diejenigen, welche dem Eindringling feindselig gegenüberstanden, zu versöhnen, sie zu Anhängerinnen, Schülerinnen, Freundinnen zu machen.

Perikles war ihren Absichten entgegengekommen, denn er liebte sie. Er verschaffte ihr gern jede Art von Genugtuung. Er führte sie, wenn dieser Ausdruck erlaubt ist, in die athenische Gesellschaft ein. Ausgeschlossen vom Verkehr mit den Männern waren die Frauen Athens; aber sie verkehrten ziemlich lebhaft unter sich. Scheinbar unbefangen mischte in diesen Verkehr sich Aspasia.

Unter den schönen und wahrhaft klugen Frauen, welchen es gegeben, die Männer zu bestricken, finden sich solche, welchen es überdies verliehen ist, trotz des Neides, des Hasses, der Eifersucht, welche sie erwecken, doch auch Personen ihres eigenen Geschlechtes anzuziehen und für sich einzunehmen. Selbstverständlich erzielen sie dies nicht durch ein Uebermaß von Liebenswürdigkeit, oder durch geschwätziges, aufdringliches Entgegenkommen, sondern durch die Anspruchslosigkeit, mit welcher sie das gefährliche Licht ihrer Vorzüge freiwillig zu dämpfen scheinen, und durch die genaueste Kenntnis der Eigentümlichkeiten und Ansprüche derjenigen, welche sie für sich gewinnen wollen. Aspasia suchte Vertrauen einzuflößen; unähnlich den Unklugen ihres Geschlechtes, wußte sie, daß ein schönes Weib in den meisten Fallen am sichersten durch ein verständiges, ruhig gefaßtes, würdevolles Wesen sowohl Männer als Frauen besticht. Sie sah zuerst darauf, daß man genötigt war, sie zu achten; liebenswürdig zu erscheinen, ergab sich dann von selbst.

Erst nachdem Aspasia durch diese Art des Benehmens, die bei ihr gar nicht einmal ausgeklügelt, sondern Sache des natürlichen weiblichen Antriebes war, den Boden für ihre Unternehmungen vorbereitet, war sie mit ihren Absichten, mit ihren Plänen offener hervorgetreten.

Nach einiger Zeit waren die athenischen Frauen der Gattin des Perikles gegenüber in eine Anzahl von Parteien gespalten.

Es gab Unversöhnliche, welche sie haßten, und welche mit allen Mitteln weiblicher Feindseligkeit offen und heimlich gegen sie ankämpften. Es gab solche, welche Aspasia eine Art persönlicher Zuneigung nicht versagten, aber der Ansicht waren, daß ihre Bestrebungen allzu kühn und ungezügelt seien, so wie es andere gab, welche zwar die Person Aspasias mit mißgünstigen Augen betrachteten, aber von einem heimlichen Drange ergriffen waren, den Spuren ihrer Bestrebungen zu folgen und es ihr in manchen Dingen gleich zu tun. Es gab aber auch welche, die sich von Aspasia geradezu hatten überzeugen und gewinnen lassen, unter welchen freilich nicht alle den Mut besaßen, sich mit ihrer Meisterin offen zu einem Kampfe um der Frauen unterdrücktes Recht zu verbünden.

Zu den unversöhnlichsten und noch immer gefährlichsten Gegnerinnen Aspasias gehörten, wie leicht zu erraten, das verstoßene Weib des Perikles und die Schwester des Kimon. Diese letztere pflegte gleichsam Buch zu führen über das Leben und Treiben Aspasias, sie erkundete und verbreitete Aeußerungen, welche Aspasia vor Frauen tat, und nicht selten geschah es, daß die Aeußerungen entstellt von Mund zu Munde gingen, geeignet, die Gemüter der Athener gegen die Gattin des Perikles aufzuregen.

So geschah es eines Tages, daß Aspasia mit einer neuvermählten Frau sich unterredete, in Gegenwart des Gatten derselben. Dies jugendliche Paar verlangte von ihr zu erfahren, worauf das sichere Glück der Liebe und der Ehe beruhe.

Aspasia fühlte sich von der Lust angewandelt, einmal die sokratische Redeweise zu versuchen.

»Wenn deine Nachbarin«, sagte sie zu der jungen Frau, »ein schöneres Kleid hat als du, welches wirst du vorziehen: das deine oder das ihrige?«

»Das ihrige!« antwortete die junge Frau.

