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53. Im Atelier

Herr Beil sprang eilfertig an's Fenster, sah eine Weile durch die Scheiben, dann sagte er: »Es ist ein kleiner geschlossener Wagen; jetzt biegt er um die Ecke und will wahrscheinlich zu Ihnen. – Richtig; er fährt bei der Thüre vor.«

Wirklich hörte man ihn in diesem Augenblick an der Thüre halten.

»Ich will aber jetzt nicht gestört sein!« rief der Maler unmuthig. »Thun Sie mir den Gefallen, springen Sie in's Vorzimmer und schließen Sie die Thüre zu. Sie sollen mich in Frieden lassen.«

»Es sind zwei Herren,« rief Herr Beil hastig. Und dann sprang er davon, um den Wunsch seines Freundes zu erfüllen.

Doch kam er zu spät, denn die Beiden waren schon auf der Treppe und hätten das Umdrehen des Schlüssels hören müssen, weßhalb Herr Beil dies unterließ, indem er es für unschicklich hielt, Jemand die Thüre dicht vor der Nase zuzusperren. Er machte das dem Maler durch ein Zeichen mit der Hand begreiflich, der achselzuckend fortfuhr, auf die Leinwand zu zeichnen.

Die beiden Herren auf der Treppe waren in eifriger Unterhaltung begriffen; wenigstens sprach der Eine, ein kleiner und magerer Mann, sehr laut und lebhaft, während der Andere sich begnügte, zuweilen mit dem Kopf zu nicken oder: Ja! ja! zu sagen.

Der kleine Mann sprang lebhaft die Treppen hinauf, wandte sich aber fast auf jeder Stufe um, um sein Gespräch dem Andern in's Gesicht hinein und mit mehr Erfolg fortsetzen zu können. – »Bester Baron!« rief er, »Sie mögen sagen, was Sie wollen – und ich weiß wohl, Sie nehmen Partei für die königlichen Stallmeister, aber das ist gleichviel, ich will meine Behauptung der ganzen Welt gegenüber durchführen; ich habe hier wahrhaftig nicht die Zeit, viele Stunden auf die Dressur meiner Reitpferde zu verwenden, während Jene den ganzen Tag im Sattel sitzen; aber das versichere ich Sie, und Sie können die kompetentesten Richter aufstellen, ich behaupte: Es ist im ganzen Marstall nicht ein einziges Pferd so fein geritten, so sorgfältig dressirt, und dadurch – beachten Sie das wohl – nur dadurch von so angenehmen und gefälligen Bewegungen.«

Bei diesen letzten Worten war er oben auf der Treppe angekommen und schlug mit dem Knopfe seines Stockes taktmäßig in die rechte Handfläche, während er seine Stimme erhoben hatte und jede Silbe scharf betonte, sowie mit dem Ausdruck der größten Ueberzeugung sprach.

»Nicht ein einziges Pferd im ganzen Marstall. – Natürlicherweise nehme ich die aus, welche vor einigen Tagen zum Geschenk für die Frau Herzogin angekommen sind. Die kommen von uns, und da, bester Baron, versteht man zu reiten.«

»Hier sind wir am Ziel unserer Fahrt,« erwiderte der andere Herr, der die Rede des kleinen Mannes zu unterbrechen versuchte. »Herr Erichsen ist zu Hause?« fragte er den Herrn Beil, welcher die Thüre geöffnet hielt.

Der kleine Mann trat lebhaft in das Gemach, schaute Herrn Beil einen Augenblick forschend in's Gesicht, schien einen Moment nachzudenken, und sagte dann: »Wenn ich nicht ganz irre, so sahen wir uns neulich Abends bei meinem Freund, dem Grafen Fohrbach; Sie ersuchten mich, Ihr Atelier zu besuchen. Nun sehen Sie; ich bin da; ich habe eine Stunde für Sie gefunden und versichere Sie, bei meinen vielen zahlreichen Geschäften will das viel heißen. Aber der Baron Brand sagte mir, ich werde nicht umsonst kommen und einiges recht Gutes sehen.«

Herr Beil hatte diesen Redestrom geduldig über sich ergehen lassen, es wäre aber auch vergebliche Mühe gewesen, den kleinen Mann zu unterbrechen, denn nach seiner Gewohnheit sprach er nur Worte, ohne sich viel darum zu bekümmern, ob sie Jemand anhöre. Auch blickte er dabei bald hierhin, bald dorthin, und im Zimmer umher, am allerwenigsten aber sah er auf die Person, zu der er eben redete. Er schien überhaupt einen festen menschlichen Blick nicht gut ertragen zu können.

Der andere Herr ließ ihn ebenfalls gewähren, und erst, als er geendigt hatte und nach Luft schnappte, sagte Jener: »Sie irren sich, bester Herr von Dankwart, dies ist nicht Herr Erichsen – wahrscheinlich einer der Freunde desselben,« setzte er mit einem verbindlichen Lächeln hinzu, indem er sich verbeugte.

Herr Beil verbeugte sich ebenfalls und bat die beiden Herren, sich in das dritte Zimmer zu bemühen, wo der Maler immer noch vor seiner Staffelei saß.

