Friedrich Wilhelm Hackländer
Eugen Stillfried - Erster Band
Friedrich Wilhelm Hackländer

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Zweites Kapitel.

Indem Madame Schoppelmann ihren Kaffee bereitet, erfahren wir aus fortgesetzten Gesprächen während dieses Geschäfts, daß eine schöne Tochter schwer zu hüten ist.

Kaum hatte der Bruder diese Worte gesprochen, so flog die Thüre, die ins Nebenzimmer führte, heftiger auf, als nothwendig gewesen wäre, und das Mädchen, von dem oben die Rede, ließ sich auf der Schwelle sehen. Sie war mit ihrer Morgentoilette beschäftigt und augenscheinlich nur durch den Angriff des Bruders dazu vermocht worden, so in das Vorzimmer herauszukommen; eben im Begriffe gewesen, in einen hellfarbenen kattunenen Ueberrock zu schlüpfen, schnürte sie zu diesem Zwecke eiligst ihr Mieder zusammen. Ihr dichtes schwarzes Haar war in zwei fast unförmlichen Flechten um den Kopf herumgewunden und wurde oben durch ein rothes Tuch festgehalten, das sie, gewiß ohne es zu wollen, malerisch und kokett darüber hingeschlungen. Ihr Auge blitzte, ihre etwas starken, aber frischrothen Lippen waren leicht geöffnet, und sie wiederholte hastig die Frage der Mutter. »Da hätte man viel zu sagen!« gab der Bruder achselzuckend zur Antwort; »ich weiß nichts und will nichts wissen!«

»Was willst du nicht wissen und was weißt du?« fragte hastig Katharina.

Der Bruder aber dachte, daß es besser sei, vor der Hand den beiden Frauenzimmern gegenüber an einen klugen Rückzug zu denken, und versuchte diesen zu bewerkstelligen, indem er sagte: »Nun, ich will mich gerade in nichts Genaueres einlassen; das sollte mir fehlen!«

»Sprich gerade heraus!« entgegnete das Mädchen, »sag', was du willst und was du weißt!« – Darauf riß sie eifrig an dem Schnürriemen und zog dann ihren Ueberrock zusammen, um dem Bruder auch in ihrem Aeußeren gerüsteter entgegen treten zu können.

»Laß mich in Frieden!« sagte dieser. »Nun ja, wenn man den ganzen Tag gereizt wird und es nur über uns beide hergehen soll, das kann man sich auch nicht immer gefallen lassen und das wollen wir auch nicht. Und daß dagegen die Katharine Euer Schooßkind ist, das weiß die ganze Welt, und daß sie thun und treiben kann, was sie will, das weiß wieder die ganze Welt. Aber warte nur!«

»Und worauf soll sie warten? du böses Maul!« entgegnete Madame Schoppelmann und rührte langsam in dem Kaffee, den sie vorhin aufgegossen.

Das Mädchen aber, kräftig und fest wie ein Mann und dabei geschmeidig wie ein Aal, näherte sich mit größter Lebhaftigkeit dem Tische, an dem der Bruder saß, legte ihre volle, aber feine Hand auf denselben, beugte den Oberkörper vor und sah ihm fest in die Augen. »Es ist das schon öfter vorgekommen, daß du und dein Bruder den Versuch machten, der Mutter allerlei Spinnen in den Kopf zu setzen, und immer hinter meinem Rücken. Auch heute hast du wohl gedacht, die Katharine ist noch lange nicht bei der Hand, sonst wärest du nicht mit deinen bösartigen Redensarten losgegangen, darauf könnte man schwören. Aber jetzt rathe ich dir im Guten, Fritz, sage gerade heraus und unumwunden, worauf du vorhin angespielt; denn ich bin doch wahrhaftig neugierig, endlich einmal zu erfahren, was ich für einen Lebenswandel führe!«

»Das möchte ich auch wissen!« setzte die Mutter hinzu. Und das sagte sie mit einer außerordentlich kräftigen und entschlossenen Stimme, und näherte sich in ihrer ganzen breiten Gestalt, beide Arme in die Seite gestemmt, ebenfalls dem Tische.