»Und wenn deine Nachbarin einen schöneren Schmuck hat als du«, fuhr Aspasia fort, »welchen wirst du vorziehen?« »Den ihrigen natürlich!« versetzte die junge Frau.

»Und wenn sie einen besseren Mann hat als du, welchem würdest du den Vorzug geben, dem deinigen oder dem ihrigen?«

Die junge Frau errötete bei dieser unerwarteten, kühnen, befremdenden Frage. Aspasia aber sagte lächelnd:

»Im natürlichen Laufe der Dinge wird das Weib den besseren Mann, der Mann das bessere Weib vorziehen. Es scheint mir also die Sicherung des Glückes in der Liebe und Ehe nicht anders möglich, als dadurch, daß der Mann dem Weibe als der beste aller Männer, das Weib dem Manne als das beste aller Weiber zu erscheinen sich bestrebe. Viele fordern von andern die Liebe als eine Pflicht, was sehr unbillig ist. Man muß sie zu verdienen suchen und fortwährend sie zu nähren bemüht sein.«

Was Aspasia mit diesen Worten dem jungen Paare zu bedenken gab, war gewiß nicht ohne sinnvolle Berechtigung. Aber was wurde daraus im Munde einer Elpinike und ihrer Gleichgesinnten? Die Unterredung Aspasias mit dem jungen Ehepaare machte einige Tage lang bei den Athenern die Runde. Aber man erzählte nicht, Aspasia habe es als einzige Bürgschaft unwandelbaren Eheglücks erklärt, daß der Mann sein Weib für das liebenswürdigste der Weiber, das Weib ihren Mann für den besten der Männer halte, sondern man sagte, Aspasia habe die junge Hipparchia in Gegenwart ihres Gatten aufgefordert, einen fremden Mann ihrem eigenen Manne vorzuziehen, wenn ihr jener besser gefiele.

Aspasia beschloß, der sokratischen Manier in ihren Unterredungen für die Zukunft zu entsagen und noch sorgfältiger als bisher darauf zu achten, von welcher Art die Personen waren, mit welchen sie sich unterredete. Die Feindinnen Aspasias aber gingen jetzt soweit, daß sie sich absichtlich mit ihr in Unterredungen einließen, um ihr unter dem Scheine der Anhänglichkeit Aeußerungen zu entlocken, welche sie in der Meinung der Athener herabzusetzen geeignet waren. Aspasia durchschaute eine solche Absicht leicht und wußte die Anschläge dieser Gegnerinnen zuweilen in einer Weise zu vereiteln, welche ihr neben der Befriedigung des erreichten Zweckes auch eine Art von Belustigung gewährte.

So drängte sich eines Tages eine gewisse Kleitagora mit verstellter Bewunderung an sie. Aspasia aber wußte, daß Kleitagora dem Kreise der Telesippe und der Schwester des Kimon angehörte.

Sie legte Aspasia die Frage vor, durch welche Künste ein Weib den Gatten am besten an sich zu fesseln vermöchte?

»Die wirksamste von allen Künsten, durch welche ein schlaues Weib den arglosen Gatten an sich und an den häuslichen Herd zu fesseln vermag«, erwiderte Aspasia mit geheimnisvoller Miene, »ist die Kochkunst. Mir ist eine Frau bekannt, welche wie eine Göttin von ihrem Manne verehrt wird, nur um der Leckerbissen willen, welche sie täglich ihm vorsetzt. Ihr Meisterstück ist der zarte und leichte Sesambrei, den sie aus Sesammehl mit Honig und Oel in der Pfanne bereitet. Sie nimmt Gerstengraupen, zerstampft sie in einem Mörser, schüttet das Mehl in ein Gefäß, gießt Oel dazu, rührt diesen Brei, während er langsam kocht, beständig um, netzt ihn von Zeit zu Zeit mit Kraftbrühe von Hühnern oder Ziegen- oder Lammfleisch, sieht zu, daß er nicht überkocht, und wenn er im besten Sud ist, läßt sie ihn auftragen. Auch ihre Hasenpasteten und ihre Pasteten von Grasmücken und andern kleinen Vögeln sind vortrefflich, welcher Mann würde der Verlockung solcher Dinge sich entziehen? Es gibt auch Männer, welche für die sogenannten kappadozischen Kuchen schwärmen. Man knetet sie am besten mit Honig, zerschneidet den Teig in dünne Blätter, die schon beim bloßen Anblick der Pfanne sich aufrollen. Diese Röllchen werden dann in Wein getunkt, müssen aber noch ganz heiß auf den Tisch kommen.«

