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2.

Das Exercitium. – Der Appell.

Ich sollte den ersten Unterricht im Exerciren zu Fuß erhalten, wozu mich der Wachtmeister auf den Kasernenplatz führte und mich daselbst mit wenigen Worten meinem Lehrmeister, dem vom Kapitän zu diesem Dienst bezeichneten Unteroffizier Dose übergab. – Dieser Mann war der längste in der ganzen Batterie, ein neunzölliger. Mit dieser ungemeinen Körperlänge und einer Figur, welche oben so breit war wie unten, sah er in der Uniform von weitem einem bunten Uhrgehäuse nicht unähnlich. Sein Gesicht bewahrte beständig einen ernsten Ausdruck, und doch bemühte er sich stets, witzig zu seyn, sogar gegen seinen Kapitän und andere Offiziere, was ihm manchmal schlecht bekam; in seinen Freistunden machte er Gedichte. So war der Herr Unteroffizier Dose; dieses »Herr« setzte er seiner Charge und seinem Namen in Augenblicken vor, wo der Hauptmann nicht in der Nähe war; denn letzterer hatte ein für allemal streng erklärt, in seiner Batterie sey er der einzige und wahre Herr. Dies war aber mir sehr gleichgültig; für mich war Dose auch ein Herr, und aus schlagenden Gründen. Trat ich Morgens mit den Worten bei ihm an: » Herr Unteroffizier Dose, ich melde mich zum Exerciren,« so war er bedeutend herablassender, als wenn ich schlechtweg dem Unterofficier Dose die Meldung machte.

So standen wir denn auf dem Exercirplatz, wo ich, wie sich mein Lehrmeister ausdrückte, zum Menschen sollte gemacht werden. Seinem Katechismus nach war ein gewöhnlicher Rekrut wenigstens zu drei Viertel Vieh; ich, als Freiwilliger, hatte das Glück, unter die Halbmenschen gezählt zu werden; er gestand mir sogar einige Lebensart zu, da ich von einem Bittern, den wir gemeinschaftlich tranken, nur ein Sechstel genoß und ihm das Uebrige ließ.

Die Uebung begann und ich nahm mich zusammen. »Stillgestanden!« – Ich fuhr zusammen, wie vom Blitz gerührt, und stand wie ein Pfahl; das war getroffen. »Sehen Sie,« erläuterte Dose, »kommandire ich jetzt! rührt euch! so darf der Soldat den rechten Fuß vorsetzen und die Glieder bewegen, doch bei Leibe nicht sprechen; sage ich dann wieder: stillgestanden! so müssen Sie nicht nur dieses Kommandowort buchstäblich ausführen, ich muß ein Zusammenfahren, ein Erschrecken bei Ihnen wahrnehmen, das mir beweist, daß Ihnen die Wichtigkeit dieses Moments nicht entgangen. Das Wort Stillgestanden haucht den Gliedern die Seele ein, macht den zügellosen, ungeregelten Haufen zu Soldaten; also: Stillgestanden!«

Ich stand da, eine unfertige Statue, und der Unteroffizier fungirte als Bildhauer vor mir. Er besah mich scharf, trat einen Schritt zurück, ging um mich herum und bemerkte in gehöriger Entfernung die Mängel meiner Stellung, welche er alsdann mit kunstfertiger Hand verbesserte, indem er mich bald einen Zoll links oder rechts bog, bald meine Schulterblätter zurückzog, jetzt mein Gesicht durch einen sanften Druck unter dem Kinn zu Anschauung des Himmels geeignet machte, dann meine Hände herumbog und die kleinen Finger mit der rothen Nath meiner Hose in Berührung brachte. Letzteres schien ihm unumgänglich nothwendig zu seyn. »Finger an Hosennath!« wurde beim Exerciren unter den andern Kommandos sehr häufig eingeschoben. Meine Stellung am ersten Tage gefiel ihm nicht übel. – »Rührt euch!« – Mein rechter Fuß zuckte vor, ich durfte wieder ein Vieh seyn, Doses Lieblingsausdruck für Rekruten außer Reih und Glied.

