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Fünfter Akt.

Burg Pendennys.

(Halle mit einem auf einigen Stufen erhobenen Thronsitze.)

1. Auftritt.

Ronald und mehrere Diener sind beschäftigt, die Estrade mit Teppichen zu belegen, den Saal mit Blumengewinden und anderem festlichen Prunke zu schmücken.

Ronald. Nun rührt die Hände, feiert nicht, Gesellen!
Entfaltet mir des Purpurteppichs Pracht
Hier vor des Königs Thron.

Einer der Diener. Wie, vor des Königs Thron?

Ronald. Was gibt's zu staunen,
Und deines Schlundes gähnendes Verließ
Weit aufzutun? Saht ihr den König nicht
Hereinziehn hoch zu Roß in diese Mauern?

Diener. Der Jägersmann im schlichten grünen Rock,
Das wär' der König?

Ronald. Narr! Trägt denn ein König
Im Jagdkleid auch die Krone auf dem Scheitel?
Hier einen Teppich für die Königin!

Ein anderer Diener. Meint Ihr das schöne Weib im Scharlachkleide?
Des weißen Zelters stolze Reiterin?

Ronald. Was schwatzt der Laffe da von weißen Zeltern,
Von schönen Weibern und vom Scharlachkleid?
Bist du der Mann, den Blick emporzuheben,
Wenn eine Kön'gin dir vorüberzieht?
Mehr Kränze noch, mehr Kränze, sag' ich euch,
An jene Wände! Schmücket mir die Halle
Zum grünen Maienwald, und süßer Duft
Erfülle sie und hochzeitlicher Glanz.

Ein dritter Diener. Ist's möglich, Ronald? Denkt der Herr so schnell
Sich wieder zu vermählen?

Ronald. Blinder Tor!
Saht ihr die Herrin nicht zurückekehren?
Wallt nicht ihr Atemzug belebend wieder
In Pendennys hochprangenden Gemächern?
Ist nicht Griseldis uns Gebieterin?

Diener. Wohl kehrte sie zurück, gefesselt aber
An ihres Vaters Seite schritt sie hin.

Ronald. Stummpfsinn'ges Volk! Könnt ihr denn nichts begreifen,
Als was euch greifbar in die Hände fällt?
Nicht unterscheiden Anschein von Gehalt,
Den Mann vom Kleid, den Kern von seiner Schale?
Mehr Kränze, sag' ich euch, au jene Wände!
Spart nicht der Zweige hoffnungsgrünen Schmuck;
O, bände nicht Gelöbnis meine Zunge,
Aufjauchztet ihr und euer Jubel schlüge
Lautschallend auf bis ans Gewölb' des Himmels.

Einer der Diener. Was weißt du? Sprich!

Ein anderer. Ei, Ronald, teil's uns mit!

Ronald. Ich aus der Schule schwätzen? Nimmermehr!
Mehr Kränze, sag' ich euch! Beschickt die Tafel,
Eilt in die Küche, steigt zum Keller nieder!
Fort! Sputet euch! Das Fest kehrt nimmer wieder!

2. Auftritt.

Lancelot und Gawin treten auf, während Ronald und die Diener sich noch kurzem Verweilen im Hintergründe der Bühne allmählich entfernen.

Gawin. Verlassen wollt Ihr uns? Wollt Euch entziehen
Der Huld der Königin, dem Hof des Königs?

Lancelot. Mir ist das Herz verwandelt und gewendet,
Und ich erwache wie aus wüstem Traum.
Ich habe viel erlebt in wenig Tagen!
Die Fesseln, die mich hielten, sind zerschlagen;
Ich fühl' es, nicht der größte Reiz ist Schönheit,
Noch bunter Witz der Seele höchster Wert! –
Ich kann nicht Flecken sehn an meiner Sonne,
Noch schmutz'gen Rost am Spiegel meiner Ehre;
Lebt wohl, auf Wiedersehn.

Gawin. Herr Lancelot,
Griseldens Qual hat Euren Sinn umdüstert;
Doch nun erschöpft ist ihrer Leiden Maß,
Bleibt immerhin und schaut des Sieges Feier.

Lancelot. Fürwahr recht festlich prangen diese Wände,
Und Blumenkränze grünen um die Pfeiler;
Doch, mein' ich, des Gemütes Tiefen schmücken
Sich minder leicht zu Freudenfesten aus! –
Lebt wohl, Herr Gawin, denn mich treibt es fort!

