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Dritter Gesang.
Agrippina.


[92] [93]        So hat das liebliche Tyrrhenermeer
Noch nie geblaut, wie heut, so wundervoll
Hat nie der goldne Strand von Latium
Geglänzt im schönsten Sommerabendstral.
Am Ufer angelnd sitzt ein Fischerknabe,
Und blickt verwundert in die See hinaus:
Was lodert hell beglänzt vom Abendschein
Im tiefen Meerblau dort als goldner Punct?
's ist wie ein Feuerfunke, der, ins Wasser
Geschleudert, sinkt, um zischend zu verlöschen: –
Doch es verlöscht nicht, nein, es kämpft sich durch:
Ein Funke nicht, ein Falter scheint es nun,
Ein wunderbarer, welchen allzuweit
Ein Zephyr trug vom grünen Strand hinweg,
Und der nun draußen in krystallner Wüste,
Verirrt und rathlos flatternd über'm Plan
Des Wellenspiegels, müde fiel ins Meer,
Und sterbend schlägt die goldigbunten Flügel
Doch nein, es ist kein Falter auch, der ängstlich
Mit Flügeln schlägt – es zieht so fest, so sicher,
So stolz dahin, so willig trägt's die Flut:
Ein Meereswunder ist's wohl, ein Delphin,
Der in der Sonne glänzt mit Silberfloßen.
Doch näher, näher kommt's, zieht stolz vorüber
[94] Am Uferfels, und an dem Fischerknaben;
Der Knabe blickt erstaunt, den prächt'gen Fisch
Vergessend, der an seiner Angel zappelt.
Wohl ist's ein Meereswunder, ein Delphin:
Doch ein lebend'ger nicht – er ist gewoben
Aus Edelsteinen ganz, aus Gold und Purpur
Und Blumen – seine Augen sind Smaragde
Und seine Silberfloßen echtes Silber.
Den Rücken aber deckt ein Wunderzelt,
Ein Baldachin, ein gold'ner Zauberbau,
Von welchem Kränze, reizend aufgelöst,
Und Purpurtücher auch mit goldnen Fransen
Hinunter hängen in die See.
                                                Ha, sieh,
Wie gleitet es dahin, dies schimmernde
Meerwunder! sieh, wie prunkend-hehr und doch
Wie zart und weich, wie zierlich und wie leicht!
Und wie behend! Wie über einen Spiegel
Die Fliege gleitet, rasch die Füße regend,
So regt die gold'ne Riesenfliege hier,
Vielmehr der gold'ne Tausendfuß, das Prachtschiff,
Sein Ruderwerk, sein perlentriefendes,
Aus Ebenholz gefügt mit Silbergriffen,
In leichtem Tact gelenkt von einem Schwarm
Phantastisch goldbetreßter Gondoliere.
Hoch ob dem Ruderwerk, sieh, um den Bord
Des Schiffes läuft in staunenswerther Pracht,
Gekrönt von Elfenbein- und Marmorbildern,
Ein Fries in schimmernd heller Farbenzier,
So frisch, so glänzend, daß der Vogel pickt
[95] Am Arabeskenschmuck gemalter Trauben.
Des Schiffes Prora wie sein schmucker Stern
Trägt goldener Embleme Zier, und, hoch
Emporgethürmt, manch reiches Kunstgebild'.
Ein Meergott sitzt am gold'nen Steu'r, Sirenen
Und muschelblasende Tritonen sind
Gemeißelt rings und schlanke Nereiden.
Ein goldner Baldachin ist ausgespannt
Am hochgebühnten Bug des Schiffs, als Warte
Der holden Meerschau. Ragend in der Mitte
Des Fahrzeugs steht ein säulenprangend' Rund,
Verhängt mit goldgestickten Purpurtüchern,
Zur Kuppel dienend einem Prunkgemach,
Das in des Schiffes Bauch verborgen ruht.
Der weithin schimmernden Rotunde Gipfel
Trägt eine reizvoll glänzend goldne Gruppe
Der Grazien; von ihrem hohen Sockel
Auslaufen hundert üpp'ge Rosenketten, –
Süßduft'ge Blumentaue, gleichvertheilt,
Und senken stralenförmig sich hinunter
Zu Marmorbübchen, holden Amorinen,
Die, leichthin auf des Schiffes Brüstung gaukelnd,
Mit zarten Händchen jene Prachtguirlanden
Fortleiten ringsher um den Rand, und hoch
Sie drüber schwebend halten. Jeder Hauch
Des West's bestreut die Flut mit Rosenblättern,
Und gierig trinkt das Meer die Purpurflocken,
Wie Funken, die vom duft'gen Rosenbrand
In seine kühle Tiefe niedersinken.
Das blühende Geschling', es überwuchert
[96] Das ganze Schiff, kriecht um die silbernen
Antennen, drauf die Purpursegel flattern,
Und hängt vom seidnen Tauwerk reizend nieder.
      Das zaubergleiche Schiff liegt in der Flut,
Gleich einem Edelstein, gefaßt in Silber.
Die Fischerbarken, in der Ferne rudernd,
Sie halten ein, das Wunder anzustaunen.
Verwundert kommen Vögel hergeflogen,
Und setzen sich darauf und schmettern fröhlich.
Die Lüfte sind berauscht, die Flut erglüht.
Bis auf den Meeresgrund hinunter dringt
Die Wundermähr': es fällt ein Zauberstral
Vom Glanz, der auf der Oberfläche schwimmt,
Hinunter in die Tiefe: Goldreflexe,
Verlorne, spielen in den purpurnen
Abgründen, wo die Thetis thront, und wo
Die Meergeschöpfe ruhn in blauer Halle:
Sie wachen auf und schau'n empor und wähnen,
Es schiffe Galatheas Festzug oben
Und drängen zum besonnten Meeresplan
Sich jubelnd froh hinauf, um sie zu grüßen.
O still, o stille noch, ihr Meereskinder!
Umdrängt zu lärmend nicht den prächt'gen Kiel!
Stört nicht ein reizvoll schlummerndes Geheimniß,
Das der Rotunde stiller Grund verbirgt!
Da unten im verschlossnen Prunkgemach,
Im Bauch des Schiffs, im Purpurdämmerschein,
Der magisch einfällt von der Kuppel, ruht
Das wunderbarste Weib auf Schwanenkissen.
      O, wer den zaubervollen Raum betritt,
[97] Den dämmernden, den wollustathmenden,
Rings ausgeschlagen weich mit indischem
Geweb' und von berauschenden Aromen
Arabiens durchwürzt – o, der vergißt,
Was draußen in der goldnen Sonne glänzt,
Den Himmel und das Meer, und Alles gäb' er
Für diesen traulich engen, duft'gen Raum,
Und seinen wollustvollen Dämmerschein.
