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Vierter Gesang.
Der Brand.


[126] [127]        Von Neros Bacchanal ist hingestürmt
Die wüste, rasende Bacchantenschaar
Und fällt in Romas Gassen lärmend ein
Mit Cimbelklang und lautem Evoë.
An ihrer Spitze, siehe, trabt Silen:
Behängt ist seines Langohrs Haupt mit Weinlaub
Und frischen Rosenkränzen, dran das Thier
Behaglich rupfend nascht, indeß der Reiter
Roms Pöbel aufruft, fröhlich mitzuschwärmen
Im Festesjubel, der den neuen Gott
Der Erde feiert, Nero-Dionysos.
Dicht hinter ihm her keucht ein Lastthierschwarm,
Hochauf mit Schläuchen Feuerweins belastet,
Aus welchen quillt für alle durst'gen Kehlen
In Fülle goldnes Naß. Auch blinkend Gold
Wird ausgeworfen aus gefüllten Seckeln,
Drauf sich in wilder Hast die Menge stürzt.
Hoch lassen Tausende den Nero leben,
Dem Zug der Bacchen schließen sie sich an
Und stimmen ein in ihren Jubelruf.
So wächst der Strom der Rasenden zuletzt
Zur unabsehbar'n Flut, vor deren Tosen
Roms sieben Hügel zittern. In die Schenken
Zerstreut ein Schwarm sich hier und dort, bezecht
[128] Mit Nero's Golde lärmvoll sich, und stürzt
Sich wieder auf die Gassen. Doch nicht bloß
Dem Volke – Roms Bewohnern allen ist
Entboten Nero's Festgruß, und alsbald
Auch in Palästen, halb aus Sclavenscheu
Vor dem Tyrannen, halb aus eignem Drang,
Sucht Schlemmerei sich wüst zu überbieten
Bei rauschenden Gelagen, wo der Name
Des Nero-Dionysos wild ins Klingen
Der Becher schallt! –
                               So ist ganz Rom zuletzt
Hineingezogen in den bacch'schen Taumel:
Einbricht die Nacht, es wächst die Raserei.
Die Römerstadt ist eine trunkne Phryne.
Der Bacchen Schaar durchschwärmt mit ihren Fackeln
Die Gassen, in verzücktem Wahnwitz tobend.
Da schleudert ein Bacchant – ist's nicht der Alte,
Der Alte, mit den düst'ren Feueraugen?
Er schleudert als Bacchant die Pechkranzfackel
Auf eines Hauses Dach. Beifall zujauchzt
Dem Wagestück die trunk'ne Pöbelhorde
Und grüßt der ersten Flamme Glanzgeflacker.
Und anderswo versuchen And're schon
Das gleiche grause Wagniß. Hier und dort
Auflodert's plötzlich in die Nacht. Der Pöbel
Umsteht, umtanzt, umjauchzt die brennenden
Behausungen der Reichen, hört behaglich
Die lust'ge Flamme prasseln. Schreck verbreitert
Die Brände nur ins Inn're stolzer Räume.
Es stürzen auf die Gassen die Bewohner.
[129] Zu löschen wird versucht, doch die Bacchanten
Verhindern es mit tollen Scherzen. Sieh',
Mit den Getreuen naht auf seinem Esel
Silen und richtet seiner Schläuche Röhren
Auf brennendes Gebälk, als wollt' er löschen
Den Brand mit goldnem Wein-Geriesel; doch
Dazwischen werfen sich die durst'gen Zecher,
Aufsaugend jenes kostbar süße Naß
Mit Mäulern, unersättlich. Anderswo
Wirft ein Bacchant ins emsige Gewimmel,
Das helfend, löschend einen Brand umdrängt,
Mit vollen Händen Gold, und sieh, die Helfer,
Sie lassen stracks das brennende Gebäude,
Und raufen sich um jenes blanke Gold.
      Von einem Ende Roms zum andern wandert
Die Flamme aus Bacchantenfackelspitzen.
An hundert Stellen lodert Feuer auf:
Erst wirbelt Rauch empor in lichter Wolke;
Die Wolke glüht bald silberweiß, bald rosig,
Durchstickt mit Millionen goldner Funken,
Die prachtvoll in der dunklen Luft zerstieben,
Und alle Nachbardächer überschnei'n.
Und dichter auch und dunkler qualmt's dazwischen:
Das Feuer loht erst trübroth durch den Rauch,
Dann schlägt es siegend durch in seinem Goldglanz,
Dann steht der Dachfirst lichterloh, fast rauchlos,
In weißlich klaren Flammen prachtvoll da!
Aus Zinnen, Giebeln, ragen Marmorbilder,
Quadrigen, rings umwallt von Rauch und Funken,
Und stürzen in die Glut. Es bersten Quadern
[130] Mit donnerndem Gekrach. In blauen Flammen
Loht schmelzend Erz, und über lodernden
Oelströmen steht ein rabenschwarz Gewölk.
Der Brand hat aufgestört die wüsten Schlemmer.
Mit weingerötheten Gesichtern stürzen
In purpurnen Gewändern Männer sich
Und holde Frau'n, die Kränze noch im Haar,
Aus brennenden Prunksälen auf die Straßen,
Und händeringend rennen hin und her
In buntgemischtem Wirbel Herr und Sclave
Und Greis und Kind. Aus brandumglühtem Haus
Stürzt der, um sich zu retten, Jener stürzt
Hinein, zu retten seine letzte Habe.
      »Hier brennts, und hier, und hier, und hier!« so gellts
Verwirrt in Schreckensrufen durch einander.
Hier wird gewinselt und dort wird gefleht,
Der flucht und Jener betet zu den Göttern.
Dazwischen schallt Gelächter, roher Scherz,
Und stets noch übertäubt den Braus der Stimmen
Der Thyrsusschwinger schallend' Evoë.
      Mit ihrer Habe flüchten Tausende:
Kleinode rettet der in wilder Hast,
Der schleppt mit Werkgeräth, Gewanden sich,
Ein Andrer rettet, wie besinnungslos,
Werthlosen Trödel in des Herzens Angst.
Da läuft ein Mütterlein mit einem Topf,
Den sie vom Herd gerissen. Besser hat
Trimalcion, der reiche, sich besonnen:
Fortschleppen läßt er seine goldnen Schätze
Von schweißbedeckter Sclavenschaar; er selbst
[131] Folgt hinterdrein in seid'ner Sänfte Kissen.
Doch Bahn ist nicht für ihn im Volksgewimmel:
Es stockt der Zug im Schwarme, der ihn anhält
Mit stürmischem Halloh, ihn lachend plündert,
Und endlich aus der Sänfte johlend reißt
Den dicken Schlemmer selbst. Die Wirrsal wächst
Entsetzlich in dem rasenden Gedräng
Der Tausende, die durch einander flüchten.
Es wälzen endlos sich die Menschenmassen
Durch enge Gassen hin, im Dunkel bald
Und bald im grellen Licht der Feuerbrände.
Zertreten werden Kinder, Greise, Weiber,
Begraben unter Trümmersturz, erstickt
In Wolken Rauchs. Zuletzt wälzt über Haufen
Von Leichen und den Wust zerstreuter Habe
Sich wachsende Verwirrung wie ein Meer
Von Schrecken, drin das Auge keine Welle,
Kein einzeln Schreckensbild mehr unterscheidet.
      Und weiter stets und weiter thut der Brand
Den fürchterlichen Flammenrachen auf.
Weiß glüh'nde Balken leuchten wie die Zähne
Des Ungeheuers aus der rothen Glut.
Es tanzen hoch in jubelnden Spiralen
Lodernd empor purpurne Flammenbänder
Und flattern wie Standarten der Zerstörung
Rings um die Zinnen her und um die Hügel.
