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Dritter Akt.

Burg Pendennys.

(Reich ausgeschmückter Saal. Im Vordergrunde der Bühne ein auf einigen Stufen erhobener Sitz; im Hintergrunde ein Vorhang, der den Saal von einer Vorhalle trennt.)

1. Auftritt.

Percival ruht in tiefen Gedanken versunken im Vordergrunde der Bühne in einem Lehnstuhl.

Percival (aufspringend).
Recht oder Unrecht? – Ja, da liegt der Knoten!
Mein Recht gebrauchen kann nicht Unrecht sein;
Und was ich darf, soll ich auch fröhlich können;
Ich bin nicht fröhlich, warum bin ich's nicht?
(Er geht unruhig auf und nieder, wieder stillstehend führt er fort.)
Fürwahr, es ist ein Unding, was mich quält!
So manchen lieben Tag hat's mich gelüstet,
Mich hingedrängt, zu wissen, nicht zu glauben,
Zu sehn mit meinem Aug', mit meinem Ohr
Zu hören, körperlich mit meiner Hand
Lebendig Überzeugung zu ergreifen;
Denn glauben läßt sich alles, auch der – Unsinn!
Nach Proben hab' ich mich gesehnt, geseufzt,
Nach einer ernsten Prüfung des Geschickes;
Und bebte nun zurück vor ihrem Anschein,
Vor ihrem Schattenbild? –

Ich prüf' mein Schlachtroß, eh' ich ihm vertraue,
Ich prüf' des Schildes Wucht, der Klinge Härtung
Eh' brausend mich das Schlachtgewühl umringt;
Und prüfte nicht mein Weib?

Soll mir ein Hirngespinst die Lust verkümmern,
Hinabzuschaun in ihrer Seele Grund,
Mein Bild zu sehn in seinem klaren Spiegel,
Mein Bild allein, kein andres neben ihm,
Und ihr Gemüt, so ganz mir unterworfen,
Daß es mein Hauch bewegt, mein Blick erschüttert,
Daß es der Regung meiner Brauen zittert,
Daß es in meinem Willen fühlt und lebt,
Daß ich sein alles bin auf dieser Erde,
Sein Herr, sein König, sein Geschick, sein Gott! –
Denn in der Liebe gibt's nicht Maß noch Grenzen,
Kein Mehr und Weniger; Lieb' ist unteilbar,
Und fehlt ein Gran an ihrem Vollgewicht,
Ein Sonnenstäubchen, so ist's Liebe nicht!
Und soll ich an die Möglichkeit mich klammern,
Wo Prüfung mir die Wirklichkeit bewährt,
Und wo ich schwelgen könnte in Gewißheit?
Soll mir genügen leere Zuversicht? –
Fürwahr, es ist ein Unding, was mich quält!

2. Auftritt.

Percival, Gawin, später Tristan.

Percival ( in rascher Bewegung auf Gawin zuschreitend).
Nun, Gawin, sprecht, wo ließt Ihr meinen Knaben?

Gawin. In treuer Obhut, edler Percival,
Nur bittergram der fremden Pflegerin,
Die er verschmähend abwehrt mit den Händen;
Er weint und droht dem Vater es zu klagen,
Daß man dem Arm der Mutter ihn entriß.

Percival. Verklagt er mich bei mir? Bei meinem Eide,
Er tut so unrecht nicht, und kommt die Zeit,
Will ich auch Buße tun! – Doch sagt, Herr Gawin,
Berieft Ihr meine Mannen nach der Burg?

Gawin. Nach allen Winden ward hinausgesandt,
Aus allen Tälern strömen sie herbei.

Percival. Habt Dank!
( Tristan tritt auf.)
Sieh da, was bringt Ihr uns, Herr Tristan!
Saht Ihr Griselden?

Tristan. Ja, ich sah sie, Herr!

Percival. Ihr fandet sie bekümmert und in Tränen?
Ihr zögert? Sprecht! Ihr sollt mir nichts verhehlen!

