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Vierter Akt.

Gebirgswald.

(Im Hintergunde an einem Wildbach, rings von Gebüschen umgeben, eine Köhlerhütte.)

1. Auftritt.

Der alte Cedric tritt auf, geführt von einem Knaben.

Cedric. Vernahmst du recht? Kann ich dir glauben, Knabe?
Ihr Kind geliefert in des Königs Hand?

Knabe. So sagt' ich.

Cedric. Ihres Bundes heil'ge Schwüre
Gelöset durch des Königs Machtgebot?

Knabe. Ja, blinder Cedric, ja!

Cedric. Und sie verstoßen,
Im offnen Saal, im Angesicht der Ritter?

Knabe. Wie ich dir sage, so begab es sich;
Und jede Lippe rings schmäht Percival
Und König Artus.

Cedric. Worte! Leerer Schall!
Der Graf von Wales prangend hingestellt,
Mit stolzem Scheitel in die Wolken reichend,
Und Worte, Worte! Bis des Fluches Atem
Zu solcher Höhe reicht, hat Schmeichelei
In Wohlgeruch den gift'gen Hauch verwandelt,
Und Balsam aus Verwünschungen gebraut! –
Der Graf von Wales und ein Köhler! Herr
Und Knecht! Und beide doch aus einem Staub
Genommen, Graf wie Köhler, beide Kinder
Des einen Gottes, der im Himmel lebt! –
Was hörtest du noch sonst?

Knabe. Wohin ich kam,
Da tönten Klagen trostlos mir entgegen;
Die Armen weinten, sehnend rief der Sieche
Nach seinem milden Arzt, aus jedem Munde
Erscholl Griseldens Preis und Zeugenschaft,
Wie unverdient sie Leid für Segen ernte!

Cedric. Wir Menschen richten nach dem leeren Schein;
Doch Gottes Auge taucht in unsre Seele!
Die Hand mag milde sein und Gaben spenden,
Den Nackten kleiden und den Siechen pflegen;
Doch wo der Stolz im Kinderherzen nistet,
Wo Hochmut neben Frömmigkeit sich brüstet,
Da trifft nicht unverdient der Blitz des Himmels.

Knabe. Wie? Sprichst du gen dein eigen Fleisch und Blut?

Cedric. Ich hau' die Hand mir ab, wenn sie mich ärgert,
Und strotzt das Blut mir schwellend in den Pulsen,
Reiß' ich die Adern auf, daß ich genese.
O, es gibt übles, schwarzgegornes Blut! – –
Genug! – Du bist zu jung für solche Dinge!
Komm, Knabe, komm dort zu der alten Eiche,
Zum Moossitz leit' mich hin!

Knabe. Hier, blinder Cedric!
Hier sitz' und halte Rast!

Cedric ( auf die Moosbank niedersinkend). O Flucht der Tage!
Aufseufzend hinkt dir mein Gedächtnis nach!
Hier saß sie oft in abendlicher Stille.
An meiner Seite, schmiegte schmeichelnd sich
In meine Arme, plauderte mir vor,
Und sang – du kennst das Lied! komm! sing' es, Knabe!
Wie hieß es doch? – Ein Ritter war – Nein, anders –

Ein Ritter kam gegangen,
Und sah das Röselein;
Da brennt er vor Verlangen
Nach seinem Purpurschein.

So hieß es! – Singe mir das Lied! – Nein, Knabe!
Nein, sing' es nicht! – O, ein verhaßtes Lied,
Ein widerwärtig Lied! Ich will's nicht hören,
Wie mir der Ritter meine Rose stahl.

Knabe. Komm in die Hütte, Cedric, pfleg' der Ruhe!

Cedric. Ertragen wollt' ich's, wäre sie gestorben;
Ich stünde einsam da, doch nicht verlassen,
Zwar ungeliebt, doch nicht vom Kind verleugnet;
Und trüg' ich jedes Mühsal dieser Erde
Auf diesen Schultern hin – eins trüg' ich nicht!
Das Schlimmste, mir vom eignen Kind gekommen!
Des Undanks Last wär' mir hinweggenommen!
Wer kommt da? Horch!