Während Herr von Dankwart durch die Zimmer schwebte – man muß diese Bewegung schweben nennen, denn er tänzelte mit seinen kleinen Beinen nur so dahin, blickte dabei bald rechts, bald links, ging nie gerade aus, und zu gleicher Zeit machte sein für den zarten Körper etwas zu schwerer Kopf allerlei selbständige Bewegungen – blieb er jetzt hier, jetzt dort vor einem Bild, irgend einem seltsamen Möbel, einer Waffe oder sonst etwas stehen, wobei er in Einem fort fragte, ohne aber, gleich vielen der Größen dieser Erde, eine Antwort abzuwarten, denn wenn er jetzt von einer Landschaft behauptete, sie sei etwas dunkel im Kolorit, oder der Rahmen zu breit und zu schwer für die Leinwand, und alsdann fragte: »Ist sie hier gemalt? – Von wem ist sie? – Ein Original oder eine Kopie?« so sprang er gleich darauf zu irgend einem interessanten Dolche über, um sich zu erkundigen, ob er echt montirt oder ob die Klinge in Wahrheit eine Damascener oder vielleicht aus Khorassan sei.

Trotz Allem dem hätte er sich wahrscheinlich nicht weiter in den beiden vorderen Zimmern aufgehalten, um diese für ihn so nothwendigen Bemerkungen zu machen, wenn er nicht von ungefähr in die Nähe des Fensters gerathen wäre, von wo aus er einen Blick auf die untenstehenden Pferde und Wagen werfen konnte. Diese fesselten seine ganze Aufmerksamkeit, und er schien das Zimmer, wo er sich befand, den Künstler, dessen Werke er anschauen wollte, kurz alles Andere auf der ganzen weiten Welt für den Augenblick rein vergessen zu haben.

»Ein magnifikes Ensemble!« rief er dem Baron zu, der soeben mit Arthur einen freundlichen Händedruck gewechselt. »In der That vollendet! Bitte Sie, sehen Sie doch, wie außerordentlich schön die beiden Pferde stehen; dazu die einfachen Geschirre, schön in ihrer Anspruchslosigkeit. Ah! ich muß mir für diese Zusammenstellung selbst ein Kompliment machen. – Und Joseph auf dem Bocke hat das wahre Air eines Kutschers aus gutem Hause– aus sehr gutem Hause. – Baron, ich begreife in der That nicht, wie man es bei Hofe verantworten mag, daß die Kutscher beim Stillstehen die Peitschen nach links hinüber geneigt halten. Ich kann mir nun einmal nicht helfen; das gibt der ganzen Tournüre eine Schattirung von Nachlässigkeit. – Bei uns wagt das kein Kutscher. Sehen Sie Joseph an; Joseph hat die Peitsche, wie es sich gehört, auf dem rechten Schenkel aufgestützt. – Nur so hält der Kutscher eines vornehmen Hauses. – Aber Sie müssen das betrachten, Baron.«

»O, ich habe es schon oft gesehen,« entgegnete dieser lächelnd. – »Aber bester Herr von Dankwart, wollen Sie nicht erlauben, daß ich Sie an den Zweck unseres Besuches erinnere und Sie mit Herrn Erichsen bekannt mache?«

»Gleich! gleich!« erwiderte der kleine Mann, indem er sich mit beiden Händen auf die Fensterbrüstung stützte und sich auf den Zehen erhob, denn die kurzen Beinchen erlaubten ihm sonst nicht, auf die Straße zu sehen. – »Gleich, bester Baron, ich verfolge soeben eine außerordentlich schöne Idee: Wenn ich mir so die elegante Figur des Handpferdes da unten betrachte, so kommt mir immer wieder der Gedanke, es sei doch eigentlich schade, daß man ein solches Pferd einspannt. – Glauben Sie mir, bester Baron, es würde unter dem Sattel Furore machen.« – Damit warf er noch einen letzten, halb schmerzlichen Blick auf die Straße hinab, woraus er sich nun endlich umwandte und in das Nebenzimmer zu den Anderen eilte.

An der Thüre desselben geschah es ihm nun abermals, daß er in seiner Zerstreutheit den Herrn Beil für Arthur nahm, denn er klopfte dem Ersteren, der sich bescheiden am Eingange hielt, sanft auf die Schultern, während er mit einer Protektionsmiene sagte: »Da sind wir, in der That, da sind wir. Freue mich sehr, Ihre Sachen zu sehen. Man ist Allerhöchsten Orts auf Sie aufmerksam geworden; die Frau Herzogin lobt über alle Maßen Ihre wunderbare Ansicht von Carrara.«

Herr Beil verbeugte sich verlegen, denn er wußte nicht, ob es an ihm sei, jetzt selbst eine Aufklärung über seine Person zu wagen, nachdem dies vorhin der Baron so erfolglos gethan.

Dieser lächelte sanft in sein Schnupftuch und Arthur zuckte die Achseln.

Herr von Dankwart hatte es sich unterdessen in einem Fauteuil bequem gemacht und blickte an den Wänden umher, wo einige Skizzen und Studien hingen. – »In der That,« sprach er nach einer kleinen Pause, »diese Ansicht von Carrara hat einiges Aufsehen gemacht; ich gratulire Ihnen. Die Frau Herzogin geruhten, das Gemälde schön zu nennen; ich glaube versprechen zu können, daß, wenn Sie so fortfahren, Sie nächstens von uns einige Bestellungen erhalten werden.«

»Aber Sie irren sich, Herr von Dankwart,« sagte Arthur sehr ruhig und ohne daß er aufhörte zu zeichnen, »die Ansicht von Carrara ist nicht von mir; ich male überhaupt keine Landschaften.«

»Allerdings nicht von Ihnen,« entgegnete einigermaßen pikirt der kleine Mann, »aber sie ist von Herrn Erichsen dort. Freilich nicht von Ihnen.«

Bei diesen Worten deutete er mit einer leichten Biegung des Kopfes auf Herrn Beil.