Gawin. Die Königin wird schmerzlich Euch entbehren.
Lancelot. Mag sie's: vergessen wird die Zeit sie lehren.
Gerüstet schon im Burghof scharrt mein Roß,
Die Meerflut trägt nach Frankreich mich hinüber –
Gawin! Verhehlt ihr nicht, warum ich scheide;
Und wenn in ihrer Brust sich wieder melden
Die bösen Geister, Stolz und Übermut,
Mahnt sie an Lancelot und an Griselden.
(Er geht ab.)

Gawin. Er geht! Bei meinem Eid, es kann nicht schaden,
Wenn Tränen auch einmal zu Gast sich laden
In Frau Ginevrens dunklem Glutenaug'.

3. Auftritt.

Gawin, Percival und Tristan.

Percival. So ist des Truges Last von mir genommen,
Das Band zerrissen, das mein Herz umstrickt;
Der Tag der Sühnung ist herangekommen,
Der mit Verklärung die Bewährte schmückt.
O, Worte sind zu arm für ihre Tugend!
Hier schwör' ich ab den Frevel meiner Jugend,
Und unermeßlich wie der blaue Himmel
Soll meine Liebe sein! Ein Glanzgewimmel,
Ein Meer von Lust soll rauschend sie umfließen;
Ihr Aug' soll keine Tränen mehr vergießen
Als um die Rose, die der Sturm geknickt.
Wenn sie des Leidens tiefsten Pfuhl ermessen,
In höchster Wonne soll sie es vergessen!

Tristan. Wohl Euch, Herr Percival, wenn's Euch gelingt:
Wenn Kühlung fächelnd mit den bunten Schwingen
Der Flug der Tage ihr Genesung bringt.
Doch fürcht' ich sehr, zu tief sitzt ihr die Wunde,
Als daß ihr Herz ganz narbenlos gesunde.

Percival. Laß auf der Liebe Zaubermacht mich bauen,
Laß ihrem Herzen sorglos mich vertrauen,
Das unerschüttert an dem meinen hängt.
Tief wühlt der Schmerz, doch mächtig herrscht die Freude.
Wenn sie ihr Kind an ihren Busen drückt,
Wenn meine Arme glühend sie umfangen,
Dann kehrt die Röte ihren bleichen Wangen,
Die Ruhe kehrt in ihre Brust zurück.
Wird nicht ihr Lob von allen Lippen schallen,
Wird's nicht im Lied des Minstrels widerhallen,
Und hell ertönen bis zur fernsten Zeit?
Zu meiner Heil'gen will ich sie erheben,
Und sühnend ihrem Dienst weih' ich mein Leben;
Wie wechselnd sich des Mondes Licht erneut,
Soll ewig neue Freude sie umweben;
Sie liebt mich, Tristan, und sie wird vergeben! –
Herr Gawin, sprecht! Was säumt die Königin?
Sie gab ihr Wort, wann endlich wird sie's lösen?

Gawin. Noch zweifelnd kämpft in der Besiegten Seele,
Wie wechselnd auf den Wangen Blaß und Rot,
Beschämung mit der Pflicht, Entschluß mit Schwäche,
Und seekrank ganz vom Schwanken ihres Geistes,
Ringt sie nach Stärke, klammert sich verzweifelnd
An eines Wortes Strohhalm, doch nur tiefer
Versinket sie im Wirbel der Gedanken.

Percival. Sie gab ihr Wort, und weigert sich's zu lösen?

Gawin. Sie will und will doch nicht. Griseldens Sieg
Hat ihr Gemüt im Innersten erschüttert,
Beschämt erkennt sie ihren ganzen Wert,
Und sänke gern freiwillig ihr zu Füßen,
Doch, was das Herz ihr rät, will sie nicht müssen
Und muß es doch. Denn König Artus dringt
Auf Lösung ihres Wortes; Bitten nicht,
Befehle tönten ernst aus seinem Mund;
Und als ich sie verließ, schien ihr Bestreben,
Sich würdig in ihr Schicksal zu ergeben;
Und seht nur, seht, da kommen sie heran.

Percival. Sie ist's! – Habt meine Mannen Ihr versammelt?

Gawin. Es ist geschehen.

Percival. Meinen Knaben, Tristan,
Ihr brachtet ihn zurück in diese Mauern?

Tristan. In Ronalds Arme hab' ich ihn gelegt.