Die Feuersee'n sie dehnen weit und weiter
Sich aus und fließen endlich in ein Meer
Zusammen. An dem Holzwerk in den Buden
Des Circus frißt das glüh'nde Flammenthier
[132] Sich wie an leckrem Schmause voll, und dann,
Gleich einem Raubthier, das ans Wasser kommt,
Durstlechzend schlürft's mit seinem heißen Rachen
Des Oelmarkt's ungeheuren Vorrath aus.
Schon ist's ein fettgemästeter Koloß,
Doch noch nicht satt. Es sind die Niederungen
Schon überglutet, und die Hügel stehn
In Rauch gehüllt. Bald aber schlägt hoch über
Den Rauch der Höhen noch hinaus die Flamme.
      Schon sind die Hügel Roms Vulcanen gleich,
Und speien Glut und Asche wie aus Kratern.
In Feu'r steht Palatin und Aventin,
Und nun umlodert auch ein Flammenkranz
Des Forums edel-stolze Prachtgebäude,
Die mit den hohen Giebeln, Marmorfriesen,
Mit Bogen, Colonnaden, furchtbar schön
Aufragen wie verklärt im Feuerschein.
Und sieh, hinüber nun zum hohen, ernsten,
Marmornen Capitol auch züngelts schon
Und glutroth steht die heilig-stolze Höh'!
Nun lodert wie von tausend riesigen
Wachtfeuern auch das weite Marsfeld auf.
Das wüth'ge Element, es schweift sogar
Bis zu den schweigsamen Cypressengräbern
Des Esquilin – selbst über'n Tiberstrom
Entsendet es die glüh'nden Feuergrüße
Hinüber in die nächtlich stillen Gärten
Am grünen Hange des Janiculus.
In weiter Ferne, schwarz und düster hebt
Am Rand des Horizonts sich vom glutrothen
Nachthimmel ab das schweigende Gebirg.
[133]       Basiliken und Tempel, Mausolee'n,
Und Thermen, Portiken, Amphitheater
Und Naumachie'n und ries'ge Circusbauten
Stehn in den Flammen da wie feurige
Denkmäler. Colossal'sche Säulen stemmen
Wie kampflustglühende Giganten sich
Dem Brand entgegen mit granitnen Panzern:
Doch dieser sprengt die Panzer ihnen, leckt
Der Eisenklammern schmelzend' Erzgefüg'
Wie heißes Blut aus ihrem Leib und wirft
Die Unterhöhlten tückisch in die Asche.
      Nichts ist dem Ungeheuer allzugroß,
Doch nichts auch zu gering, und nichts verschmäht es,
Und ruht nicht, bis es Alles, auch das Kleinste,
Verwandelt hat in Staub und Asche. Gleich
Ist Alles ihm und Alles macht es gleich.
Mit Einer Gier verschlingt's die Citrustische
Der Reichen wie des Brückenbettlers Krücke,
Holznäpfe wie murrhinische Gefäße,
Des Cynikers Sandalen wie des Consuls
Lictorenbeile und curul'schen Sitz.
Es wirft die Reichen aus den seidnen Kissen
Und sprengt die Riegel des Ergastulums,
Und stößt Gefang'ne vor die Kerkerthür.
Es schwelgt im Ueberrest lucull'scher Mahle
Und gräbt wie leichengierige Hyänen
Die Aschenurnen aus den Mausolee'n,
Und schlürft sie aus. Den Bart des Philosophen
Sengt es mit gleicher Wollust wie die Maske
Des Harlekins. Schandsäulen stürzt es hin
[134] Wie Ehrenbogen. Kränze fegt es weg
Von den Standarten, siegesruhm-gekrönt,
Wie von der Thür im Haus der Buhlerin …
      So schweigt in seinem Fraß das Riesenthier,
Und wo es naht, da flüchtet sich was lebt.
Nur noch die Plünd'rer wagen sich ins Inn're
Der Häuser und nur das Verbrechen noch
Schlägt in umloh'ter Einsamkeit zuweilen,
Von keinem Späherauge mehr behelligt,
Ein kurzes, freches Hohngelächter auf.
Es ist ja Rom, das brennt, das lasterhafte,
Das frevelvolle Rom; so manchen Gräul
Bedeckt des Augenblicks Verwirrung: Jeder
Ist nur sein eigner Freund: nicht Brüder, Gatten,
Nicht Mütter gibts: jetzt stößt der Feind den Feind
Geheim und ungestraft ins Flammengrab.
Dort steht ein schönes Weib und scheint zu schwanken,
Ob ihr Juwelenkästchen, ob ihr Kind
Sie mit sich aus den Flammen retten soll.
Sie schwankt nicht lange – sieh', sie nimmt das Kästchen.
Der Greis mit weißem Haar dort, kein Aeneas
Trägt aus der Glut auf seinen Schultern ihn –
Er hat zu lang gelebt, und Sohneshand
Schob am Gemach den Riegel grinsend vor,
Worin er jetzt verkohlt … Hinweg, hinweg
Von dieser Schau! wirf deinen Feuermantel
Darüber, Riesenbrand! dein Wüthen ist
Dem Aug' erträglicher als Menschentücke!
Du bist noch groß und herrlich im Vernichten!
Von dem, was brennende Penaten schaudernd
[135] Erblicken, eh' sie in die Asche sinken,
Kehr' ich zurück zu deinen Schreckensbildern. –
      Ha sieh, die Gipfel prasseln in die Tiefe!
Von Tempeln, die da brennen auf den Hügeln,
Rollt Säule schon um Säule donnernd nieder;
Geschmolzenes Metall auch schießt in Strömen
Herab wie Lava.Wenn die Balken stürzen
Von Giebeln in die grauen Aschenhaufen
Der Feuerstätten in den Niederungen,
Die ausgelodert, sieh, da wirbelt noch
Empor zum Himmel eine Funkensaat,
Als ob ein Riesenroß mit seinem Hufschlag
Aus einem Riesenfels sie stampfend schlüge.
      Hinweg aus stürzendem Getrümmer hat
Das Volk geflüchtet auf die Plätze sich.
Doch hier auch weht versengend noch der Gluthauch
Und unerträglich dampft der Brandgeruch
Und Rauch und Qualm verbreitet sich erstickend.
Die Tiber selbst wird heiß und wälzt sich sprudelnd
Voll Asche hin und voll von Trümmerwerk,
Das aus den Höh'n bis in die Fluten rollt.
Die Gärten brennen, Lorbeer-, Myrthenwälder
Auflodern hell: das Wasser in den Weihern
Beginnt zu kochen: Fische strecken lechzend
Den Rachen aus der Flut und schnellen sich
Hoch in die Luft empor, dem glutenden
Bereiche zu entfliehn, bis sie zuletzt
Verbrüht und todt die Oberfläche schwimmend
Bedecken. Vögel fallen aus der Luft
Versengt herunter. Aus den brennenden
[136] Thierzwingern stürzen sich die wilden Thiere,
Die Löwen, Tiger, Panther, Leoparden,
Und schweifen brüllend durch die Gassen, Schreck
Ins angstvoll drängende Getümmel tragend,
Das plötzlich sieht die aufgesperrten Rachen
Der Ungethüme neben, unter sich:
Doch auch die Ungeheuer selbst entsetzen
Sich vor den Flammen, gräßlich heulend rennen
Sie hin und her, bis sie, vom Brand umzingelt,
Verröchelnd unter glüh'nde Trümmer sinken
      Inzwischen hat sich aus den dichten Wolken
Des Glutqualms trüb und schwer das Sonnenrad
Herangewälzt im Osten, unscheinbar,
Wie unbemerkt von der Natur, denn heller
Als hellster Tag aufleuchtete die Brandnacht.
Matt scheint das Taglicht jetzt, doch es beleuchtet
Die Scene grasser, und die traurigen
Brandstätten stehn im fahlen weißen Schein
Des Morgens öder noch und wüster da.