In dieser Art fuhr Aspasia fort, sich über die Regeln einer leckeren Küche zu verbreiten, zum Erstaunen eines Teils ihrer Zuhörerinnen, und zum Aerger des anderen Teiles derselben, welcher in diesen Auseinandersetzungen nichts fand, was sich hätte verwenden lassen, um Aspasia in der öffentlichen Meinung herabzusetzen und den Ruf ihrer Leichtfertigkeit oder ihrer gefährlichen Grundsätze noch mehr zu befestigen.

Der unerfreuliche Widerstand, welcher den Bestrebungen Aspasias in der Frauenwelt Athens zum Teil begegnete, ließ sie um so lieber die Gelegenheit ergreifen, die sich ihr bot, ein paar verwaiste Töchter ihrer älteren, zu Milet verstorbenen Schwester bei sich aufzunehmen. In diesen zarten, aber eine reizvolle Entwicklung versprechenden Mädchen, Drosis und Prasina geheißen, die eine fünfzehn Jahre zählend, die andere nur um ein Jahr älter, glaubte Aspasia einen fügsamen Stoff zu finden für die Verwirklichung ihrer Gedanken über die Ausbildung des hellenischen Weibes zu geistiger und persönlicher Freiheit. Man durfte erwarten, sie würden dereinst der Schule, aus welcher sie hervorgingen, Ehre machen, und die Sache Aspasias, welche zugleich die Sache des ganzen weiblichen Geschlechtes war, zum Siege führen helfen.

Indessen, Aspasia war ungeduldig, befähigt allerdings, weitaussehende Pläne zu fassen, die ihrer Natur nach nur langsam reifen konnten, aber auch kühnen, raschwirkenden Handstreichen nicht abgeneigt. Einen solchen Handstreich nun versuchte sie, um die Zügel der Führerschaft über ihr Geschlecht zu Athen womöglich mit einem Mal an sich zu bringen.

Unter den zahlreichen religiösen Festen der Athener war auch eines, welches ausschließlich von den Frauen gefeiert wurde, und welchem bei strenger Ahndung kein Mann beiwohnen durfte. Dies war das Thesmophorienfest, zu Ehren der Demeter gefeiert, welche nicht bloß als die Göttin des Ackerbaues, sondern auch als die des Ehestandes galt, der Verwandtschaft wegen, welche die Begriffe von Säen und Zeugen, Ernte und Geburt verknüpft.

Die heiligen Gebräuche dieses Festes oblagen nicht bestimmten Priesterinnen, sondern Frauen, welche jedesmal aus den einzelnen Stämmen gewählt wurden. Eine gewisse Zeit vorher mußten die Frauen durch Enthaltsamkeit auf die Teilnahme an diesem Feste sich vorbereiten. Sie schliefen auf Kräutern, welchen man die Kraft zuschrieb, das Blut zu kühlen und die Enthaltsamkeit zu erleichtern. Zu diesen gehörte Keuschlamm und eine gewisse Art der Nessel. Die Feier selbst bestand aus festlichen Umzügen, aus Versammlungen im Thesmophorientempel, nebst überlieferten Gebräuchen, in deren Ernst auch Scherz und Neckereien sich mischten.

Vier Tage lang dauerte das Fest. Am ersten Tage zog man nach dem Strandort Halimos und feierte in einem dort befindlichen Tempel der Demeter gewisse Mysterien. Am zweiten kehrte man nach Athen zurück; den dritten Tag waren die Weiber vom grauenden Morgen bis zum Abend im Thesmophorientempel versammelt. Demeter und Proserpina und andere Gottheiten wurden angerufen, Tänze zu Ehren derselben wurden ausgeführt. In den Pausen saßen die Weiber auf Keuschlamm und anderen Kräutern der genannten Art und unterhielten sich mit Gesprächen, sowie mit Neckereien, welche für diese Gelegenheit herkömmlich waren. Sie nahmen während ihres Aufenthaltes im Tempel keine Speise zu sich, entschädigten sich aber für diese Enthaltsamkeit durch das fröhliche Opfermahl, mit welchem am folgenden Tage die ganze Feier beschlossen wurde.