Percival. Nun ist mir wohl! Ausatmet meine Seele,
Die beste Stunde meines Lebens schlägt.

4. Auftritt.

Trompetenstoß außerhalb der Bühne. König Artus und Ginevra im königlichen Schmucke, Oriane, Ritter und Damen, Percivals Mannen in ihrem Gefolge, treten im feierlichen Zuge auf.

König Artus. Gastfreundlich, Percival, in ihrem Schoße
Empfingen uns die Mauern Pendennys;
Doch ohne Rückhalt wollen wir gestehen,
Was seine Schwelle uns beschreiten ließ,
War minder Wunsch, dich freundlich heimzusuchen,
Als beizulegen den verhaßten Streit,
Der feindlich Hoheit und Verdienst entzweit,
Zu schützen stillen Wert vor herber Prüfung,
Und Liebe vor dem Mißbrauch ihrer Macht! –
Doch wir vernehmen trauernd, schon gebracht
Sei jedes Opfer, das der Stolz begehrte,
Und frevlen Trotzes Übermut gewährte.

Percival. Wie du gesagt, so ist's, mein Herr und König!
Die Opfer sind gebracht, der Sieg gewonnen;
Nicht unbedacht hab' ich den Streit begonnen,
Der Frauen Perle hab' ich heimgeführt.
Mein Wort hat sich bewährt! Löst nun das Eure!
Der Kranz, den sie im schweren Kampf errungen,
Sei grünend um Griseldens Haupt geschlungen,
Und vor ihr knien muß die Königin.

König Artus. Hier steht sie! Sprich zu ihr!

Ginevra. Mein Herr und Gatte!
Ein königliches Wort ward ihm verpfändet,
Und königlich löst es Ginevra aus!

König Artus. Nun denn, was zaudern wir? Die Stunden eilen,
Laßt uns der Siegerin den Preis erteilen!
Geht Cedric und Griselden herzurufen! –
(Halblaut zu Ginevra.)
Ginevra, wenn den Schimmer unsrer Krone
Erniedrigung uns trübend heut befleckt,
Wir müssen für verdient dies Los erachten,
Nicht weil wir dein Vergehen je geteilt –
Weil wir betört es nicht zu hindern dachten!
( König Artus und Ginevra steigen zu dem Thronsitze hinan. Percival zieht sich hinter die Reihen seiner Vasallen zurück.)

5. Auftritt.

Die Vorigen: Griseldis tritt im Wollenkleid und Schürze, die Schritte
Cedrics leitend, auf.

Cedric. Griseldis, sprich! Ist es der Weg zum Tode,
Den du mich führst?

König Artus. Tritt furchtlos näher, Greis;
Dein Herr und König spricht zu dir. – Griseldis!
Nicht staune, daß die Mauern dieser Burg,
Der kaum verstoßen du den Rücken kehrtest,
Geschmückt zum Feste schimmernd dich umfangen;
Der Feier deiner Rückkunft gilt ihr Prangen,
Du aber freu' dich deiner Wiederkehr.

Griseldis.
Was sagt Ihr, Herr? Ist's Wahrheit, was Ihr kündet?
In meiner Seele streitet Furcht und Hoffen,
Und wirr' umkreist mich der Gedanken Flug! –
So ist von Percival der Bann genommen?
Der Haß getilgt, der deiner Brust entglommen? –
Und mir, mir sagst du, prangen diese Wände?

König Artus. Bei Englands Krone, Wahrheit künd' ich dir.

Griseldis. Das Wort des Friedens tönt von deinen Lippen,
Nicht Zornesdonner, noch der Rache Schrei;
Das hohe Frauenbild an deiner Seite,
Nicht grimme Blitze schleudert mehr ihr Blick,
Und mildes Lächeln strahlt aus ihren Zügen. –
O, wenn es Wahrheit ist, was du mir kündest,
So sieh mich flehend hier zu deinen Füßen,
Und meinen Bitten öffne mild dein Ohr!

Cedric. Nein, bitte nicht! Sie hören nicht auf Bitten.

König Artus. Nicht kniend sprich zu mir! Steh auf, Griseldis;
Was du auch flehen magst, ich will's gewähren,
Und meines Schutzes sollst du nie entbehren.