So fing mein praktisches Militärstudium an. Jetzt schritt mein Lehrmeister zum theoretischen, und dazu gab er eine Vorrede oder Einleitung, die nicht so schlimm war. »Wie in den Exercirstunden,« so ungefähr begann er, »das Wort Stillgestanden dem Körper des Soldaten die geringste Bewegung verbietet, so ist das Wort Subordination im engeren Sinne ganz dasselbe Kommando für den Geist, und besonders für die Sprache. Subordination heißt eigentlich gar nichts, als: das Maul gehalten; denn wenn ein Soldat weder mukst noch raisonnirt, selbst nicht in Gedanken, d. h. keine verdrießliche Geberde macht, so hat er Subordination. Das einzige Wort, das Sie allenfalls sprechen dürfen, und wenn Ihnen ein Offizier sagte: »Sie sind ein Esel,« das ist: »zu befehlen,« damit ist die Sache abgemacht. Dies ist aber, und besonders bei euch jungen Herrn, die schwierigste Aufgabe; das kann nie schweigen oder doch wenigstens eine höfliche, bescheidene Antwort ertheilen; sondern meistens sind sie etwas lose im Maul, und das schlägt gewöhnlich übel für sie aus; ich könnte Ihnen viele Beispiele erzählen. Da hatten wir vor nicht langer Zeit einen Freiwilligen, der hieß Laufer; er hatte was gelernt und hätte es vielleicht zum Offizier bringen können, denn es war ein gewichster Kerl, der einem was weiß machen konnte; doch trieb er gar zu viel Unsinn. Er trat in denselben Verhältnissen bei uns ein, wie Sie, als Offizierpflanze, wollte Lieutenant werden. Der hatte nun sein erstes Kommisbrod noch nicht aufgegessen, und steht eines Morgens hinter der Front, um dem Exerciren der Batterie zuzuschauen. Was geschieht? Unser Herr Adjutant kommt zufällig daher, sieht meinen Musjeu stehen und fährt ihn ein bischen barsch an; er hatte das grobe Sprechen so in der Gewohnheit, meinte es aber so böse nicht; es sollte ihm nur ein Ansehen geben. Das thun viele Offiziere, deren Herz wirklich zu weich wäre, eine Fliege umzubringen. Also der Adjutant fragte: »Wer ist Er?« – Anstatt nun zu sagen: »Herr Lieutenant, wenn der Herr Lieutenant befehlen, bin ich der Kanonier Laufer von der sechspfündigen reitenden Batterie und stehe hier auf Befehl des Herrn Hauptmanns und sehe dem Exerciren zu,« plagt ihn der Teufel und er antwortet: »Herr Lieutenant, Er ist ein persönliches Fürwort.« Der meint, der Laufer habe ihn nicht verstanden und fragt nochmals; da fängt das Bürschchen gar an französisch zu sprechen: »Herr Lieutenant, Er ist ein pronomen personalis.« Da hätten Sie den Spektakel hören sollen; der Adjutant schreit von Arrest, Standrecht, Festung, und der Freiwillige, weiß Gott, lacht noch obendrein dazu. Wir Alle hören das, der Hauptmann läßt halten, rühren, und schon ist auch mein Lieutenant da und zeigt den Laufer an. Der wird vor die Kompagnie gerufen, und denken Sie, erklärt mit unglaublicher Frechheit, es sey ihm gar nicht in den Sinn gekommen, den Herrn Lieutenant zu beleidigen! Wie impertinent schon das Wort beleidigen, als wenn ein ordinärer Rekrut einen Herrn Lieutenant beleidigen könnte! Er habe geglaubt, man wolle ihn in der deutschen Sprache examiniren. Der Hauptmann, der gerade bei Laune war, wandte sich um und lachte; der Adjutant lief erbost fort und meldete die Sache dem Major. Der Laufer kam gut weg, man hat wenigstens nichts mehr davon gehört, aber geschadet hat es ihm doch. Bald nachher ward er versetzt, und der Adjutant hat schon dafür gesorgt, daß er zu keinem Examen kam, darum – »Stillgestanden!«