Tristan. Ich schritt, Griselden dein Geheiß zu künden,
Das sie hierher beruft, durch die Gemächer
Bis an des Turmes Wendeltreppe hin,
Die aufwärts zu der Erkerstube führt;
Und oben angelangt an ihrer Pforte,
Die weithin offen freien Spielraum ließ
Dem Blick wie dem Gehör, sah ich Griselden.
Das Haar gelöst und schmucklos niederhangend,
Ein regungsloses Steinbild saß sie da,
Kaum atmend, lebend tot, auf ihren Wangen
Nicht eines welken Rosenblattes Röte,
Und solch ein Meer entflutet ihren Augen,
Daß ihre Lippen, überströmt von Tränen,
In Wahrheit einen Wermutbecher tranken.
In ihrem Schoß lag eine Kinderklapper,
Des Kindes Lust, nun Stachel ihrer Qual.
Sie aber saß, vorwärts den Leib gebückt,
Die Hände schlaff in ihrem Schoß gefaltet,
So saß sie da, und heftet unverwandt
Den starren Blick auf ihres Kindes Wiege.
Und jetzt entringt sich schneidend, herzzerreißend,
Ein schwerer Seufzer der gequälten Brust,
Verdoppelt quillt der Tränen salz'ge Flut;
Die Klapper drückt sie heftig an die Lippen,
Und widerhallt vom Himmel und der Erde
Schreit sie empor: Mein Kind, mein süßes Kind! –
Und eine Saite sprang in ihrem Herzen
Als sie so rief, denn leblos sank sie hin!

Percival. Genug! Genug!

Tristan. In ihrer Frauen Armen
Kehrt dämmernd Kraft und Leben ihr zurück;
Sie richtet sich empor; ihr Auge hängt
An einem Bild der schmerzensreichen Mutter,
Die gramvoll niederschaut auf ihren Sohn,
Und zitternd wankt sie hin, und beugt die Knie;
Die Hände fromm auf ihrer Brust gefaltet,
Die Lippen krampfhaft aneinander zuckend,
Neigt sie ihr Haupt. Da reißt der Wolkenschleier,
Der draußen dämmernd lag auf Berg und Höhen,
Ein Strahl der Sonne küßt ihr Angesicht,
Und in Verklärung leuchten ihre Züge; –
Sie lächelte. O Herr! – Dies Lächeln sprach:
Die Knospe fiel, bald welkt die Blume nach.
( Percival blickt schweigend vor sich hin zur Erde; Tristan fährt nach einer Pause fort.)
Dies sah ich, Herr, und teilend ihre Qual,
Vom Anblick ihres Leides übermannt,
Das eigne Auge naß, eilt' ich hinweg,
Und dein Geheiß' bestellt' ich ihren Frauen.

Percival nach einer Weile sich stolz aufrichtend).
Du bebst zusammen, Percival?
Erschüttern Tränen deinen festen Sinn?
Der Becher ist gefüllt, sie muß ihn leeren;
Es ist beschlossen, und es sei vollbracht!
Ich will, ich muß, kein Ausweg liegt vor mir.

Tristan. Kein Ausweg, Percival? Er liegt so nahe;
Ein Wort genügt, Griseldens Leid zu mildern;
Mit einem Wort scheuchst du die Wolken weg,
Die sternlos finster ihr Gemüt umnachten!
Lös' ihr die Rätsel dieses grausen Spiels,
Den Knaben leg' in ihre Mutterarme –

Percival. Und meine Ehre, mein verpfändet Wort?

Tristan. Du magst es lösen vor der Königin.

Percival. Wie, soll ich knien? Ich zu ihren Füßen?

Tristan. Es frevelte dein Stolz, dein Stolz mag büßen.

Percival. Ich, nimmermehr! Nicht um des Weltalls Schätze!
Nicht um ein Leben! Nicht ums Himmelreich!
Des Weibes Träne gleicht dem Regenschauer,
Der niedersprüht aus flüchtigem Gewölk;
Er zieht vorüber, und die Sonne strahlt,
Und frischer grünen die getränkten Fluren.
Sie soll erproben, was die Liebe kann;
Doch wenn sie steht am Ende ihrer Bahn,
Wenn das Gewölk an ihr vorbeigezogen,
Dann wölb' ich ihr der Freude Regenbogen
In tausend Farben funkelnd überm Haupt;
Nur eine Wonne soll ihr Leben sein!
Ich fordre viel, und hart mögt ihr mich schelten,
Ich aber bin der Mann, auch zu vergelten!

Gawin. Dort wallen Banner von den Bergen nieder
Und Waffen blitzen aus der Täler Schoß;
Es sind die Euren, Herr, die sich versammeln.

Percival. Wohlan, ich geh', die Nahenden zu grüßen;
Doch ihr indes mit mildem Friedenswort
Bereitet mir Griseldens weiche Seele
Für diesen neuen Schmerz; wollt ihr es tun?

Gawin. Sei des gewiß.

Tristan. Dein Wunsch soll sich erfüllen.

Percival. So lebt denn wohl! Bald ist das Spiel vorüber
Und schon im voraus freu' ich mich des Sieges.
(Er geht ab.)