Griseldis. Ich bitte nicht für mich, mein Herr und König,
Für Percivals Geschick fleh' ich zu dir.
Laß deiner Gnade hellen Frühlingsschimmer
Im alten Glanz um seine Stirne strahlen;
In seine Hand zurück gib Macht und Herrschaft,
In seine Hand, nicht in die meine, Herr!
Wohl kenn' ich meinen Wert, und meine Stelle
War nimmer in des Grafen stolzem Haus.

Cedric. Und darum, Törin, stieß er dich hinaus!

König Artus. Griseldis! Gern verschwiegen wir aus Scham,
Was dir zum Heile sich enthüllen muß.
Erfahre denn: Dich täuschte leerer Schein;
Wir rissen nicht dein Kind aus deinen Armen,
Noch trennte unser Wille euren Bund,
Nie drohten deinem Percival Gefahren;
Du bebtest Schrecken, die nicht sind, noch waren,
Du zittertest vor einem Schattenbild!

Griseldis. Was sagt Ihr? Leerer Schein und Schattenbilder?
Mein Knabe – Percival – nur leerer Schein?
Was ich erlitt? – Der Schmerz, den ich genähret
Mit meiner Leibeskraft, der sie verzehret! –
Und leerer Schein? – Erhellt mir dieses Dunkel!
Nach Licht, nach Wahrheit dürstet mein Gemüt.

Cedric. Wie, hielt uns täuschend leerer Wahn umstrickt?

Oriane. Ein Wort, Griseldis, löst dir dieses Rätsel,
Und lüftet jeden Schleier deinem Blick,
Was du erlebt, war nur ein Fastnachtsscherz,
Den Percival, der Schalk, mit dir getrieben,
Ein Mummenschanz; der Anlaß – einer Wette,
Der Preis – der Fußfall einer Königin,
Und deine Tränen gingen in den Kauf!
Es galt ja nur, dich würdig zu erproben,
Daß er das Köhlerkind zu sich erhoben,
Und nicht getrübt das Vollblut seines Stammes.

Cedric. Darum! Darum! O frecher Übermut,
Der Herzen prüft in herber Tränenflut!

( Percival drängt sich aus der Menge hervor und stürzt sich zu Griseldis Füßen.)

Percival (flehend). Griseldis, zürnst du mir? Vergieb, Geliebte!
Lösch' von der Tafel der Erinnerung
Das Angedenken deines Leidens weg;
Laß deinen Blick Versöhnung niederstrahlen,
Und in den Abgrund nie erschöpfter Liebe
Versenke das Gedächtnis meiner Schuld.

Griseldis (tritt zurück, ihr Blick heftet sich eine Weile ausdrucksvoll auf Percival, dann spricht sie, wie aus einem Traum erwachend:)
Ein Fastnachtsspiel! – Sprich du! – Laß du mich's hören,
Von deinen Lippen, Percival! Sprich Wahrheit,
Ist's Probe nur, ist's nur ein Spiel gewesen?

Percival (nach einer kurzen Pause).
Du sagst es, Probe war's. Sie ist vorbei!
Geborgen ist dein Kind, dein Vater frei,
Dein ganzes Glück ist dir zurückgegeben!
Vergib auch du! – Nicht länger denk' des Spieles,
Das deinen Wert geprüft! Es ist vorüber;
Laß es vergessen und vergeben sein.

Griseldis. Ein Spiel und ich! –
(Sie drückt einen Augenblick heftig die Hand aufs Herz; schlägt dann rasch beide Hände vor die Augen, steht einige Sekunden schweigend, halb abgewendet, dann spricht sie)
Es war ein hartes, tränenreiches Spiel!

Percival. Du weinst! O, laß versiegen diese Tränen.
Sie wollten mich um meine Wahl verhöhnen.
Weil Waldesdunkel dich gebar, weil dich,
Der Schönheit Bild, umfing der Armut Rahmen;
Da stellte ich dem Prunke stolzer Namen
Dein Herz entgegen, deinen reinen Sinn!
Ich führte dich durch schwere Leiden hin;
Du hast gesiegt, gesiegt in jeder Probe,
Vor dir im Staube muß Ginevra knien,
Und England widerhallt von deinem Lobe! –
Willst du mir zürnen um so hohen Ruhm?