Weich hingegossen ruht die üpp'ge Fülle
Des hohen Frauenbilds: junonisch ist,
Fast übermenschlich ihrer Glieder Bau,
Nun reizend aufgelöst: sie hat die Nacht
Durchwacht zu Rom, bei Nero's Bacchanal.
Nun aber regt sie leise sich und öffnet
Das Augenliderpaar und schüttelt leicht,
Als ein gewaltig Weib, den Traumgott ab,
Wie einen zartbeschwingten Amorin,
Der es gewagt, im Schlaf sie roth zu küssen.
Erschreckt entflattert er. Sie richtet sich
Mit halbem Leib empor und ruft die Sclavin,
Und heißt das Bad sie rüsten. Dann vom Lager
Herab setzt sie den Fuß auf Teppiche
Von Babylon, so weich wie Rosenblätter,
Dann streift sie ab der leichten Schlafgewande
Weißschimmerndes Geweb'. Es zittert lüstern
Die weiche Flut schon in der Onyxwanne
Entgegen dieser glanzreich-üpp'gen Fülle,
Die sich ihr anvertraut. Was ist denn wohl
In ihrer goldnen Muschel Aphrodite,
Wenn in der Onyxwanne, goldberändert,
[98] Sich lagert diese stolze Titanide?
Wie leuchten ihre Glieder durch die Flut!
Das einz'ge Kleid, das solchen Leibes werth,
Ist ein krystall'nes, weil es nichts verbirgt.
Die Welle, ach, wie sollte diese Glieder
Sie kühlen? sie erwarmt in Liebe selbst.
O wie das Element sich, das verliebte,
Dicht an die Hehre schmiegt in süßer Glut!
Und als sie endlich aus dem Bade steigt,
Wie schwer und langsam reißen sich die Tropfen
Von ihren Reizen los! Die Sklavin trocknet
Der Herrin Leib und läßt dann einen feinen
Sprühregen aller duftigsten Essenzen
Und Oele niederthau'n, wie Perlenstaub
Aetherisch, auf die weiße Gliederpracht.
Und sanft dann reibt sie mit der Innenfläche
Der Hand die milde, duft'ge Feuchte tief
Ihr in die durst'gen Poren. O wie zittert,
So weichgeschwellt und doch so glattgespannt,
Die Haut, die blüh'nde, unterm Rosenfinger
Der ems'gen Dienerin! So glatt und schimmernd
Ist dieser schwellend weiße Frauenleib,
Wie Marmor vom Pentelicus, und doch
So weich und rosig, wie die Wolke war,
Die einst Ixion für die Hera nahm. –
      Nun wirft ein leicht Gewand sie lässig über
Und lagert sich auf einem Purpurstuhl.
Der aufgelösten Haare Katarakt
Fällt über ihrer Schultern blanken Marmor.
Die Zofe setzt mit kund'ger Hand des Kamms
[99] Gezahntes Elfenbein als Wehr darein
Und zähmt den Schwall des fallenden Gelocks.
Dann schmeidigt stets mit Salben und durchduftet
Mit Narden ihr dämonisch glänzend Schwarz.
Doch kleinlich-eitel künstelndes Geflecht
Verbeut der Herrin Wink. Prachtvoll umwallt
Das freie Haargelock, wie eine Mähne,
Des stolzen Weibes königliches Haupt.
      Nun aber, gleich als diente zur Palette
Der Regenbogen, und ein Sonnenstral
Zum Pinsel ihr, verklärt als Meisterin
Der feinsten Tinten eine Indersclavin
Den Zauberreiz des hehren Angesichts.
Sie haucht ein Weiß darauf, so blumenhaft
Wie Lotosblütenstaub, und so ätherisch
Wie Mondlicht, eine reizend süße Blässe;
Und dieses keusche Weiß durchglutet sie
Mit junger Lebensfrische süßem Roth,
So rosig zart, daß es kein Roth zu nennen,
Nur einer zarten Röthe Widerschein.
Und, daß der lieblich abgestufte Schimmer
Nicht überglühe ganz das weiche Blau
Der feinen Aederchen, verfolgt, betupft
Sie mit des Pinsels dünnstem Haar sodann
Im Lilien- und Rosengrund der Wangen
Der Lebenspulse feingeschwellte Spur.
Nicht Farbenglanz noch stolzern Schwungs bedürfen
Am scharfen Augenrand die mächt'gen Brau'n;
Doch zieht die Sclavin ihre Linien feiner,
Und spitzt den stolzen Bogen zarter zu.
[100] Wo ist der Bogen eines Liebesgotts,
Der solche sichre Pfeile wirft wie dieser?
Doch Eros' Bogen ist's nur, wenn sie lächelt,
Sobald sie zürnt, so ist's Apollo's Bogen.
Die Sclavin selbst auch fühlt geheime Scheu,
Und ihre Hand, sie zittert manchmal leise,
Wenn unter diesen Brau'n ein Augenwink,
Ein Blick ihr strenger droht.
                                              Inzwischen hat
Der Herrin süßer Odem sich berauscht
An zarter Küglein kostbar'm Würzeduft,
Und ihrer Zähne reines Elfenbein
An Inderharz sich spiegelblank gekaut.
      Aus duft'gen Schränken zieht die Sclavin jetzt
Hell schimmerndes Geweb' und Prunkgewänder.
Noch einmal sinkt die Hülle von den Schultern,
Den blendenden, der wunderbaren Frau,
Wie Nebelbrauch von blühnden Bergeshängen.
Doch dafür senkt nun zart wie Silberwölkchen
Sich über sie ein flimmernd Hemd, so dünn
Wie das Geweb' Arachnens, daß die Haut
Hindurchzuquellen scheint wie Milch. Darüber
Wird nun der feine, bernsteingelbe Byssus
Der Tunica geworfen, der die Pracht
Der Glieder weich, doch eng geschmiegt umspannt.
O bleibe so, du wundervolles Weib;
Wirf keine neuen Hüllen über dich,
Du kannst nicht schöner, herrlicher erscheinen!
Doch immer neue Prachtgewebe quellen
Empor aus den geöffneten Behältern
[101] Wie farbig bunte Nebel. Lange wird
Geprüft, versucht; zuletzt noch einmal rauscht
Es überm Haupt der Schönen und es senkt
Sich nieder eine seidne Stola, schneeweiß,
Mit goldgestickten Purpurrändern; Blumen
Sind golden eingewirkt und goldig glitzerts
Durchs ganze bauschig wogende Gewand,
Wie Himmelssterne durch den Nebelduft.