Knabe. Im Laube rauscht der Wind.

Cedric. Nein, Schritte, Schritte sind's! Sie kommen näher!
Sie käm' zur bösen Stunde, käm' sie jetzt!

Knabe. Am Saum des Waldes wankt ein Weib heran.

2. Auftritt.

Die Vorigen: Griseldis erscheint im Hintergrunde der Bühne.

Cedric. Erkennst du sie? Sprich, Knabe, zögre nicht!

Knabe. Hier ist sie, sprich sie an!

Cedric. Wer bist du? Rede!

Griseldis (zu Cedrics Füßen sinkend).
Dein Kind, mein Vater, dein verlassnes Kind!

Cedric. Mein Kind? Hab' ich ein Kind? Ei, sag' mir, Knabe,
Hab' ich ein Kind? – Mein Herz weiß nichts von Kindern
Und mein Gedächtnis nennt mich kinderlos!

Knabe. Erkenne sie, berühr' ihr Antlitz, Cedric!
Es ist dein Kind! Griseldis spricht zu dir!

Cedric (Griseldis Gewand berührend).
Ihr seid Griseldis, Percivals Gemahl?
Ei, schöne Dame, laßt die Hand Euch küssen!
Ihr tragt ein Wollenkleid und eine Schürze,
Nicht Florgeweb', noch seidenes Gewand!
Ziemt so geringer Staat für Eure Würden?
Wo ließt ihr Eure Frauen, Eure Ritter?
Wo sind die Diener? He! Bringt Matten her.
Daß Frühtau nicht der Herrin Füßchen netze.

Griseldis. Vertrieben, flüchtig lieg' ich dir zu Füßen,
Verstoßen aus des Gatten Bett und Haus,
Beraubt des Kindes, unsrer Liebe Frucht!
O gieß nicht Hohn und Spott in meine Wunden,
Mein Herr und Vater, du zerreißt mein Herz!

Cedric. Ja, süße Worte strömen dir vom Munde;
Doch siebenfach zu sprödem Stahl gehärtet,
Geschmiedet auf dem Amboß ward dein Herz,
Dein trugvoll, falsches, undankbares Herz.

Griseldis. Beim ew'gen Gott, der in den Wolken thront,
Du zeihst mich einer Schuld, die ich nicht kenne!
Mein Herz weiß nichts von Undank und Verrat.

Cedric. Du weißt von keiner Schuld, und schüttelst leicht
Wie Regentropfen jeden Vorwurf ab?
Nun denn, gib Rechenschaft von deiner Liebe,
Von Huld und Treue, die du mir bewiesen.
Was tatst du, sprich, du liebevolles Kind,
Als Percival aus seiner Burg mich bannte,
Weil ich mit Bitten seinem Grimm getrotzt,
Der unverdient Unschuldige bedrohte;
Was tatest du für deinen blinden Vater?

Griseldis. Ich meinte, Herr!

Cedric. Sind deine Tränen Perlen,
Daß du sie höher anschlägst als das Wort,
Das kräftig freie Wort, wie es der Tochter,
Der Hausfrau zusteht gegen den Gemahl,
Wie es ihr ziemt für den gekränkten Vater?

Griseldis. Laß nicht dein Kind die Schuld des Gatten büßen;
Er war der Herr, gehorchen meine Pflicht.

Cedric. Gehorchen, ja! Doch schweigen, schweigen nicht!
Du ehrtest Percival nicht als Gemahl,
Als deinen Herrn, als Vater deines Kindes;
Abgötterei hast du mit ihm getrieben:
Von Lichtgewölk, von Strahlenglanz umgeben,
Sahst du den Sterblichen, den Sohn des Staubes!
O Stumpfsinn, der sich selbst zum Schemel macht,
Daß Macht und Hoheit uns mit Füßen treten;
O Sklavendemut, die ihr eigen Fleisch
Und Blut verleugnet: nimm den Hohn nur hin!
Du warst nicht sein Gemahl, nur seine Dirne,
Und drum verstieß er dich gleich einer Magd.