Tristan. Du siegst! Der Engel aber, der zu Buche
Die Aussaat trägt von unsern Lebenstagen,
Schreibt diesen Sieg zu deinen Niederlagen.

Gawin. Dort naht Griseldis; langsam durch die Hallen
Geleitet sie der Dienerinnen Schar.

Tristan. O Bild des Jammers! – Wie die volle Ähre
Zur Erde hin neigt sich das schwere Haupt.

3. Auftritt.

Die Vorigen: Griseldis, von ihren Frauen begleitet.

Griseldis (zu ihren Frauen).
Nehmt meinen besten Dank für eure Liebe!
Doch keiner Hilfe mehr bedarf mein Schritt.
Ich bitt' euch, laßt mich jetzt; es ist vorüber!
(Die Frauen drängen sich in den Hintergrund der Bühne zurück, Griseldis tritt vor.)
Sprecht, edle Herren, wo weilt Percival?
Es war sein Ruf, der mich hierher beschieden.

Gawin. Nicht lange harrt Ihr seiner Wiederkehr.

Tristan. Ihr wendet zürnend von uns Eure Blicke,
Und unsre Gegenwart erweckt Euch Grauen;
Gerecht ist Euer Haß, und Euer Vorwurf,
Wenn wortlos auch, spricht laut zu meiner Seele.

Griseldis. Euch hassen? – Nein, gewiß nicht, edle Herren;
Ich hasse niemand, selbst – den König nicht.

Gawin. Und doch schlug seine Hand Euch diese Wunde.

Griseldis. Die Tat war sein; der Wille kam von oben.
Nicht seine Hand berührte meinen Scheitel:
Der Mächtige, der in die Lüfte haucht,
Und Kronen wirbeln hin wie Federflaumen,
Der seine Brauen regt und Reiche stürzen,
Der winkt, und Welten werden, Sterne strahlen,
Der winkt, und sie vergehn; Er schlug mich, Er!
Gott prüfte mir die Kraft des stolzen Herzens.
Und sieh, es brach und schmolz in Tränen hin.

Tristan. So fromm, ergeben tragt Ihr Euer Leid!

Griseldis. Ich demutsvoll und fromm? War ich nicht stolz,
Recht übermütig stolz und voll von Dünkel?
Nahm ich denn nicht, als wenn sie mir gebührte,
Die Liebe Percivals und seine Hand?
War ich nicht stolz, sein Eh'gemahl zu heißen,
Und prahlt ich nicht mit meinem holden Kind?
Ich aber bin in Niedrigkeit geboren;
Und weil ich nicht erkannt die Huld des Himmels,
Und nahm für Recht, was milde Gabe war,
Drum mahnte mich der Herr in meinem Knaben,
Und schuldlos büßt er für der Mutter Schuld.

Tristan. O wahrt den frommen Sinn, der Euch ermutigt,
Und waffnet Eure Seele mit Geduld;
Noch finstrer tritt das Schicksal Euch entgegen,
Noch größre Opfer heischt des Königs Macht.

Griseldis. Noch größre Opfer? Sprecht, was fordert er?
Bedroht er Percival mit seinem Grimme?
Will er mein Leben? Redet! Zaudert nicht!

Gawin. Für Percival bangt nicht! Des Königs Zorn
Droht Eurem Haupte!

Griseldis. Kündet sein Gebot!
Was er auch fordre! sprecht!

Gawin. So hört: er will,
Daß Percival das Band der Ehe löse,
Das ihn mit Euch verknüpft und ein Gemahl
Aus edlem, gleich berühmtem Stamm sich wähle,
Zu zeugen Erben, würdig seiner Macht.

Griseldis. O meiner Träume finstres Schreckensbild,
So schnell wirst du mir wahr? – So reißt ein Tag
Mir jeden Kranz der Freude von der Stirne,
Und pflückt der Hoffnung letzte Blüte weg!
Gemahl und Kind! Allein, verlassen,
In einer Brust ein Meer des Jammers fassen!
Und er? Und Percival – O laßt mich wissen,
Was sagt Percival?

Tristan. Mit schwerem Herzen
Gehorcht er seinem Herrn, daß sein Geschlecht
Nicht spurlos untergeh' im Strom der Tage,
Und ferne Zeit noch seinen Ruhm bewahre.