Man denke sich die Frauen Athens, für gewöhnlich eingeschlossen in den engen Bann ihrer Häuslichkeit unter den Augen der Männer, nun vier Tage lang mit strenger Ausschließung der Männer sich selbst überlassen, zu einer gewaltigen Schar vereinigt, festliche Umzüge haltend, dann im Tempel versammelt, mit Tänzen und heiligen Gebräuchen beschäftigt, zur Rast auf heiligen Kräutern sitzend und schwatzend in völliger Ungebundenheit – man denke sich diese schwirrende Weiberversammlung, und man wird begreifen, daß sie geeignet war, nicht bloß die weibliche Zunge, sondern auch mit der Zunge zugleich den weiblichen Geist zu entfesseln, ihn zum Trotze gegen herkömmliche Schranken anzuregen.

Dies Thesmophorienfest war wiedergekehrt.

Wieder saßen die Frauen Athens in den Pausen zwischen den Tänzen und den Festgesängen schwatzend auf Keuschlamm im Thesmophorientempel. Wieder schwirrten die Stimmen bunt und kraus durcheinander. Von solchen Dingen wurde da in den verschiedenen Gruppen der auf dem Boden sitzenden Frauen gesprochen! Diese unterhielten sich von den üblen Gewohnheiten ihrer Männer, jene von den Untugenden ihrer Sklavinnen oder davon, daß die Kinder heutigentags weit ausgelassener und unbändiger seien, als in früheren Zeiten; einige stritten sich über die beste Art, Honigkuchen zu bereiten, einige erzählten einander von Zaubermitteln, im Wochenbette zu gebrauchen, oder erteilten den jüngeren Genossinnen Ratschläge über die Bereitung von Liebestränken, einige flüsterten sogar insgeheim sich ins Ohr, wie man Schwangerschaft heucheln und um des Gatten willen ein falsches Kind sich unterschieben könne. Einige erzählten sich Gespenstergeschichten, oder Geschichten von thessalischen Hexen, oder Märchen, oder die neuesten Familiengeheimnisse dieser, jener Genossin. Einige sprachen auch von Aspasia, und dieses Gespräch gestaltete sich allmählich zum lebhaftesten, welches im Tempelraum geführt wurde.

»Aspasia hat recht«, sagte ein junges, hübsches Weib, dessen frisches Gesicht von den welken und geschminkten der meisten in der Runde vorteilhaft abstach.

»Aspasia hat recht, wir müssen die Männer zwingen, uns so zu behandeln, wie Perikles Aspasia behandelt.«

»Das wollen wir!« riefen einige Anhängerinnen der Milesierin. »Wir müssen sie zwingen, das häusliche und das eheliche Leben mit uns so einzurichten, wie Perikles mit Aspasia.«

»Ich habe mit meinem Manne schon den Anfang gemacht«, rief eine lebhafte, kleine Frau, Chariklea geheißen. »Mein Diagoras hat sich bereits daran gewöhnt, mich jedesmal, sowohl wenn er aus dem Hause fortgeht, als wenn er zurückkehrt, zu küssen, wie Perikles die Aspasia.«

»Empfängst du auch Besuche von Philosophen und dienst den Bildhauern als Modell?« fragte spöttisch eine von den Frauen in der Runde, eine von denjenigen, deren Wangen am meisten welk oder geschminkt waren.

»Warum sollten Aspasia und Chariklea das nicht tun, wenn ihre Männer es gestatten?« rief eine andere von den Frauen. »Auch wir werden es tun und unsere Männer zwingen, es zu gestatten.«

»Nicht jeder Mann ist zum Hahnrei geboren!« sagte jene erste Fragerin mit boshaftem Lächeln.

»Willst du behaupten«, rief Chariklea zornig, indem sie sich vor jenes Weib hinstellte und ihre Arme in die Seite stemmte, »willst du behaupten, daß ich meinen Gatten zum Hahnrei mache?«

»Noch will ich es von dir nicht behaupten«, erwiderte jene, »aber deine Meisterin Aspasia wird dich vielleicht auch dies noch lehren!«

Als diese frechen Worte gefallen waren, trat eine verschleierte Frau von schlanker und edler Gestalt plötzlich aus dem Kreise derjenigen, welche Zeugen dieses Gespräches gewesen, hervor, schlug unmittelbar vor jener scharfzüngigen Sprecherin ihren Schleier zurück und blickte mit flammenden Augen auf die am Boden Sitzende nieder.