Griseldis. Ihr Engel Gottes, seht auf mich hernieder,
Und sehet, seht, welch Unrecht ich erdulde!
War's nicht genug, mir jedes Glück zu nehmen,
Warum noch Flüche auf mein schuldlos Haupt?

Cedric. Du fragst: Warum? Hör' an, ich will dir's sagen.
Drei Tage lag mein Weib und deine Mutter,
Drei Tage lag sie hin, und konnt' nicht sterben,
Denn Sehnsucht nach dem vielgeliebten Kind
Hielt ihren Geist gefesselt auf der Zunge.
Ihr letzter Atem war ein Segenswunsch;
Doch du kamst nicht, den Segen dir zu holen,
Da hat ihn Satan lauernd weggestohlen
Von ihrer Lippen todesbleichem Rand,
Und ballte ihn zum Blitz in seiner Hand,
Und schleudert' ihn zurück auf deine Seele,
Als Fluch des Undanks, als des Stolzes Fluch,

Griseldis. Den ew'gen Gott ruf ich zu meinem Zeugen,
Daß frevler Undank nie mein Herz entweiht;
Er weiß es, was ich litt, als mir die Mutter
Im Sterben lag, und Percival im Sterben,
Als todesbang der Gatte mich entbehrte,
Wenn todesbang die Mutter mein begehrte.
Doch mein Gelübde war: Ihm angehören;
Ich mußt' erfüllen, was ich ihm gelobt,
Ich mußte meinem Kind den Vater retten.
Eh' durft' ich nicht ans Bett der Mutter treten.

Cedric. Du sprichst von meinem Enkel, deinem Kinde;
Sag' an, bewahrtest du's wie eine Mutter?
Wie deine Mutter dich? Hast du's geliebt?
Hast du's beschirmt mit deinem Blut und Leben?
Du hast dein Kind verraten, hast's verkauft,
Des Königs Schergen hast du's ausgeliefert! –
Das Tier des Waldes kämpft für seine Jungen,
Erst, wenn der Fuchs die Henne hingewürgt,
Trägt er die Küchlein fort! Du aber, du! –
Dir ward kein Haar gekrümmt, nicht eine Falte
Des schimmernden Gewandes dir verdrückt,
Du gabst es schmerzlos, gabst es lächelnd hin!

Griseldis. Die Liebe gab es, Liebe gab es hin.
Es galt des Gatten, galt des Vaters Leben,
Wie könnt' ich zögern, dürft' ich widerstreben?

Cedric. Genug! Genug des leeren Klangs der Worte!
Um Percival und seines Namens Prunk
Vergaßt du Kindespflicht und Mutterliebe,
Verleugnetest des blinden Vaters Schmach.
Gott aber ist gerecht; den du vergöttert,
Erwählt sein Wink zur Geißel deiner Schuld,
Und weiset dein Geschick an mein Erbarmen,
Den du vergessen in des Glückes Schoß.

Griseldis. Mein Vater, höre mich!

Cedric. Ich will nicht hören!
Komm, Knabe, komm, geleit' mich in die Hütte,
Und du, vernimm dies Wort! Nicht Schutz und Obdach
Versagte je dem Flüchtigen mein Haus:
Auch dir gewähr' ich ihn! – Dort ist die Schwelle;
Die Tür ist offen, meine Arme nicht! –
Ich will dich speisen, tränken, gastlich schützen;
Doch soll dein Arm nicht meine Schritte stützen,
Dein Blick nicht mehr in meiner Seele lesen.
Du bist mein Gast, mein Kind bist du gewesen.

Griseldis. Mein Vater, hör' mich!