Griseldis. Ich hab's geahnt! – In mancher stillen Nacht
Sah ich's im Geist voraus! – Zu überreich,
Zu selig war mein Glück für dieses Leben;
Nur wie ein Traum konnt' es mir niederschweben
Und mußte fliehen wie ein schöner Traum. –
So mußt' es kommen – ich erkenn' es klar! –
Soll er entbehren süße Vaterlust?
Auf Fremde seine Herrschermacht vererben?
Wer kann ihn tadeln? – Er hat recht getan.

Gawin. Begreift Ihr's, Tristan? Sie verteidigt ihn.

Griseldis. So kehr' denn heim in deiner Wälder Schatten,
Du Kind der Armut, Kind der Dienstbarkeit!
In diesem Haus war nimmer deine Stelle,
Und mutig kehr den Rücken seiner Schwelle;
Du nimmst sein Bild, nimmst deine Träume mit.
Er hat dich ja geliebt, und seine Liebe
Vergeht vor keines Königs Machtgebot;
Er wird dein denken, wird dich nie vergessen.
Er fühlt mit dir der Trennung herbes Leid!
O sei getrost und lern' entsagen, Herz!
Sei stark! Nicht Tränen sollst du ihm erpressen,
Und nicht mit Klagen stacheln seinen Schmerz.
Ihr aber, edle Herren, laßt mich wissen,
Treibt heute noch mich mein Geschick von hinnen?
Soll ich ihn nicht mehr sehn?

Gawin. Herr Percival
Wird selber Euer Urteil Euch verkünden;
Im offnen Saal, vor seinen edlen Mannen
Zerreißt er Euern Bund; und das Geschick
Gibt heute noch dem Bergwald Euch zurück.

Tristan. Schon schallt sein rascher Schritt durch Gang und Halle.
So sammelt nun der Seele ganze Kraft,
Und geht gefaßt dem harten Los entgegen.

4. Auftritt.

Die Vorigen: Percival tritt mit einigen seiner angesehensten Vasallen von der Seite ein, wohin er abgegangen: er betritt die Estrade und bleibt neben dem Sitze stehen; hieraus wird der Vorhang im Hintergrunde der Bühne geöffnet und Percivals übrige Ritter und Vasallen treten geräuschlos und langsam ein.

Percival (nach einer Pause).
Seid mir gegrüßt, Vasallen, Kriegsgenossen!
Vollzählig, wie's geziemt, seid ihr erschienen
Auf Pendennys, in meiner Herrenburg;
Ich rief euch und ihr kamt. Wenn ihr nun staunt,
Und zweifelnd euch befragt und nicht erratet,
Warum ich euch berief, sei dies euch Antwort:
Ihr wisset, wie, gedrängt von euren Bitten,
Griselden dort ich zum Gemahl erkor,
Das Kind des Waldes, niederm Stamm entsprossen,
Wenn auch voll Reizes, tugendreich und treu!
Ihr wißt, daß sie ein Söhnlein mir geboren,
Und grüßtet es als Erben meiner Macht;
Doch Artus, unser königlicher Herr,
Verwerfend meine Wahl und ihre Früchte,
Gebot, das Kind in seine Hand zu liefern,
Daß nicht die Würd' und Herrschaft meines Stammes
Vom stolzen Aar auf Sperlingsbrut vererbe;
Und treu vollzog ich, was der Herr befahl.
(Griseldis zuckt schmerzlich erschüttert zusammen; Percival fährt nach einer Pause fort:)
Ich gab das Kind des Königs Boten hin.
Doch weiter nun gebot mein Herr, der König,
Daß ich Morganen, seine Schwester, freie,
Griselden dort aus meinem Haus verstoßend,
Im offnen Saal, vor meinen edlen Mannen,
Wie ich vor ihnen sie zum Weibe nahm.
Und treu gehorsam dem Gebot des Königs,
Berief ich euch gesamt in diese Halle,
Vor eurem Angesicht es zu vollziehen.

Einer der Ritter Percivals. Wie, Percival?

Ein Anderer. Du hättest, Herr, beschlossen?

Ein Dritter. Griselden, dein Gemahl, willst du verstoßen?

Percival. Ihr dorten schweigt! Bei meinem Zorn, verstummt!
Berufen seid ihr, daß ihr Zeugnis gebet;
Doch nicht zu richten über meine Tat.
Seht denn und hört, doch bändigt eure Zunge!
Griseldis tritt heran!

Griseldis. Mein hoher Herr!

Percival. Vernimm! Gelöset sind die heil'gen Bande,
Die segnend uns vereint. Mit dieser Stunde
Ist unser Bund zerrissen und gelöst! –
Griseldis, hörst du mich?

Griseldis. So tu' ich, Herr!