»Aspasia!« riefen einige, und rasch verbreitete dieser Name sich weiter, und es entstand eine Bewegung, die bis in die entferntesten Kreise sich fortpflanzte. Der ganze Thesmophorientempel geriet in Aufruhr, »Was gibt es?« riefen die Entferntesten. »Hat etwa ein Mann sich eingeschlichen?«

»Aspasia!« hallte es als Antwort zurück. »Aspasia ist hier!«

Auf diese Kunde drängten sich alle Frauen herbei, und bald fand die Milesierin sich im Mittelpunkte der ganzen Versammlung.

Sie war gekommen, umgeben von der Schar ihrer Anhängerinnen, inmitten welcher sie, überdies zur Unkenntlichkeit verschleiert, den Augen der großen Menge bis zu diesem Augenblicke verborgen geblieben.

Von diesen Anhängerinnen war sie auch jetzt wie von einer Leibwache umgeben, als sie hochaufgerichtet mit zornigen Blicken auf die Verwegene herabsah.

Während so Aspasia vor der Gegnerin stand, drängte eine von ihren Gefährtinnen sich vor und schleuderte jener die höhnenden Worte entgegen: »Du hast recht! Nicht jeder Mann ist zum Hahnrei geboren. Du mußt das wissen! Ich kenne dich genau! Du bist Kritylla, welche ihr erster Gatte Fanthias verstieß, weil er entdeckte, daß sie nächtlicherweile ein Stelldichein hatte mit ihrem Buhlen vor der Türe, bei dem Lorbeerbaum, welcher den Altar des straßenbeschirmenden Apollon beschattet!«

Das Antlitz Krityllas färbte sich mit dunkler Röte, sie sprang empor und machte Miene, sich an ihrer Gegnerin zu vergreifen. Aber sie wurde von den Anhängerinnen Aspasias zurückgedrängt, und diese selbst begann:

»Dies Weib hat meinen Gatten beschimpft – beschimpft nur darum, weil er, zuerst unter allen Athenern, die Würde des Weibes in seiner Gattin ehrt und sie nicht zur Sklavin erniedrigt, wenn Männer wie Perikles um der Liebe und der Achtung willen, welche sie ihren Gattinnen zollen, Spott und Verunglimpfung zu ertragen haben, nicht bloß aus dem Munde der Männer, sondern sogar von seiten des Frauengeschlechtes selbst, wie könnt ihr hoffen, daß eure Gatten dem Beispiele des edelsten der Männer zu folgen sich entschließen werden?«

»So ist es in der Tat!« sagten die Frauen in der Runde, einander anblickend. »Kritylla hat unrecht getan, den Perikles und den Diagoras zu beschimpfen. Wollten die Götter, daß alle Männer so wären wie diese!«

»Die Männer sind, wie ihr sie verdient!« fuhr Aspasia fort. »Versucht es nur einmal, die Macht, den unwiderstehlichen Einfluß, welcher dem weiblichen Geschlechte verliehen ist, zu gebrauchen! Ihr habt es bisher versäumt, diese Macht in euch zu entfalten, ja, es scheint, daß ihr sie nicht einmal gekannt habt. Eure Sklaverei ist eine freiwillige. Ihr prahlt mit dem Titel von Herrinnen des Hauses und seid strenger gehalten als Sklavinnen – denn Sklavinnen dürfen doch frei auf den Straßen oder auf dem Markte sich zeigen. Ihr seid Gefangene! Ist's nicht so?«

»So ist es in der Tat!« rief eine der Frauen im Kreise. »Mein Gatte hat einmal, als er auf ein paar Tage verreiste, mich ins Frauengemach eingesperrt und die Türe desselben mit seinem Petschaft versiegelt.«

»Der meine«, rief eine andere, »hat einen großen Molosserhund angeschafft, der an der Türe Wache halten muß, nur damit kein Buhler in seiner Abwesenheit sich einschleicht.«

»Nicht einmal das Hauswesen ist euch ohne Rückhalt anvertraut!« fuhr Aspasia fort.