Ginevra (die indes mit König Artus vom Thronsitz herabgestiegen).
Griseldis, er spricht wahr! Wir leugnen nicht,
Ein Anteil seiner Schuld drückt meine Schultern;
Was er vollbracht, wir haben es ersonnen,
Wir haben Reue, du den Sieg gewonnen;
Und frei bekennen wir nach unserm Worte
Im Angesicht von Englands Ritterschaft,
Daß Kronenglanz vor deinem Werk erblindet,
Daß, ging's auf Erden nach Verdienst und Recht,
Du Kön'gin wärst und Englands Krone trügest;
Und hier zu deinen Füßen knie ich hin;
Vergib, was frevler Stolz an dir verbrochen!

Percival (in stolzer Freude).
Sie kniet! O, ruft es aus in alle Winde,
Die Königin kniet vor dem Köhlerkinde!

Griseldis. O, Königin! Steht auf! – Erhört mein Flehen!
Ihr sollt nicht knieen vor dem Köhlerkind!
Der Sieg ist mein, laßt mich den Preis verschmähen,
Den bittre Täuschung qualvoll mir verdient! –
Ihr meint den Lorbeer um mein Haupt zu schlingen,
Es ist ein Dornenkranz, den ich erstritt;
Denn alle Angst des Todes, die ich litt,
War minder herb, als was ist jetzt erleide.
Der Glaube ging mit mir im Wollenkleide,
Als ich getäuscht aus diesen Hallen schritt;
Nun floh die Täuschung, doch mein Glaube mit.

Percival. Wie? Hat dein Aug' nicht einen Blick der Liebe,
Dein Mund kein Lächeln mehr für Percival?
Was Stolz verbrach, die Liebe wird's erstatten:
Dem Winde hin gib überwundne Sorgen,
Das Dunkel schwand und heiter strahlt der Morgen.
Wenn ich den Wermutbecher dir gereicht,
Nun misch' ich dir den süßen Trank der Freude:
Ein Blütenkranz soll dir das Leben sein;
Die tief geheimste Regung deines Herzens
Verkehr' ich dir in frohe Wirklichkeit!
Selbst deiner Träume Wunsch will ich erfüllen,
Und kaum erwacht, dir jedes Sehnen stillen,
So, daß Besitz dir eins wird mit Verlangen;
Wie Meeresflut um dieses Eiland kreist,
So soll Entzücken rauschend dich umfangen,
Vergessen sollst du, was entbehren heißt.

Griseldis (langsam, mit halbgebrochener Stimme).
Was du versprichst, vermagst du nicht zu geben!
Nicht Freude mehr wird meinen Busen heben,
Nicht Wonne mehr begeistern diesen Blick! –
Kann Macht und Glanz das arme Leben schmücken?
Nicht Hoheit, Pracht, nur Liebe kann entzücken! –
O, Percival, du hast mein Glück verwettet!
Ein Spielzeug war dir dieses treue Herz;
Am Pfahl der Schmach hast du mich angekettet,
Und preisgegeben immer tiefem Schmerz!
Du zagtest nicht, ich möchte unterliegen;
Denn Fürchten war, sie könnten dich besiegen! –
Vergeb' dir Gott, so wie ich dir vergebe! –
Du aber, Vater, sprich: Die schwere Schuld,
Der du mich zeihst, ist sie nun abgetragen?
Wenn frevelnd meiner Liebe Übermaß
Zur Gottheit ihn erhöht, den Sohn des Staubes,
Hab' ich's nun abgebüßt mit meinen Tränen.
Mit der getäuschten Seele tiefstem Schmerz?
Darf liebend nun dich dieser Arm umschlingen,
Darf ich nun sinken an dein Vaterherz,
Von dem mich Liebe riß, nicht Sucht zu prangen,
Der Seele Drang, nicht sündiges Verlangen.

Cedric. Komm, armes Kind; ruh' aus an diesem Herzen,
Trink Heilung aus dem reichen Born der Liebe,
Der unverfälscht im Vaterbusen quillt.

Griseldis. O führe mich hinaus in unsre Wälder,
In unsrer Hütte friedlich stillen Schoß.
Laß an den treuen Busen der Natur
Dies todeswunde Herz mich träumend legen,
Und in dem Schatten des bemoosten Stammes
Hinwelkend, sterbend seines Schößlings Mark.

Cedric. Komm, komm; laß diese hier errötend sagen;
Sie trug den Schmerz, Schmach hat sie nicht ertragen.