»Bester Herr von Dankwart,« lachte nun der Baron laut hinaus, »Sie sind heute unsäglich zerstreut. Dort jener Herr an der Staffelei ist der Künstler, den wir besuchen wollten, Herr Erichsen. Er malt aber keine Landschaften, wie Sie sich erinnern wollen; die Ansicht von Carrara ist von Herrn Becker.«

Der kleine Mann schaute einen Augenblick befremdet um sich, dann legte er die Hand an die Stirne, schloß für ein paar Sekunden die Augen und sagte hierauf: »Ja sehen Sie, meine Herren, wie man mit den Gedanken abwesend sein kann! Das passirt mir leider sehr häufig. – Ich habe zu viel in meinem Kopfe,« setzte er seufzend hinzu; »es geht nicht auf die Länge der Zeit. Aber entschuldigen Sie mich, Herr Erichsen; es ist mir wirklich recht angenehm, Ihre Bekanntschaft zu erneuern – zu erneuern, denn, wie Sie wissen, sahen wir uns bei meinem Freund, dem Grafen Fohrbach.« – Dabei neigte er sein Haupt sanft gegen den Künstler und machte mit der rechten Hand eine Bewegung, die einen freundlichen Gruß ausdrücken sollte.

Der Baron hatte sich unterdessen ebenfalls in einem Stuhl niedergelassen, und Arthur reichte ihm eine Cigarre. Auch bot er Herrn von Dankwart eine an, der sie aber refüsirte, eine eigene hervorzog und anzündete.

»Mit Cigarren,« sagte der kleine Mann, »bin ich difficil; ich halte mir ein großes Lager und rauche nur sechsjährige.«

»Womit ich leider nicht dienen kann,« entgegnete Arthur. »Wissen Sie, wir Künstler leben so von einem Tage in den anderen, kaufen uns heute die Cigarren, die wir morgen rauchen, und legen uns keinen Vorrath an.«

»Aber Sie könnten das, Herr Erichsen,« versetzte Herr von Dankwart. »Sie sind ein reicher Mann, wie man mir sagt, der sich keinen schönen Genuß des Lebens zu versagen braucht.« Dabei zog er den Mund zusammen wie ein Karpfen und blies den Dampf der Cigarre horizontal von sich. – »Wir sind doch hier in Ihrem elterlichen Hause?« fuhr er darauf fort. »Kenne den Papa wohl; mache zuweilen mit ihm Geschäfte. – Apropos! hat er noch immer den kleinen Schimmel? Im vergangenen Herbst wurde er noch von dem Kommerzienrathe geritten. – Baron,« wandte er sich an diesen, »Sie kennen das Pferd nicht? – ein kapitales Thier, aber alt. Nicht wahr, es ist alt, Herr Erichsen?«

»Ja, es ist sehr alt,« erwiderte dieser. »Deßhalb wird es auch von Papa nicht mehr geritten; es steht drunten im Stalle und soll da in Ruhe seine letzten Tage verleben.«

»Schön! schön!« rief der kleine Mann. »Aber jetzt müssen Sie mir erlauben, daß ich einmal in meiner Brieftasche nachsehe – ich habe eine Notiz für Sie gemacht, eine Notiz von Wichtigkeit, kann mich aber nicht mehr darauf besinnen. – Sie verzeihen schon einen Augenblick!«

Arthur nickte höflich mit dem Kopfe und dann legte er die Kohle, mit der er gezeichnet, auf die Staffelei, wischte sich die Hände ab und wandte sich gegen den Baron von Brand, der ein kleines Bildchen ergriffen hatte, welches in der Ecke lehnte, und es aufmerksam betrachtete.

Herr von Dankwart hatte sein Taschenbuch herausgezogen und blätterte langsam darin.

Unterdessen war Herr Beil in's Nebenzimmer gegangen.

»Sie hatten mir auch versprochen, mich zu besuchen,« sagte der Baron zu Arthur. »Erinnern Sie sich, als wir neulich zusammen nach Hause fuhren.«

»Und das habe ich nicht vergessen,« antwortete der Maler. »Wir Künstler sind aber ein eigenes Volk: Oft haben wir Tage und Wochen lang nichts zu thun und schlendern umher, und dann verschließen wir uns wieder für längere Zeit in unser Atelier und kommen zu gar nichts.«

»Und in diesem Stadium befinden Sie sich gerade?«

»Beinahe,« entgegnete Arthur lächelnd. »Doch bin ich im jetzigen Augenblick weniger vor der Staffelei als sonstwo beschäftigt.«

»Ah! ich habe gehört. Man bereitet in Ihrem Hause ein hübsches Fest vor, ich glaube, Sie wollen lebende Bilder arrangiren. Das ist eine ganz köstliche Idee! Ich liebe dergleichen unendlich, das heißt, sehe gerne zu; denn sollten Sie es wohl glauben, mein lieber Herr Arthur, ich bin nicht im Stande, in irgend einem Bilde mitzustehen. Meine Nerven sind zu schwach dazu. – Sie schütteln ungläubig den Kopf, aber dem ist in Wahrheit so; ich habe es mehreremale versucht, doch so bald der Vorhang auseinandergeht und ich die Lichter sehe, da fängt Alles an, mir vor den Augen herum zu tanzen. – Sehen Sie, jetzt schon, wenn ich nur daran denke, wird es mir heiß und eng.«

Bei diesen Worten zog er sein duftendes Taschentuch hervor und fächelte sich kokett die Stirne damit.