»Ganz richtig!« fiel wieder eine der Frauen lebhaft ein; »mein Gatte trägt den Schlüssel zur Vorratskammer mit sich umher.«

»Laufen sie nicht selber auf den Markt, um Fleisch und Gemüse einzukaufen?« rief eine Zweite.

»Ja, und wenn es eben Kriegszeit ist«, rief eine dritte, »und die Männer bewaffnet umhergehen, so kann man einen geharnischt und mit dem Gorgoschild am Arm auf dem Markt um Eier und Gemüse feilschen sehen, oder er bringt zu Pferde Pökelfleisch im ehernen Helm nach Hause.«

»Und da sie nicht einmal am häuslichen Herde euch etwas gelten lassen«, nahm Aspasia wieder das Wort, »so ist es nicht zu verwundern, wenn sie euch noch viel weniger gestatten, in öffentlichen Angelegenheiten ein Wort zu sprechen. Kommen sie von der Pnyx, wo über Frieden oder Krieg verhandelt worden, dürft ihr euch auch nur beikommen lassen, zu fragen, was da entschieden wurde?«

»Nicht im geringsten!« riefen die Frauen. »was geht's dich an?« heißt es da. »Bleib' bei deiner Spindel und schweige!«

»Und wenn ihr nicht schweigt?«

»So setzt es Schlimmeres!«

»Mein Mann«, sagte eine von den Frauen, »wiederholt mir bis zum Ekel das alte, alberne Sprüchlein: O Weib, des Weibes schönste Zier ist Schweigsamkeit!«

»Das kennen wir auch, das Sprüchlein! Es ist in aller Männer Mund!« tönte es im Kreise.

»Wozu haben wir dann die Zunge?« fragte eine und fügte hinzu: »Etwa bloß zum Küssen und Schnäbeln und Züngeln?«

Die Weiber lachten unverschämt über diese Aeußerung, denn sie waren unter sich.

Aspasia aber fuhr fort: »Sie wollen, daß ihr geistlos und stumpfsinnig seid, denn nur so können sie euch beherrschen, von dem Augenblick an, wo ihr klug und verständig wäret, wo ihr euch der Macht bewußt würdet, welche dem weiblichen Geschlechte über das männliche gegeben ist, von diesem Augenblicke an wäre es vorbei mit ihrer Tyrannei. Ihr glaubt schon alles getan, wenn ihr das Haus rein haltet, wenn ihr eure Kinder badet und säugt, wenn ihr darauf sehet, daß euch die Wolle am Rocken nicht von den Motten zernagt, und das Garn am Webstuhl nicht von den Hühnern zerzaust wird, und wenn eine von euch ein Uebriges tun und ihrem Manne gefallen will, so meint sie, mit einem krokusfarbenen Kleide und Schnabelschuhen und einer durchsichtigen Busenhülle und mit Salbenbüchschen und ein wenig Zinnober sei dieser Zweck zu erreichen. Aber nur in den Händen derjenigen, welche auch ein wenig Geist besitzen, ist leibliche Schönheit und Putz eine für die Männer gefährliche Waffe, wodurch aber könntet ihr das, was ich ein wenig Geist genannt habe, erringen, als durch einen freieren Verkehr mit der Welt, von welcher die Männer wie mit einer ehernen Mauer euch abschließen? Es muß euch künftig erlaubt sein, die dumpfen Gemüter mit dem einströmenden Hauche der Freiheit zu reinigen und zu erfrischen, die Außenwelt auf euch wirken zu lassen, und so, wie ihr die Eindrücke der Welt und dessen, was geschieht, in euch aufnehmt, auch wieder auf Welt und Leben zurückzuwirken mit der alles veredelnden Freiheit des ausgebildeten weiblichen Geistes. Der weibliche Geist muß mit dem männlichen in der Welt sich zu gleichmäßiger Wirkung verbinden. Dann wird nicht bloß die Ehe und das ganze häusliche Leben umgestaltet werden, dann werden die Künste zu ihrer schönsten Blüte gelangen, dann wird der Krieg und alles Rohe unter den Menschen ein Ende haben. Laßt uns einen Bund schließen, eine friedliche Verschwörung anzetteln und einander das Gelöbnis leisten, daß wir mit allem, was in unserer Gewalt ist, unserem Geschlechte sein Recht erkämpfen wollen, dessen es bedarf, um jene Macht frei zu betätigen, zu welcher es berufen ist.«

Diese Worte Aspasias begleitete lebhafte Zustimmung von selten eines großen Teils der Versammlung; dann aber folgte ein so lautes und verwirrtes Gebrause von Stimmen, daß man nichts Deutliches mehr vernehmen konnte, da die Frauen unter einander den Gegenstand mit Heftigkeit zu erörtern begannen und alle zusammen auf einmal sprachen. Es war, als hätte ein wandernder Zug laut zwitschernder und kreischender Vögel sich im Thesmophorientempel niedergelassen.