Cedric. Nein, ich will nicht hören! –
Es spricht die Tat, mich soll kein Wort betören!
(Er geht auf den Knaben gestützt ab.)

Griseldis. So hört denn ihr mich, ihr, des Himmels Wolken,
Und du allschauend goldner Strahl der Sonne,
Du Auge Gottes, sieh auf mich herab!
Du mildrer Vater, der im Lichte thront,
Du kennst mein Herz, du prüftest meine Seele!
Du sahst den Schmerz, der meine Brust zerrissen,
Als nah' dem Tode ich die Mutter wußte,
Und sterbend ihn vor meinen Augen sah.
Nicht sünd'ger Stolz hat mein Gemüt vergiftet,
Nicht Glanz und Schimmer meinen Sinn verkehrt;
Büß' ich für Schuld, so laß sie, Herr, mich kennen,
Denn was die Menschen mein Vergehen nennen,
Ist Liebe, Liebe, nimmermehr ist's Schuld!
(Nach einer Pause in ruhiger Fassung.)
Vorüber zog der Frühling meiner Tage,
Und meines Glückes heitre Sonne sank;
Doch will auch nachtend Dunkel mich umfangen,
Der Liebe Stern ist nicht hinabgegangen;
Sie rissen Hand aus Hand, nicht Herz vom Herzen.
Der Träne, die auf meiner Wange glüht,
Glühn Schwestern in der Perlenflut der seinen.
Die Seufzer dieser gramerfüllten Brust
Begegnen seinen in der Lüfte Meer! –
Auf! Waffne dich mit Mut, gebeugte Seele!
Nicht finstrem Grame gib dich träumend hin;
Du bist nicht elend, denn du bist geliebt!
Im Busen tief gefesselt ruh' dein Schmerz,
Und will er schwellend seine Bande sprengen,
In Klagen sich auf deine Lippen drängen,
So denk', du bist geliebt und du darfst lieben,
Und aufwärts, aufwärts richte deinen Blick!
(Sie sinkt erschöpft auf den Moossitz; nach einer Pause erscheinen Percival und Gawin im Hintergründe der Bühne.)

3. Auftritt.

Griseldis, Percival, Gawin.

Percival. O daß mein Wort zu diesem Kampf mich zwingt!
Daß ich dem eigensücht'gen Drang der Seele,
In ihrer Liebe Übermaß zu schwelgen,
Ihr Glück geopfert und das meine mit!
Wär's nicht um dieses Hirngespinst von Ehre,
Ich sagte: Nein, und böt' ganz England Trotz!
Wir sind am Ziel. Folgt uns die Königin?

Gawin. In jenem Dickicht harrt sie unsres Winks,
Und dort im grünen Schatten ruht Griseldis!

Percival. Sie ist's! Hinweg, verbergt Euch dort im Busche;
Ich lös' mein Wort, Ihr sollt es mir bezeugen.

( Gawin geht ab.)

Griseldis (in tiefen Gedanken, spricht halblaut vor sich hin).
Zur Rose sprach der Ritter
Was welkst du in Waldesnacht?
Du sollst am Hut mir prangen
In deiner Purpurtracht.
Ich will dir am Herzen prangen
Und nicht an deinem Hut – –
(Sie erblickt Percival und fährt auf.)
Ach, Percival!

Percival. Ich bin es. Fliehst du mich?

Griseldis. Du bist es! Ja, du bist's! Du stehest lebend
In blühend heller Wirklichkeit vor mir!
Kein bleicher Schatten der Erinnerung
Tauchst du mir auf aus buntem Traumgewirr.
Du bist es wirklich, deine Lippe tönt
Von Worten, Atem schwellet deine Brust,
Dein Auge glüht, es strahlen deine Wangen.
Mit diesen Armen darf ich dich umfangen,
Und nicht in Luft zerrinnt dein teures Bild.

Percival. Griseldis!