Herr von Dankwart ließ die Hand mit dem Taschenbuche herabsinken und meinte: »Sie sprachen da eben von lebenden Bildern? – Man weiß das hier nicht zu arrangiren; Sie sollten das an unserem Hofe sehen! Ah! das macht einen wunderbaren Effekt. Ich versichere Sie, wenn man dort die Auswahl der Bilder betrachtet, die sorgfältig ausgesuchten Darsteller, die trefflich gewählten Kostüme, das unnachahmliche Arrangement des Lichtes – das ist superb! Man glaubt in der That vor einem wirklichen Bilde zu sitzen.« – Hiemit erhob er sein Taschenbuch wieder und suchte abermals emsig darin, ohne sich weiter darum zu bekümmern, ob einer der Anwesenden seine Meinung bekämpfen werde oder nicht.

Dies that übrigens auch Niemand; der Baron wischte mit dem feinen Battisttuche ruhig seinen Schnurrbart, worauf er die Cigarre wieder zwischen seine Lippen nahm. Arthur betrachtete die Leinwand auf der Staffelei und schien sich zu freuen, daß die Züge, die dort hervortraten, wenigstens für ihn schon kennbar waren.

»Wer ist der junge Mensch, der eben hier im Zimmer war?« fragte nachlässig Herr von Brand. »Ich sah ihn bisher noch nie in Ihrer Gesellschaft.«

Arthur, so plötzlich gefragt, wußte nicht gleich, was er antworten sollte. Er half sich aber, indem er, um Zeit zu gewinnen, entgegnete: »Sie meinen den, welcher eben in's Nebenzimmer gegangen ist? – Im rothen Schlafrock?«

»Richtig, den im sehr langen rothen Schlafrock,« gab der Baron lächelnd zur Antwort. »Ein merkwürdig gescheidtes Gesicht, kluge Augen.« – Dabei schlug er sanft mit der rechten Hand auf die Lehne des Sessels, in welchem er saß. – »Ein Gesicht, welches Zutrauen erweckt,« fuhr er alsdann fort, »schade, daß dieser Kopf auf einem so unscheinbaren Körper steht.«

»Es ist allerdings schade,« erwiderte Arthur, »daß das Aeußere meines Freundes nicht sehr empfehlend; sein Inneres dagegen ist vortrefflich; Herr Beil ist ein Mensch voll Herz und Gemüth, dem ich mein ganzes unbedingtes Vertrauen schenken würde.«

»So, er heißt Beil?« antwortete der Baron. »Ja, ja, das Gesicht hat einen guten Ausdruck. – Was ist er eigentlich?«

»Er ist – er sucht,« sagte Arthur zögernd, »er wünscht – eine Stelle zu erhalten, ist augenblicklich außer Dienst.«

»Also Herr Beil ist Geschäftsmann?«

»Ein sehr solider und pünktlicher Mensch in allen seinen Arbeiten.«

»Führt er eine gewandte Feder? – Spricht er fremde Sprachen?« fragte der Andere.

»Ich glaube, daß ich hierauf mit Ja antworten kann, und was namentlich das Letztere anbelangt, so weiß ich, daß er geläufig französisch spricht und englisch versteht.«

»Das wäre nicht so übel,« meinte Herr von Brand, indem er einen Augenblick nachdachte. »Würden Sie ihn empfehlen? – das heißt, für seine Rechtlichkeit und gute Aufführung garantiren?«

»Gewiß,« entgegnete Arthur und schaute den Anderen einigermaßen erstaunt an. »Hätten Sie vielleicht eine Verwendung für ihn?«

»Ja,« versetzte Herr von Brand; »Sie wissen, bester Herr Arthur, ich arbeite nicht gern; es ist ein großer Fehler, ich weiß das wohl, aber man kann sich nicht anders machen, als wie man ist. Nun aber leiden darunter meine Papiere, meine Korrespondenzen. Fände ich nun Jemand, auf den ich mich bei diesen Geschäften verlassen könnte, so wäre ich sehr froh darüber.«

»Das trifft sich prächtig!« rief der Maler, der entzückt war, eine so glänzende Unterkunft für seinen Freund zu finden. »Ich garantire für ihn nach allen Richtungen, und obendrein thun Sie wirklich ein gutes Werk, wenn Sie sich seiner annehmen; er steht allein in der Welt.«

»Das wäre mir um so lieber,« entgegnete der Andere, »denn ich gestehe offenherzig, ich mag es gern leiden, wenn meine vertrauten Diener keinen großen Anhang haben, namentlich nicht in der Stadt, wo ich bin. – Sie wissen,« setzte er lächelnd hinzu, »wir jungen Leute treiben so allerlei; man empfängt bald dies, bald das Billet, man muß bald da, bald dorthin schicken, namentlich bei einem sehr bewegten Leben, wie ich es führe, und da ist denn die vollkommenste Diskretion eine Eigenschaft, die ich an meinen Dienern besonders schätze, und wenn ich sie einmal gefunden, immense bezahle.«