Aus eingestürzten Tempeldächern ragen
Einsame Götterbilder. Oceane
Von Rauch und Qualm und rother Lohe wälzen
Sich über finsteres Gemäuer hin,
Wo schwarz berußt die hohe Säule ragt
Im braunen, aschenüberschneiten Grund,
Und ausgebrannte Bogenwölbungen
Dastehn wie grausige Triumphespforten
Des Genius der Zerstörung und des Todes.
      Es kommt ein scharfer Windeshauch von Osten
Und jagt das funkenschwang're Rauchgewölk
[137] Voll rother Glut bis ans Tyrrhenermeer.
Erloschne Brände glimmen wieder auf
Aus ihren Aschengräbern. Riesenhaft,
Sieh, wehn die blutig rothen Geierflügel
Des Brandes wieder hin von Höh' zu Höh':
Bis in den ehr'nen Himmel schlägt die Glut,
Und Wolken sengt der Brand wie Schmetterlinge,
Die unvorsichtig flattern um das Licht. –
      Wer ist der schöne, reich bekränzte Zecher,
Der dort auf ragender Terrasse ruht
Inmitten dieses wilden Flammenschauspiels,
Den Becher in der Hand, die goldne Leier
Zur Seite, rings umgeben von verzückten
Mänaden, Corybanten, als Trabanten
Sich schaarend um den stolzen Götterjüngling?
's ist Nero-Dionysos. Neben ihm
Von einer Seite ruht sein Lieblingslöwe
Geschmiegt, und von der andern zauberisch
Gelagert ruht die reizendste Bacchantin,
In deren Auge Nero blickt und schwört,
Daß nirgends schöner Rom, das brennende,
Sich spiegeln könne, nirgends würdiger
Als in dem schönen Auge der Bacchantin.
Und Muth einspricht er scherzend ihr, die zittert,
Die Jugendliche, vor dem Flammengräul,
Und vor dem Löwen, und vor ihm – und reicht
Ihr seinen feingeschliffenen Smaragd,
Den Lieblingsstein, durch den er selbst das Schauspiel
Des Circus oft beschaut, und der das Feuer
In sanftgedämpftem grünen Scheine zeigt.
[138] Zum Kinderspiel wird ihm das Gräßliche,
Mit dem er tändelt. Ihm zu Füßen schmiegt
Die Feuersbrunst sich scheu wie jener Löwe,
Und leckt zuweilen nur mit glüher Zunge
Empor an seiner Hochwart Eisenquadern
Gleich einem zahmen Hündlein, das beleckt
Die Füße seines Herrn. Wie oft ein Wand'rer
Vom hohen Klippenstrand mit Schauder blickt
Hinunter in die wilde See, so blickt
Vom sichern Quaderbau ins Glutmeer Nero,
Nur ohne Schauder, ohne Schwindel. Lachend
Gießt einen Becher goldenen Falerners
Er in den Brand hinab, als wollt' er löschen
Die Gluten – oder ist's zur Opferspende
Dem schönen, dem verwandten Element?
Ist Wein doch Feuerglut, vermält dem Wasser! –
Sieh da, ein mächtiger gefleckter Panther,
Geängstigt von dem wilden Brande, flüchtet
Zu Nero's Standort sich: doch Nero stößt ihn
Mit starker Hand hinunter in die Glut,
Ausrufend: »Ziehen Panther nicht den Wagen
Des Nero-Dionysos und du bebst
Zurück vor Flammen? Lerne dich gewöhnen
An deines Herrn geheiligt Element –
Denn er ist ja ein Flammen-Dionysos!« –
      Es steht die Warte wie ein Vorgebirg
Der Lust im Glutmeer. Goldne Becher klingen,
Scherzworte, trunkenes Gelächter schallt,
Aus der Mänaden Brüste niederthaut
Manch heißer Flammenkuß. Ein wenig abseits
[139] Vom Schwarme sitzt der weise Seneca,
Und, kühlen Blicks dem Brande zugewandt,
Festbannt mit flücht'gem Griffel er im Wachs,
Dem stets bereiten, Bilder und Gedanken,
Wie er sie ablauscht dieser selt'nen Schau,
Für seine nächste Schrift voll Stoa-Weisheit.
      Saccus-Silen, der trunk'ne, ruft: »Da seht,
Wie unser neuer Gott so wundersam
Die Welt verwandelt, wie er sie verklärt!
Seht ihr des Nero goldne Vögel flattern,
Die Flammen? Hört ihr wie sie lustig singe?
Wie anders, als das schläfrige Gezücht,
Das sonst den Aether Jupiters durchkrächzte!
Was ist der Regen Jupiters und seine
Gewölke gegen Nero's Feuerwolken?
Auffliegen sie um stürzendes Gebälk,
Und sprüh'n als goldner Funkenregen nieder,
Als gält' es eine Danaë zu befruchten.
Doch nein, das ist kein Funkenregen mehr,
Es ist ein wildes Funkenschneegestöber!
Ihr habt gesehn, wie Nero blitzt und donnert,
Nun seht ihr, wie er hagelt, wie er schnei't!« –
So scherzt der Dickwanst. Und je mehr die Stadt
Mit allen ihren sieben Hügeln rings
Aufflammt in weithin leuchtendem Geloder,
So mehr auch glüht das Angesicht des Nero
In wildem Purpur auf, und weiter spinnt er
Des Saccus Prahlerworte triumphirend:
      »Frag' den Neptun auch, was sein feuchtes Meer ist
Hier gegen Nero's Glutenocean?
[140] Es tauchen draus die Zinnen Roms wie Klippen,
An welchen brandend hoch empor der Gischt
Der wilden Lohe spritzt; wie Morgennebel,
Schweift übers Flammenmeer der graue Rauch.
Er führe seine weißbemähnten Rosse
Heran mit mir zum Wettstreit, auszustampfen
Den Brand, – sie werden mit versengten Mähnen
Zurück ins alte frost'ge Bette taumeln.
Und ihr auch, Winde, kommt ihm nicht zu nah',
Dem Feuerocean und seinem Gluthauch!
Denn statt ihn auszublasen, dürfte wohl
Der Odem eurer Lungen drin ersticken! –
Ha, deine Sonne, schöner Sonnengott,
Was ist sie heut? O seht, wie sie beschämt,
Weil überglüht von meinen Feuerbränden,
Am Himmel hinschleicht, unscheinbar und trüb,
Und müde durch die Wolken Rauchs sich wälzt?
Ha, gegen meines Brands zahllose Fackeln
Was bist du, Tag, einäugig armer Bettler,
Mit diesem Einen Sonnenaug'? – Du, Blitz,
Was bist du, als ein dürftig-schnöder Prahler?
Was bist du, Nacht, mit deinem Sternenheer?
Was ward aus dir, als ich die Glut entfachte?
Nur Funken schienen deine kleinen Sterne,
Aufsprühend in den dunkelschwarzen Himmel
Von diesem ungeheuren Feuerbrand!«
      »Reicht mir die Lyra, daß ich einen Hymnus
Der Flamme singe, ihr, die Troja einst
Verzehrte, Roms berühmte Mutterstadt!« –
      Er faßt die goldne Lyra, rührt die Saiten
[141] Süßtönend wie Apoll, und singt ins Brausen
Der Flammen regellos ein wildes Lied.
      Er singt von Troja, singt von Priamus,
Er singt vom Schicksalstag, dem lange schon
Voraus verkündeten, dem Tag voll Blut
Und Flammen, wo das heil'ge Ilion
Hinsank – unsterblich fortzuleben in Homer's
Gesängen, in Virgil's und Nero's Lied;
Er singt von Trojas Brand – und preist die Flamme.
»Schön bist du,« singt er jetzt in sanfterm Laut,
»Schön bist du, Flamme! Meine Blicke schwelgen
In deiner Glutenregion, gleichwie
In einer Rosenflur! Heil dir, o Flamme!
In Goldglanz läßt du mir die Welt auflodern!
