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Zweiter Akt.

Burg Pendennys.

(Es ist Nacht, eine Lampe erhellt spärlich den Raum der Bühne, die ein gewölbtes, mit Holzgetäfel und Schnitzwerk verziertes Gemach vorstellt. Im Hintergrunde der Haupteingang; links vom Zuschauer ein Seitenpförtchen.)

1. Auftritt.

Griseldis tritt aus dem Eingange links auf.

Griseldis. Wo mag er weilen? Dämmernd sinkt die Nacht,
In graue Schleier birgt der bleiche Mond
Sein fahles Antlitz; feuchte Nebel wallen
Unheimlich auf dem Trent! – Wo mag er weilen?
Wenn nur kein Unfall ihn zurückehält!
Doch stille! Horch! Es rauschet durch die Halle;
Die Pforte klirrt! Er ist's! –
( Die große Pforte im Hintergrunde öffnet sich; Ronald tritt auf.)
Willkommen, Ronald!
Schon lange harr' ich dein!

Ronald. Gebieterin!
Es gibt ein schweres Wetter diese Nacht;
So finster ballt sich das Gewölk zusammen,
Daß oft den Pfad mein blödes Äug' verlor.
Und Dunkelheit den raschen Schritt mir lähmte,

Griseldis. Bringst du mir Botschaft? Hast du ihn gesehn,
Den blinden Vater, den verehrten Greis?

Ronald. Ich sah ihn, Herrin, unfern seiner Hütte,
Wo aus der Büsche grünem Blättermeer
Die alte Eiche prangend sich erhebt.
Im Moose hingelagert fand ich ihn,
Und neben ihm den Knaben, seinen Führer.

Griseldis. Und sprachst du ihn, und hat in Huld und Liebe
Dein Friedenswort verwandelt seinen Groll?

Ronald. Gebieterin, du kennst ihn selber wohl,
Den leicht Gereizten, schwer Versöhnlichen.
Mit mildem Ernst empfing er meinen Gruß,
Denn freundlich war er immer mir gewogen;
Doch als ich meine Botschaft ihm nun künde,
Wie deine Lippe meiner sie vertraut,
Da runzelt er die Falten seiner Stirne
Zum finstern Nachtgewölk erzürnt zusammen,
Ein bittres Lächeln schwebt um seine Lippen;
Geh, sprach er, sag' dem Weibe Percivals,
Nie mehr betritt des Köhlers Fuß die Schwelle
Der Grafenburg, und nie mehr wölbt das Dach
Von Pendennys sich über seinem Haupte,
Den Stolz verbannt' aus seines Kindes Armen,
Das Kindesundank in die Grube beugt.

Griseldis. So war's denn ich, sein Kind, das ihn verbannt?
Es war Herr Percival, mein Herr und seiner,
Und nicht er selbst; ein schwarzer Augenblick,
Der flücht'ge Unmut einer finstern Stunde
Riß jenes rasche Wort von seinen Lippen.

Ronald. Dies alles sagt' ich ihm; er aber, Herrin,
Fuhr zürnend mich mit rauhen Worten an;
Was sie nicht tat, das ließ sie doch geschehen;
Verstoßen konnte sie den Vater sehen,
Und fand nur Tränen, Worte fand sie nicht!

Griseldis. O Himmel, könnt' ich mehr entgegensetzen
Dem Zürnen Percivals, als stumme Tränen?
Ergebung nur kann seinen Groll versöhnen! –
Ich ließ, was nicht zu ändern war, geschehen!
Gott aber, Gott hat meinen Schmerz gesehen.

Ronald. So sagt' ich ihm; doch finstrer nur und dichter
Umwölkten Unmutsfalten seine Stirn,
Dann hob er an: Viel wollt' ich ihr verzeihen;
Doch eins verzeih' ich nie; sie ließ die Mutter,
Die sterbend sich nach ihrem Kinde sehnte,
Vergebens sich nach ihrem Kinde sehnen;
Sie kam nicht, ihren Segen sich zu holen.
Die Mutter starb, und sah ihr Kind nicht mehr!