»Was das anbelangt,« versetzte Arthur, »so glaube ich, daß ich darin für meinen Freund einstehen kann wie für mich selbst. Es ist das eine kernige, ruhige Natur, voll Anhänglichkeit gegen Jemand, der ihr Gutes erzeigt, schweigsam, wo er nicht sprechen soll, und voll Humor, wenn er sieht, daß man wünscht, unterhalten zu sein.«

»Bei all' den guten Eigenschaften,« erwiderte Herr von Brand, »und bei einer so vortrefflichen Garantie, wie Sie, bester Herr Arthur, für mich sind, zaudre ich nicht länger, den jungen Mann in meine Dienste zu nehmen. Ich werde ihn sehr anständig stellen; er sei mein Geschäftsmann, nach Befund mein Vertrauter, und ich hoffe, wir werden mit einander zufrieden sein. – Abgemacht! Sagen Sie ihm, er soll sich von heute in drei Tagen Abends um sieben Uhr bei mir einfinden, und sprechen wir jetzt nicht weiter darüber; ich hasse alle Nervenaufregungen, wozu ich namentlich rechne, wenn mir Jemand danken will.«

»Aber ich darf Ihnen doch so ganz im Stillen danken,« flüsterte Arthur, indem er seine Hand ergriff.

»Nun meinetwegen denn,« sagte gleichgiltig der Baron, indem er affektirt und matt seine Rechte erhob, die der junge Mann herzlich drückte. – »Jetzt aber hätten Sie lange genug gesucht, bester Herr von Dankwart,« fuhr er nach einer Pause laut gähnend fort und wandte seinen Kopf auf die Seite, um den also Angeredeten beschauen zu können. »Die Zeit vergeht, und die halbe Stunde, die ich für Sie übrig hatte, muß längst verflossen sein. – Sehen wir.« – Er zog seine Uhr heraus, betrachtete das Zifferblatt und rief dann mit großer Wichtigkeit: »Schon elf Uhr! – Coeur de rose! Herr von Dankwart, Sie bringen mich um meine beste Zeit. – Haben Sie denn noch nicht Ihre Notiz gefunden?«

»Schon längst,« entgegnete wichtig der kleine Mann; »aber während ich darnach sah, fand ich hier eine andere Bemerkung, welche mir interessant schien und Sie betrifft, die ich aber während des Vortrags bei Allerhöchst der Frau Herzogin so flüchtig hingeworfen, daß ich aus den paar Worten den Sinn nicht mehr enträthseln kann.«

»So lassen Sie die paar Worte hören,« sagte offenbar gelangweilt der Baron.

»Frage an den Baron von Brand,« las der kleine Mann und zog die Augenbrauen hoch empor. »Und dahinter steht: Polizei.«

»Wa – as?« rief lachend der Andere. »Fragen Sie mich was und so viel Sie wollen, aber bleiben Sie mir mit der Polizei vom Leibe.«

»Ich kann das auch nicht zusammenreimen: Sie, bester Baron, und die Polizei. Jetzt zerbreche ich mir seit einer Viertelstunde den Kopf und ich muß doch am Ende herausbringen, was es heißen soll, denn daneben habe ich noch ein: F. d. n. R. – heißt: für den nächsten Rapport. – Der Baron Brand und die Polizei!« sagte er mehrmals leise vor sich hin, wobei er mit seinem Bleistift vor die Stirne schlug.

»Soll Sie der Teufel holen mit Ihrer Polizei!« rief der Andere. »Ich werde mich wahrhaftig bei der Frau Herzogin bedanken, daß sie mich damit in Zusammenhang bringt.«

»In der besten Absicht, lieber Baron, in der allerbesten Absicht. Ich war es sogar, der das Gespräch auf Sie lenkte; ich thue das gern für meine Freunde. – Warten Sie – unterbrechen Sie mich nicht! – ich komme darauf. Ich sagte nämlich, es wäre schade, wenn Ihr Aufenthalt hier nur ein vorübergehender wäre; man sollte Sie zu fesseln suchen.«

» Coeur de rose! – Auf der Polizei? – Ich danke Ihnen.«

»Ja, richtig auf der Polizei, so ist's. – Ich hab's, ich hab's – Gott sei gedankt! Die Frau Herzogin sagte nämlich, es sei ihr ein kleines Gerücht zu Ohren gekommen, von einer Liaison, welche der Baron Brand auf der Polizeidirektion angeknüpft. – Jetzt erinnere ich mich ganz genau; wie kann man so vergeßlich sein! – Fräulein Auguste ist eine liebenswürdige junge Dame. – Darf man gratuliren?«

»Ach, bleiben Sie mir mit so etwas vom Leibe!« rief fast entrüstet Herr von Brand. »Das ist mein ewiges Unglück, ja das jedes Junggesellen, sowie er ein Haus betritt, wo heirathsfähige Mädchen sind. – Ist's nicht wahr, Herr Arthur? Ihnen wird's auch so gehen? – Und von Ihnen gar nicht zu reden, bester Herr von Dankwart! Denken Sie nur an sich selber; wie oft sagt man Ihnen eine Brautschaft nach!«

»Ja, ja, das ist wahr,« entgegnete dieser einigermaßen geschmeichelt. – »Also diese Sache ist wieder leeres Geklatsch?«

»Vollkommen grundlos. – Ich bitte, das der Frau Herzogin in meinem Namen zu sagen.«

