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Einleitung.

Den Stoff zum dramatischen Gedichte »Griseldis« entnahm Friedrich Halm einer Sage, welche in dem alten Volksbuche »Markgraf Walter« niedergelegt erscheint, aber auch von Boccaccio in seinem »Decamerone« und später von Petrarca mit geringen Abweichungen bearbeitet worden ist. Halm verlegte jedoch die Zeit der Handlung in die Tage des Königs Artus und seiner berühmten Tafelrunde. Überhaupt war der Dichter bestrebt, dem Ganzen den Charakter ritterlicher Romantik zu verleihen und in dieser Richtung wurde auch in den Namen und im Schauplatze des Stückes, die sich von Boccaccios Darstellung wesentlich unterscheidende Änderung vorgenommen. Am allerwichtigsten aber erscheint der von dem versöhnlichen Abschlüsse in den Vorlagen gänzlich abweichende, jedoch dem Gefühle des Hörers Rechnung tragende Schluß des Dramas.

Ein kurzer Inhalt des Stückes möge hier folgen. Ritter Percival, der Sohn des rauhen Wales, schildert bei einem Feste des Königs Artus, der Königin Ginevra und den Gästen seine zu Hause gebliebene Gemahlin Griseldis als Muster der Frauen und berichtet wie er sie, die ein armes Köhlerkind gewesen, kennen gelernt. Da Ginevra über Griseldis Abstammung spottet, entgegnet Percival beleidigend der Königin und erklärt, daß nach Verdienst und Recht die Königin vor Griseldis knien sollte. Percival will nicht widerrufen, als dies verlangt wird. Nun schlägt Ginevra vor, Griseldis möge Proben ablegen, ob sie wirklich so edel sei und den Gemahl so heiß liebe. Diese Proben bestehen darin, daß Griseldis ihren geliebten Knaben auf Wunsch Percivals ausliefert, vom Gatten außerdem scheinbar, damit er die Ehe mit einer andern eingehe, verstoßen wird und trotzdem noch bei der Nachricht von der Lebensgefahr Percivals ihre Liebe zu ihm zeigt. Gelingen diese Proben, so will die Königin vor Griseldis knien. In den vier Folgeakten des Stückes spielt Griseldis die Hauptrolle, sie wird in der Tat der Prüfung ausgesetzt, hält alles Vorgespiegelte für wahr und besteht glänzend die Proben, welche ihre Liebe zum Gatten erweisen, obgleich ihr beinahe das Herz dabei bricht. Im fünften Akt soll Griseldis wieder in ihre alte Stellung festlich und glänzend eingesetzt werden, die Königin erklärt sich für besiegt und kniet in der Tat vor ihr. Aber – und hier weicht der Dichter von dem gewöhnlichen Schlusse der Sage ab – da Griseldis erfährt, daß alles nur Lug und Trug gewesen und Percival davon gewußt, daß mit ihrem Herzeleid nur Spiel getrieben worden sei, wendet sie sich vom Gatten ab und verläßt ihn mit ihrem Kinde für immer. Artus selbst schützt die tief Gekränkte vor der Einsprache des allein zurückbleibenden Percival, den Selbstsucht und lieblose Eitelkeit um sein Glück gebracht haben.

Halm hat dieses Stück im November 1833 begonnen und im Juli 1834 zu Ende geführt. Als es am 30. Dezember 1835 zur ersten Aufführung im Wiener Burgtheater kam, fand es eine überaus freundliche Aufnahme, die sich aber zu einer glänzenden gestaltete, als Julie Rettich bei den nächsten Aufführungen die Rolle der Griseldis übernommen. Dieses erste Drama Halms machte den Namen des Dichters berühmt. Während der Abfassung der Griseldis stand Halm mit seinem feinsinnigen Freunde Enk im fortwährenden auch brieflichen Verkehr und folgte Akt für Akt den Ratschlägen desselben, welcher die hohe poetische Begabung seines Schülers zuerst erkannt hatte. Nach der Vollendung schrieb Enk an Halm: »Stoff und Bearbeitung sind so reich an ergreifenden Momenten, daß diese Griseldis, ohne ein Wort zu ändern, auf jeder Bühne Deutschlands gegeben werden kann« und in einem späteren Briefe: »Sie haben, indem Sie sich der tragischen Poesie widmeten, keinem zweideutigen Gelüste nachgegeben, sondern sind einem inneren unabweislichen Drange gefolgt, also wahrem Beruf.«

Griseldis wurde rasch Repertoirstück aller deutschen Bühnen und bald in fremde Sprachen, so ins Französische, Italienische, Englische, Schwedische und Polnische, sogar ins Kroatische und Ungarische übersetzt. Bei allen Ausführungen wurde dem Dichter die reichste Anerkennung zuteil. Allerdings fehlte es auch nicht an Widersprüchen, welche namentlich der unmenschlich harten Behandlung der Gattin durch Percival sich zuwendeten. Gedruckt erschien das Drama von 1837 bis 1896 in 11 Auflagen, in der letzten Zeit ist es auch in verschiedene Sammlungen berühmter Werke aller Völker und Zeiten aufgenommen worden. – Es hat sich eine umfangreiche Literatur über Halms »Griseldis« entwickelt, aus welcher hier besonders Karoline Pichlers Aufsatz: »Griseldis. Über Liebe und Selbstsucht«, in deren: »Zerstreute Blätter. N. F. II.« (Wien 1845) und die besonders ausführliche, den Stoff selbst auch nach allen Richtungen beleuchtende Arbeit: »Die Griseldissage in der Literaturgeschichte« von Dr. Fr. v. Westenholz (Heidelberg 1888) hervorgehoben sein mögen.

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