So auf einmal? Trotz der eben gehörten Regeln über die Unbeweglichkeit, konnte ich doch nicht umhin, ein wenig seitwärts zu schielen. Warum fing Dose so plötzlich wieder an zu exerciren? Aha, da oben lehnte ein geblümter Schlafrock im Fenster, und in demselben stack der Herr Wachtmeister, der aus einer langen Pfeife rauchend meinen Uebungen zusah. Nun strengte ich mich doppelt an, hing in einem Winkel von wenigstens sechzig Graden vorne über, hob den Kopf so hoch, daß ich bequem den Hahn auf dem Thurme der nahe liegenden Garnisonskirche sehen konnte; ich stand wirklich meisterhaft und machte einigemal rechts, links um, wobei ich niedertrat, daß mich der Absatz schmerzte. Aber der Wachtmeister an seinem Fenster nickte huldreich und lachte wohlgefällig; da wagte es der Unteroffizier, in die Höhe zu sehen und dem wichtigen Manne im Schlafrock zu versichern, ich mache meine Sachen schon ziemlich gut, worauf jener sofort befahl, für heute den Unterricht abzubrechen. Wir fielen nun aus dem ernsten, steifen Tone des Dienstes in einen leichten, bequemen und verfügten uns zu Madame Linksen, deren Restauration mir der Unteroffizier nicht genug rühmen konnte. Ich stellte mir vor, so ein militärisches Kaffeehaus werde eine große Halle seyn, wo das Kriegsvolk, an langen Eichentischen sitzend, bei vollen, blankgescheuerten Kannen sich wohl seyn läßt, und ringsum an den Wänden Waffen hängen; mir schwebte so etwas von einem Rittersaal vor. Meine Phantasie hatte mir wieder einen schlimmen Streich gespielt. Madame Linksen war die Frau des Feuerwerkers und hatte hinsichtlich der Reinlichkeit den Vorrang vor allen andern Etablissements in der Kaserne. Man glaube aber deßhalb ja nicht, daß es wirklich in ihrer Wirthschaft reinlich und ordentlich zugegangen. Nur ein ausgepichter Soldatenmagen oder ein unschuldiger Neuling konnten hier tägliche Kunden werden. Madame Linksen war dafür bekannt, daß sie den meisten Kredit gab, aber auch den größten Profit nahm; besonders wußte sie sehr gut uns jungen Leuten das noch vorräthige Geld aus der Tasche zu locken, den Aufenthalt in ihren vier Wänden erträglich, sogar angenehm und in Ermanglung eines bessern zuletzt unentbehrlich zu machen. Erschien ich in den ersten Monaten meiner Dienstzeit, wo ich noch bei Kasse war, an der Thüre ihres Zimmers, und es mochte noch so voll darin seyn, so ward mir sicher ein Plätzchen eingeräumt. Madame warf entweder ihren kleinen Sprößling vom ehelichen Bette und bot es mir als Sopha an, oder sie blickte mit prüfendem Auge umher, schlug im Geist ihr Rechnungsbuch auf und sah nach, welcher von den Dasitzenden bei ihr am tiefsten in der Kreide war. Dieser mußte weichen, und hatte er guten Ton, so erhob er sich freiwillig auf den bedeutsamen Wink ihres Auges; man konnte dann glauben, er sey des Sitzens müde; war er aber ein Harthöriger, so kam es der Madame Linksen nicht darauf an, ihm ihr Anliegen mit Worten bekannt zu machen.

In diesem Café militaire waren Morgens zwischen zehn und eilf Uhr sämmtliche Geld oder Kredit habende Gourmands und Fashionables der Batterie zu finden. Es gehörte zum guten Ton, hier um diese Stunde einen Bittern zu vier Pfennigen, ein Brödchen mit Wurst zu acht Pfennigen, kurz ein Frühstück im Betrag von einem Silbergroschen zu sich zu nehmen und dabei bedeutend über Dienst, Offiziere, Pferde und gehabte Abenteuer zu raisonniren. Die Jungen und Unerfahrnen, wie ich, verhielten sich dabei ganz leidend und lauschten aufmerksam den wichtigen Worten, die dem Munde der Langgedienten entfielen. Bänke und Stühle waren besetzt, sogar auf Tisch und Bett lagen die Völker; der Tschako hing nachläßig auf einem Ohr und wurde durch die Schuppenketten, welche man zwischen die Zähne nahm, festgehalten; der Säbel zwischen den Beinen diente dem gesenkten Haupt zur Stütze. So saß die Gesellschaft beisammen, plaudernd, lügend und aufschneidend. Der eine war am Morgen mit einem Offizier, den er nicht leiden konnte, zusammengerathen, und wenn man seiner undeutlichen Erzählung, und beim plötzlichen Abbrechen derselben seiner vielsagenden Handbewegung, verbrämt mit einem zufriedenen Lächeln, glauben wollte, so hatte er seinem Vorgesetzten wenigstens Ohrfeigen angeboten. Ein Anderer war in vergangener Nacht in einem Wirthshause gewesen, hatte da alles kurz und klein geschlagen, war durchgebrannt, dann einer Patrouille in die Finger gefallen, hatte sie in die Flucht geschlagen, und zu guter letzt noch den Posten am Kasernenthor, der ihn arretiren wollte, umgerannt Einer überbot den Andern im Bericht von Heldenthaten. So saß, sprach, fluchte und lachte Alles durcheinander, bis endlich gegen eilf Uhr ein Trompetenstoß ganz anderes Leben in die Versammlung brachte. Draußen versuchte der Trompeter du jour sein Instrument, ließ es leise ertönen, um das Signal zum Appell gleich darauf richtig und rein blasen zu können, und augenblicklich war die Sitzung ausgehoben; jeder brachte seine Waffen und Kleider in Ordnung, bezahlte sein Genossenes oder gab der Madame einen bedeutenden Wink, und sowie das Signal erscholl, stob Alles in der größten Eile auseinander und begab sich auf den Sammelplatz der Batterie zum Appell.