Wie Midas einst, was er berührt, in Gold
Verwandelte, so wandl' ich mir die Welt
Zu glüh'ndem Golde ganz! – Ja, du bist schön,
O Flammen-Element! Weiß, purpurn, blau
Blühn deine Blumen! Und das edelste
Von allen Elementen bist du wohl,
Von allen Dingen du das göttlichste –
Denn erdwärts lastet jedes ird'sche Ding,
Der Geist nur und die Flamme strebt nach oben!
Wie mag zu Muthe dem gewesen sein,
Dem Sterblichen der Urwelt, der dich sah
Zum ersten Male, dem du aus dem Kiesel
Entgegensprangest, oder aus dem Wipfel
Des blitzgetroffnen Baums entgegenflammtest!
Wie mag er bebend erst erschrocken sein,
Bis deine Schöne ihm das Herz bezwang
[142] Und er dich liebend hegte wie ein Schoßkind
Auf seines Hauses Herd! – Sei mir gegrüßt,
Glut-Element, im Tiefsten mir verwandt!
Lichtdämon, heißer, ewig lechzender
Wie meine Seele
– fressend und zerstörend,
Und göttlich doch! Was wär' der Erdenkloß,
Allgegenwärt'ges, ohne dich? Gedämpft
In Rosen brennst du, sprühst im Wellenschlag,
In Wolken – im Gestein – im Wein – im Auge
Des schönen Weibes, und so labt das Herz
Dein Götterstral zerstreut nur: doch dem Nero
Genügt' es nicht – in deiner ganzen Schöne
Wollt' er dich sehn, in deiner ganzen Fülle,
In deiner herrlichen Unendlichkeit!
Prometheus brachte einst nur einen Funken
Vom Himmel, und die Welt schrieb seinen Namen
Mit goldnen Lettern ein ins Buch des Lebens!
Bin ich ein kühnerer Prometheus nicht?
Des Lichts, des Feuers ganze Fülle gieß' ich
Vor euch, ihr Menschen, aus! Wovor die Götter
Einst zitterten, als Phaëthon die Zügel
Der Sonnenrosse nahm in seine Hand –
Daß üppig rings auflodere das Feuer,
Das prächtige, davon die Neidischen
Nur karge Funken gönnten dieser Erde –
Seht, Nero-Dionysos hat's vollbracht! –
Aufglüht die Welt im Jubelschein der Flammen,
Und die Bacchantenfackel hat gethan,
Was Helios' Flammenrosse kaum vermocht!
Aufsteckt' ich zündend eine Riesenkerze,
[143] Und nahm zum Dochte mir das große Rom:
Der Docht hat vollgesogen sich am Fett
Der Völker lange, seit Jahrhunderten,
Drum brennt er jetzt so lustig, lichterloh!« –
      Hier stirbt der Saitenschall und Nero's Lied
Verwandelt sich in Zornesdonnerklang:
»O Rom, gedenk' ich, daß du's bist, woran
Die Löwenzungen dieses Brandes lecken,
Trübt sich das Element, das reine, mir,
Und nicht mehr seh' ich eine Rosenflur,
Nein, du erscheinst mir wie ein Riesenkessel,
Wie ein thessal'scher Hexenkessel, drin
Beim Schein der Glut in widrigem Gemisch
Aufkocht die Völkerhefe, kocht der Brodem,
Der hier zusammenrann aus aller Welt!
      Und grauser noch, je mehr ich blick' auf dich,
Erscheinst du mir – als eine Riesenbeule,
Die krankhaft vollgeschwellt sich nun entzündet
Und leuchtet in karfunkelrother Glut!
      Ha, Römervolk! wie einen Scorpion
Hab' ich mit Feuern dich umzingelt – drücke
Den Stachel doch ins eigne matte Herz! …
      Doch seh' ich recht? Ei, wie die schnöden Wichte,
Die Menschlein, sich da unten mälig wieder
Entwöhnen ihres Grausens! Leuchtet nicht
Der Brand dort in ein Menschenangesicht,
Das lächelt? Wendet es zum Nachbar nicht
Mit einem Scherzwort sich? So ist's – das Schreckniß,
Das wildeste, verliert zuletzt den Stachel –
Doch auch den Reiz. Das wundervollste Schauspiel
[144] Wird uns zum Ueberdruß. Eintönig dünkt
Mir selbst die Flamme schon – mein Augenstern
Ist übersättigt von dem grellen Gelb –
Bringt wieder andre Farben mir vor Augen:
Grün, oder Roth – und wär's auch rothes Blut
      Ist Sclave Nero's auch das Ungefähr?
Dort aus den Gassen, sieh, der Stadt, was drängt
Sich, wie gerufen, ungestüm heran?
's ist eine Schaar Bacchanten, an der Spitze
Der schnöde Mohr. Und in des Schwarmes Mitte
Umzingelt wird geführt ein traurig Häuflein
Von Männern, Frau'n, von Greisen, Jungfrau'n, Kindern.
Vor Nero still hält dieser bunte Zug,
Und Tigellin beginnt: »Herr, eine Rotte
Von Frevlern bringen vor dein Antlitz wir.
Die Schelme, die gefangen hier du siehst,
Sind Nazarener, Christen. Höre, wie
Sie frevelten an deiner Herrscherhoheit!
Als Nero-Dionysos diese Nacht
Verkündigt und gefeiert ward zu Rom,
Wie sichs geziemt, als neuer Gott der Welt,
Da liefen diese Schwärmer auf die Straßen
Und sprachen zu dem Volk und riefen laut,
Wohl sei'n gestürzt die alten Götter, wohl
Gäb's einen neuen Gott und Herrn der Welt,
Doch dieser neue, größ're Gott, er heiße
Nicht Nero-Dionysos, Roms Tyrann,
Nein, Jesus Christus – der geboren ward
Zu Bethlehem im Judenland', ans Kreuz
Geschlagen unter Pontius Pilatus
[145] Vor dreißig Jahren in Jerusalem.
Und diesen neuen Gott, und eines neuen
Weltreichs Herannah'n predigten die Schwärmer
Mit keckem Wahnwitz in den Flammen Roms.« –
      »Ein and'rer neuer Gott?« ruft Nero. »Ha!
Ein neuer Gott, den man ans Kreuz geschlagen?
Führwahr ein furchtbar mächt'ger Nebenbuhler
Für einen Nero-Dionysos! Hört,
Ihr seid die wunderlichsten aller Thoren,
Wenn keinen bessern Gott ihr finden konntet,
Als einen, den man an das Kreuz geschlagen.
Auf mich her blickt! Es dampft als Opferschale
So eben glutend mir das große Rom!
Laßt fahren diesen Wahnwitz, und bevor
Man euch ans Kreuz auch schlägt wie jenen Gott,
Den ihr verehrt, und der sich selbst nicht half,
Stimmt ein in meiner Treuen Jubelruf!
Stimmt ein ins Evoë der Corybanten! –
Und ruft ihr laut genug, so schenk' ich euch,
– Denn ihr scheint mehr verrückt mir als gefährlich
Und ich bin eben mild und gut gelaunt –
So schenk' ich euch vielleicht sogar das Leben.
Habt ihrs vernommen? Nun besinnt euch rasch,
Und laßt ein stürmisch Evoë erschallen!« –
      Es steh'n inmitten der gefangnen Schaar
Im Silberhaar zwei wunderbare Greise,
Erhaben, hehr, wie Götter. Um sie her
Wie Lämmer um den Hirten, stehn die Christen,
Und blicken bei des Nero Lästerwort
In dieser Greise leuchtend Angesicht.
[146] Auf ihren Wink hinwirft die ganze Schaar
Sich auf die Knie', und läßt, den Blick verzückt
Zu blauen Himmelshöhn, des Schwures Ruf
Erschallen hundertstimmig: » Dich allein
Anbeten wir, Sohn Gottes, Jesus Christus!
« –
      In wildem Grimm loht Nero's Antlitz auf.
Horch, schallt im Augenblick nicht eines Löwen
Gebrüll herauf? Im Aug' des Mohren zuckt
Ein infernalischer Gedankenblitz.