Griseldis. Percival! O, nun ist alles,
Ist alles wieder gut! Hinabgesunken
In der Vergessenheit aufwallend Meer
Rauscht all mein Leid dahin mit ihren Wogen!
Mein bist du, mein! Ich fühl' mein Herz erwärmen,
Mein Herr und mein Gemahl, in deinen Armen!

Percival. O wär' ich noch dein Herr und dein Gemahl!

Griseldis. Was sagst du? Wie? – O Wahnsinn meiner Seele,
Der Wirklichkeit mit leerem Traum vermengt!
Verwirrte Sinne, lernt zurecht euch finden,
Und scheidet, was gewesen, und was ist.

Percival (für sich). Stähl' dich, mein Herz, und trotze ihren Tränen.

Griseldis. Mein hoher Herr! Ich weiß, du hast vergeben,
Daß blinder Taumel täuschend mich erfaßt;
Nun steht mein Schicksal klar vor meiner Seele,
Und wohl erkenn' ich deine Milde, Herr!
Du kamst zu meinem Trost mich heimzusuchen,
Mit mildem Wort erbarmend Öl zu träufeln,
Und Balsam in die Wunden meiner Brust.
Nimm meinen Dank dafür!

Percival. Hör' mich, Griseldis!
Erbarmen nicht führt mich zu dir heraus;
Der Morgen der Vergeltung ist entglommen.
Ich teil' das Los, das über dich gekommen.
Der König klagt mich Hochverrates an;
Ich bin verbannt, verlustig meiner Lehen;
Verfolgt, der Ächtung Brandmal auf der Stirne,
Irr' ich umher, die Späher auf den Fersen,
Die Faust im Nacken, die mein Haupt bedroht!

Griseldis. Verbannt und flüchtig, und dein Haupt bedroht!
Dein teures Haupt? O, mußt ich das erleben!
Und du verweilst noch hier, du wagst zu zögern,
Wo es dein Leben, deine Freiheit gilt?
Flieh! Flieh!

Percival. Umsonst! Umstellt sind alle Pfade,
Da ist kein Ausweg, keine Rettung mehr.

Griseldis. O, so erleucht mich du, du Born der Gnade,,
Ich muß ihn retten, hilf mir, Weltenherr!

Percival. Du willst mich retten, mich, der deinen Knaben
Dem König hingab, der dich rauh verstieß,
Der jeden Schmuck des Lebens dir entriß?

Griseldis. War es dein Wille denn, mein Herz zu kränken?
Und ist es Zeit, an mein Geschick zu denken,
Wo deines, Herr, am Rand des Abgrunds schwebt?
Komm, wenn auch Heere mir entgegenträten,
Ich muß dich retten, und bei Gott, ich will's!

Percival. Laß ab, laß ab! Nur mit hinunterzieht
Dich mein Geschick! Es gilt dein Blut und Leben!
Griseldis. O sprächst du wahr; dürft' ich dies arme Leben
Für deines geben, sterben für dein Heil!
Zerrissen ist das Band, das uns verknüpfte,
Doch dieses Herz ist dein! Nicht mehr an deinem
Aufjauchzend darf es ruhn, nicht mehr entzückt
An deiner Brust vor Wonne überfließen;
Nicht seine Tiefen mehr vor dir erschließen;
Doch brechen, Herr, ja brechen darf's für dich!

Percival. Laß ab! Mein Schicksal ruft, laß mich's erfüllen!
Wie Waffen glänzt es dort vom Busche her.

Griseldis (hastig). Sie sind es; fort! Entflieh! O, hab' Erbarmen
Mit meiner Todesangst! Verbirg dich, flieh!
Du kennst im tief versteckten Schoß des Waldes
Der Höhle Schlund, von Efeu überrankt,
Den Spielplatz meiner Kindheit, mein Geheimnis,
Nur dem geliebten Gatten anvertraut.
Verbirg dich, Herr, in ihren Felsenriffen,
Wenn ich nicht sterben soll zu deinen Füßen!
Flieh, Percival! Dort bist du sicher! Flieh!