»Laß mich in Frieden!« sagte barsch der Fuhrmann; »von Lebenswandel habe ich auch gar nicht gesprochen.«

»Wovon denn?« fragte heftig Katharina und beugte den Kopf so herab, daß ihre großen, dunkeln Augen wenige Zoll von den grauen, unsteten ihres Bruders entfernt waren und ihn fest zu bannen schienen. Er fuhr zurück und lehnte sich dann in seinen Stuhl, wobei er ein außerordentlich lustiges Lachen erheuchelte, indem er hoffte, sich so aus der Affaire zu ziehen.

Doch waren die beiden Damen nicht gesonnen, ihn dieses Mal ohne gründliche Beichte entwischen zu lassen. Katharina, welche dieser beständigen Sticheleien hinter ihrem Rücken müde war, wußte ganz genau, um was es sich eigentlich handle, und war überzeugt, wenn der Bruder auch wirklich etwas vorbringen würde, daß sie doch im Stande sei, sich vor der Mutter herauszureden und damit den ewigen Neckereien ein plötzliches und rasches Ende zu machen.

Der Bruder aber brach, durch die lange Weigerung, seine Anklage vorzubringen, dieser selbst die Spitze ab, und die Mutter mußte natürlicher Weise denken, wenn er wirklich etwas wüßte, so würde er sich nicht so lange sperren, damit heraus zu rücken. Und doch bedurfte es noch mancher außerordentlich heftigen Aufforderung von Seiten der Schwester, sowie eines nicht ganz gelinden Schlages der Mutter auf den Tisch, um den einigermaßen eingeschüchterten Fuhrmann zu bewegen, das, was er wußte, von sich zu geben. »Es ist die alte Geschichte,« sagte er achselzuckend, »die Ihr aber nie glauben wollt, Mutter, so oft man Euch auch schon davon gesprochen – der Blumenhandel von Katharine.«

»Und was geht dich mein Blumenhandel an?« versetzte verächtlich das Mädchen und richtete sich mit ihrer ansehnlichen Gestalt stolz in die Höhe. »Bekümmere dich um deine Gänse und Enten!«

»Ja freilich,« entgegnete lachend der Bruder, »geht mich dein Blumenhandel nichts an; ich bin auch, Gott sei Dank! keiner von jenen jungen Offizieren zu Fuß und zu Pferd, die das Pflaster auf dem Markt zu Schanden trampeln, mit Schleppsäbel und Federhut, und dann bin ich ja auch nicht die schöne Katharine, wie sie dich heißen. Ha! ha! Und noch viel weniger gäb ich nur einen Groschen um das beste Bouquet von dir, und wenn du ... es mir auch selbst an den Rock stecken thätest.«

»Wem stecke ich Blumen an den Rock?« sagte heftig und erhitzt das Mädchen; »wem? du Lästermaul!«

»Nun, nun,« entgegnete der Bruder, »das thust du freilich nicht Vielen, aber wenn ich auch so ein – – junger Mensch wäre, mit dem braunen Frack, hohem Hemdkragen und darunter so ein violet seidenes Tuch, und wenn ich so ein blasses, liederliches Gesicht hätte, wie gewisse Leute mit hinaufgewichstem blondem Schnurrbart, da käme es dir nicht darauf an, mir eine Rose ins Knopfloch zu stecken. He, Jungfer Schoppelmann? he, schöne Katharine?«

»Von wem spricht denn der Bub' eigentlich?« sagte die Mutter und stieß ihre Tochter mit dem linken Ellbogen an den Arm. »Das sind auch gewiß nur wieder von seinen dummen Phantasieen! Nicht wahr, Katharine?«

Die Sache mußte doch nicht so ganz auf der Phantasie des Bruders beruhen; denn als er so von dem braunen Frack und dem blonden Schnurrbart sprach, zuckte das Mädchen ganz leise zusammen, und die glühende Röthe ihrer Wangen wich einer augenblicklichen Blässe, die, auf der hohen Stirn anfangend, sich mit Blitzesschnelligkeit bis auf die heftig athmende Brust fortsetzte.