's ist wie die Silberwolke, sterngestickt,
Die eine Göttin himmelan entführt.
Zusammenfaßt es in der Mitte jetzt
Ein Gürtel, reich geschmückt mit Edelsteinen,
Und über ihm schwillt wie gestaut von vorn
Des lieblichen Gewandes seid'ne Welle
Und fließt in edlen Falten reizend über,
Indeß der goldbefranste Purpursaum
Von hinten schleppend nachwogt.
                                                         Jetzo steigt
Aus Silberkästchen blinkendes Geschmeid',
Korallen, Bernstein, Perlen und Juwelen.
Wie Schmetterlinge sich auf Blumen setzen,
So sucht der Edelstein, so sucht die Perle
Die schönsten Stellen sich auf Hals und Busen
Der hehren Frau und wiegt sich schillernd drauf.
Die blitzenden Demanten und Rubinen,
Hier glänzen einzeln sie, dort lagern sie
In Reihen sich, als ob sich niederließe
Ein Wanderschwarm der Lüfte, gleißend bunt,
Auf eine blüh'nde Lenzflur. Blanke Perlen
Umkreisen wie der Wettbahn Läufer dreimal
[102] Des Schwanenhalses Ziel. Noch And're kriechen
Durchs liebliche Gelock des Haupts und gleiten
Anmuthig auf die weißen Schultern nieder
Wie triefende geschmolzne Silbertropfen.
Und siehe da, auch glatte Schlänglein kommen
Mit Demantschuppen und Rubinenaugen:
Armbänder, Ringe, Kettchen, goldne Spangen,
Umschmiegend üpp'ger Arme stolze Fülle
Und weicher Liljenfinger zartes Rund.
Was weiter noch? Wenn mit dem Edelstein,
Dem Köstlichsten, was die Natur erschuf,
Sich etwas messen darf, so ist's – die Blume.
Und wie der Edelstein, darf auch die Blume
Nicht fehlen, wo prunkreiche Schönheit ganz
Entfalten will ihr stralend Pfauenrad.
Wohl brüstet der Juwel sich vor der Blume
Mit seiner Dauer stets, doch heute lächelt
Die Rose seiner Prahlerei'n und lispelt
Ihm zu, das Haupt der Herrlichen umschlingend:
Auf diesem Haupt kann keine Blume welken,
Von dieser Stirne fällt kein Rosenblatt! –
      So nun, das Antlitz hell, das Auge leuchtend,
Den duftgen Leib umwallt von seidner Stola,
Von Perlen und Juwelen reich umflirrt,
Des Kranzes Zier im dunklen Haargelock,
Ein Phänomen, ein leuchtend Wunderwesen,
Dasteht das hohe Weib, sieht Agrippina,
Und staunt sich selber an und lächelt sich
Entgegen aus dem Glanz des Silberspiegels,
Deß' blankes Rund ein goldner Eros hält.
[103] Ihr schmeichelt selbst die Luft, die sie umfächelt,
Und preist den Odem selig, den sie trinkt.
Die Rosen in dem Kranz, der um ihr Haupt
Sich schlingt, sie flüstern schmeichelnde Verkündung
Von ewig blüh'ndem Reiz und süßer Liebe
Und ewig heitrem Lebensglück ihr zu.
Die Edelsteine mit den wunderfeinen
Glasglockenklängen, horch, sie lispeln schmeichelnd
Verheißungen von Glanz und Macht und Ruhm –
Und nur die weißen, ernsten Perlen sausen
Bedenklich fast, ans Ohr der Lächelnden
Geschmiegt – fast klingts wie ernste Mahnung ihr,
Wie warnend leise, leise Geisterstimmen:
Sie flüstern, scheint es, von der Meeresflut,
Sie flüstern wunderliche Meeresbotschaft,
Sie flüstern, wie das Meer so tief, so tief,
Der Meeresgrund so einsam ist, so schaurig …
      Doch welche Mahnung gäb' es für ein Weib,
Das siegsgewiß auf seine Reize blickt?
Nicht Unheilsahnung ist's, es ist die Hoffnung,
Es ist der Schönheit trunknes Selbstgefühl,
Es ist die Lust, was ihr die Seele schwellt,
Daß eng der Busen wird und das Gemach.
Empor nun schreitet sie die sanften Stufen,
Und tritt aufs sonnige Verdeck hinaus.
O wie um sie das weite, wallende
Gewand so wonnig rauscht! Und jeder Schritt
Entfesselt eine Flut von Wohlgerüchen,
Die lieblich von ihr ausströmt. Jedes Aug'
Ist auf die herrlich Wandelnde gerichtet:
[104] Es stockt das Ruder in der Rud'rer Händen,
Und läßt die Perlen reglos niedertriefen
Ins süß erstaunte Meer: die Fahrtgenossen,
Sie stehn, sie ruhen, wie zu Marmorgruppen
Verwandelt, wo sie naht, und sind wie leblos,
Als wär', wie der Meduse Grauenantlitz,
Ein Gorgoschild auch diese höchste Schöne,
Die, lächelnd ihrer Scheu, vorüberschwebt.
      Entgegen ihr tritt jetzo Tigellin.
Mit einer kriechend-sclavischen Geberde,
Die Lügen straft sein boshaft keckes Aug',
Neigt vor der Herrin sich der Dunkle tief
Und spricht, als könnt' er staunend in der Brust
Das Wort nicht zähmen: »O du Wunderbare,
Wie stralst du in der Schönheit Zauberglanz!
Wie süß erstaunt wird der Beherrscher Roms
Dich grüßen, wenn du nahst! Als Göttin, traun,
Bezeichnet dich das Schicksal schon auf Erden,
Indem es dir vergönnt, unwandelbar
Im Leben schön zu sein und jung zu scheinen!«
Ein Blitzstral fährt aus Agrippinens Aug'
Auf Tigellin – ha, frecher Mohr, dies Wort
War unbedacht; welch' Weib will jung nur scheinen,
Und nicht auch sein? – Des Blitzstrals nicht zu achten
Scheint Tigellin und führt die Herrin lächelnd
Zum Bug des Schiffs vor, wo der Baldachin
Sich golden wölbt, und spricht: »O hier bespiegle
Sich deine Schönheit, Herrin! Nur die Welle
Des Meers allein mag deinem Zauberreiz
Ein würd'ger Spiegel sein!« –
[105]                                           Am Bug des Schiffs
Steht Agrippina: Fernhin schweift ihr Blick,
Da liegt das holde Meer, da ruhn die Küsten,
Da spannt der Himmel lächelnd über ihr
Sein Wunderzelt im blauen Schimmer aus.