»Werde nicht ermangeln,« antwortete Herr von Dankwart; »es hat Allerhöchstdieselben wirklich interessirt. – Werde nicht ermangeln.« – Damit schloß er sein Taschenbuch, ohne sich weiter zu erinnern, daß er eigentlich etwas Anderes habe suchen wollen, ja, er erhob sich aus seinem Fauteuil, nachdem er einen Blick auf die Standuhr über dem Kamin geworfen, schaute einen Augenblick mit recht nichtssagender Miene an den Wänden umher, wobei er jetzt mit dem Kopfe nickte, dann denselben auf die Seite neigte, die Augen halb schloß, wieder öffnete, und sich darauf vernehmen ließ: »Ganz gut! – ganz gut! – süperb! – In der That fast vortrefflich! Werde Ihren Namen bestens behalten und der Frau Herzogin melden, daß Sie es verdienen, wenn man etwas für Ihr Renommée thut.« – Damit streckte er seine beiden Hände aus, als wollte er sie Jemand darreichen, besann sich aber glücklicherweise noch, daß es nur ein Künstler sei, der vor ihm stehe, weßhalb er die linke wieder sinken ließ, mit der Rechten dagegen den Hut ergriff und darauf mit einer steifen Kopfverneigung durch die Zimmer zur Thüre hinaus tänzelte.

»Vergessen Sie mir den Herrn Beil nicht,« sagte lächelnd der Baron zu Arthur. Er hatte den seltsamen Blick wohlverstanden, mit dem der Künstler dem Allerhöchsten Geschäftsmann achselzuckend nachgeblickt. – »Durch solche Herren,« setzte er flüsternd hinzu, »wird die Kunst oft bei den Großen der Erde protegirt und gepflegt.« – Damit drückte er dem Maler herzlich die Hand und folgte dem vorangegangenen Gefährten, der auf den ersten Stufen der Treppe schon wieder ein Pferdegespräch begann und dieses fortsetzte, bis er an seinem Coupé angekommen war, worauf er zum Wagenbau überging und hierüber manch' Schönes und Lehrreiches zum Besten gab.

Sobald der Baron von Brand die Thüre hinter sich zugezogen, kam Herr Beil aus dem Nebenzimmer hervor, sah seinen Freund mit einem launigen Blicke an, worauf Beide in ein lautes Gelächter ausbrachen.

»Eigentlich ist das nicht zum Lachen,« sagte Arthur nach einer kleinen Pause, indem er abermals seine Kohle ergriff; »das kommt her, bringt uns um die besten Morgenstunden, sieht unsere Sachen gar nicht an, und geht dann später in seine vornehmen Zirkel, um über uns und unsere Leistungen ein Urtheil zu fällen. – Hole sie Alle miteinander der Teufel! – Es ist doch weiß Gott traurig, daß wir Künstler nicht einmal unsere Freiheit haben, daß wir mehr oder minder von ihnen abhängen – ihre Sklaven sind. – – Doch warum fährt der Wagen drunten nicht weg?« fuhr er fort, nachdem er einige Striche auf der Leinwand gethan. – »Höre ich nicht meinen Namen rufen! – Die doppelten Fenster dämpfen allen Schall; seien Sie doch so gut, lieber Beil, und schauen ein wenig nach. – Ja, ja, man ruft mich.«

Und es war in der That so. Kaum hatte Herr Beil den Kopf in's Freie hinausgestreckt, so zog er ihn hastig wieder zurück und sprach lachend: »Da unten beugt sich der Herr von Dankwart oder wie er heißt, zum Halsverdrehen aus seinem Coupé heraus und ruft nach Ihnen.«

»Er soll rufen!« entgegnete Arthur unmuthig. »Hat mich hier fast eine Stunde mit seinen nichtssagenden Reden aufgehalten, und jetzt soll ich noch da hinunter und demüthig an ihn hintreten – was befehlen Euer Gnaden?«

»Aber er hat mich gesehen,« versetzte begütigend Herr Beil, der noch immer am geöffneten Fenster stand; »er hat sich an mich gewandt, als er zum letztenmal Ihren Namen rief.«

»Aber was mag er wollen?«

»Vielleicht ist ihm jetzt endlich eingefallen, nach was er in seiner Schreibtafel gesucht, und das er, als er es gefunden, wieder vergessen.«

»Meinetwegen; er soll zum Teufel gehen! Ich steige nicht die Treppen hinunter.«

»Thun Sie es doch,« bat Herr Beil. »Bedenken Sie, daß Sie einmal Künstler sind, und wenn Sie auch nicht nöthig haben, für Geld zu arbeiten, so arbeiten Sie doch für Beifall. Und der kann Ihnen ja nicht zu Theil werden, wenn man Ihnen keine Bestellungen gibt. Auch hat er schon eine ziemliche Zeit gewartet und nach Ihnen gerufen.«

»Ja, Sie haben Recht,« entgegnete Arthur ärgerlich. »Ich sehe ein, ich muß mich wohl draußen im Regen an den Wagen hinstellen und freundlich meinen Kopf neigen. – Wer will gegen den Strom schwimmen, ohne am Ende unterzugehen? Ja, ich fühle meine Fesseln, ich fühle es, daß ich so gut wie jeder Andere ein Sklave der Verhältnisse bin.«

Nach diesen Worten schritt der Maler die Treppen hinab, ohne sich jedoch gerade sehr zu beeilen, und trat an den Wagen, aus welchem heraus Herr von Dankwart mit seinen kleinen Armen gegen ihn gestikulirte, während er ihm zurief: »Verzeihen Sie meine Vergeßlichkeit; aber, du lieber Gott! wenn man den Kopf so voll hat wie ich, so kann Einem das schon arriviren. Dieser köstliche Baron mit seiner Brautschaft ist schuld daran, daß ich ganz und gar meinen Auftrag vergessen. Sehen Sie, hier steht es deutlich geschrieben.«

Damit nahm er sein Taschenbuch vom Schoße, wo er es hingelegt, um es Arthur zu zeigen, der sich aber stumm und abwehrend verbeugte.