»Nun, Katharine,« wiederholte die Mutter, »was will er damit sagen? Leg' ihm seine bösen Reden!«

»Sie wird sie mir nicht legen!« sprach triumphirend der Bruder und trommelte mit seinem Messer auf den Tisch. »Siehst du, Kätherle, es ist besser, wenn du nicht so herausfordernd thust!«

»Und was willst du damit sagen?« rief die Mutter und stützte beide Arme auf den Tisch; »was soll das heißen?« »Ja, das möchte ich auch wissen,« sagte Katharina, »was und wen er damit gemeint hat!«

»Was und wen?« lachte der Fuhrmann. »Was? den Blumenhandel, und wen? einen gewissen Herrn Eugen; die Jungfer Katharine kennt ihn schon.«

»Du kennst ihn schon?« sagte die Mutter und blickte die Tochter bedenklich an.

Doch Katharina lachte statt aller Antwort laut hinaus, und es gelang ihr, recht unbefangen zu lachen. »Eugen! Eugen!« sprach sie alsdann; »nun ja, das ist möglich, daß einer von den vielen Herren, die von meinen Blumen kaufen, Eugen heißt, auch daß er vielleicht oft kommt, sich Sträuße zu holen.«

»So oft,« rief der Bruder dazwischen, »daß die ganze Stadt davon spricht.

»Ei, Katharine,« bemerkte die Mutter sehr ernst, »da fällt mir auch etwas ein, was man mir neulich gesagt – ich weiß nicht mehr recht, welche von den Weibern es war – ja, ja, die sagte mir wahrhaftig etwas Aehnliches. Nimm dich in Acht, Katharine, vor dem Gerede der Leute und vor deiner Mutter! Jetzt komme ich auf einmal wieder klar auf die ganze Geschichte; ja, ja, es ist schon was Wahres daran, was der Fritz sagt.«

»Nicht wahr, Mutter?« »Und ich werde dir den ganzen Blumenhandel noch legen,« fuhr diese fort. »Meiner einzigen Tochter was nachsagen zu lassen, das sollte mir fehlen! Ja, ja, wer hat es mir nur gesagt? Katharine, nimm dich in Acht! Ich glaube – wenn ich mich nicht ganz irre – es hieß, der nichtsnutzige Sohn der verwittweten Staatsräthin Stillfried streiche den ganzen Vormittag um deine Körbe herum.«

»So ist's, Mutter,« sagte der Fuhrmann, »der liederliche Herr Eugen, der ist's! Und daß an der Sache was Wahres ist, könnt Ihr deutlich an Eurer Jungfer Tochter abnehmen. Hat sie nicht vorhin gethan, als wenn sie mich fressen wollte, und jetzt ist sie mäuschenstill geworden?«

Das Mädchen warf den Kopf trotzig in die Höhe und ließ auf den Bruder einen Blick unbeschreiblicher Verachtung blitzen. Dann sagte sie: »Es ist freilich am besten, wenn man deine dummen Reden unbeantwortet läßt; ich will mich auch gar nicht darum kümmern. Sag', was du willst, und wenn dir die Mutter am Ende wie gewöhnlich glaubt, so kann ich auch nichts dagegen haben. Ich werde doch thun und lassen, was mir gefällt, denn ich bin kein Kind mehr und weiß schon, was ich zu thun habe.« – Damit wandte sie sich vom Tische weg und ging wieder ins Nebenzimmer, dessen Thüre sie ebenso heftig, als sie sie geöffnet, wieder hinter sich zuschlug.