Doch sel'ger, stolzer lacht dies Alles nicht,
Als hier das Aug', das Antlitz Agrippinens;
Denn dieses Auge, dieses Antlitz weiß:
Der Erde schönstes Weib ist Agrippina.
In diesem Augenblicke scheint, was schön,
Nur schön, weil Agrippina es beschaut.
Es glüht der Strand, in Wonne rauscht das Meer auf,
Die Rosenwölkchen segeln durch den Himmel
Als wären sie Gedanken Agrippina's,
Und meerwärts niederneigt sich huldigend
Die Sonn', als ob nur ihr zu Füßen sie
Vergießen möcht' ihr Stralenblut …
                                                        Ihr Blick
Er schweift hinaus ins weite Meer, er schweift
Zum grünen Strand, wo Nero's Marmorhaus
Ihr schon entgegen blinkt. Lang ruht der Blick
Des großen Aug's darauf, und Siegesfreude
Blitzt herrlich auf in diesem langen Blick.
Auf Agrippina's stolzer Lippe schwebt
Ein wortlos triumphirend Dankgebet:
»Ich danke dir, allwaltende Natur,
Daß du bewahrt mir hast den holden Reiz!
Ich danke dir, ja, denn ich bin ein Weib.
Wär' ich ein Mann, ich riss' aus seiner Scheide
Das alte, rostzerfress'ne Römerschwert
[106] Der Scipionen, und eroberte
Die Welt damit. Ich schüttelte dies Rom,
Dies schnöde Rom der Prasser und der Memmen,
Aus seinem dumpfen Schlemmerschlaf empor.
Doch ich bin Weib. Statt Helm und Schwert und Panzer
Gab die Natur mir wallendes Gelock
Und Feueraugen, blendend weiße Glieder,
Und Prachtgewande, Perlen und Juwelen.
Ich bin ein Weib und habe keine Waffen
Als meine Weiblichkeit – so kämpf' ich, siege!
Und mehr als je nun will ich es entfesseln
Dies Arsenal der wallend dunklen Locken,
Der Feueraugen und der weißen Glieder!
Was es vermag – du weißt es, bleiches Wölkchen
Des Silbermonds, der in verwich'ner Nacht
Geschimmert hat dem Fest in Nero's Gärten! –
      Im Bunde seiner schnöden Zechgenossen,
Bei seinen Possenreißern, Buhlerinnen,
Bei seinen bestial'schen Leibtrabanten,
Bei seinen Tigellinen und Poppäen,
Da lernte mälig Nero mich vergessen,
Und es erschien kein Ort ihm fern genug,
Zu bannen ihm die läst'ge Näh' der Mutter.
Und siehe da, heut führt ein Prachtschiff mich
Zu ihm auf sein Geheiß, und schmachtend seufzt er
Nach mir, ja, ja, er schmachtet, dürstet, brennt
Nach mir vor Ungeduld! Und warum dies?
Weil seinem Sinn, bacchantisch aufgeregt
Vom wüsten Taumel, in vergang'ner Nacht
Verschleiert sich ein Frauenbild gezeigt,
[107] Das Aug' in Aug' er nicht mehr sehen wollte!
Wo blieben da die reizenden Poppäen,
Die Burrus', Seneca's und Tigelline?
Der Wink der Mutter war dem kecken Knaben
Nichts mehr, nun kniet er vor dem Reiz des Weibes.
Gleichviel, warum er kniet, wenn er nur kniet!
Ei siehe da, der lächerliche Thor!
Vernarrt in seine Mutter! Trieb denn wohl
Tyrannenwahnwitz je solch üpp'ge Blüte?
Das ist das Ende wohl, wenn Erd' und Himmel
Erschöpft ward, wenn die Welt wie ausgepreßte
Citronen schal ist, und stumpfsinnige
Begier sich selber äfft! Doch dieser Wahnwitz
Soll meiner Größe Schemel sein. Ich führ' ihn
Am Gängelbande dieses Aberwitzes
Und seiner unbefriedigten Begier
Die Bahn, die mir beliebt. Ha, der den Erdkreis
Sein eigen nennt, der übermüth'ge Nero,
Sich haltend am Gewandsaum seiner Mutter,
Und folgend wie ein Knäblein – dieses Schauspiel
Bereit' ich einer Welt! Und steh' ich oben
Am Gipfel höchster Macht, vorerst zertret' ich
Das schleichende Gewürm, die Sclavenbrut,
Die mich zurückgedrängt vom Thron des Sohns,
Und schleud're sie mit abgeschlag'nen Köpfen
Ins Nichts zurück, aus dem sie kroch. Vor Allem
Geb' ich den gift'gen Wicht, den Tigellin,
Dem schwarzen Höllenschlunde des Avernus
Zurück, der ihn gebar. Und dann gemach
Erfass' ich mit der starken Hand die Zügel
[108] Und zeige herrschend dem entnervten Volk,
Daß Rom noch Einen Mann hat: Agrippina!« –
      So spricht in sich, in seiner stolzen Seele,
Das hohe, kühne Weib mit Flammenaugen.
In diesem Augenblicke naht sich ihr
Die braune Lieblingssclavin aus Aegypten,
Die Kluge, Vielerfahrne, Vielvertraute,
Die längst gelesen jede Hieroglyphe
Im Herzensbuch der Herrin. Diese naht
Sich Agrippinen mit der Purpur-Palla:
»Frisch weht vom Strande her der Abendwind:
O Herrin, laß die weiche Palla sich
Um deine Schulter schmiegen!« – Agrippina
Wirft um den Purpur, lächelnd: »Habe Dank,
Daß du in diesem Augenblicke mir
Den Purpur bringst: mit guter Vorbedeutung
Aegyptersclavin, senden dich die Götter!« –
Die Sclavin lächelt schlau, ihr Auge blitzt:
»Wie wallt der Purpur königlich um dich!« –
»Was sollt' ich nicht den Purpur um mich schlingen?
Schmückt nicht das Meer, schmückt nicht der Himmel sich
So eben auch mit Purpur königlich? –
Und brachtest du den Purpur, bring' mir auch
Ein Diadem! der Kranz in meinen Locken,
Er sei geweiht dem göttlichen Neptun,
Deß' silbern Bild hier an des Schiffes Schnabel
So gleißend ragt, und der so friedlich uns
Auf sanfter Flut zum grünen Strande führt!« –
Sie hängt den Kranz dem Meergott um die Schläfe,
Nimmt aus den Händen der Aegypterin
[109] Ein Goldstirnband und drückt es sich ins Haar.