Zum Rand der marmornen Terrasse führt
Er Nero vor und weist ihm in der Tiefe
Der gähnenden Arena weites Rund,
Um das bereits die Flammen züngelnd lecken.
Schon faßt der Brand den großen Thierbehälter,
Drin, aufbewahrt zum nächsten blut'gen Spiel,
An Gitterstäben rüttelt Löw' und Tiger.
Auf diesen Zwinger und auf die Arena
Hinweist des Mohren Blick und rasch ergreift
Das wüth'ge Herz des Nero den Gedanken,
Der in dem Aug' des Schwarzen schaurig sprüht:
Er wendet sich zum Schwarme der Bacchanten:
»Führt in die Tiefe der Arena nieder
Die hirnverbrannten, frechen Nazarener,
Und laßt auf sie die wilden Thiere los!
Der Kampfraum soll uns noch ein Schauspiel bieten,
Eh' ihn die Glut bedeckt – die wilden Thiere,
Sie sollen sich noch einmal sättigen,
Eh' sie der Brand verkohlt – ein prächtig Schauspiel
Soll's werden: erst der Kampf der Thier' und Menschen,
Und dann der Flammenschwall, der über Thier-
[147] Und Menschenleichen hoch zusammenschlägt!« –
Vollzogen wird mit Jubel rasch das Wort.
In der Arena Raum gestoßen, steht
Der Nazarener todtgeweihte Schaar.
      Ausspeit der Zwinger jetzt ein wildes Rudel
Von Ungeheuern: Löwen, Tiger, Bären,
Hyänen und Schakale, Elephanten,
Und wilde Büffel: Boaschlangen selbst
Mit Riesenleibern wälzen sich heran.
Es knie'n die Christen betend still im Sand,
Und heben Aug' und Hände himmelwärts,
Und bleiben reglos. Manche stehn, und ragen
Inmitten der Gefährten hehr empor
Wie Säulen, die zum Himmel weisen. Sieh,
Die Ungethüme selbst erstaunen fast
Vor dieser frommen, still erhabnen Ruh
Und halten einen kurzen Augenblick
Im wilden Anlauf ein, und wissen nicht,
Ob Menschen Jene sind, ob Marmorbilder.
Der Löwe legt zuerst die mächt'ge Pranke
Auf eines Beters Schulter. Still umkreist
Den Kampfraum die Hyäne – wollt ihr nicht,
Ihr Bestien, den wilden Tanz beginnen?
Da wirft der Tiger sich mit einem Sprung
Auf einen Menschenleib und reißt ein Stück
Aus seiner Seite – strömend raucht das Blut
Des Stillverröchelnden, und gleich als ob
Der Blutdampf aufgeweckt die grause Lust,
Beginnt ein fürchterliches Morden jetzt.
Der Löwe fährt mit offnem Rachen, brüllend,
[148] Auf immer neue Opfer los, und haut
Die Pranken ihnen in die blut'gen Weichen.
Die schleichende Hyäne kommt heran
Und sättigt sich, das Aug' von Mordlust glitzernd,
An Leichen, die der Löwe, die der Tiger
Zerfleischt, zerstückelt ließ im Sand zurück.
Der Bär erhebt sich auf den Hinterbeinen
Und öffnet mit Gebrumm' den heißen Rachen
Und schlägt mit seinen wucht'gen Tatzen los
Auf zarte Leiber. Wild im Anlauf spießt
Mit Zorngebrüll der Stier sein Opfer auf.
Aus wuthgehetzter Bestien Getümmel
Wie blinken da die edlen Menschenbilder
In ihrer Ruhe und erhab'nen Schöne!
Welch' rührend wundersames Widerspiel:
Sieh da die rasende, sieh da die wilde,
Die rauhbevließte, grause Thiergestalt,
Und hier der edle, weiße Menschenleib,
Der glatte, schmiegsam weiche – sieh die Rachen,
Die offnen, des wuthschnaubenden Gethiers,
Ganz Mordlust und blutdürst'ge Fraßbegier –
Daneben das verklärte Menschenantlitz,
Das heil'ger Ruhe voll zum Himmel blickt!
Von bleicher Jungfrau'n Gliedern wird gerissen
Das hüllende Gewand und noch im Sterben
Färbt heil'ger Scham Entsetzen ihre Wangen.
Sie schützen mit den Händen nicht das Leben,
Nein, nur den jungfräulichen Leib. Noch jauchzen
Bacchantische Betrachter bei dem Anblick
Und Nero mustert mit dem Kennerblick
[149] Der jungfräulichen Formen Lieblichkeit.
Vor Allen fesselt ihn ein zartes Bild,
Das reizvoll noch erscheint im Todesschreck
Und wie ein stilles Blumenhaupt im Sturme
Sich vor dem Hauch der Ungeheuer beugt.
Der Himmelszauber dieser Unschuldsblüte
Reizt Nero's frevle Gier. Wildlächenld ruft er:
»Wer steigt hinunter in den blut'gen Zwinger,
Und holt das bleiche Mägdlein mir herauf?
He, Burrus, wackrer Bursch, ein Hercules
An Schultern, und an Muth ein Löwe selbst,
Hast du nicht Lust für diesen Diamant
Herauszuholen jene Perle mir
Als Taucher? jene Liljenwangige,
Die dort noch lebend kniet, unfern der Pforte
Des Kampfraums, mir zu holen aus dem Reigen
Der Bestien?« – Er sprichts, und schon erhebt
Der willige Trabant mit dem Genick
Des Stieres, Burrus, wie er es gewohnt,
Auf seines Herren Wink sich ohne Säumen,
Berauscht von Wein, und drum nur noch beherzter,
Und steigt gemach hinab und öffnet muthig
Das Pförtlein und entreißt die bleiche Jungfrau
Mit sicherm Griff, er selbst ein wildes Thier,
Den wilden Thieren, die schon nach ihr schnappen,
Und schleppt zu Nero's Füßen sie hinauf.
Doch die Besinnung ist aus ihrem Haupt
Gewichen, ihres Haares Flechten hangen
Ums bleiche Antlitz schlaff – sie ist, wie scheintodt
Gezogen aus der See. »Bringt mir das Mägdlein
[150] Zurück ins Leben – schmückt sie als Bacchantin,
Schlingt Weinlaub ihr ums Haar, und führt sie dann,
Die Zarte, bräutlich wieder mir entgegen!« –
So Nero's Machtwort und sein wilder Blick
Sucht wieder nun das blut'ge Circusspiel.
      Ha, sieh, es wüthen um die Beute gegen
Einander jetzt die gierigen Verschlinger!
Sie streiten sich um leckre Stücke Fleisches
Und um des heißen Blutes Labetrunk,
Das roth die Sandflur der Arena färbt.
Der Panther knurrt den Elephanten an,
Der seinem Fraße naht – der aber faßt
Mit seinem Rüssel ihn und schleudert ihn
So machtvoll an des Rundbaus Marmorbrüstung,
Daß aus dem Kopfe des Zerschmetterten
Spritzt das Gehirn; die Boa faßt den Büffel
Und legt die furchtbar'n Windungen um ihn,
Indeß er aufbrüllt schaudervoll, und krachend
Zermalmt sie seiner Rippen Knochenpanzer.
      Zuletzt mit Würger-Ingrimm stürmen alle,
Wie von den Furien gehetzt zur Tollheit,
In brausend wildem Wirbel durcheinander,
Wuthschnaubend, geifernd, brüllend und zerfleischend.
Ein Höllenkessel scheint nun die Arena,
      In welchem schäumt und siedet heiße Wuth.
Da sieh, was ragen noch, wie Götterbilder,
Hoch aus dem blut'gen Meer der Mordlust auf
Im Silberhaar die beiden hohen Greise?
Sind sie vergessen von den Ungeheuern?