Percival. Du ziehst noch heut hinweg aus diesen Mauern.
Was meine Liebe dir beschert an Gaben,
Gewänder, Schmuck und andrem Ziergerät,
Die Frauenreiz erhöhen, nicht verleihen,
Läßt du zurück; denn es gebeut der König:
Daß du mich hilflos, arm und nackt verlassest,
Wie ich dich aufnahm, hilflos, arm und nackt;
Und so vor meines Königs Willenträgern
Und den Vollstreckern seines Machtgebots
Entlaß ich dich. Zieh hin!

Griseldis. Mein hoher Herr!
Als du mich heimgeführt aus niedrer Hütte
In deine stolze Burg, mit Armut Macht,
Mit Ruhm und Hoheit Niedrigkeit vermählend,
Mit Liebe reich das arme Köhlerkind
Begabend; als mein Glück so rasch erblühte,
Wie Blumen sich erschließen über Nacht;
Da sprach es warnend mir im tiefsten Herzen:
Nicht länger als die Blume lebt dein Glück,
Und wie's erblühte, welkt es über Nacht.
Und mich ergebend in des Schicksals Fügung,
Nicht als Geschenk bewahrt' ich deine Treue,
Als Darlehn nur, wenn auch verzinst von Liebe,
Doch leicht zurückgefordert, wie verliehen.
Weil du denn jetzt den Zahlungstag mir kündest,
Will ich nicht säumig sein. Nimm denn zurück,
Des Adels stolzen Schmuck, den Klang des Namens,
Macht, Vorrang, Herrlichkeit und allen Schimmer,
Mit dem du so verschwendrisch mich begabt.
Doch zögernd nur, und mit gepreßtem Herzen
Erstatt' ich dir die beste, köstlichste
Nie überbotne Gabe deiner Huld,
Hier diesen Ring, der Liebe Pfand und Zeichen,
Die uns vereint, vereinend uns beseligt;
Er war mein alles, nimm ihn hin! – Und so –
So geh' ich hilflos, arm und nackt von hinnen,
Wie du mich aufnahmst, hilflos, arm und nackt.

Percival. Was du mir zugebracht, das magst du nehmen,
Nicht mehr, noch minder!

Griseldis. Herr, du weißt wohl selber,
Wie du mich forttrugst aus dem Vaterhaus:
Ein schlechtes Wollenkleid und eine Schürze
Hab' ich dir zugebracht. Kein Saumtier braucht's,
Die karge Habe mir hinwegzutragen.

Percival. So nimm dein Wollenkleid und deine Schürze.

Griseldis. So tu' ich, Herr! Was sonst mein eigen war,
Als ich die Hütte um die Burg vertauscht,
Der Jugend heitern Sinn, der Unschuld Blüte,
Das hoffende, vertrauende Gemüt,
Für diese Güter tauscht' ich süße Freuden,
Und der Erinnrung Nachgenüsse ein!
In Einem nur bist du mein Schuldner worden,
Denn meine Liebe bleibt bei dir zurück,
Und wie die Hand das Merkmal deines Ringes,
Wahrt meine Seele dein geliebtes Bild.

Percival. Ein spitzer Pfeil ist jedes ihrer Worte,
Und ihre Blicke sind ein schneidend Schwert! –
Mach' fort, Griseldis, deine Zeit ist um!

Einer von Percivals Rittern.
Mir springt das Herz vor Unmut und Bedauern.

Ein Anderer. O, daß Gehorsam meine Zunge lähmt!

Griseldis. Ein Wort nur, Herr, schwebt noch auf meinen Lippen,
Dann schreit' ich, dieser Burg den Rücken kehrend,
Dem Mutterschoß des dunklen Waldes, zu.
Leb' wohl, mein Percival! Dies Herz voll Liebe
Wird nie vergessen, wie du es beglückt.
Gedenken wird es dein, wenn mein Gedächtnis,
Hindämmernd längst verging in diesen Räumen;
Denn das Gewesne gleicht dem dürren Blatt,
Leicht weggeweht im Wirbel der Minuten.
Du aber lebe frohe Tage hin!
Mit seinem vollsten Strahlenglanz umgebe
Der Himmel segnend deine hohe Stirn;
Ganz überschütten soll er dich mit Lorbeern,
Und Kränze zahllos häuf' er auf dein Haupt.
In edlen Sprossen grüne dir dein Stamm,
Und ein geliebtres Weib mag mich ersetzen;
O, lächeln will ich, lächeln unter Tränen,
Wenn sie dich mehr beglückt; denn mehr dich lieben
Kann keine, keine auf dem Erdenrund.