Die Sclavin flüstert leis': » Semiramis!« –
Des Meergott's Saphiraug' scheint aufzuglühn:
Wie lüstern blickt der Rosenkranz-geschmückte
Auf das gekrönte Weib; so lüstern blickte
Der Gott des Hades auf Proserpina,
Bevor er sie geraubt. –
                                  Indessen hat
Ein andrer Blick schon längst auf Agrippinen
Geruht, der aus des Schiffes Hintergrund
Herüberflog zu ihr. Der Blick war seltsam.
Zuweilen kam er wie ein gift'ger Pfeil,
Geschleudert aus dem Hinterhalt. Man meinte,
Man müss' ihn schwirren hören in der Luft.
Zuweilen wieder schien er sich ins Fleisch
Der Agrippina tückisch wie der Stachel
Des Scorpions zu schnellen. Manchmal war
Der Blick des Basilisken, ihm verglichen,
Lammfromme Sanftheit. Doch nur Augenblicke
Erhellte diesen unergründlichen
Abgrund der Bosheit solch' ein flüchtger Blitz.
Die Höllenflamm' in dieses Mannes Antlitz
Schien in sich selbst aufflackernd zu verlöschen,
Als fehlt' es ihr an würd'gem Gegenstand.
Meist war sein Blick fast harmlos, schlimmer nicht
Als eines Voglers, der ein Netz gestellt,
Und hinterm Busch auf einen Hänfling lauert.
Im Ganzen hatt' er eines Mannes Ansehn,
Der mit Vergnügen eine Welt vernichtet,
Doch nicht aus Haß und Groll, nein, nur zum Spaß.
[110] Der Mann, der so auf Agrippinen blickte,
War Tigellin.
                      Da saß er regungslos,
Das Auge stets nach seinem Ziel gewandt,
Und leise pfiff er manchmal vor sich hin,
Und wiegt' ein Seil in Händen, wie der Angler
In Händen wiegt die Schnur. – –
                                               Und wie nun stolz
Im königlichen Schmuck des Diadems
Hoch auf des Schiffs Verdeck steht Agrippina –
Die Sonne geht soeben leuchtend unter,
Himmel und Meer sind ganz in Gold und Purpur
Getaucht, und der Palast am Strande glänzt
Schon nah' und näher, in den Lüften weht
Entzücken und es geht ein Feierklang
Durch die Natur und durch das Herz der Menschen;
Das Meer wallt auf, das Schiff zieht stolzern Gang,
Musik tönt rauschend von der Prora her
Von Flöten, Cymbeln, Harfen und Syringen,
Nach deren Tact die Ruder gehn; es leuchtet
Das Antlitz Agrippina's wie verzückt
Und ihrer gelben Sclavin Schmeichlerlippe
Ruft in den Braus der rauschenden Musik,
Dem nahen Ohr der Herrin nur vernehmlich:
»Heil dir, o Fürstin, Heil dir, Imperatrix …«
      In diesem Augenblicke zieht der Mohr
Mit grinsendem Gesicht das weiße Tau,
Das er gehalten, fester an, und wie
Der Erde Boden plötzlich klafft, wenn ihn
Erdbeben spaltet und in Trümmer sinkt
[111] Bewohnte Menschenstätte – sieh, so plötzlich
Dumpf auseinanderkracht das Schiff: und wie's
Zuvor, der untergehnden Sonne gleich,
Gebrannt hat auf dem Wasserspiegel, so
Nun wirklich untergeht's, der Sonne gleich!
Von seinen Planken wäscht die Flut hinweg
Was lebt: und ringsher um den Trümmerhauf',
Den stürzenden, der dröhnend untersinkt,
Aufsprüht der nasse Perlenstaub der See
Und hüllt in Schaum und Graus das Fest, zu dem
Der Tod gebeten hat die Meerdämonen.
Doch wie der Schauplatz nun sich wieder klärt,
Da zeigt sich ganz von schimmernd buntem Wust,
Wie ein Bazar, bedeckt der Wasserspiegel:
Da schwimmen Balken, Purpurtücher, Blumen,
Bildwerke, Prachtgewande, Taue, Segel …
      Aus all' den Trümmern rudert Tigellin
In sicherm Boot zum Strand; die Gondoliere,
Sie folgen schwimmend, Manches noch erraffend
In Eil' vom Trümmerprunk des goldnen Schiffs.
Doch wo ist Agrippina? Von dem Gipfel
Des Schiffs, des berstenden, hat sie mit Grausen
Sich plötzlich öffnen sehn den Wasserschlund,
Hat stürzend sich bewußtlos angeklammert
Ans Bild Neptun's – der aber reißt sie mit,
Die Herrliche, die ahnungslos sich nur
Für ihn geschmückt. Sieh da die Wellenrosse,
Die weißbemähnten, bäumen sich, und tragen
Des Meergotts schöne Beute, freudig schnaubend,
Hinunter in die Tiefe. Wallend schließt
Die Flut sich über ihr.
[112]                                    Es tauchen manchmal
Wie Nereidenhäupter noch die Häupter
Der Frauen Agrippina's nässetriefend
Empor, und weiße Arme klammern sich
An Planken, doch es hemmt das schwimmende
Getrümmer ihr Bemüh'n; das Haupt, der Fuß
Verwickelt sich in Tücher, Taue, Segel,
Die treiben auf der Flut. Krampfhaft Umschlung'nes
Reißt so der Leib, der untersinkende,
Mit sich bis auf den Grund.
                                            Zuletzt ist alles
Lebendige verschwunden, und das Todte
Zerstreut sich rings auf weiter Meeresflur.
Der Wellenspiegel wird nun wieder rein
Und still herniedersinkt ein lieblich Dunkel:
Die Lüfte ziehn, die Wellen rauschen friedlich,
Aufgehn die Sterne golden, und vom Strand
Herüber festlich glänzt mit tausend Lichtern
Der marmorblinkende Palast des Nero. – –
      Im goldnen Prunksaal dieses Marmorhauses,
In des Tricliniums schimmernder Rotunde
Beim Festgelag' ruht Nero-Dionysos.
Und ihm zur Seite ruht – der holde Sporus,
Sein Lieblingssclave – jetzt sein Ehgemahl.