Griseldis. Lag nicht dem Tode nah' mein Gatte hin,
Wie meine Mutter? Durft' ich ihn verlassen?
Ihn fremder Sorge herzlos anvertrauen?
Was meine Seele litt in jenen Tagen,
Weiß ich allein; dies Bangen und dies Zagen,
Der Kindesliebe heißen Sehnsuchtsdrang,
Der mit der Gattin Pflicht und Liebe rang,
Das sah nur er, der unsre Tränen zählt.

Ronald. Auch dieses sagt' ich ihm; er aber –

Griseldis. Sprich!
Was zögerst du, was willst du mir verhehlen?

Ronald. Gebieterin, wohl besser wär's, ich schwiege;
Es ist ein hartes Wort, das er gesprochen
Und tief verletzt es dich.

Griseldis. Verschweige nichts!

Ronald. Nun denn, er sprach mit grimmverzerrten Zügen,
Das Antlitz flammend hell in Zornesglut,
Fluch, sprach er, Fluch dem Schalle stolzer Namen,
Fluch leerem Schaugepräng' und Prunk der Hoheit!
Sie stahlen mir mein Kind! Um Glanz und Schimmer,
Um Dienertroß und Goldesherrlichkeit
Verachtet sie die niedre Köhlerhütte,
Verschmähte sie der Mutter letzten Gruß!
Und also sprechend rafft' er sich empor,
Erfaßt' des Knaben Arm, und fort mich winkend,
Ins Waldesdunkel lenkt' er seine Schritte.

Griseldis. Nein, diese Schuld liegt nicht auf meiner Seele!
Nicht Pracht und Schimmer, eitles Schaugepräng',
An Percival band Liebe mein Geschick.
Der Liebe Hort in seiner Brust verschlossen,
Um dieses echtre Gold, um dies Juwel
Der Liebe gab ich meine Seele hin;
Um seines Auges feuchten Perlenschimmer.
Nicht um Gewalt und Pracht und eitlen Flimmer! –
Ist Liebe Schuld, wohlan, so bin ich schuldig!
Um Lieb' entbehrte ich der Mutter Segen;
Mein Stolz ist Liebe, Liebe ist mein Glück!

Ronald. Du weißt dich schuldlos! Nun, so fasse Mut!
Vertrau der Zeit, und trage seinen Vorwurf.

Griseldis. Und sie wird kommen, die ersehnte Zeit,
Die ihn zurückführt in des Kindes Arme?

Ronald. Gewiß, sie kommt dir früher, als du hoffst!
Noch immer weilt sein Geist in dieser Burg
Bekannten Räumen; eifrig frug er nach,
Wie jenes sich begab, wie dieses ausschlug;
Und mehr als einmal, väterlich besorgt,
Gedacht' er des geliebten Enkels.

Griseldis. Wie, tat er das?

Ronald. Gewiß, er tat es Herrin!
Drum hofft das Beste, wenn nur erst verglimmend,
Die Leidenschaft der Überlegung weicht,
Wenn frührer Tage freundliches Bedürfnis,
Des Kindes Nähe und des Enkels Gruß
Ihm wiederkehrt; wenn unermüdet Flehen
Rastlosen Andrangs schmeichelnd ihn bestürmt;
Gewiß, er öffnet Euch die Vaterarme,
Urplötzlich, tote der Fels, schon lang' erschüttert,
Vom Flutendrang der Brandung untergraben,
Mit einem Mal bezwungen niederstürzt.

Griseldis. Du tränkst mit Tau der Hoffnung meine Seele,
Und labst mein Herz mit mildem Trosteswort!
Hab' Dank dafür, und Pflege nun der Ruhe!

Ronald. Gott schütz' Euch, Herrin! Schlummert sanft und süß!
( Geht ab.)