»Seht Ihr, wie sie trotzig ist, obgleich sie mir nichts Rechtes zu antworten weiß!« sagte der Bruder, »ja laßt der nur allen Willen, und Ihr werdet genug Freude an ihr erleben!«

Madame Schoppelmann gab keine Antwort, sondern ging an den Herd, nahm von dort die große Kaffeekanne und setzte sie auf den Tisch; dann langte sie vom Kamingesims einige Tassen herunter, die sie daneben stellte, nahm aus einem Wandschrank einen Teller, worauf ein frisches Stück Butter in einem Kohlblatte eingewickelt lag, und stellte das nebst einem großen Stück Brod daneben. Aber obgleich sie das Gespräch von vorhin nicht laut fortsetzte, so sah man doch ihrem Mienenspiel an, daß sie diese Geschichte nicht ganz gleichgültig aufnahm, sondern vielmehr eifrig darüber nachdachte. Zuweilen schüttelte sie den Kopf, seufzte auch wohl gelinde auf, und als sie das Frühstück hergerichtet hatte, ließ sie sich mühsam auf einen breiten, schweren Stuhl an dem Tische nieder und legte, statt zuzulangen, die Hände in den Schooß.

»Hast du,« fragte sie nach einer Pause, »deine Schwester vorhin nur necken wollen, wie es unter euch Mode ist, oder sagt man wirklich in der Stadt etwas über sie und jenen Herrn Eugen?«

»Allerdings sagt man etwas!« entgegnete bestimmt der Bruder und goß sich eine Tasse Kaffee ein. »Und man sagt sogar recht viel über Herrn Eugen und Jungfer Katharine, über die schöne Katharina, wie die Leute sie nennen.«

»Ueber mein Kind!« sagte ernst die Mutter. »Aber Katharine,« fuhr sie nach einer Pause eifriger fort und schüttelte die Hand, »weiß gewiß nichts davon, sie ist ganz unschuldig. Doch dem Herrn Eugen sollte man das legen.«

»Ja, wenn ich's ihm nur legen dürfte!« meinte der Fuhrmann und schnitt sich ein ungeheures Stück Brod ab; »ich wollte es ihm so legen, daß er sich selbst mit legen müßte. Soll ich ihm vielleicht einmal in den Weg laufen und ein Wort mit ihm sprechen?«

»Nein, nein,« sagte die Mutter, »das ist keine Sache für deine Hände, Gott soll mich bewahren! Darin will ich schon meine eigenen Gänge machen. Der Katharine will ich den Kopf schon zurecht setzen, und wenn die Frau Staatsräthin eine rechtschaffene Dame ist, so wird sie mit ihrem Sohne das Gleiche thun. Laß mich nur machen.«

Der Bruder wollte noch Einiges entgegnen, doch bat ihn Madame Schoppelmann, jetzt gefälligst sein Maul zu halten, denn sie wolle ihren Kaffee in Ruhe trinken.

Nach einigen Augenblicken kam auch Katharina wieder aus dem Nebenzimmer hervor, jetzt vollständig angezogen, einfach, in einer Tracht, die zwischen denen der Dienstmädchen guter Häuser und der Bürgerstöchter die Mitte hielt. Von jenen hatte sie das schwarze nette Mieder entlehnt, von diesen den langen Rock, und der Schnitt des ganzen Kleides paßte so gut zusammen und war in den Farben so geschmackvoll gewählt, daß Jedermann, der dieser vollen, prächtigen Gestalt mit dem frischen, blühenden Gesichte begegnete, unwillkürlich stehen bleiben und zu sich selbst sagen mußte: Das ist in der That ein schönes Mädchen!

Die Familie, durch den vorherigen Streit etwas verstimmt, wechselte während des Kaffeetrinkens nicht ein einziges Wort, und es wäre solcher Gestalt im Gewölbe sehr still gewesen, wenn nicht in diesem Augenblicke ungefähr ein Dutzend Weiber nach und nach eingetreten wären, die sich auf den Steinen am Herd und den davorstehenden Stühlen ziemlich geräuschvoll niederließen. Obgleich diese Weiber Colleginnen, wenn gleich ärmere und unbedeutendere Colleginnen der Madame Schoppelmann waren, so wagte doch keine, die feierliche Kaffeestunde durch eine laute Frage an die Frau zu unterbrechen, vielmehr begnügten sich alle mit einem stummen Gruße, der von Madame Schoppelmann ebenso stumm, wenn gleich etwas vornehmer, erwidert wurde. Unter sich dagegen sprachen die Weiber bald leise, bald lauter, und es herrschte eine lebhafte Unterhaltung, welche sich natürlicher Weise nur um ihr Geschäft, den Gemüse- und Obsthandel, drehte.