Percival (milder, und mühsam die Rührung verbergend).
Zieh hin, Griseldis, deine Zeit ist um!

Griseldis. Ich streck' die Arme aus, dich zu umfangen,
Sie bleiben leer; mein Auge sucht nach deinem,
Und du verbirgst dein Antlitz meinem Blick! –
ja, du hast recht; wozu den Kummer mehren,
Und steigern zur Verzweiflung finstern Gram?
Wir müssen scheiden, sei's denn rasch getan!
Leb' wohl, mein Percival! – Mit diesem Wort
Setz' ich des Leidens Becher an die Lippen,
Und leer' ihn aus: denn dieses bittre Wort
Sagt alles, Percival! Das Wörterbuch
Des Grams hat nur dies eine Wort: Leb' wohl!
Leb' wohl, mein Percival!

Percival. Zieh hin, Griseldis!

Griseldis (mit einem Blick gegen den Himmel).
Der Herr gebietet und die Magd gehorcht.
(Sie wendet sich gegen den Hintergrund; Percival, tief erschüttert, verhüllt sein Antlitz, während die Frauen der Griseldis sich weinend um ihre Gebieterin drängen.)

Eine von Griseldis' Frauen. Verläßt du uns?

Eine Andere. Gebiet'rin, ziehst du fort?

Eine Dritte. O, laß den Saum mich küssen deines Kleides!

Griseldis. Laßt mich; die Zeit ist um und ich muß eilen!

Einer von Percivals Rittern. Lebt wohl, Griseldis!

Ein Anderer. Gott geleite Euch!

Griseldis. Lebt alle wohl! Vom Schicksal fortgetrieben,
Ein Trost ist dennoch meinem Leid geblieben;
Ich gehe weinend, doch ich geh' beweint!
( Griseldis schreitet durch die Menge hin, die nachdringend sie in lauter Bewegung geleitet. Percival blickt ihr nach, bis sie die Halle verlassen, dann stürzt er von der Estrade herab, ergreift Tristan bei der Hand und führt ihn rasch einige Schritte vorwärts.)

Percival. Tristan! Ich war zu hart! – Beim ew'gen Gott!
Es war nicht wohlgetan.

Tristan. Du folgtest blind
Dem Drang der stolzen Brust; nun ist's geschehen.
Die Tat war dein; ertrag nun ihre Wehen!

Percival. Ich war zu hart; mit Leid vergalt ich Liebe,
Und schuf den reinen Einklang ihrer Seele
In rauhen Mißlaut um!
(Trompetenstoß außerhalb der Bühne.)
Horch, Hörnerklang;
Wer grüßt mit Freudenruf das Haus des Unheils?

Gawin (am Fenster).
Seht? Dienertroß in wimmelndem Gedränge
Erfüllt den Burghof; eine Reiterschar
Zieht durch der Pforte dröhnendes Gewölbe –
Und Englands Farben wehen vor ihr her;
Da kommt die Königin mit ihren Frauen –
Auch Lancelot ist in dem Zug zu schauen.

Percival. O daß Gewittersturm sie heimwärts trüge,
Woher sie kam!

Tristan (der ebenfalls ans Fenster getreten ist).
Fürwahr, die Kön'gin ist's!
Herr Lancelot hebt sie von ihrem Zelter;
Auf seinem Arm gestützt, naht sie der Halle,
Aus der, getragen von des Volkes Schwalle,
Griseldis scheidend, ihr entgegentritt.

Percival. Griseldis, sagt Ihr?

Tristan. Ja, Griseldis! Seht,
Nun blickt sie auf und sieht die Königin,
Und dunkle Röte tritt auf ihre Wangen! –
Sie drückt sich an die Wand und beugt die Knie –
Doch Frau Ginevra rauschet stolz vorüber,
Kaum eines Blickes würd'gend dein Gemahl,
Die jetzt, von neuem Andrang fortgerissen,
Zum Tore hin die müden Schritte lenkt.

Gawin. Herr Percival! Hier kommt die Königin!

5. Auftritt.

(Die Vorigen! Königin Ginevra, begleitet von Lancelot, Oriane und anderen Rittern und Damen, tritt auf. Percival geht ihr mit Tristan und Gawin begrüßend entgegen.)

Ginevra. Wir fürchten, daß wir unwillkommne Gäste
Dies Haus betreten, edler Percival;
Denn unentschieden in den Lüften schwebt
Noch unser Streit; doch wir versehen uns,
Ihr werdet selbst im Feind das Gastrecht ehren,
Und gern ein Obdach unserm Haupt gewähren,
Da wir des Königs Ankunft euch verkünden;
In Staffords Wald aufs Weidwerk zog er aus,
Und Mahl und Herberg' denkt er hier zu finden.