Der Appell ist für einen Militär, besonders von der leichten Art, wozu wir jungen Leute fast alle gehörten, eine penible, kitzliche Viertelstunde. Man kann auf sie vollkommen das bekannte Sprichwort anwenden: »Es ist nichts so sein gesponnen ec.« Alles kommt beim Appell an die Sonne. Es ist der Moment, wo der Hauptmann und die Offiziere nichts Wesentliches zu thun haben und deßhalb die Fehler und Unordnungen, welche in der Compagnie begangen worden, ruhig überdenken, rügen und bestrafen, sowie neue Mängel ausfinden können. Hatte etwa ein Unglücklicher unter uns einen abgerissenen Knopf durch ein noch so künstliches manoeuvre de force ersetzt, d. h. den Hosenträger und die Hose vermittelst eines Bindfadens zusammengeknüpft (der Ausdruck manoeuvre de force, womit wir etwas der Art bezeichneten, kommt daher, weil der Artikel in unserm Artillerieleitfaden vom Zusammenflicken zerbrochener Geschützstücke ebenso überschrieben ist), und war der Schaden noch so sehr verborgen und beim Exerciren oder Reiten am Vormittag durchaus nicht bemerkt worden, beim Appell entdeckte ihn sicher einer der herumspürenden Offiziere und zog den Betreffenden vor die Batterie zu gebührender Strafe. Hatte einer am Morgen aus Mangel an Lust zum Exerciren sich krank gemeldet, hatte er sogar den Doktor überlistet und von ihm ein Zeugniß erpreßt über bedeutenden Catarrh oder schlimme Colik, beim Appell wurde der Kranke dem Kapitän gemeldet, welcher sich sofort durch den wachthabenden Unteroffizier theilnehmend nach ihm erkundigen ließ, eigentlich aber, um zu erfahren, ob sich der Patient wirklich in seinem Bette oder doch auf seiner Stube befinde. Meldete nun der Diensthabende, der Kranke sey im Revier nicht zu finden, wehe ihm! Befand sich dagegen der Kranke auf seiner Stube, so mußte er gewöhnlich vor der Compagnie erscheinen, und kam dann meistens in einem alten zerrissenen Stubenmantel und Pantoffeln, um sich über seinen Zustand vernehmen zu lassen.

Eines Tags hatte sich ungefähr ein Dutzend krank gemeldet, worüber der Hauptmann beim Apell ein gewaltiges Geschrei erhob und den Diensthabenden in größter Eile hinaufjagte, sie sammt und sonders auf den Hof zu bringen. Der Unteroffizier ging, kam aber sogleich mit dem Bescheid zurück, sämmtliche Kranke seyen in ihren Betten und weigerten sich, in ihrem Zustande sich der Luft auszusetzen. Neues Fluchen von Seiten des Kapitäns und der Befehl, die Kranken auf der Stelle hieher zu bringen; bei dem Worte hieher zeigte er vor sich auf die Erde, und der Unteroffizier, ein pünktlicher Mensch, hackte ruhig seinen Säbel los und machte, ungefähr da, wo der verlängerte Finger des Kapitäns die Erde berührt hätte, ein Kreuz und wollte gehen. Ein donnerndes Halt des Offiziers hielt ihn zurück. »Was soll das Zeichen, Herr?« Der Unteroffizier entgegnete ganz ruhig, um dem Befehl des Herr Hauptmanns genau nachzukommen, habe er sich die Stelle bemerkt, wo er die Kranken hinbringen solle. Der unglückliche, diensteifrige Mensch! ihm hatte am Morgen nicht geträumt, daß er sein Mittagsbrod, und Brod im eigentlichen Sinne des Worts, im Arrest verzehren sollte. Fünf Minuten nach obigem Vorfalle führte man den Diensthabenden nach Nr. 7½; so hieß der Kürze halber das Militärgefängniß, weil es diese Nummer führte.