Jetzt hatte Madame Schoppelmann ihren Kaffee mit der bedeutenden hierzu gehörigen Menge von Brod und Butter zu sich genommen; sie rückte ihre Haube zurecht, erhob sich dann schwerfällig von ihrem Sitze, wobei sie ihre beiden Arme auf den Tisch stützte, daß er krachte. Dann trat sie mit einer gewissen Würde und Feierlichkeit an den Herd in den Kreis jener Weiber, die sich darauf ehrfurchtsvoll von ihren Sitzen erhoben.

Nach einer kleinen Pause, während welcher die Weiber erwartungsvoll zu Madame Schoppelmann aufblickten, setzte diese den rechten Arm in die Seite und fragte mit einer sehr wichtigen Stimme: »Wie schaut's heute Morgen auf dem Markte aus?«

»So, so!« entgegnete eines der Weiber; »es ist im Allgemeinen nicht zu viel und nicht zu wenig da, gerade was die Stadt braucht.«

»So könnte man also,« entgegnete Madame Schoppelmann, »die Preise vom vorigen Dienstage im Allgemeinen festhalten?«

»Wahrhaftig, man könnte ein wenig anziehen,« erwiderte die Gefragte, und die Anderen nickten mit dem Kopfe und meinten auch, es wäre nicht unthunlich, die Preise etwas zu erhöhen.

»Sie wird am besten wissen, Frau Schoppelmann,« sagte eine Zweite, »daß es in dieser Woche eine Menge Geschichten in der Stadt gibt; ein paar große Hochzeiten weiß ich, einige tüchtige Kindtaufen ebenfalls.«

»Und in den beiden ersten Gasthöfen,« ergänzte Madame Schoppelmann, »sind, heute und morgen große, extra bestellte Diners. Ja, ja, das ist schon wahr. – Wie sieht's draußen mit der Butter aus? – Es kann nicht übermäßig viel da sein.«

»Daran fehlt's wirklich,« antwortete die, welche zuerst gesprochen, »es fehlen mehrere von den gewöhnlichen Lieferanten.«

»Denen ich ihre ganze Ladung im Voraus abkaufte,« sagte stolz die dicke Frau und blickte ehrfurchtgebietend um sich. »Und da demnach der Vorrath nur gering sein kann, so können wir mit der Butter schon um einige Kreuzer aufschlagen.«

Die Weiber lächelten vergnügt und schauten die Frau Schoppelmann mit Mienen an, welche deutlich sagen wollten: »Welch eine Frau!«

»Mit den Eiern,« fuhr diese fort, ist es gerade so; es können unmöglich zu viel auf dem Markte sein. – Sie sollen's zahlen!«

»Natürlich!« murmelten vergnügt die Weiber.

»Also Butter und Eier,« fuhr die Herrin dieser Victualienbörse in bestimmtem Tone fort, »werden um einen Kreuzer theurer gehalten, als am letzten Markttage, und danach richten sich Obst und Gemüse. Was die kleineren Früchte: Erdbeeren, Johannisbeeren, Stachelbeeren anbelangt, so beruft man sich auf die Hagelwetter der vergangenen Woche, sowie auf die Faulheit der Bauernkinder, die gar nichts hereinbrächten. Was die neuen Kartoffeln und die Gemüse betrifft, so vergeßt mir die Kartoffelkrankheit und die Würmer nicht. Es kann nichts schaden, wenn ihr in jeden Korb ein paar Schnecken werft, namentlich in den Salat, und sie den Köchinnen zeigt. Es seien dieses Jahr unzählige, sagt man, und sie fressen alles Grüne ab, wie es eben aus dem Boden heraus kommt. Dafür aber sucht eure Waare sorgfältig aus, und wenn man euch vorwirft, ihr wäret theurer als am vorigen Markttage und als manche Andere, die nicht zu uns gehört, so beruft euch erstens auf mich und dann auf die Güte eurer Sachen. Aber laßt mich nie erfahren, daß Jemand unter der Hand wohlfeiler verkauft und so das ganze Geschäft ruinirt! – Hat jemand die Frau Weber gesehen?«