      In langen Reih'n steht purpurn Pfühl an Pfühl
Aus Elfenbeingestühl, und jeder wiegt
In seinem schwellend-weichen duft'gen Schoß
Ein Wunderkleeblatt herrlicher Gestalten:
Roms göttlich schönste Frau'n und Jünglinge,
Reizvoll gelagert, mit erglühten Wangen
[113] Und Augen, drin nie-müde Lebenslust
In feuchtem Schimmer blitzt. O wie die Pfeile
Der Liebesgötter hin und wieder schwirren!
Wie süß einwiegend, schwer, ein Wonnehauch
Von einem Purpurpfühl zum andern zieht!
Wie nach der Nachbarin der Nachbar schielt,
Und koischer Gewande Saum beäugelt,
Wo süßer Reiz,verräth'risch überquillt!
Des Bodens Mosaik ist eine Lenzflur,
Gestickt mit bunten Blumen aller Zonen –
Die Blüten sind gefügt aus Edelsteinen –
Wie Bäume stehn die Riesenkandelaber,
Als Früchte Flammen tragend, und ergießen
Ein Meer von Glanz und Licht; Dreifüße mischen,
Goldprangende, des wollustvollen Rauchwerks
Duftwelle drein, und süße Melodie'n
Erklingen – o es ist ein Meer von Glanz
Und Klang und Duft, erregt vom Hauch der Lust.
Hoch geht die Flut: das Haupt wird seekrank, heiß
Die Stirn, den Kranz versengend, der sie deckt.
      Rings an des Zaubersaales Wänden schimmert
Reizvolle Bilderschau: es wechseln sinnig
Mit jeder Tracht die holden Scenerie'n:
Stets überraschen neue Farbenwunder.
Doch als zuletzt kein Schauspiel reizender
Gefunden werden mag in aller Welt,
Als dieser glanzdurchwogte Prunksaal selbst,
Und glüh'nde Lust gelangt ist auf den Gipfel,
Da tauschen die bemalten Prachttapeten
Empor, und in krystallnen Spiegelwänden
[114] Bestaunt das zauberische Fest sich selbst
O wie das schöne Linienwellenspiel
Glanzreicher Frau'ngestalten, hold gelagert,
Lieblich gehob'ner Arme, schön bekränzter
Und lustgewiegter Häupter, stralender
Amphoren, Prunkgefäße, Candelaber,
Verdreifacht nun im hellen Spiegelbild
Sich endlos dehnt! War es ein Festgelag
Zuvor, so scheint es jetzt Elysium,
Wo zahllos sich die Schaar der Seligen
In goldnem Glanze freut. Wer liebt, der sucht
Die Schönste nun im Spiegelbild heraus
Und freut sich des verdreifacht holden Reizes.
Er sieht nun die Ersehnte dreifach lächeln,
Und dreifach auch sein eignes Selbst beglückt.
Und wenn manch' reizend Weib sich selbst erschaut,
Mänadisch von Falerner angeglüht,
So scheint das holde Conterfei zu leben,
Und das noch schön're Urbild scheint erstarrt
Vor seiner eig'nen Schöne.
                                           Lieblich schlingen
Goldarabesken sich und Blumenketten
Empor zur saphirblauen Kuppelwölbung,
Wo schimmernd prangt der ganze Sternenhimmel.
Auf blauem Aethergrund, sieh, schwebend kreisen
Die goldnen Bilder des Zodiakus:
Hier funkelt Jungfrau, Schütze, Stier und Löwe,
Und Silberwölkchen gleiten durch den Aether,
Und Genien schweben auf den Silberwölkchen:
Die Einen senden nieder Blumenschauer,
[115] Die Andern träufeln nieder duftgen Thau
Der lieblichsten, erquickendsten Arome;
Noch And're schweben mit Fortunas Füllhorn
Hernieder, reiche Gabenfülle streuend
In holder Frauen Schoß: Kleinode, Ringlein,
Armzier und Halsgeschmeid; den Männern aber
Schwebt über'm Haupt ein Hagel von Decreten:
Ernennungen zu Senatoren, Consuln,
Tribunen; wen sie treffen, der ist Consul,
Senator, ist Tribun. – O wie sie tappen,
Und an der Scene Nero sich ergetzt!
      Ist Nero nicht ein Gott? Mehr als ein Gott!
Denn Götternamen führen seine Sclaven,
Und Göttertracht auch kleidet sie. Hier Mars,
Hier Jupiter, Vulcan, hier Ganymed,
Hier Hebe, hier Latona: Alle stehn
Demüthig nun zu Sclaven umgewandelt
Und lauschen auf den Wink des neu'sten, höchsten
Olympiers, des Nero-Dionysos.
Ja, Götter dienen ihm. Die Leckerbissen
Des Meeres beut ein Nereidenschwarm
Den Gästen dar, des Waldes Beute bringen
Die Oreaden, von Diana selbst
Geführt, der holden Jägerin. Silen's
Begleiter tragen Schläuche Weins herbei,
Und füllen in die Becher nach Belieben
Dem Einen Chier, Jenem Lesbier,
Dem ölig-milden, süßen Cyperwein,
Falerner dem, Setiner, Massiker,
Und liebliches Campaner-Traubenblut.
[116] Doch, daß verwöhnte Gaumen nicht zu matt
Und schal bedünke, was da golden sprudelt,
Ist jedes Trankes Geist und Duft und Blume
Mit köstlichen Aromen überwürzt,
Und doppelt muß den Zecher er berauschen!
      Wer zählt der Schwelgertafel Köstlichkeiten?
In hundert Silberpfannen schmort und brätelt
Das Leckerste aus Erde, Meer und Luft.
Was ist da Brasse, Butte und Muräne?
Was Eber, Böckchen, Reh? Was Turteltaube,
Fasan und Drossel, Haselhuhn und Pfau?
Wie sollte wohl Cäsarenschlemmerei
Mit so gemeiner Kost den Mund sich stopfen?
Sie nimmt vom Seltensten das Seltenste,
Um es in goldnen Schüsseln aufzugipfeln,
Und blanke Silbertische zu belasten.
Sie nimmt vom Köstlichsten das Köstlichste,
Sie nimmt vom Seltsamen das Seltsamste:
Vom Strauß und vom Flamingo das Gehirn,
Vom Pfau und von der Nachtigall die Zunge,
Vom Papagei den Kopf, vom Mutterschwein
Die Zitzen, und die Ferse vom Kamel –
Sie nimmt das Kopfstück hier und dort den Schwanz,
Hier das Gehirn, und dort das Excrement.