Percival ( Griseldis heftig in seine Arme pressend).
Griseldis! Engel! Retterin!

Griseldis. Flieh! Flieh!
( Percival eilt ab; Griseldis blickt ihm nach, bis er im Dickicht verschwunden ist, dann sinkt sie auf die Knie, die Hände flehend zum Himmel erhoben, und spricht):
Errett' ihn, Herr, und mich nimm, mich zum Opfer!

4. Auftritt.

Ginevra erscheint im Hintergründe der Bühne mit Oriane, Lancelot, Gawin und Gefolge; Griseldis springt auf.

Ginevra. Hierher nahm er den Weg; verfolgt die Spuren!
Durchspäht die Büsche! Streift den Bach entlang!
Herr Gawin, forscht in jener Hütte Raum!
Ihr müßt ihn finden! Eilt!

( Gawin mit Bewaffneten ab.)

Ginevra (zu Griseldis hintretend) . Du aber sprich!
Er kam an dir vorüber! Steh' uns Rede!
Wohin entfloh er, wo verbarg er sich?

Griseldis. Wen suchst du, Königin?

Ginevra. Du täuschst mich nicht
Mit schlichter Einfalt nachgeahmtem Schein;
Wie du mich kennest, so auch kenn' ich dich:
Du bist Griseldis, Percivals Gemahl!
Wir suchen ihn, den flüchtigen Verräter,
Du aber künd' uns, wo er sich verbarg.

Griseldis. Ich, Königin?

Ginevra. Er kam an dir vorüber;
Du weißt, wohin er floh.

Griseldis. Und wenn ich's wüßte,
Ich bin Griseldis, Percivals Gemahl!

Ginevra. Verräterin, du birgst sein schuldig Haupt;
Ich weiß es, leugne nicht, ich hab's gesehen.

Griseldis. Gott sah es auch, und seine Wolken decken
Des Flüchtlings Spur! Ihn schirmen seine Engel,
Und Nacht umdunkelt seiner Feinde Blick.

Ginevra. Der Übermacht nicht biete Trotz, Griseldis!
Vermiß dich nicht, mit Königen zu ringen!
Sieh hin, rings ausgestellt ist unser Netz;
Errettung nicht wird ihm dein Schweigen bringen,
Und weiht dein eigen Haupt dem Blutgesetz.
Denn ist er nicht in unsre Hand gegeben,
Eh' die Minute flieht, so gilt's dein Leben!

Griseldis. Hier ist es; nimm es hin!

Ginevra (halblaut zu ihrer Umgebung). Beim ew'gen Gott!
Ist dies das Weib, das ohne Widerstreben,
Gehorchend wie die Magd dem Wink des Herrn,
Ihr Haus verließ, ihr Kind dahingegeben?

Lancelot. Vergebens mühst du dich, laß ab, Ginevra!
Ein Herz voll Liebe kennt nicht Todesfurcht.

Ginevra. In diesem Weibe lebt ein kühner Geist;
Das Traumgewebe meiner Hoffnung reißt.
(Zu Oriane.)
Sprich du zu ihr! Versuch sie zu erschüttern!

Oriane. Griseldis, hör' mich an! Hat Percival
Nicht in des Königs Hand dein Kind geliefert,
Dich selbst, mit edlerm Stamm sich zu verbinden,
Hinausgestoßen, hilflos, arm und nackt;
Und riß er nicht vom Gipfel deines Glückes,
Zu dem er schwindelnd dich im Flug erhoben,
In jähem Sturz zermalmend dich hinab?
Tat er nicht so? –

Griseldis. Er tat so, wie du sagst!

Oriane. Um Liebe magst du jedes Opfer bringen,
Um Liebe selbst des Todes Graus bezwingen;
Doch war es Liebe, was dir Percival
Bewies? In deine Macht ist er gegeben,
Er nahm dir alles, nimmst du nicht sein Leben?