»O, das ist eine verstockte Frau!« sagte eines der Weiber; »denkt nur, als ich hieher ging, rief sie mir zu: Geht nur zu eurer Frau Schoppelmann und macht dort eure Geschichten aus, ich thue doch, was ich will, ich verkaufe nach meinen eigenen Preisen, und wenn ich auch darüber zu Grunde gehen soll! Ja, geht nur zur Schoppelmann!«

»Das kann ihr geschehen!« versetzte diese. »Hat sie nicht neulich die verrückte Idee gehabt und einige Hasen zum Verkaufe ausgelegt, kleine, miserable Dinger, und wollte sie um sechsunddreißig Kreuzer verkaufen! Die meinigen – schöne, schwere – waren zu achtundvierzig angesetzt; aber ich habe sie an dem Tage zu vierundzwanzig gegeben, und Madame Weber hat die ihrigen selbst essen können.«

»Ja, ja!« jubelten die Weiber; »so ist es ihr ergangen, und wir wollen sie schon noch kriegen!« Damit erhoben sie sich von ihren Sitzen, um an ihr Geschäft zu gehen.

»Haltet mir eure Preise fest und macht mir keine Geschichten!« Mit dieser Mahnung entließ die Oberin des Gemüsemarktes ihre Kolleginnen und hob die Börse auf.

Die Weiber verließen die Halle und gingen durch den Hof auf die Straße, nicht ohne unterwegs neugierige und auch wohl neidische Blicke auf die großen Haufen Gemüse, auf die zahlreichen Hühner und Enten und auf die fetten Ferkel zu werfen.

Der Fuhrmann hatte unterdessen ebenfalls sein Frühstück beendet, stopfte sich eine Pfeife und ging in den Hof, nach seinen Pferden und seinem Geschirr zu sehen.

Katharina holte aus dem Nebenzimmer einen großen, zierlich geflochtenen Korb, den sie mit Beihülfe der Mutter mit dem feinsten und schönsten Obst anfüllte; oben hinauf legte sie ihre Blumensträuße; die Mutter gab ihr Verhaltungsbefehle, ermahnte sie, die beiden Mägde draußen, die vorläufig bei den Gemüsen und Früchten waren, wohl im Auge zu behalten und nicht weglaufen zu lassen. Dann half sie ihr den schweren Korb emporheben; Katharina nahm ihn leicht und gewandt auf ihren Kopf, und als sie so dahinschritt, das schöne Mädchen mit der schlanken Taille, mit der rechten Hand zierlich den Rand des Korbes haltend, mit der linken ihre Röcke ein klein wenig erhebend, damit sie auf dem Hofe nicht beschmutzt würden, so hätte man glauben können, sie thue das alles nur zu ihrem Vergnügen, um ihre kräftigen und doch eleganten Körperformen sehen zu lassen, oder sie sei aus einem Bilde hervorgegangen, auf welchem der Maler mit kunstreicher Hand das Ideal eines weiblichen Wesens mit den glühendsten Farben hingezaubert.

Auch die Mutter sah ihr mit einem Gefühle des Stolzes und der Befriedigung nach, und dann schüttelte sie mit dem Kopfe, wenn sie an jene Rede ihres Sohnes dachte. Auch fiel ihr jetzt klar und deutlich ein, daß man schon früher von dieser Sache gesprochen, sie gewarnt und ihr dabei gesagt, sie solle die schöne Katharina hüten, denn jener Herr Eugen, einer der lockersten Pflastertreter der Residenz, beschäftige sich in seinen immerwährenden Freistunden damit, ihrer Tochter auffallend die Cour zu machen.

»Wir wollen das schon arrangiren!« sagte die Frau für sich und begab sich daran, ihr Kaffeegeschirr zu spülen und Kannen und Tassen, Butter und Brod wieder an ihrem gehörigen Ort unterzubringen.

Doch war sie mit diesem Geschäfte noch nicht sehr weit gekommen, als ein neuer Besuch bei ihr eintrat.


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