Percival. Nicht freudiger soll ihn das eigne Haus,
Als Pendennys in seinem Schoß begrüßen.

Ginevra. Wir danken Eurem freundlichen Empfang!
Doch nun vergönnt uns, Percival, zu fragen:
Woher das Volksgedräng', das uns umflutet,
Woher der Stimmen brausendes Gemenge,
Das uns entgegenscholl? War es ein Fest,
Das Ihr begingt? Habt Ihr Gericht gehalten?
Wer war das Weib, das in des Tores Halle,
Umwogt vom Volke, uns entgegentrat?

Percival. Griseldis war's, Frau Kön'gin, mein Gemahl,
Der ich das Kind vom Mutterbusen riß,
Es war mein Weib, das schmachvoll ich verstieß.

Ginevra. Griseldis sagt Ihr?

Oriane. Wie, sie gab ihr Kind?

Tristan. Mit heißen Tränen, doch mit festem Mut
Für Percival zum Opfer gab sie's hin.

Lancelot. Sie gab ihr Kind? Sie räumte Pendennys?
Freiwillig, sagt Ihr, ohne Widerstreben?

Tristan. Beweint und weinend aus der Grafenburg
Zieht sie hinaus zur niedern Waldeshütte,
Kein zürnend Wort entschlüpfte ihren Lippen,
Und Segen, Segen war ihr Abschiedsgruß.

Gawin. Es ist so, wie er sagt. Ich kann's verbürgen,
Begreifen kann ich's nicht.

Percival. Ja, Königin,
So ist's! Wenn je auf rauher Erdenbahn,
Für Liebe Haß und Fluch für Segen erntend,
Ein Engel Gottes sichtbar hingewallt,
So ist's dies Köhlerkind, so ist's Griseldis! –
Mein frevles Wort, ich hab's gelöst, Ginevra;
Nun sei's genug! Kein finstres Gaukelspiel
Entweihe mehr den Himmel ihrer Brust;
Nicht Gram soll mehr an ihrer Seele zehren;
Wir kennen ihren Wert, laßt ihn uns ehren;

Lancelot. So sei es, Königin! Zurückgenommen
Sei Groll und Feindschaft, Forderung und Kampf!
Laßt Worte sühnen, was ein Wort verbrach.

Ginevra. Herr Lancelot, wenn wir des Rats entbehren,
So zweifelt nicht, wir werden ihn begehren! –
Ihr aber, Percival, macht uns erstaunen.
Ist dies der Mann, der übermütig stolz
Das Kind des Köhlers über uns erhöht,
Der sie uns hingestellt zum Musterbilde
Und ihrer Tugend prahlend sich gerühmt?
Zwei Kränze schmücken prangend Eure Stirne,
Und vor dem dritten bebt ihr scheu zurück?
Sagt, welcher Wahn hält Euren Sinn verblendet,
Daß Ihr dem sichern Sieg den Rücken wendet?

Percival. Wie! Lud ich ihre Tränen nicht genug
Auf meine Seele, nicht genug der Qual
Auf ihr geweihtes, sündenloses Haupt?
Es sei genug! Vernehmt mit dürren Worten:
Mich reut, was ich beschloß, was ich getan,
Und vorwärts nicht schreit' ich auf dieser Bahn!

Ginevra. Bedungen war es, und Ihr gingt es ein:
Wie Ihr auch tief die Seele ihr verletztet,
Griseldis sollt' Euch gleiche Huld bewahren,
Nicht ihrer Liebe Glut in Haß verkehren,
Noch frommes Dulden in Erbitterung;
Ja, wärmer sollt' an Euch im Leid sie hangen,
Als da zuerst Ihr bräutlich sie umfangen.
War's nicht bedungen? Sprecht, ihr wäret Zeugen,
Sprach ich nicht so?

Gawin. So sprachst du, Königin!

Oriane. Auch ich vernahm's; gewiß, es war bedungen.

Ginevra. Wir zweifeln nicht, Griseldis' starke Seele
Im Unglück selbst bewahrt Euch gleiche Huld;
Ihr fehlt der Wille nichts mir nicht der Glaube,
Nur ein geringes mangelt: der Beweis.
Ihr seht, ein letzter Kampf bleibt zu bestehen;
Fürwahr, ich zwing' Euch nicht, ihn einzugehen;
Doch wenn Euch Reue faßt, und wenn Erbarmen
In Eurer Brust den Stolz zu Falle bringt,
Bequemt Euch denn für Euren Trotz zu büßen,
Herr Percival, und kniet zu meinen Füßen!