Dergleichen Austritte, Arrestverleihungen etc. waren die gewöhnlichen Zugaben zum Appell, dem wir deßhalb auch täglich ungemein ängstlich entgegensahen; denn das Unglück schreitet schnell, und unser Hauptmann besaß ein ganz kleines rothes Büchelchen, worin jeder, besonders wir Freiwilligen, ein eigenes Conto hatte, worauf er alles Unordentliche und Dienstwidrige eintrug. Dieses zog er täglich zu Rathe und sah nach, wer durch viele Kreuze und Bemerkungen zur Strafe reif sey; dann griff er mit der rechten Hand in seine Uniform, sah gen Himmel und sann nach, wie viel Tage er diesem oder jenem vergönnen solle, an dem Orte, wo da ist Heulen und Zähnklappern, über Vergangenheit und Zukunft nachzudenken. Den rechten Fuß setzte er vor und begann mit demselben allerlei uns wohlbekannte Bewegungen zu machen. Stieß er z. B. mit dem Absatz auf den Boden, so war dies ein untrüglicher Sturmbote, und wehe, wem der Wind in's Takelwerk fuhr! Fing der Kapitän an, mit seinem Fuße aufzuhauen, so standen besonders die, welche ein schlechtes Gewissen hatten, gerade gestreckt wie die Kerzen, und ein Eingeweihter konnte an ihrer vorzüglichen Haltung die Größe ihres Debet im Buche des Kapitäns ermessen. Sah er nun auf unsern Gesichtern die allgemeine Anstrengung, ihm zu gefallen, und die Furcht, ihm zu mißfallen, und war er gerade bei guter Laune, so drohte er mit dem Finger, als wollte er sagen: ich werde nächstens unter euch treten und fürchterliche Musterung halten. Damit hatte es dann für heute sein Bewenden; wollte er aber im andern Falle mit einem anbinden, so bot ein ungeputztes oder bestaubtes Spornrad einen schönen Hacken dazu.

»Herr, wann sind ihre Stiefeln zum letzten Male geputzt worden?« – »Heute Morgen, Herr Hauptmann,« lautete es zurück. – »Herr, das ist eine dicke Lüge! lassen Sie sich nicht auf fahlem Pferde ertappen! Ich kenne Sie, Sie sind ein Schmierfinke.« – »Aber, Herr Hauptmann, heute Morgen –« – »Herr, wollen Sie schweigen? oder Sie soll das Donnerwetter erschlagen! Wachtmeister, notiren Sie den Mann wegen Unreinlichkeit und Widersprechen drei Tage auf's Holz!« (eine Variante für Arrest). Dann hielt er noch einen langen Sermon, lud einigemal den Blitz ein, uns gelegentlich auf die Köpfe zu fahren, und entfernte sich mit klirrenden Schritten.

Die eigentliche Bestimmung des Appells ist, einmal am Tage vollständig die Kompagnie zu versammeln, um zu sehen, ob alle auch noch hübsch vorhanden sind, zu welchem Zweck nach der Liste jeder bei seinem Namen gerufen wird und sein Daseyn durch ein lautes »Hier« anzeigt; die Fehlenden werden natürlich bestraft. Der Wachtmeister gibt darauf als Organ des Kapitäns den Befehl für die nächsten vierundzwanzig Stunden, und die ganze Sache kann, wenn nicht Intermezzos wie die oben beschriebenen einfallen, in einer Viertelstunde abgemacht seyn; wir hatten aber das Glück, beinahe jedesmal zwischen zwölf und ein Uhr eine ganze Stunde in der brennenden Sonnenhitze oder Winters in der Kälte zu stehen.

Mein erster Appell, dem ich heute beiwohnte, ging ziemlich gelinde vorbei. Der Hauptmann Feind kam einige Male an mich heran, drückte mir die Schulterblätter zusammen, hob meinen Kopf in die Höhe und murmelte dazu beständig; »Stellung! Stellung!« Einige meiner Kameraden fragte er, ob sie heute morgen nicht sehr stark gefrühstückt, war aber im Ganzen sehr gnädig. Auch lernte ich heute die übrigen Offiziere der Batterie kennen. – Von diesen Herrn ein andermal.


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