Sie ragen auf so hehr, als ob sie sagten:
[151] »Wir stehn wie Riesenfelsen in der Flut,
Darauf man ew'ge Tempel bauen mag!« –
Sie stehn in hoher, leuchtender Verklärung:
Die wilde Meute prallt davor zurück,
Und schleicht vorbei und sucht sich and're Opfer.
Doch Sehnsucht wird in ihrem Blick die Andacht,
Sie blicken in den Himmel wie verzückt,
Sie sehn ihn offen – sehnen sich empor
Zum hohen Meister, der im Glanze thront
Und ihnen winkt: »Die Saat ist ausgestreut,
Ist ausgestreut für die Jahrhunderte –
Der wackre Sämann darf zur Ruhe gehn!«
So klingt es ihnen aus dem Glorienschein,
Und wie auf ihren eignen Wink, so schlägt
Der Mordlust rothe Wogenflut nun auch
Zusammen über diese weißen Häupter –
Zusammen über Petrus, über Paulus! …
      Inzwischen hat die Flamme, wie ein Wolf
Der Hürde, nah und näher sich geschlichen,
Und bricht herein mit sengender Gewalt
In der Arena qualmenden Bereich.
Erstickend loht der Gluthauch um die Thiere,
Und so dem größern Ungeheu'r erliegend,
Hinstürzen mit verbrannten Leibern sie.
Hoch über Thier- und Menschenreste wälzt
Der Glutstrom sich wie Lava schaurig weiter.
Und Nero spricht, den Seinen zugewandt:
»Wo ist sie, meine blasse, kleine Christin?
Hat sie den Schreck verwunden? Wie gefällt
Sie als Bacchantin sich? Ihr habt sie doch
[152] Geschmückt, den Kranz ihr um die Stirn geschlungen?« –
Da schweigend auseinander tritt die Schaar,
Und es erscheint auf Blumen hingelagert,
Geschmückt, doch reglos, jenes Jungfrau'nbild.
Wohl als Bacchantin ist geschmückt die Holde, .
Wohl grünt der Weinlaubkranz ihr um die Locken,
Und Rosen blühn ihr um den Leib – den Zügen
Entwichen ist der Todesschreck, sie lächelt:
Sie lächelt – doch sie athmet nicht – gepflückt
Hat sie der Tod. Die lichte Rosenzier,
Die um den zücht'gen Leib ihr ward geschlungen,
Ist jetzt wie rothes Blut, das auf das weiße
Gefieder pfeilgetroffner Tauben trieft.
      »Schafft mir hinweg die blaße Leiche!« ruft
Unwillig Nero. Tigellin erfaßt
Den Leib der Todten; bei den Füßen faßt
Er sie und schleudert in die brennende
Arena sie zurück – in jenen Schlund
Hinab, draus Burrus sie zuvor geschleppt …
Die Zeugen ringsum überläuft es kalt …
      Es wendet Nero zu dem Mohren sich:
»Ei, Tigellin, unhöflicher Geselle,
Wie du mit holden Jungfrau'n Fangball spielst!
Du bist der Trefflichste von meinen Bütteln!
Du thust das Grausigste so still vergnügt,
Wie du den Katzen ihre Schwänze raubst,
Und Vögel würgst im Nest. Oft frag' ich mich:
Lebt dieses Scheusal wirklich? Ist so reine,
So unbedingte Bosheit nicht ein Unding?
Ich glaube, Mensch, du bist nur Einmal da,
[153] Du warst noch nie, und wirst nie wieder sein –
Wie Nero-Dionysos, dem du dienst.
Da Bosheit Keinen fand, der schlecht genug,
Das Böse all' zu thun, das für den Nero
Gethan sein mußte, so verkörperte
Sie sich in einem hübschen Mohrenantlitz
Und nannte Tigellin sich, und verdingte
Sich stracks dem Nero, der ein Scheusal brauchte!
Du bist noch eigenwilliger als ich:
Was dich ergötzen soll, muß böse sein:
Dich freut das Böse, eben weil es böse.
So denk' ich nicht! es dürfte Böses gut
Und Laster Tugend sein um meinetwillen –
Es freut mich, weil michs freut, weil mirs beliebt!
      Daß Rom aufging in Glut, daß wilde Thiere
Mit Menschenleibern hier vor meinen Augen
Zum Schreckensknäu'l sich in einander schlangen –
Das Alles, es geschah, weil ich's gewollt:
Und weil ich es gewollt, erquickt es mir
Den Sinn wie Rosenduft und Vogelsang!
Im Anblick, der entsetzt die kleinen Seelen,
Schäumt mir der Becher meiner Herrlichkeit
Berauschend als ein Göttertrank entgegen!
Begierde, meint' ich, sei das höchste Leben,
Eh Roma kam zu Nero's Bacchanal
Nun nenn' ich es die Laune – das Belieben!
Kein Ding ist werth ja, daß man es begehrt,
Und wir erringen's nicht, besitzen's nicht –
Wir könnens nur genießen, und – zerstören!
Im Brande Roms hat sich mein Geist gestählt,
[154] Und jeder weiche Traum der Menschenseele,
Zerfließt in dieser Flammen Frühroth mir!
      Ich habe dem Geheimniß des Genusses
In allen Tiefen nachgespürt, ich habe
Die Wonnen all' der Erde durchgekostet.
Und doch was war es? Jetzt erst steh' ich oben
Auf des Genusses wahrer Sonnenhöh'!
Nicht der genießt, der hierhin, dorthin blickt,
Der liebt und haßt, der achtet und verabscheut:
Nur der genießt, dem Alles nur ein Spiel;
Der nicht ein Ding erfaßt als Narr und Schwärmer,
Nein, nur wie Einer, der beim Schlemmermahl
Brotkügelchen zerkrümelt mit dem Finger;
Der alle die gefräßigen Idole,
Die uns das Herzblut aus den Adern saugen,
Zertrümmert, und auf des entgötterten
Altares Höh sich selber lächelnd stellt.
Wer durft' Idole in die Brust mir pflanzen,
Die mich beherrschen, mir Gesetze geben?
Bin ich ein Räderwerk, das, aufgezogen
Von fremder Hand, muß laufen nach dem Zweck,
Der mir gestellt ward, eh' ich's selbst gewollt?
Wer spricht von Zweck und von Bestimmung mir?
Nie will ich werden eines Zweckes Narr!
Und, wenn ich etwas thäte, weils vernünftig,
So wär' ich ja der Sclave der Vernunft –
Vernunft? was ist das? ist's mein eignes Ich?
O nein! mein Wille nur – das bin ich selbst!
Unendlich Wollen ist unendlich Leben!
Daß Einer, Einer in Jahrtausenden
[155] In sich entfache dieses höchste Leben,
Ist mit dem Mord von Tausenden, dem Brand
Der halben Welt zu theuer nicht erkauft! –
      Was ist das Leben dieser Creaturen?
O diese feigen, kleinen Menschenseelen,
Die vor den Göttern kriechen, wenn es donnert,
Die des Genusses Hesperiden nicht
Mit kühner Hand im Göttergarten pflücken,
Nein, nur erbetteln, stehlen und erschleichen,
Die mit der Stoa Tugendwahn im Leibe
Auf Rosenlagern Epicurs sich wälzen,
Und die mit Namen prahlen ohne Sinn,
Mit Dingen, die der Menschenseele fremd sind
Und ewig fremd sein werden, wie die Liebe –
Denn jedes Dasein ist ein Egoismus –
Ha, dieses eitel-windige Geschlecht
Ist kaum mir gut genug zum Schemel, oder
Zum Fangball, oder – zur Muränenmast!
Auf dies Geschlecht, auf diese Menschenwelt,
Auf sie, ha! sollen all' die Götterlaunen,
Mit denen ich der Stunde Gang beflügle,
Und meiner Allmacht spielend mich erfreu',
Dahin wie Ungewitter brausend rollen!
Sie sollen heil'ge Strafgerichte drin
Erblicken, wenn ich tändle, wenn ich spiele;
Des Fächers Wehen, der mich fächelt, soll
Orkan für sie sein; jeder Stral, dran ich
Mich wärme, soll ein Weltbrand für sie sein!