Dies muß gefangen sein bei Neumondlicht,
Dies muß mit Sclavenfleisch gefüttert sein,
Dies muß vom Pontus stammen, solls behagen,
Aus Gallien dies und dies aus Asien,
Das aus Ambracia, das aus Tartessus,
Das vom Lucrinersee, das aus Ravenna,
[117] Das aus Tarent und das vom Land der Britten
Und wechseln auch muß Speise die Gestalt:
Sie muß den Gaumen nicht allein, sie muß
Das Aug', sie muß die Phantasie ergetzen;
Ein gastronomisch toller Mummenschanz
Muß abgestumpfte Sinne mit barocken
Verkleidungen zu neuer Eßlust stacheln.
Sieh, wunderlich geschnörkelt Backwerk kommt
In Thiergestalt und Fleisch als Blumenstrauß.
Was wäre Traub' und Feige, Nuß und Aepfel,
Was Kirsch' und Pflaume wohl bei Neros Tisch?
Doch lustig ist's, vom Stengel sie zu pflücken:
In prächt'gen Kufen wird ein Obstbaumwald
Herbeigerollt auf blankem Rad und bietet
Dem Finger seiner Kronen leckre Frucht.
      Daß nicht das Ohr beim Fest des Gaumens darbe,
Auftritt manch' tongewaltger Virtuos,
Manch' kundiger Axion, Marsyas,
Mit Zither und mit Flöte. Höher noch
Aufschäumt die Lust, als plötzlich jetzt herein
Liebreizende Gestalten lächelnd schweben,
Von koischen, durchsichtigen Gewanden
Umflattert, Tänzerinnen, Pantomimen,
Die weichen Glieder regend ausdrucksvoll,
Und einzeln bald und bald in holdem Reigen
Beim Klang der Cimbeln und der Castagnetten
Die Leiber wollustvoll im Tanze schwingend.
      Es schwirrt der Freude Fittig überm Schwarm.
Nur Einer sinkt, je mehr ihr Flügelschlag
Sich rauschend regt im Saale, tiefer stets
[118] In wechselnd wunderlicher Laune Bann:
Und dieser Eine ist der Wirth, ist Nero.
Er scheint zu frösteln, doch sein Antlitz glüht,
Und seine Augen leuchten wie im Fieber.
Er stürzt Falerner, glüh'nden Chierwein
Hinab in Strömen und ist nicht berauscht.
Zuweilen sinkt er in ein tiefes Brüten,
Dann fährt er auf und fragt nach Tigellin.
Bald ist's als ob auf seiner Stirne Grimm,
Auf seiner Lippe schwebt' ein Todesurtheil;
Dann wieder bricht er aus in grelles Lachen
Und zwingt sich selbst zu toller Lustigkeit.
Er läßt sich reichen von des Sclaven Hand
Die Schildpattzither, von Sardonyxen
Bestralt, und spielt und singt ein wüstes Lied
Dem Zechgelag', das trunk'nen Beifall jauchzt,
Bis eine Saite reißt mit schrillem Wehruf,
Und schließt den Sang mit wilder Dissonanz.
Er weiß nur halb, was sich um ihn begibt:
Er lobt die Tänzerin, sobald ein Bläser
Das Ohr entzückt, und preist beim Schwebetanz
Der Gaditanerin den Zitherspieler.
Verloren seinem Ohr sind heut die Scherze
Des Saccus, der da klagt, daß er verlier'
An Witz, was er gewinn' an Leibesrundung
Am Hofe seines kaiserlichen Herrn.
      Nun tritt herein ein lang Erwarteter.
Das Haupt gewandt, ins Ohr des Mohren flüstert
Geheim und hastig Nero: »Agrippina?«
»Zu Gaste bei Neptun wohl,« lispelt der;
[119] »Im Meeresgrund – wenn sie nicht etwa wieder
Emporgetaucht, denn dieses Gottes Art
Ist's, daß er seine Bräute wieder ausstößt,
Wenn er sie todt geküßt.« Krampfhaft erfaßt
Nero die Hand des Boten: »Todt?« – »Ich denke!
Versunken sammt dem Schiff! das schöne Fahrzeug!
Wie schade – doch du wolltest's einmal so!
Von all' dem Reichthum seiner Kostbarkeiten
Ist nichts geblieben, als was etwa noch
Die braven Bursche, meine Gondoliere
Den Wellen abgerungen – ha, es war
Ergötzlich anzusehn, wie sich die Kerle
Im Wasser rauften um die goldnen Trümmer,
Und, weil der Händ' als Ruder sie bedurften,
Im Maul die Beute hielten mit den Zähnen,
Wie Hunde, und so ans Gestade schwammen,
Von wilder Habgier lechzend!« – » Dafür hängen
Sie morgen mit dem Früh'sten
! Hörst du? Gib
Den Auftrag augenblicklich! – Eine Welt
Sollt' untergehn mit ihr, und diese Schufte,
Sie raubten ihr den Leichenschmuck, den kargen?
O, alle Schätze Roms ihr mitzugeben
Ins nasse Grab, das hätte sich geziemt! …
Doch nun genug von ihr! Die Stadt erfährt,
(Wenn meine Corybanten Zeit ihr lassen,
Zu fragen, meine rüst'gen Fackelschwinger!)
Daß Nero's Mutter scheiternd ist verunglückt
Auf einer Lustfahrt im Thyrrhenermeer!« –
      So Nero, und wirft sich zurück gewaltsam
Tief in den Strom der Festluft. Er gebeut,
[120] Die wilde, tolle, rauschende Musik
Der Becken und der Cimbeln zu entfesseln,
Und heißt verzückter Tänzerinnen Schaar
Sich hüllenlos in wildem Taumel drehn.
Die Purpurpfühle werden heiß und heißer.
Der Busen hütet seine Reize nicht,
Und Fuß- und Fingerspitze wird elektrisch.
Der trunkne, wüstbetäubte Nero will
Erfassen schon die goldgewirkte Schnur,
Auf deren Zug, sobald es ihm genehm,
Mit einem Mal verlöschen alle Lichter,
Und ein cytherisch' Dunkel, vielerwünscht,
Hereinbricht, das um freche Wonnen her
Den Schleier wirft, indeß die heißen Seufzer
Verhauchen ungehört im Zauberklang
Wollüstig leis' erzitternder Musik …
      Doch sieh, in diesem Augenblicke stürzt
Ein schreckensbleicher Sclavenschwarm herein.
Die Hände ringen sie und wollen reden,
Und wagen's nicht, bis daß der Zornblick Nero's
Sie strenger fragt. Der Kühnste stammelt: »Herr!