Griseldis ( nach einer Pause ernsten Nachsinnens).
Die Mutter starb, und sah ihr Kind nicht mehr!
O Selige! wenn du von Himmelshöhn
Herniederschauest in dies Erdental,
Vergabst du mir, daß nicht der Tochter Hand
Dein Auge schloß, daß nicht in ihren Armen
Den letzten Atem deine Brust verhaucht?
Du hast ja auch an des Geliebten Hand
Das Mutterland, die Heimatflur verlassen;
Die neue Heimat hast du dir gegründet,
Und wardst ein Fremdling in dem Vaterhaus!
Ja, du vergabst, daß Gattenpflicht und Liebe
Mich ferne hielt von deinem Sterbebett,
Wenn Sehnsuchtsschmerz dein Scheiden auch verbittert,
Und mich des Undanks deine Seele zieh! –

O bittrer Vorwurf, schmerzlicher Verdacht!
Ist immer denn vom Übel Übermaß,
Selbst in der Tugend, in der Liebe selbst?
Und lieb' ich ihn zu sehr? Für seines Lebens,
Für seines Herzens ungeteilte Gabe
Kann mindres ich ihm bieten als mich selbst,
Mein Herz, mein Leben, unbeschränkt und ganz?
War's nicht mein Eid, ihn ewig treu zu lieben?
Ist mir's nicht Pflicht, und ist's nicht meine Lust,
Ist's nicht das höchste Glück auf dieser Erde,
Geliebt zu lieben, liebend zu beglücken?
O halte fest, mein Herz, an deiner Liebe!
Bewahr' den heitern Sinn, trag' unerschüttert
Den Schein des Unrechts und des Vaters Groll,
Und büß' getrost mit einem Tropfen Wermut
Für deiner Liebe ungetrübtes Glück!
(Sie tritt gedankenvoll an das Fenster.)
Farbloses Dunkel hüllt die Täler ein,
Und glotzt mich an mit schwarzen Finsternissen!
Ich will zu Bette! Teurer Percival!
Gedenkst du mein im gold'gen Prunk und Schimmer
Der Königsburg? – Gewiß, du denkest mein;
Denn wie dein Bild vor meiner Seele steht,
Muß freundlich auch das meine dich umschweben!
Gut' Nacht! Gut' Nacht, geliebter Percival! –
Nun seh' ich nach dem Kind, und dann zu Bette.

( Griseldis wendet sich, um abzugehen, und hat schon die Stubentür links vom Zuschauer erreicht, als Percival mit Gawin und Tristan durch den Haupteingang eintritt.)

2. Auftritt.

Percival, Tristan, Gawin, Griseldis.

Percival. Griseldis!

Griseldis ( auf ihn hinstürzend).
Percival; – du bist zurück!
Ich seh' dich wieder, teurer Percival!

Percival. Sei mir gegrüßt, Griseldis!

Griseldis ( in Percivals Armen). Percival!
Hab' ich dich wieder? Warst so lange fort;
Drei lange Tage! – Hast nicht mein gedacht,
Den Damen dort hast du den Hof gemacht! –
Nicht? Hast du's nicht getan? Nun darfst du nimmer
Du darfst mir nimmer fort! – Ei, küß mich doch! –
Wie Sonnenglut die Wangen dir gebräunt!
O, mir ist wohl, so. wohl an deiner Brust! –
Mein Percival! mein Herr! mein Hort! mein Gatte! –

Percival. Griseldis, sieh doch nur! –

Griseldis. Und was du hier
Versäumt? – Denk', Athelstan, der herz'ge Junge,
Die ganze Halle, frei vom Gängelband,
Nicht einmal strauchelnd fiel der Knabe hin;
Der alte Allan weinte fast vor Freuden:
Und denk' nur, meine Tauben wurden flügge;
Auch traurig war ich, recht zum Tod betrübt,
Nicht bloß, weil du mir fehltest; andre Dinge
Noch quälten, kränkten mich! – Doch laß nun sehen,
Ob du der Mutter und des Kind's gedacht,
Und was du Herrliches uns mitgebracht
Vom Fest des Königs? Nicht? Hast du vergessen?
Du schlimmes Väterchen! –

Percival. Sieh doch, Griseldis!
Ich bring' dir Gäste heim! – Nenn' sie willkommen! –
Gar wackre Ritter, Tafelrundgenossen,
Und werte Freunde sind's! – Hörst du, Griseldis?