Percival. Ich knien, ich?

Oriane. Herr Percival, sagt an:
Ihr seid dies Kampfspiel fröhlich eingegangen,
Was bleichet nun Besorgnis Eure Wangen?
Gewiß, Ihr dachtet, Herr, sie würde lächeln,
Als Ihr das Kind aus ihren Armen rißt
Und als ihr sie aus Eurer Burg verstießt,
Sie würde sie so stillvergnügt verlassen,
Als ginge sie zum Nachbar auf Besuch.

Percival (halb vor sich hin).
O hätt' ich so gedacht, wär' meine Schuld
Nur dumpfer Blödsinn, der nicht wählt noch wägt;
Ich aber sah im voraus ihre Tränen
Und zählte jeden Seufzer ihrer Brust.

Oriane. Und wohlerwogen, was beweisen, Herr,
Die Proben, die Griseldis überstand?
Sie gab ihr Kind, weil man ihr's sonst genommen,
Und als sie wegzog, wich sie der Gewalt;
Die wahre Probe, denk' ich, muß erst kommen.
Verdunkeln nur kann es Griseldens Wert,
Will Euren Mut zur Unzeit Mitleid lähmen;
Es liegt zu nah', für – Ausflucht es zu nehmen.

Percival. Verderblich Netz, das ich mir selbst gesponnen!
Vollenden muß ich nun, weil ich begonnen.

Ginevra. Wählt, Percival, und löset Euer Wort!
Entweder kniet besiegt zu meinen Füßen,
Wo nicht, so tretet vor Griselden hin.
Verbannt und flüchtig fleht um ihren Schutz,
Und wenn sie ihn gewährt, wenn die Verstoßne
Trotz bietend finster drohender Gewalt,
Ihr Haupt, ihr Leben für das Eure wagt:
Dann seid Ihr Sieger, und die Köhlermagd
Sieht Englands Königin zu ihren Füßen.

Tristan. Nein, hohe Königin, nicht straffer spannet,
Nicht bis zum äußersten des Bogens Sehne!
Und du, du kannst noch zögern, Percival!
Du schauderst nicht zurück? Greif in dein Herz!
In deinen Händen hüllst du Wohl und Weh! –
Stolz oder Liebe, Leben oder Tod!
Und du kannst zaudern? Gibt's denn eine Wahl?
Es gilt Griselden, knie, Percival!

Lancelot (zu Ginevra). Verlängre nicht die Dauer ihres Leides,
Ginevra! Laß Griseldens Schmerz dich rühren.

Ginevra. Griseldens Schicksal liegt in seinen Händen;
Er kann's zum Kampf, er kann's zum Frieden wenden!
Entscheidet, Percival!

Oriane. Was zögert Ihr?
Gehorcht dem Drang des reuigen Gemütes!
Kniet nieder, bittet ab, und fürchtet nicht,
Vielleicht die zarten Kniee wund zu drücken;
Auf Flaumen sollt ihr knien, auf Eiderdaunen!
O, Buße tun ist leichter, als Ihr meint!
Auch scheut uns Zeugen nicht! Wir wollen schweigen,
Kaum flüsternd es dem besten Freund vertrauen,
Wie vor Ginevra Percival gekniet.

Percival (blickt finster vor sich hin; nach einer Pause).
Ich hab' gefrevelt an dem treusten Herzen,
Ich hab' geschwelgt in ihren Todesschmerzen;
Und jetzt, erkennend meine schwere Schuld,
Jetzt möcht' ich's gern von ihrem Haupte wenden,
Was Wort und Pflicht mich zwingen zu vollenden! –
Jetzt ist's zu spät – erfülle sich mein Maß!
Ich bin bereit, zu neuem Kampf zu gehen,
Doch heute, jetzt gleich will ich ihn bestehen.

Ginevra. So geht voran! Wir bleiben nicht zurück.
Geleitet uns, ihr Herrn; bald soll sich zeigen,
Wes Schale sinken soll und wessen steigen.
(ab mit Oriane, Percival, Lancelot, Gawin und ihrem übrigen Gefolge.)

Tristan. Zieht hin! – Unselige! Das herbste Los,
Das Liebe treffen mag, ist dir gefallen!
Vergöttert und verhöhnt von einer Lippe,
Liebkoset und erdolcht von einer Hand!


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