Was mich ergötzt, wird doppelt mich ergötzen,
Wenn es dies Rom erschreckt, entsetzt und peinigt:
[156] Denn Lieb' und Mitgefühl ist ausgelöscht
In meiner Brust bis auf den letzten Rest –
Seit jener Nacht, wo Göttin Roma kam
Zum Bacchanal des Nero-Dionysos
! –
Seit jener Nacht, seht, hab' ich abgethan
Die Menschlichkeit und bin zum Gott geworden!
Und im Gefühle dieser Göttlichkeit
Fordr' ich den Erdkreis lächelnd in die Schranken,
Himmel und Erd' und den Avernus selbst;
Wer ist's, der zwischen Erd' und Himmel mir
Entgegentritt und meinen Worten Hohn spricht? –
Wer ist's? – Ha, Alles schweigt! da ruht gelagert
Ein Menschenschwarm – und schweigt; da weithin rauchen
Die Trümmer Roms und – schweigen, und da unten
Zu meinen Füßen dehnt sich die Arena,
Gefüllt mit Asche, Glut, verkohlten Leibern –
Und schweigt ...«
                     Vortritt zum Rand der Marmorstufen
Mit siegesstolzem Blick der wilde Nero,
Und blickt hinunter in den bunten Graus,
Der dampfend der Arena Tiefe deckt …
      Was regt da plötzlich zwischen den zerfleischten,
Verkohlten Thier- und Menschenleibern sich?
Ist's nicht ein Greis? ein uralt Menschenbild?
Es richtet sich gespenstig langsam auf.
      Und aus dem Schlunde der Arena hilft
Ihm eine dargebotne Hand die Stufen
Empor auf Nero's Wink – und siehe da,
Die hohe Grau'ngestalt des finstren Bettlers,
Des wildumlockten, steht vor Nero.
[157]                                                           »Du?«
Ruft dieser, »mußt du, Mumienangesicht,
Du, tausendjähr'ge Todtenmaske, mir
Entgegentreten stets in meinen höchsten
Momenten? – Doch was thuts? Auch dein Gesicht
Stört fortan Nero's Götterruhe nicht!
Dreifach gestählt ist diese Brust für immer …
Bist du zufrieden, Alter? Hast du dir
Die Glieder baß gewärmt am schönen Feuer,
Das ich so ganz nach deinem Wunsch entfacht?
Du hast doch selbst auch wacker mitgeholfen,
Denn Keiner hatt' es ja, wie du, so eilig
Beim Auszug meiner Fackelschwinger! Sprich,
Wie kam es denn, daß dieser Todesabgrund,
Der eben hundert Leben gierig fraß,
Gleichwie ein einz'ger aufgesperrter Rachen,
Ein Löwen- und ein Feuerschlund zugleich,
Auch dich verschlang und jetzt dich wieder ausspie?
Und eben dich allein? Schweigt nicht der Abgrund,
Und hat er doch noch etwas mir zu sagen?
Wohlan, ich höre! wenn du kamst zu reden,
So rede frei!«
                 »Ich thu's,« versetzt der Alte.
»Der Abgrund spricht, und ich, ich bin die Zunge
Des Abgrunds – wie im Mund des Thiers die Zunge
Bleibt unverkohlt, weil sie der beinerne
Schutzwall der Zähne deckt, so blieb auch ich
Erhalten in dem Flammenschlund – als Zunge!
Sei mir gegrüßt, Titane der Zerstörung!
Ich habe mir den alten Leib gewärmt
[158] Am schönen Feuer, das du angefacht,
Ich habe selbst auch wacker mitgeholfen!
Ich war es, der den ersten Brand geschleudert!
Wohl liegt nicht Alles noch, was liegen soll,
Noch Manches ragt so stolz, so trotzig auf,
Was stürzen muß, soll ganz mein Herz aufjubeln
In süßer Todes- und Vernichtungslust!
Indessen ruf' ich: Heil dir, Heil, o Nero!
Die Flammen singen deinen Ruhm und lassen
In Goldglanzlettern leuchten deinen Namen,
Und krönen dich mit einem Glorienschein!
Die Asche, und die Trümmer, und die Leichen;
Sie danken dir – das ausgebrannte Rom
Es dankt dir, ja es streckt dir seine Zinnen,
Die schwarzverbrannten, aus dem Trümmerschutt
Entgegen, nur zum Dank! Hinsank es gerne,
Als lebensmüder Zecher, in die Glut!
Durch Tod und durch Vernichtungen hindurch,
Und immer wechselnde Gestaltungen,
Hinringt die arme Menschenwelt sich qualvoll
Zu einem unbekannten Ruheziel.
Und Zeiten gibts, so bleiern, schal und elend,
Wo der Genuß nur und der Rausch allein
Den Sehnsuchtsruf des Innern nach Vernichtung
Noch übertäubt. Die arme Menschheit – dann
Gebiert sie aus sich selbst sich einen Richter,
Gebiert sie aus sich selbst sich einen Büttel 
Wenn Feuer nicht herab vom Himmel fällt,
Und nicht das Meer aus seinen Ufern tritt,
So muß sie wohl aus ihrer eignen Mitte
[159] Erwecken sich den Henker, der sie richtet,
Ja, der sie richtet, und mit ihr – sich selbst! –
Ja, auch sich selbst!« – Bei diesen Worten fällt
Von allen Bränden Roms der Widerschein
Auf dies verzückte Seherangesicht.
Wie eine Wetterwolke dräut es feurig
Und wie der Blitz fährt draus der Blick auf Nero:
»Ja, auch sich selbst! vernimmst du's, Nero, wohl?
Hinab, o Nero, stürze dich hinab!
Dein Werk zu krönen, wirf dich selbst nun auch
Hinab ins Flammengrab! du bist ja selbst
Der Gipfel deiner todeswürd'gen Zeit
Und ihrer trunkenen Unseligkeit,
Und ihrer prunkvoll gleißenden Verwesung;
Stürz' in die Flammen unter die Ruinen!
Du bist so leer, so hohl, so todt wie sie!
Dein eig'nes Inn're ist ein Trümmerwust!
Der Eigenwille, sagst du, sei dein Ich?
O bettelarmes Ich, das nichts besitzt,
Als sein unbändig, maßlos eig'nes Selbst!
Dein Geist, dein Herz, dein Sinn ist leergebrannt
Bis auf das nackte Wollen, und das poltert
Nun im Ruinenhaufen als Gespenst!
      Hinausgerissen aus der Bahn, in der
Geschaffnes ewig tanzt den sichern Reigen
Um einen unbekannten Mittelpunct,
Hat dich des Lebensdranges Ueberschwang!
Nun schweifst du hin, ein feuriger Komet,
Halt-, bahn-, und ziellos im Unendlichen,
Und steckst die Welt in Brand, und nennst dich Gott?
[160] In deiner Selbstsucht bodenlosem Abgrund,
Da wohnt die sel'ge Götterruhe nicht!
Da ist es einsam, schaurig, kalt und dunkel!
O gegen diese Oede ist das Nichts
Ein Rosengarten und der Tod ein Kuß
Der Wollust. – Wirf dich unter die Ruinen,
O Nero, du bist leer und todt wie sie! …
      Wohl hab' ich todesfroh die schöne Flamme
Geschürt, die dieses Rom verzehren sollt' –
Doch nicht dein Helfer war ich, Nero, nein,
Du warst der meine! Zweifelst du daran?
Tauch in die Flammen, unter wilde Thiere,
Wie ich, und steige d'raus empor wie ich! –
      Im Namen jener, die sich wie ein Phönix
Aus ewigen Verwandlungen erhebt,
Die aus erloschnen Daseins Aschenresten
Den Funken neuer Lebensblüte lockt –
Im Namen der unsterblichen, der hohen,
Die du verachtest und an der du frevelst
In keckem Uebermuth, vor der du dich
Aufblähst zum Gott, ein eitler Sterblicher –
Im Namen dieser ewigen – im Namen
Der Menschheit sprech' ich über dich den Fluch!