Griseldis ( beschämt und errötend).
Ich sah nur ihn, vergebt mir, werte Herren!

Tristan. So bitten wir! – Nicht unser Kommen soll
Des Wiedersehens Freude Euch verbittern,
Und Euch verkümmern ihren Vollgenuß.

Percival. Ei, Tristan, laßt die schönen Worte weg!
Ihr seid willkommen, dafür bürg' ich euch!
Nicht wahr, Griseldis? Sprich!

Griseldis. Gewiß, ihr Herren!
Wenn auch erst spät, ich nenn' euch hochwillkommen! –
Gefällt es euch, so folgt mir in die Halle.

Percival. Nicht doch, wir bleiben hier!

Griseldis. Ihr weckt den Knaben;
Er schläft dort nebenan! Willst du ihn küssen?

Percival. 's hat Zeit bis morgen; doch nun fort, Griseldis!
Sorg' uns für derbe Kost und volle Becher!
Wir ritten scharf drauf los, und draußen stürmt's,
Als gält es, Erd' und Sterne wegzufegen.
Mach' fort, Griseldis, geh!

Griseldis. So tu' ich, Herr!
Was nur das Haus vermag, soll euch erquicken;
Ich bitt' euch sehr, weckt nur den Knaben nicht! ( Geht ab.)

3. Auftritt.

Percival, Tristan, Gawin.

Percival ( hat sich an einen Lehnstuhl geworfen).
Nochmals, ihr werten Herrn, seid mir willkommen,
Zu Pendennys, in meinem schlechten Haus!
Daß ich es bin, habt, denk' ich, ihr gesehen;
Was sagt ihr zu dem Köhlerkinde? Sprecht!

Gawin. Nie sprach ein reinrer Sinn aus schönren Zügen,
Und wenn auch häufig Schein und Ansehn trügen,
Ihr Auge, wie den Schatz die blaue Flamme,
Verrät der Seele Wert,

Tristan. Wie Flaum den Pfirsich
Umschattet holde Schüchternheit ihr Wesen,
Und Kindeseinfalt lacht von ihrer Stirn,

Percival. Nun seht, ihr Herrn, daß ich kein Prahler bin!
Mein Weib ist schön, und daß sie mehr als schön,
Daß ich nicht unbedacht dem Kampf mich stellte,
Des sollt ihr Zeugen und Verkünder sein!
Der Sieg ist mein, die Königin muß knien!

Gawin. Griseldis liebt ihr Kind; sie wird's verweigern!

Percival ( aufspringend).
Ihr träumt wohl, Herr? – Verweigern, mir verweigern?
Haut mir den Arm vom Leib, wenn ich nicht siege.
Ich war's gewiß, eh' ich mein Wort gegeben,
So ganz gewiß, bei meinem Bart, so sicher,
Als hätt' ich Brief und Siegel in der Hand.
Sie ließ um mich den Vater wie die Mutter,
Sie hielt an mir in ihrem tiefsten Leid;
Der Sieg ist mein; die Königin muß knien!

Tristan. Und dieses Weib, bewährt in Leid und Nöten,
Dies starke, treue, kindlich reine Weib,
Ihr wollt sie quälen, foltern bis zum Tode;
Mit einem Dolch des Herzens Tiefen messen,
Das schlägt für Euch; das Aug' mit Tränen füllen,
Das liebestrahlend Euer Auge sucht?
O geht in Euch; bleibt nicht bei Eurem Sinn!

Percival. Sankt David! Herr, bei meinem Sinne bleiben
War immer meine Art, und jetzt zumal,
Wo dieser Wettstreit meinen Willen stachelt,
Mein Blut entzündet, meine Sehnen spannt,
Und mir den Mißmut von der Seele scheucht,
Wie Windeshauch den Nebel aus den Tälern,
Bei Gott, noch heute nacht soll sich's bewähren;
Der Sieg ist mein, die. Königin muß knien,

Tristan. Tut's nicht, nur heute nicht! Gönnt ihr den Schlummer,
Vergällt ihr nicht des Wiedersehens Lust!
Ihr kränkt sie doppelt, kränkt Ihr sie noch heute.