Griseldis. O, meßt nicht Liebe mit so engem Maß!
Was wäre Liebe denn, wenn sie nicht gäbe
Mehr, als sie selbst empfing, wenn sie nicht trüge
Mehr als sie auferlegt, wenn sie nicht stünde
Ein starker Fels im Kampf empörter Winde,
Wenn sie nicht treu und fest im Unglück bliebe,
Der Hoffnung letzter Rest; was wäre Liebe?
Ich stand umstrahlt vom Schimmer seiner Ehren,
Soll ich bei Nacht ihm nun den Rücken kehren?

Lancelot. O, ihre Seele gleicht dem blauen Himmel,
Und selig wohnen in dem Glanzgewimmel,
Gleich lichtumflossnen Engeln, die Gedanken.

Ginevra. Bringt Ketten her und fesselt ihre Hände!
Sprich dein Gebet, dein Leben naht dem Ende.

Griseldis. Hier bin ich, Vater! Nimm dies arme Leben,
Empor zu dir laß meine Seele schweben.
Zurück zum Quell, von dem sie ausgegangen,
Laß sie aus Staub und Moder sich erheben,
Und wenn auch Erdenmakel an ihr hangen,
Du kanntest, Herr, ihr demutsvolles Streben;
Ein güt'ger Vater wirst du sie empfangen;
Ich liebte viel, und viel wirst du vergeben.

Lancelot. Vergebens will sie Hinterlist umgarnen,
Denn Liebe wacht, ihr treues Herz zu warnen.

Ginevra. In ihren Worten liegt ein Zauberklang,
Der rührend weich die Seele mir durchzittert.
(Zu Oriane.)
Er siegt! Nie werd' ich dieses Herz erschüttern.

5. Auftritt.

Die Vorigen; Gawin kommt mit seinen Begleitern, die Cedric mit sich führen, aus der Hütte.

Gawin. Erfüllet, Königin, ward dein Geheiß.
Die Hütte dort enthielt nur diesen Blinden,
Und selbst nun, Herrin, magst du ihn befragen.

Griseldis. Mein Vater! Heil'ger Gott! Mein Vater!

Ginevra. Ihr Vater?! – Noch nicht alles ist verloren!
(Zu Griseldis.)
Blick' hin, und zögre nicht mehr, zu gestehen!
Er teilt dein Los! Willst du ihn sterben sehen?

Griseldis (knieend). O, Königin! schon' seiner greisen Haare,
Gönn' ihm den kurzen Rest der flücht'gen Jahre,
Bis Gottes Engel einst sein Aug' berührt
Und ihn empor zum ew'gen Lichte führt.

Lancelot. Nicht länger quäle sie! Laß ab, Ginevra!

Griseldis (in krampfhafter Aufregung).
O laß erbarmend milde Gnade walten!
Bedrohe nicht dies matte, welke Leben!
Mich führ' zum Tode, mich! Ihm sei vergeben!

Ginevra. Sprich und er lebt! Dein Schweigen tötet ihn!

Griseldis (nach heftigem inneren Kampfe aufschreiend).
So schützt ihn ihr, ihr Engel! Ich muß schweigen!
(Sie sinkt ohnmächtig zusammen.)

Gawin. Sie sinkt!

Lancelot. O haltet sie!

Cedric. Was ist geschehen!
Verwirrte Klänge schlagen an mein Ohr!
O daß zerrisse meiner Augen Flor!

Ginevra. Bringt sie hinweg! Wir sind besiegt, Oriane!
Denn ob errötend auch, ich muß gestehen,
Ich habe Englands treustes Weib gesehen.
Bringt sie hinweg! Auch jenen Greis führt mit
Nach Pendennys! O, meine Wangen glühn!
Vor ihr, dem Köhlerkinde, soll ich knieen;
Verbirg mich, Dunkel, deck' mich, ew'ge Nacht!

Cedric (indem er fortgeführt wird).
O, wann wird Milde wohnen bei der Macht?


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