Ich bin ihr Mund, ich bin ihr duldend Herz,
Ihr ewig ringend-ruhesehnend Herz!
Du aber bist ihr Henkerwerkzeug nur,
Das sie bei Seite wirft, gleichwie der Mörder
Das blut'ge Messer in den Abgrund wirft,
Nachdem er es gebraucht. Ja, über dich
Ruf ich den Fluch und weihe der Vernichtung
[161] Dein todverfallnes Haupt! doch nicht dem Tode,
Der sanft das Menschenkind, das lebensmüde,
Zur Ruhe bettet – solchen Tod verdienst
Du nicht – du sollst ihn bei lebend'gen Gliedern
Empfinden, sollst im Herzen, das noch pocht,
Die Würmer der Verwesung nagend spüren!
Du sollst, noch lebend eine Zeitenspanne,
Den Fluch der inneren Unseligkeit
Hinschleppen, bis in öder Seele schaudernd
Du selbst begreifst, daß du das höchste Ziel,
Das Ziel der inneren Beschwichtigung,
Das du durch Weltvernichtung wollt'st erreichen,
Nur noch erreichen magst durch Selbstvernichtung!« –
      So klingt der Fluch, so klingt das Donnerwort
Des furchtbar'n Unbekannten. Schweigend blicken
Die Hörer rings im schreck-erstarrten Kreis
Aus Nero, der mit Augen, stumm und kalt,
Des wilden Greises Flammenblick erwiedert.
Versteinert waren sie so lang er sprach,
Und langsam kehrt in sie zurück das Leben
Nun, da er schweigt. Sieh da erhebt sich ruhig
Und lächelnd Tigellin, und wendet sich
Zu Nero, fragend: »Herr, gebietest du,
Daß ich zurück ins Glutmeer der Arena
Den Bettler stoße, der wohl nicht erst jetzt
Da unten sich versengte das Gehirn –
Wir kennen ihn schon länger, den Verrückten
Mit wirrem Blick und weißem Flatterhaar –
Mög' er ein zweites Mal sein Glück versuchen.
Vielleicht, daß doch ein wackrer Löwe sich
[162] Besinnt, der noch nicht satt von Menschenfleisch,
Und der auch diesen Bissen nicht verschmäht!« –
      Bei diesem Scherzwort grinsend lehnt der Mohr
Am Sockel eines colossalen Löwen,
Deß' Marmorbild den Plan der Warte krönt.
      Der Greis erhebt mit ernstem Blick die Hand
Und spricht: »Vernimm, du schwarzer Satellit:
Viel leichter mag's gescheh'n, daß jemals dich
Hier dieser kalte Marmorlöwe tödtet,
Als mich ein lebender!
« –
                                 »Der Marmorlöwe?«
Hohnlächelt Tigellin; »ei, wer versähe
Sich solchen Thuns von einem Marmorlöwen?
Hör' an, du steinerner Gesell …«
                                                Er sprichts
Und steckt mit Lächeln seine Hand dem Unthier
Tief in den starren, offnen Rachen –
                                                          Doch
Im selben Augenblick, mit einem Schrei
Zieht rasch der Mohr die Hand zurück –
                                                                Und sieh' –
Um diese schwarze Hand her ringelt sich,
Nicht minder dunkelschwärzlich, eine Viper,
Die stillversteckt in marmorkühler Tiefe
Des offnen Löwenrachens schlummernd lag …
      Schmerzheulend schleudert fort der Mohr die Viper,
Und starrt auf seiner Hand durchstochnen Punct,
Drin schon das Todesgift verzehrend kocht. –
Wild rollt sein weißes Aug', er schwindelt – wankt –
Entsetzen lähmt ringsum die Menschenschaar. –
[163]       »Es wächst (so flüstert er) im fernen Nubien
Ein Kraut, das solche böse Stiche heilt –
Nun aber ist's geschehn um Tigellin.
Nero, fahr wohl! ich sterbe – was ist's weiter?« –
      Er taumelt, sinkt zu Boden, krümmt sich dort
In heißen Qualen – seine Lippen schäumen –
Die Glieder zucken –– er beginnt zu faseln
Im wilden Fieberwahn: »Brennt Rom nicht mehr?
Mir ist so finster vor den Augen – ha,
Den greisen Dämon nur erblick' ich noch –
Fort, Alter, du erschreckst mich, nicht der Tod – –
Bist du der Samum? Endlos brennt die Wüste
Ein Feuerregen träuft herab – mich dürstet
Ha, willst du bis zum Himmel wachsen, graues
Gespenst? …«
               Das Aug' des Mohren bricht und starrt
Gebrochen schaurig auf den Alten noch …
      Entsetzen faßt des Schauspiels Zeugen all.
Doch bald erhebt sich um den Greis der Ruf:
»Ein Zauberer! er wars, der Tigellin
Getödtet!« – Und erhob'ne Arme droh'n.
      Doch Nero winkt abwehrend mit der Hand.
Und ruhig spricht er, zu dem Greis gewandt:
»An dem ist dirs gelungen, düst'rer Graukopf!
Den hast du wirkungsvoll, erhaben hier
Dahingestreckt auf weiße Marmorstufen.
Ich danke dir für dieses würd'ge Nachspiel
Zur wundervollen Festschau dieses Tags:
Es hat mein kaiserlich Gemüth ergötzt. –
Doch wähne nicht, es müsse dir gelingen
[164] Heranzukommen auch mit deiner Kunst
An Nero-Dionysos! wähn' es nicht,
Graubärtiger Sophist und Magier! –
Ich lache deiner prahlenden Rhetorik –
Kein Becher Weins soll drum mir schlechter munden,
Und keines schönen Weibes Rosenlippe.
Für deine Tollkühnheit, sieh', dank ich dir;
Dir gegenüber fühl' ich erst mich wahrhaft!
Denn Großes wächst erst dann, wenn es verneint wird;
Dann faßt sich's selbst in seiner ganzen Kraft,
Und bäumt sich auf in seiner ganzen Größe.
Zieh' hin, Wahnwitziger! dich tödt' ich nicht,
Denn mir beliebt es eben nicht – und weißt du,
Warum mir's nicht beliebt? – sieh, dieses Mal
Beliebt es mir nach einem Grund zu handeln –
Zum Zeugen haben will ich dich, daß mich
Nichts kümmern deine Reden, daß ich bleibe
Der Nero, den du kennst! Du rühmst dich deiner
Unsterblichkeit und wirfst zum Sprecher dich
Der ›ew'gen Menschheit‹ auf – nun wohl! auch ich –
Ich bin nicht zu vernichten! In mir hat
Das Leben einen festen Ankergrund!
Nichts kann mich je verwandeln – ich bin ich!
Unendlichkeit, sie liegt nicht in der Dauer, –
Sie liegt im Wollen – in der Freiheit – ja,
Du Unzerstörbarer in Feuerflammen,
Ich nehm' es mit dir auf! Es gilt den Wettkampf,
Ob meine geist'ge Unzerstörbarkeit
Nicht deiner leiblichen die Wage hält!« –
      »Wohlan, ich nehm' ihn auf,« so ruft der Greis,
[165] »Den Wettkampf, den du bietest! Stürme fort,
Genieße und zerstöre! labe dich
An deiner trunkenen Unendlichkeit –
An deiner Göttlichkeit! Es kommt die Stunde,
Es kommt die Stunde, Nero-Dionysos,
Wo dir dein Ich und deine Welt entschwindet!
Es kommt die Stunde, Nero-Dionysos,
Wo du zusammenbrechend mein gedenkst –
Es kommt die Stunde, Nero, wo mein Bild
In deines Aug's Pupille rächend steht,
Wie jetzt im Augensterne dieses Mohren!
« –

[166] [167]


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