Percival. Und kränk' ich sie, was ist es eben mehr?
Geträumter Schmerz gibt fröhliches Erwachen.
Wenn mich die Laune, das Gelüste treibt,
Mit Fasten meinen Leichnam zu kasteien, .
Mit Geißeln meinen Rücken zu zerfleischen,
Zu ritzen meine Hand mit meinem Dolch,
Wer kann mich tadeln, wer? Griseldis aber
Ist meine Hausfrau, Fleisch von meinem Fleisch,
Und Bein von meinem Bein. Laßt mich gewähren;
Ihr sagt, sie liebt mich: wohl, sie soll's bewähren!

Tristan. Die Tat ist Euer, mein war treuer Rat.

Percival. Mich reizt der Sieg! Und heute noch, beim Himmel,
Gleich jetzt erring' ich ihn! Hier will ich sitzen,
Und mein Gesicht in ernste Falten legen,
Und meine Stirn mit solchen Runzeln furchen,
Daß kein Gewölle der Gewitternacht
So finster drohen soll, als meine Mienen;
Und seufzen will ich, Sturm und Wind zum Trotz.
Ganz recht, Herr Gawin, eben fällt mir's bei;
Am Fuß des Schloßbergs wohnt in niedrer Hütte
Ein armes Weib, das meine Amme war;
Wenn ihn Griseldis gibt, bringt ihr den Knaben –
Doch still, sie kommt!

Tristan. Noch einmal, Percival!

Percival. Genug der Worte! Tretet dort hinüber,
Und, ernste Richter, schauet meinen Sieg!

4. Auftritt.

(Die Vorigen: Griseldis tritt auf; einige Diener folgen ihr mit Kannen und Bechern.)

Griseldis. Die Mahlzeit ist besorgt, und bald bereitet.
Labt euch indessen, vielgeehrte Herren.
An einem Becher edlen Rebensaftes;
Ich trink' euch zu, tut freundlich mir Bescheid!

Gawin. Habt Dank! auf Euer Wohlergehen, Dame!

Tristan. Auf flücht'ges Leid und dauerndes Entzücken!

Griseldis. Gerade noch entkamt ihr dem Gewitter,
Das jetzo furchtbar losbricht im Gebirg',
Den Widerhall mit Donnerstimme weckt,
Und Blitz auf Blitz durch alle Lüfte sendet.

Gawin. Ein Engel wacht, der sie vom Haupt Euch wendet.

Griseldis. Ihr seid zu gütig, Herr!
( Die Diener haben sich entfernt; Griseldis tritt zu Percival, der sich, im Lehnstuhl hingeworfen, trüben Gedanken zu überlassen scheint.)
Wie, Percival!
Ihr wollt nicht trinken? Ihr verschmäht die Labung,
Nach der Ihr erst gelechzt? – Was habt Ihr, Herr?
Trübsinn'ger Ernst umschleiert Eure Züge,
In düstern Gluten lodert Euer Blick!
So schwand das Lächeln hin, das mich begrüßte?
Ihr seufzet? – Percival! Ihr macht mir bange!
Was habt Ihr, Herr? –

Percival. Ermüdung, weiter nichts!

Griseldis. Nein! Täusch' mich nicht! – Nie düsterer als heut
Umwob des Unmuts Schatten deine Stirne.
Was hast du, Percival? – Laß mich es wissen!

Percival. Nein! Heute nicht! Ich spar' es bis zum Morgen!

Griseldis. O sag' mir heute, was ich hören soll!
Laß nicht die schweigend hingedehnte Nacht
Mich trüb und bang in scheuer Furcht durchwachen!

Percival. Du willst es, so vernimm! Der König zürnt,
Daß ich dem Stamm der königlichen Eiche
Ein Reislein eingeimpft vom Weidenbaume,
Daß meiner Macht und meiner Herrschaft Erbe
Emporgegrünt aus einer Köhl'rin Schoß.
Und dies ist sein Gebot, daß wir zur Stunde
In seine Hände liefern unser Kind,
Und weig're ich's, so droht er mit dem Banne.