»Die Frau Herzogin haben nämlich erfahren,« fuhr der kleine Mann fort, »daß Sie ein paar vorzügliche Porträts gearbeitet; eins haben wir sogar gesehen: den jungen Grafen Fohrbach, – außerordentlich schön! – Man hätte das bei uns zu Hause nicht besser gemacht. Ich versichere Sie, es ist ein liebenswürdiges Bild.«

»Daran ist wohl nur die Persönlichkeit des Grafen schuld, gewiß nicht meine Kunst,« erwiderte Arthur mit sehr kühlem Tone.

»Sie sind zu bescheiden, mein lieber junger Freund,« sagte Herr von Dankwart, wobei er den Versuch machte, den Künstler auf die Schultern zu pätscheln. Da aber seine Aermchen zu kurz waren, auch Arthur etwas zurück wich, so blieb es einfach bei dem Versuche. – »Es handelt sich nämlich,« fuhr er dann fort, »um das Porträt Seiner Durchlaucht des Herzogs Alfred, des Sohnes der Frau Herzogin; – ein recht angenehmes Aeußere. – Seine Durchlaucht wünscht sich nämlich von Ihnen gemalt zu sehen, und wenn Sie geneigt wären, das Porträt sehr bald anzufangen –«

Arthur verbeugte sich stumm.

»So würde der Herr Herzog auf unser Zureden wohl die Gnade haben, Sie in nächster Zeit zu den vorbereitenden Sitzungen befehlen zu lassen.«

»Ich hoffe nur, daß es mir möglich sein wird,« sagte Arthur, indem er sich aufrichtete, »meine Zeit mit den Befehlen Seiner Durchlaucht in Einklang zu bringen. Ich habe im Augenblicke sehr viel zu thun.«

»Aber wenn der Herr Herzog es wünscht, mein Lieber?« versetzte Herr von Dankwart mit einem einigermaßen verwunderten Tone, indem er den Zeigefinger leicht erhob und auf das » wünscht« einen starken Nachdruck legte.

»Ja, wenn Seine Durchlaucht es wünscht!« lachte Baron Brand ironisch aus der anderen Wagenecke. – » Coeur de rose! Das will schon etwas heißen!«

»Ich erwarte also Ihre Befehle,« sprach Arthur mit ruhigem Tone und wollte in das Haus zurücktreten.

Doch hielt ihn der kleine Geschäftsmann mit einer hastigen Handbewegung zurück. – »Halt! halt!« rief er; »noch eins, mein lieber Herr Erichsen. Hätte ich doch bald wieder etwas vergessen! Die Frau Herzogin, so sehr sie überzeugt ist von Ihrer großen Kunst, was die Ähnlichkeit anbelangt, wünschen doch – aber nehmen Sie mir es nicht übel – noch ein bekanntes Gesicht von Ihnen gezeichnet zu sehen, ehe Sie das Porträt Seiner Durchlaucht anfangen. Wissen Sie, mein Lieber, nur gezeichnet, oder ein kleines Aquarell, durchaus kein Oelbild.«

»Ich verstehe,« erwiderte Arthur mit einer bewundernswerthen Ruhe; »Ihre Hoheit wollen nur sehen, ob es mir auch leicht gelingt, Jemanden zu treffen.«

»So ist's, so ist's, mein Freund! Die Frau Herzogin wünscht es sehr; und obgleich meine Zeit außerordentlich in Anspruch genommen ist, so biete ich mich doch zu dem Versuche an, und will für Sie zu Hause sein, wenn Sie es wünschen.«

»Sie wollen für mich zu Hause sein?« fragte lächelnd der Maler.

»Gewiß, wenn es meine Zeit erlaubt.«

»Um versuchsweise Ihr Porträt zu machen?«

»Ja, ja, mein Freund. – Halten Sie es für sehr schwierig?«

»Nein, gewiß nicht!« lachte Arthur mit einem sehr bitteren Tone. »Ich könnte das sogar machen, ohne daß Sie mir eine Sitzung bewilligten, denn von den beiden Malen, wo ich die Ehre hatte Sie zu sehen, hat sich Ihr Bild unauslöschlich in mein Inneres geprägt.«

» Coeur de rose! – Nehmen Sie sich in Acht, Herr von Dankwart; er macht eine Karrikatur von Ihnen.«

»Das wäre unmöglich,« erwiderte ruhig der Maler.

Für welches Wort ihn der kleine Mann einigermaßen mißtrauisch anblickte, worauf er sich in die Wagenkissen zurückwarf und ziemlich vornehm sagte: »Also es bleibt dabei, mein lieber Herr! Zuerst eine kleine Skizze von mir und dann nach Befund das Porträt Seiner Durchlaucht. – Nach Hause, Joseph!«

Die Pferde zogen an; doch ehe der Wagen davon fuhr, beugte sich Herr von Brand noch einmal so weit er konnte vor, und lächelte dem Maler auf eine eigenthümliche Art zu.