Zuletzt aber sah man eine schmächtige, dabei jedoch lebhafte und energische Gestalt durch den dichtgedrängten Schwarm hindurch mit den Armen sich Bahn machen und gegen die Mitte des Kreises, wo Aspasia stand, sich vordrängen. Das weiße Tuch, welches ihr Haupt umhüllte, verbarg auch den größeren Teil ihres Gesichts, so daß man sie nicht sogleich erkennen konnte. Als sie aber nun in der Mitte des Kreises stehen blieb und ihr Auge mit boshaftem Blick auf Aspasia richtete, erkannte man die scharfen, mannweiblichen Züge der mutigen Schwester des Kimon.

Elpinike war gefürchtet in ganz Athen, gefürchtet von allen Genossinnen ihres Geschlechtes. Sie herrschte durch die Gewalt ihrer Zunge, durch ihre fast männliche Willenskraft, durch die weite Ausbreitung ihrer Verbindungen. Darum entstand sofort ein ängstliches Schweigen im ganzen Kreise, während die Schwester des Kimon auf Aspasia losging mit den Worten:

»Mit welchem Rechte gestattet sich hier die Fremde, das Wort zu ergreifen im Kreise eingeborner athenischer Frauen?«

Diese Frage Elpinikes machte sogleich einen tiefen Eindruck, und viele von den Frauen, lebhaft mit dem Kopfe nickend, wunderten sich, daß ihnen dies Bedenken nicht gleich anfangs gekommen.

Jene aber fuhr fort: »Wie mag die Milesierin sich erdreisten, uns hier belehren zu wollen? Wagt sie es etwa, sich mit uns in eine Reihe zu stellen? Ist sie mit uns herangewachsen? Hat sie unsere Sitte, unseren Brauch, unsere Heiligtümer von Kindesbeinen an mit uns geteilt? Wir sind Athenerinnen: wir haben im achten Jahre das heilige Gewand der Arrephoren getragen, wir haben zehnjährig das Opfermehl im Tempel der Artemis gemahlen, wir sind beim Brauronsfeste als blühende Jungfrauen derselben Göttin geweiht worden, wir sind mitgewandelt als Korbträgerinnen im Festzuge der Panathenäen. Und diese da? Aus der Fremde ist sie gekommen, ohne Göttergeleit, ohne Göttersegen, eine Abenteurerin, ruchlos und verschmitzt, und nun will sie in unsere Schar sich drängen, weil sie einen athenischen Mann zu betören vermochte, so daß er sie wider Gesetz und Herkommen in sein Haus aufnahm?«

Ruhig, doch nicht ohne ein spöttisches lächeln entgegnete Aspasia:

»Du hast recht! Ich bin nicht aufgewachsen in der dumpfen Oede eines athenischen Frauengemachs; ich habe nicht euren Brauronsfesten im Safranröckchen beigewohnt, ich habe nicht bei euren Panathenäen einen Festkorb über dem Kopfe und eine Schnur von welken Feigen um den Hals getragen, ich habe nicht mitgeheult auf den Dächern bei euren Adonisfesten. Ich habe hier nicht als Athenerin zu Athenerinnen, ich habe als Frau zu Frauen gesprochen!« –

»Männerverderberin! Bundesgenossin der Gottlosen!« rief Elpinike noch heftiger entstammt, »unsern Tempel wagst du zu betreten, unsere Heiligtümer mit deiner Gegenwart zu entweihen?«

Diese Worte wurden ungestüm herausgestoßen. Die kurzen Härchen über Elpinikes Oberlippe sträubten sich dabei. Die Freundinnen Elpinikes, welche sich um sie vereinigt hatten, nahmen gegen die Milesierin eine drohende Haltung an. Aber auch die Freundinnen Aspasias scharten sich enger um ihre Führerin, bereit, sie zu verteidigen. Und nicht gering war die Zahl derjenigen im Thesmophorientempel, welche noch auf der Seite der Gattin des Perikles standen.