Griseldis ( nach einer Pause unbefangen lächelnd).
Du scherzest, Percival, du willst mich täuschen!
Gewiß, du neckst mich nur; du kannst nicht fest
Und unverwendet mir ins Antlitz schauen.
Versuch' es, ob du's kannst! – Du fliehst mein Auge,
Und deine Lippe zuckt! Du lächelst! Geh!
Sinn' andre Kurzweil aus, mich schreckst du nicht!

Percival. Du bist es, die sich täuscht. Mein Wort ist Wahrheit,
( Auf Gawin und Tristan zeigend.)
Und diese sind des Königs Willensträger
Und die Vollstrecker seines Machtgebots.

Griseldis. Ihr also wollt mein Knäblein mir entführen?
Ei, geht, vermummt euch erst, daß man euch fürchte!
Knecht Ruprecht klirrt mit Ketten, wenn er naht,
Der Werwolf heult, wenn er nach Kindern spüret!
Ei, werte Herrn, ihr müßt nicht Kobold spielen
In Rittertracht und Sporen an den Fersen,

Percival. Du glaubst nicht meinem Wort und spielest lächelnd,
Ein sorglos Kind, mit dem Entsetzlichen?
Nun denn, sprecht ihr, ihr Boten meines Königs,
Und gebt mir Zeugenschaft.

Tristan. Herr Percival
Spricht wahr.

Gawin. Gewiß! wie er gesagt, so ist's!
Nach Eurem Kinde sind wir ausgesandt.

Griseldis. Es ist kein Scherz? – der König will mein Kind,
Mein süßes Kind von meinem Herzen reißen?
Warum? Wofür? Wie, soll der Knabe büßen,
Daß Niedrigkeit das Los der Mutter war?

Percival. Es ist der König, und die Macht ist sein;
Nicht seinem Willen läßt sich widerstreben;
Entschließe dich, den Knaben hinzugeben.

Griseldis. Du wärst entschlossen, Percival, du wolltest –
Du kannst es denken nur, ihn hinzugeben?
Du willst nicht mehr die heitern Züge schauen,
Voll lächelnden, voll sorglosen Vertrauens?
Nicht mehr der zarten Stimme Klang vernehmen,
Die schmeichelnd dich: Lieb' Väterchen begrüßt?
Dein Kind willst du verleugnen, Percival? –
Gedenk' des Tages, als ich ihn gebar,
Als du ihn aufnahmst an die Vaterbrust,
Und riefst: Ein Knabe ist's, es ist ein Knabe!
Gedenk' des frohen Taumels deiner Lust;
Um ihn vergaßt du mich; aus seinen Blicken
Sprang dir ein Born von Freude und Entzücken!
Da war kein Stern, der dir zu ferne schien,
Mit Licht und Glanz sein Leben auszuschmücken.
Und nun gibst du ihn hin? Ich kann's nicht glauben
Wer mag dem Löwen seine Jungen rauben?
Nein, Percival gibt seinen Knaben nicht!

Percival. Ich muß! Wohin ich auch die Blicke wende,
Kein Ausweg, keine Rettung liegt vor mir,
Mich zwingt die Not, den einen Pfad zu gehen;
Der König will's, ich geb' den Knaben hin.

Griseldis. Du hast den Cathmor und den Swen erschlagen;
Wer Kön'ge schlug, kann ihren Zorn ertragen.
Nein, Percival, du gibst den Knaben nicht!
Mit allen Opfern, die nur denkbar sind,
Versöhn' den König, weih' ihm Blut und Leben;
Dein Kind, dein einzig Kind darfst du nicht geben.

Percival. Ich sag' dir, Weib, ich muß! Du flehst vergebens!
Ich muß den Knaben opfern, und ich will's.