Der Abschied des Herrn von Dankwart bestand darin, daß er mit zwei Fingern zum Wagenschlag hinaus winkte.

Arthur blieb trotz des strömenden Regens noch einen Augenblick an der Thüre stehen und sah dem Wagen nach, bis er um die Ecke verschwunden war. Dann schlug er eine laute Lache auf und sprach zu sich selbst: »Nun, heute habe ich gezeigt, daß ich bereitwillig den linken Backen hinhalte, wenn man mich auf den rechten geschlagen. – Sogar Onkel Tom müßte mit mir zufrieden sein.«

Oben in seinem Atelier angekommen, zog er seinen leichten Morgenrock aus (es war dies ein kostbares Gewand, aus einem feinen Shawl gemacht), der jetzt von dem Regen draußen ganz durchnäßt war. Er warf ihn verächtlich in eine Ecke und nahm sich alsdann eine frische Cigarre, die er ruhig anzündete.

»Sie sind ärgerlich?« sagte freundlich Herr Beil; »haben auch alle Ursache dazu. Es ist das von diesen vornehmen Herren eine eigene Art, mit renommirten Künstlern umzugehen.«

Der Maler betrachtete, ohne augenblicklich eine Antwort zu geben, die holden Züge, die ihm von der Leinwand auf der Staffelei entgegenlachten. Nach einer längeren Pause sagte er erst: »Ah! da kann von vornehmen Herren eigentlich gar nicht die Rede sein! Der Herr von Brand hat allerdings eine anständige Tournüre; mit wirklich vornehmen Herren ist es angenehm umzugehen. – Aber der Andere! – Wissen Sie, lieber Herr Beil, solches Volk, das sich aus dem Staube und dem Dreck herauf geschmeichelt, das, wenn es auch jetzt einen seinen Frack und gute Handschuhe trägt, doch die freche Bedientenseele nie verleugnen kann, das es wagt, im ekelhaftesten Hochmuth auf uns herum zu tappen, weil es begnadigt ist, sich als moralischer Spucknapf seines Herrn gebrauchen zu lassen, – das sind ja oft leider die Geschöpfe, an die wir arme Künstler gewiesen sind, das sind die Zwischenträger zwischen der reinen heiligen Kunst und den Großen der Erde, denen persönlich zu nahen so Wenige von uns gewürdigt werden. – Was ich vorhin von der Sklaverei sagte, ist ganz richtig: all' diese armen Maler und Bildhauer, die mit Herrn von Dankwart und ähnlichem Gelichter zu thun haben, sind arme unglückliche Sklaven, welche die Arbeit ihrer Tage, die Träume ihrer Nächte für ein elendes Honorar verkaufen. Und da das Bild bezahlt ist, soll der Künstler zufrieden sein; jene hohen Herrschaften aber fühlen nicht, daß ihm, so nothwendig er auch die paar Thaler gebrauchen kann, doch ein freundliches, anerkennendes Wort ein schönerer Lohn wäre und ihn anspornen müßte zu noch besseren Werken. – Nein, sie fühlen das nicht, sonst würden sie nicht solche Dankwarte schicken und uns die Schmach anthun, daß wir aus solchem Munde vernehmen müssen: ›Seine Hoheit find mit Ihnen zufrieden, Seine Hoheit haben Ihr Bild für etwas Vortreffliches erklärt.‹« – Damit schwieg er und wischte auf der Leinwand herum.

»Doch, Gott sei Dank!« fuhr er nach einer Pause fort, »es hat mich ordentlich beruhigt, daß ich mich gegen Sie ein wenig aussprechen konnte. Ich versichere Sie, mich hatte da unten eine unbeschreibliche Wuth erfaßt; Herr von Dankwart schwang da eine artige Geißel gegen mich armen Künstlersklaven; er verlangte nämlich, ich solle zeigen, ob ich auch in der That etwas verstände, und als Probe soll ich sein Gesicht abkonterfeien.«

»Brrr!« machte Herr Beil, der unterdessen den nassen Morgenrock Arthurs aus der Ecke des Zimmers hervorgeholt. – »Und für Alles das haben Sie Ihr allerliebstes Kleid hier total verdorben?«

»Das geht zum Uebrigen in den Kauf, wenn man eine vornehme Kundschaft hat,« entgegnete lachend der Maler. »Aber wissen Sie, was mich im Umgange mit solchen Menschen, wie der Herr von Dankwart ist, am meisten ärgert? – Das sind die Anreden, mit denen sie uns begnadigen: ›Mein lieber Herr!‹ ›Mein Freund!‹ und dergleichen. Ich weiß nicht, ob Sie mich verstehen, aber das kann mich zur Wuth bringen; es soll das herablassend sein, freundlich und gnädig. – Mein lieber Freund! – Es ist aber wie das Du, mit dem ich meinen Bedienten anrede. Und wehe diesem, wenn er sich unterstände, ebenso zu antworten! Und wehe uns, wenn wir auf eine solche Anrede ebenfalls antworten würden: ›Mein lieber Freund!‹ – Diese Dankwarte müssen sich absolut etwas Apartes gegen uns herausnehmen. Würden sie einfach unseren Namen nennen, so ständen wir ihnen ja gleich, indem wir auch den ihren aussprechen; aber nein! Da reichen sie ihre Hand tief hinab in den Staub und sagen, indem sie weit – weit über uns hinweg sehen: Mein lieber Freund!«

 


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