Das Meer hat einen Leichnam ausgeworfen
Soeben an des Hauses Marmorschwellen:
Der Leichnam ist gehüllt in Prunkgewänder,
Und trägt die Züge –« »Wessen?« – » Agrippinas!« –
Entsetzen faßt die Gäste, Nero starrt
Den Sprecher an als hätt' er nichts vernommen,
Und harrte noch auf Antwort. Leise geht
Ein Schauder durch den Saal, die Frau'n erblassen,
Und Zecher, die nur mühsam noch gelallt,
[121] Ernüchtern sich und schau'n auf Nero. Dieser
Erhebt sich und ihm folgt der Schwarm. Der Prunksaal
Ergießt den Zauberglanz ins Atrium.
Ins marmorschimmernde, wo Säulen ragen
Und Ahnenbilder stehn, so ernst und still,
Im Silberschein der nächtgen Lichter blinkend.
Ein Purpurvorhang gönnt, zurückgeschlagen,
Dem Auge holden Durchblick weit hinaus
Ins bronnenfrische Peristyl, die Lüfte
Weh'n Blumendüfte süß herein, es stehn
Die Lilien da in mag'schem Glanze, wie
Zur Todtenwacht entboten. In der Mitte
Der Halle liegt auf rasch-erhöhtem Pfühl
Mit festgeschlossnen Augen, blaß und kalt,
Der Leichnam Agrippina's. O wie ganz
Verwandelt ist die hohe Prachterscheinung!
Fort ist der holde Farbenglanz geschwemmt,
Das Haargelock zerzaust und naß und klebend,
Das Diadem, die Perlen draus verschwunden,
Seegras und grüner Schlamm darein verpicht.
Verschlammt die Blumen und die Edelsteine,
Und nur die Wassertropfen hängen glitzernd
An ihrem Leibe jetzt als Edelsteine.
Verdrängt hat salz'ger Fischgeruch den Wohlduft.
Ankleben die durchnäßten Prunkgewande
Fest an des Leibes üpp'ge Gliederpracht,
Die kalt und todt die Sinne noch berückt.
      Der trunk'ne Nero schwankt herbei. Doch hier
Gewinnt er Fassung, ist kein Trunk'ner mehr,
Nur ein Wahnwitziger. – »Ei Mutter,« ruft er
[122] Mit eisig kalter Ruh' und bitter'm Lächeln:
»Wie kommst du ungebeten stets zu Gast?
Zum Bacchanal in der verwichnen Nacht
Erschienst du plötzlich, und heut fällst du gar
Als Leichnam uns ins glänzend-heitre Fest!
Was suchst du hier, du Kalte, Todesblasse,
Im heißen Reigen der Lebendigen?
Wenn dich die Mächtigen der Unterwelt
Hinunterluden in ihr dunkles Reich,
Was kommst du hieher? denkst du etwa uns
Zur Rechenschaft zu fordern? Geh', wir haben
An deinem Loose keinen Theil! Dein Schiff
War leck, die Meerflut lüstern – das ist Alles.
Was wirfst du einen schwarzen styg'schen Schatten
Ins Reich der Seligen? Bin ich dein Sohn?
Ich bin ein Gott, bin Nero-Dionysos!
Ja, bin ein Gott, den man nicht ungestraft
Bekämpft, und dem das Schicksal schleunig immer
Todt alles Feindliche zu Füßen wirft,
Und ragt' es noch so hoch! – Als Neros Gast
Bist du gekommen, Agrippina! festlich
Geschmückt, nur etwas übernächtig blaß
Vom allzu keck durchschwärmten Fest des Lebens!
Doch viel verzeiht man einem schönen Weibe –
Denn du bist schön, ja, du bist schön, auch todt!
Du bist auch todt die Königin des Festes! –
Da seht das prächtig reiche Haargelock,
Das dunkle, seht die königliche Stirn,
Die werth, das Diadem der Welt zu tragen!
Da seht den Mund, so reizvoll und so stolz!
[123] Da seht den prachtvoll-üpp'gen Bau der Glieder,
»Den göttergleichen –«
                               Sprichts, und mit der Hand!
Wegzieht er von der Schulter der Erblich'nen
Des klebenden Gewandes Saum. – »Da seht
Des weißen Busens königliche Fülle!
Ha, saht ihr jemals solchen Marmorglanz
Der zart'sten Lilienhaut, so weiß und so
Gemischt mit glitzernd feinen Schimmerpuncten,
So glatt und weich wie Oel zu fühlen – lieblich
Erzitternd unterm Finger-Schmeicheldruck!
So schön war nicht der Leib der Semele,
Die einst gebar den alten Dionysos!
Des alten Dionysos Mutter starb
Im Feuer, und es ward ihr Sohn ein Gott
Des feuchten Elements – und wenn die Mutter
Des neuen Dionysos starb im Feuchten,
So ist vielleicht ihr Sohn ein Dionysos
Der Flamme, der die Welt in Feuer tauft! – –
Was meint ihr? sagt' ich recht, daß Agrippina
Auch todt noch ist des Festes Königin?
Ihr schönen Frau'n und du voran, Poppäa,
Folgt meinem Beispiel; weihen wir die Kränze
Von unsrer Stirn zu würd'gem Festesschmuck
Dem königlichen Weibe hier. Ersticken
Mit Blumendüften wir den schnöden Mißduft
Neptunischer Umarmung und des Todes,
Der feinem Ruchsinn allzubald verkümmert
Der schönsten Leiber süße Lieblichkeit!« –
      Er sprichts, da fällt ein Blumenregen nieder
[124] Und deckt die Prachtgestalt. Gespenstig fast
Erschimmert Lilien- und Rosenzier
Im Glanz der Lichter um das Haupt der Todten.
      Da siehe, neue Botschaft! »Herr, ein Lichtschein
Färbt schreckbar grell den nächtgen Horizont!
Von Rom her kommts!« –
                                     Der Festgenossen Schaar
Stürzt eilig drängend auf die Marmorstufen
Vors Vestibul hinaus. Da flüstert leise
Der Abendwind, die Sterne schimmern hell,
Das Meer ist still und wiegt sich träumerisch,
's ist Mitternacht, doch hell am Himmel steht
Ein schaurig wilder Feuerschein im Norden!
» Es brennt die Stadt!« so tönt's, und das Entsetzen
Gewinnt mit neuem Schreckniß wieder neue
Gestalt im Angesicht der Aufgestörten.
Verstohlen grinst auf Nero Tigellin,
Und Nero lächelt – furchtbar lächelt er.
Mit glüh'ndem Auge, dessen düstrer Brand
Die rothe Glut am Himmel überglüht,
Starrt er hinaus, und machtvoll seine Hand
Ausstreckend, ruft er: » Deine Leichenfackel,
O Mutter!
« – zu den Gästen: » Auf nach Rom!« –

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