Griseldis. Er ist mein Kind, wie deins, ich will's bewahren,
Wenn du es geben willst. Es ist mein Blut,
Ich trug's in meinem Schoß, ich hab's geboren,
Ich hab' es aufgesäugt; mein Aug' bewachte
Mit stiller Lust sein fröhliches Gedeihen,
Und meine Zukunft ruht auf seinem Haupt!
Darf fremde Laune mir mein Kind entreißen,
Und es berauben treuer Liebe Hut?
( Sie hält plötzlich inne und spricht dann in unruhiger Hast.)
Der König hat kein Recht auf meinen Knaben;
Ihm ist er fremd; er zürnt, daß er geboren,
Er haßt ihn wohl, und wenn er ihn begehrt –
Sagt an, ihr Herrn, was will er mit dem Knaben? –
Wie, schweigt ihr? Sprecht? Was will er mit dem Kind?

Tristan. Sorgt nicht! Der König ist gerecht und mild.

Gawin. Erfüllen wird sich, was der Herr gebietet;
Uns ward sein Auftrag, nicht sein Wille kund.

Griseldis ( rasch mit dem Ausdrucke höchster Angst).
Ihr hintergeht mich nicht! Auf eurer Stirne,
In euren Blicken steht's geschrieben;
Er will ihn töten! – Will er,– Ja, er will's!
Darum wollt ihr mein süßes Kind mir nehmen,
Das Kind der Mutter? – Eh' mein Augenlicht!
Versucht es, blut'ge Mörder, kommt heran,
Reißt ihn empor aus seinen süßen Träumen,
Eh' ihr nicht leblos mich dahingestreckt!
Vergießt sein Blut, eh' ihr nicht meins verströmt!
Verlassnes Kind, dich schirmt dein Vater nicht,
Ich will es, ich, ein Weib, doch eine Mutter!

Gawin ( zu Tristan). Ich sagt' es wohl, sie gibt den Knaben nicht.

Percival. Jetzt oder nie!
(Sich zu Griseldis wendend.)
Wohlan, es sei, Griseldis!
Bewahre denn dein Kind! Doch fortan hüte
Sein teures Haupt mit immer wachen Blicken!
Beschütz' es vor dem Atemzug der Luft,
Wie ein Juwel bewahr's, wie eine Krone;
Denn hohen Preis hast du dafür gegeben!
Dein Knabe kostet dich des Vaters Leben!

Griseldis ( aufschreiend). Dein Leben, Percival?

Percival. Was zitterst du?
Dir bleibt dein süßes Kind! Wenn Acht und Bann
Mein Haupt verfehmt, und meine Macht zertrümmert,
Wenn gleich dem scheuen Wild der Grimm des Königs
Mich unermüdet durch die Täler hetzt,
Wenn mich Verrat ereilt, Gewalt bezwingend,
Wenn mich des Henkers Faust zum Blutgerüste,
Zum Tode schleift! – Griseldis, zage nicht!
Laß bleichen unbegraben mein Gebein,
Dein teurer Knabe soll gerettet sein!

Griseldis (blickt einige Augenblicke, die gefalteten Hände krampfhaft an das Herz gedrückt, starr vor sich hin; dann spricht sie langsam und mit matter Stimme).
Dem Bann verfällst du, und dein Leben
Bedroht des Königs Zorn?

Percival. So ist's, Griseldis!

Griseldis ( fast tonlos). So nimm den Knaben hin!

Percival. Du widerstrebst
Nicht mehr; du gibst das Kind?

Griseldis. Ich muß –
Die Liebe gab es, Liebe gibt es hin!! –

Percival. Der Sieg ist mein! Herr Gawin, nehmt den Knaben!

( Gawin schreitet auf das Nebengemach zu, Griseldis eilt ihm nach.)

Griseldis. Halt! – Nehmt ihn! – Laßt! – Ich kann nicht,
Herr im Himmel!

Percival. Griseldis, her zu mir!

( Griseldis kehrt um, stürzt zu Percivals Füßen nieder und blickt, indem sie die gerungenen Hände an seine Kniee drückt, stumm zu ihm empor. Während Gawin in das Nebengemach tritt, fällt der Vorhang.)


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