Wieder begann das Gewirr der Stimmen lebhaft zu werden, und mancher heftige Wortwechsel drohte einen leidenschaftlichen Streit der Parteien anzufachen.

Da verschaffte die entschlossene Schwester des Kimon noch einmal sich Gehör, um den kräftigsten ihrer Trümpfe auszuspielen.

»Denkt an Telesippe!« rief sie; »denkt daran, wie diese fremde Abenteurerin, diese milesische Hetäre ein athenisch Eheweib von ihrem Herde, von den Sprößlingen ihres Leibes, von ihrem Gatten verdrängte! Welche von euch glaubt sich sicher vor dieses Weibes buhlerischen Künsten, wenn es ihr in den Sinn kommt, auch noch anderer Frauen Männer zu betören? Bevor ihr auf das Zischeln dieser Schlange hört, erinnert euch, daß sie Gift in ihrem Munde birgt!«

»Seht sie dort«, unterbrach sich Elpinike, die Augen nach einem Winkel des Tempels gewendet, »sehet Telesippe! seht sie in ihren Gram gehüllt – seht ihr bleiches Gesicht – seht wie die Tränen ihr vom Auge rollen bei der bloßen Erwähnung ihrer Sprößlinge!«

Die Häupter aller Frauen wendeten sich, den Blicken Elpinikes folgend, auf das verstoßene Weib des Perikles, welches in einiger Entfernung stand und bleich vor Groll und Unmut auf Aspasia herübersah.

Elpinike aber fuhr fort: »Wißt ihr, was sie von uns Athenerinnen hält? Brauche ich es euch zu sagen? Hat sie es euch nicht selbst gesagt? Sie hält uns für töricht, für unwissend, für unerfahren, für unwert der Liebe eines Gatten, und gnädig läßt sie sich herab, uns belehren zu wollen, sicher in ihrem geheimen Stolze sich bewußt, daß wir doch niemals werden können wie sie selbst, die schöne, die weise, die unvergleichliche, die alles bezaubernde Milesierin, mit welcher auch die schönsten von euch sich niemals messen können!«

Diese Worte Elpinikes machten eine unglaubliche Wirkung auf die gesamte Frauenversammlung. Verändert war plötzlich die Stimmung, selbst in den Herzen derjenigen, welche bisher sich Aspasia zugeneigt hatten.

Elpinike ergriff neuerdings das Wort:

»Wißt ihr, was ihre Freunde, die Genossen des Perikles, von ihr sagen, und was schon alle Männer von Athen unter einander wiederholen? Aspasia ist das liebenswürdigste Weib Athens – ja das einzige liebenswürdige Weib Athens – nach Milet müsse man gehen, sagen sie, wenn man schöne und bezaubernde Weiber finden wolle« ...

Bei diesen Worten brach die Beschämung der Weiber und der mit schlauer Tücke entfachte Unmut derselben in offene Flammen aus. Man begann mit wildem Geschrei, mit gehobenen Armen auf Aspasia einzudringen. Diese aber stand ruhig und aufrecht und, blaß vor Zorn, doch mit einem Blicke unsäglicher Verachtung, sagte sie:

»Ruhig, ihr Rüben-, Petersilien-, Kümmelfrauen! Ruhig, ihr Aepfel-, Käse-, Butterhökerinnen! – warum schreit ihr, warum dringt ihr auf mich ein? Gedenkt ihr auch noch zu kratzen und zu beißen?« –

Die wenigen treu und mutig gebliebenen Anhängerinnen Aspasias warfen sich dazwischen, es entstand ein wildes Getümmel und fast eine Balgerei der Weiber. Einige von den Gefährtinnen Elpinikes machten Miene, Aspasia die Augen mit ihren Nägeln auszukratzen; andere zogen die spitzen Heftspangen aus ihren Kleidern und gingen damit drohend auf die Feindin los. Diese aber verließ unter dem Schutze derjenigen, welche sich noch tapfer um sie scharten, eilig den Thesmophorientempel.

In dieser Art endete für diesmal der Versuch Aspasias, die Frauen Athens durch den Geist zu befreien.

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