Percival. Mir starrt das Blut im Herzen, deine Worte
Erschüttern mir der Seele tiefsten Grund;
Doch nimmer täuscht mich deiner Mienen Ernst;
Was ich an dir verbrach, willst du vergelten,
Mit finstrer Drohung neckend mir verbittern
Den stolzen Siegesjubel dieser Brust?
Griseldis, tu' es nicht! Laß dich versöhnen!
Nur strahlender wird Siegesglanz dich krönen,
Wenn Huld und Liebe deine Rache ist.

Griseldis. O, Percival, mein Blick sucht dich mit Tränen,
Die Lippe bebt, die dich begrüßen soll;
Doch sprechen muß ich, denn es muß entschieden,
Klar muß es sein; in Klarheit wohnt der Frieden! –
Mein Herz war dein, du hast es nie verstanden;
Es brach in deiner Hand! – Du konntest spielen
Mit seiner reinen Glut, du konntest prahlen
Mit seiner Treue, seinem Opfermut! –
Du hast mich nie geliebt! – Dahingeschwunden
Ist meines Lebens froh beglückter Wahn,
In Trümmer ist mein Paradies gesunken,
Und eine Wüste starrt mich freudlos an! –
Ich kann nicht mit dir gehen, Hand in Hand,
Wenn Herz vom Herzen nüchtern sich gewandt,
Ich kann's nicht, Percival! Es hängt mein Leben,
Die Achtung meiner selbst, mein letztes Streben
An meiner Träume göttergleichem Bild,
An deinem Bild! – O laß mich es bewahren,
Wie's hell und funkelnd meine Seele füllt.

Percival. Was sinnst du, Weib, und was willst du vollbringen?

Griseldis. Wenn auch in Dunkelheit, war ich geboren
Der Willkür Spiel, der Laune Ball zu sein,
Mit einem Wurf gewonnen und verloren? –
Du hast mich nie geliebt, und ohne Liebe
War' ich je würdig dein Gemahl zu sein,
Wenn ich es bliebe? Percival, du weißt,
Ich hab' an dir, an dir allein gehangen! –
Zum Haus der Niedrigkeit, das mich gebar,
Kehr' ich zurück, in meiner Wälder Schatten,
Und wie ihr Flüstern Wiegenlied mir war,
Soll rauschend mich ihr Grabgesang bestatten.

Percival. Verlassen willst du mich, du willst mich fliehen?
Mein bist du, mein! Wer darf dich mir entziehen?
Ich halte dich, wer darf dich mir entreißen? –
Wer löst der Treue Schwur, die du verheißen? –

Griseldis (mit unterdrückten Tränen).
Du selbst! Du hast der Liebe Band zerrissen!
Wir müssen scheiden! – Percival, wir müssen! –
Vergönn' mir, meinen Knaben zu behalten,
Bis meiner Tage karger Rest sich füllt.
Denn wohl erkenn' ich, meine Zeit ist um,
Und wie die Schwalbe scheidend südwärts zieht,
So heimwärts strebt die lebensmüde Seele!
Dann magst du als Vermächtnis ihn empfangen;
Der Ritterehre Bahnen führ' ihn hin;
Was du an mir verbrachst, erstatt' an ihn! –
Du aber steh! in lebensfrischem Prangen,
Ein hoher Stamm von Ruhmesglanz umstrahlt,
Und will mit neuen Banden dich umfangen
Beglückter Liebe siegende Gewalt –
O laß dich nicht von finstrer Macht bewegen,
Auch ihr der Prüfung Schlingen hinzulegen,
Denn nur um Liebe gibt sich Liebe hin! –
(Sie geht mit Cedric langsam ab.)

Percival (will ihr in den Weg treten).
Griseldis, mich verlassen? Nimmermehr!
Du darfst nicht! Bleib', Griseldis!

König Artus (ihn zurückweisend). Halt! Zurück,
Herr Percival! Fortan will ich sie schützen;
Du hast das Recht verwirkt, sie zu besitzen,
Und ungehindert soll sie heimwärts ziehn,
Wohl jeden Kampf bestehet Lieb' um Liebe;
Doch dienen nicht soll sie dem rohen Triebe,
Der ihr die Sohle auf den Scheitel setzt!
Dein Haus ist leer, das Glück ist fortgezogen,
Versunken deines Sieges Freudenbogen!
Nun wohne einsam in den öden Hallen,
Dir selbst genug, und in dir selbst zerfallen!
(Der König entfernt sich mit seinem Gefolge und den Vasallen Percivals, der, sein Antlitz in seinen Händen verbergend, allein im Vordergrunde der Bühne zurückbleibt.)


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