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Zweites Kapitel.

 

Ueber den Ursprung der Mineralquellen.

 

Die Reisenden bemerkten endlich, daß sie sich dem Ziele näherten. Es wurde in der Gegend zwar keine größere Fruchtbarkeit sichtbar, aber eine sorgfältigere Benutzung selbst der spärlichsten Möglichkeit zu irgend einer Ernte. Die Natur hatte, wie sie dies, aufgeschreckt von der Kunst, wohl immer zu thun pflegt, sich gleichsam zusammengerafft und aus Scham, hinter der Kunst nicht zurückbleiben zu wollen, auch ihrerseits mehr zu leisten versucht, als ihre ursprüngliche Absicht auf dieser ihrer wüsten Schlummerstätte war. Ferne Pappelalleen verkündeten die Nähe einer aristokratischen Ansiedelung. Zuweilen begegnete ihnen ein Landmann, der die trägen Kühe stachelte, um Dünger auf die Felder zu ziehen. Ein Hirt weidete auf einer sandigen, mit kleinen grünen Halmen dünne besetzten Ebene eine kleine Heerde Schafe, denen eben erst die Wolle geschoren war, und die recht kümmerlich froren und die Reisenden nackt anblickten, während ihr Vließ schon auf dem Wege nach Birmingham und Manchester war. Endlich kam ein ärmliches Dorf von Lehmhäusern, dem nur die bunten Polizei-Warnungs- und die Einregistrirpfähle, die bunten Brücken- und Pflastergeldtafeln etwas Colorit und freundliche Beleuchtung gaben. Nun bogen sie links und fuhren auf das Schloß zu, zu dem eine herrschaftliche Pappelallee in gerader Linie führte. Hier wurde es lebhafter, sie mußten manchem Karren aus dem Wege fahren, und man merkte, daß in der Nähe ein großes Bau- und Oekonomiewesen walten mußte. Ein Kutscher drohte ihnen sogar, behutsam an seinem Wagen vorüberzufahren: denn er hatte, wie das scharfe Auge der Reisenden schon in der Ferne entdeckte, die ganze griechische und römische Mythologie, nebst einem Anhange über ägyptische Sphinxe, aufgeladen. Ein Duzend verstümmelter Gartengötter, Faune ohne Ziegenfüße, Pane ohne Hirtenflöten, Apollo's ohne Leier und Amoretten sogar ohne Flügel und Nasen lagen in grotesker Verwirrung neben einander, und der Kutscher sagte ihnen, daß man diese Götter Griechenlands auf mehreren Auctionen erstanden hätte und jetzt zur Verschönerung des Parks verwenden wolle. »Das heißt,« sagte er, »der Park ist eigentlich auch noch nicht da, aber doch schon der Graf, und der thut Wunder, wo er hinsieht und nur mit dem Finger zeigt! Das sollen Sie sehen, was bei uns gebaut, gezimmert und gesägt wird! Tempel, Wasserfälle, Berge, Alles wird mit einer Geschwindigkeit gebaut, als wollten Prinzen einziehen.«

Unter Ausführung dieser Schilderung näherte man sich endlich dem Schlosse und konnte von ihrer Wahrheit sich nun selbst überzeugen. Vor ihnen lag ein großes Gebäude, welches in jenem altfränkischen Zopfstyle gebaut war, der die Bauten Ludwigs XIV. mehr von Hörensagen, als nach eigener Anschauung gekannt zu haben scheint. Die Fenster waren für die große und sogar kühne Anlage des Ganzen viel zu klein, wie es Naturen gibt, denen eine höhere Bestimmung Alles eingeräumt zu haben scheint und dabei nur die Symmetrie ihrer Gaben versagte. Zwei hervorstehende Seitenflügel erweckten die Vorstellung eines abgesondert wohnenden Hofstaates und verliehen dem Schlosse den Schein einer frühern Wichtigkeit, auf welcher jetzt das Gras der Vergessenheit wuchs. Indessen sah man rechts und links Hände in Thätigkeit, die hier gebotenen, zerstreuten Materialien der Vergangenheit wieder zu einem neuen und verjüngten Eindrucke zu sammeln. Bauholz wurde gefahren, Zimmerleute sägten sich auf dem Schloßhofe Bretter zurecht, und in der Mitte desselben wurde sogar ein Bassin gegraben, dessen Centrum ein Pelikan aus Sandstein zieren sollte, der den Schnabel weit geöffnet hielt und wahrscheinlich mit geheimen Wasserkünsten zusammenhing. Von der wunderbaren Kindesliebe dieses Vogels ließ sich zu den an den Arbeiten herumgaffenden Knaben und Mädchen, wohl gar den Kindern des Grafen von der Neige, leicht ein symbolischer Uebergang finden. Die fünf Reisenden erregten aber Aufsehen und sprangen von ihrem schlechten Gefährt herab, nicht ohne Herzklopfen, da sich ihnen hier Vieles enthüllen und erfüllen sollte. Und der Tröster, der sich ihnen versprochen hatte, der große Magier und die Axe ihrer Zukunft, blickte wirklich schon aus einem Kellerloch des Schlosses, aus welchem ein hoher Wall von Erde geworfen wurde, und rief sie aus dem Dachsbau an, einen Moment zu warten, und, siehe, der Graf stand vor ihnen, in Hemdärmeln, mitten in Industrie und Gewerbthätigkeit, in Mechanik und Experimentalphysik vergraben, an Händen und Füßen die Spuren seines bauenden, grabenden und schaffenden Geistes tragend. Er reinigte sich und warf einen leichten Sammtrock, dem glücklicherweise die schon sehr tief gefallene Sonne fehlte, um seinen röthlichen Schimmer zu verrathen, über und hätte gewünscht, vier Hände zu haben, um seine Gäste alle zugleich zu bewillkommnen und mit sich hinauf in die herrschaftlichen Gemächer zu ziehen – vier: denn der Aelteste, nicht unwahrscheinlich Blasedow, war schon des längern Anblickes des Grafen nicht fähig und hatte dieser Scene zu entschlüpfen versucht. »Immer noch der Alte!« lächelte der Graf herablassend und zog seine Gäste sich nach, mit den unaufhörlich abgestoßenen, kurzen und gedankenschweren Worten: »Wir haben viel, viel mit einander zu verhandeln!« Es gewährte ihm dabei eine eigene, auf seinem Antlitz sich spiegelnde Genugthuung, daß ihre Wanderung überall durch ein allgemeines Bauwesen aufgehalten, und es oft unmöglich wurde, durch die Balken und Bausteine hindurch zu kommen. Endlich befanden sie sich in dem Zimmer, von dem der Graf sagte, daß es nur einstweilen das seinige wäre, und hörten nachstehende, noch ziemlich dunkel gehaltene Eröffnungen:

»Meine Herren,« sagte der Graf, »ich habe Ihnen viel zu sagen —« doch er stand gleich wieder auf und rief laut zum Fenster hinaus, das er öffnete: »Die Sachen der Herren abgeladen!« Dann setzte er sich wieder und fuhr fort: »Meine Herren, Sie sehen, in welche großartige Schöpfung ich Sie einführen will; ich habe große, große Dinge vor!« Dabei erdrückte ihn schon das Gefühl dessen, was er Alles vorhatte, und, wie er denn unruhigen Blutes war, mußte er schon wieder aufstehen und im Zimmer auf und ab gehen. »Ich rechne,« fuhr er nach einer Pause, in der er sich gesammelt hatte, »auf Ihren Geist, meine Herren, rechnen Sie auf meine Hülfsmittel! Ich habe die Neige verkauft und mir eine neue, wichtige Aufgabe gestellt. Ich muß etwas zu thun, zu lösen, etwas zu schaffen haben. Der Mensch hat ohnehin den Trieb, die Lücken, die Gott gelassen hat, auszufüllen.....« Hier lächelte der Graf und sagte, gleichsam in Parenthese: »Nach den sechs Tagen hat Gott zu schnell Feiertag gemacht!« Die Brüder schienen zu lächeln, und der Graf setzte seine erste Periode fort..... »Um wie viel mehr der Adel, der durch die Revolutionen aus seinem geschichtlich gegebenen Erbe geschleudert ist und nach neuen Einwurzelungen in den Boden der positiven und natürlichen Zustände suchen muß. Meine Herren, ich finde, daß die Aufgaben des Adels von denen am meisten mißverstanden werden, die ihm selber angehören. Der Adel ist dazu da, sich an die Spitze jeder organischen Neuerung zu stellen und dem Allgemeinen immer als leitender Stern vorzuleuchten. Wir müssen so oft hören, daß der Adel nur das Ueberlieferte zu erhalten und der Neuerung den Widerpart zu halten hätte. Aber, meine Herren, sehen wir nicht, daß das Ueberlieferte Alles in die Hände des Bürgerthums kommt, daß unsere Privilegien Allgemeingut und unsere Güter parzellirt werden? Der Adel wird gewöhnlich für einen Genuß betrachtet, während ich glaube, daß mit ihm eine schwere Aufgabe gegeben ist, und seine Pflichten weit größer, als seine Rechte sind. Das angeborne freie, kecke und unternehmende Wesen des Adeligen gibt ihm gerade die Bestimmung, auf Abenteuer auszugehen, und, meine Herren, die Abenteuer bieten sich jetzt bei weitem mehr auf dem Felde des fortschreitenden Zeitgeistes, als in den Wäldern des zurückgezogenen, halsstarrigen Haltens am Alten dar. Um in das Neue Plan, Organisation, Anstand, historische Fähigkeit und Entwickelung zu bringen, dazu hat gerade der Adel sein altes Besitzthum verloren und wurde genöthigt, sich neue Positionen zu schaffen. Meine Herren, der Adel muß arm seyn, weil er dadurch am ersten seinen Beruf, sich ein neues Terrain zu erobern, einsehen wird. Jetzt, wo die Juden und die Industriellen reich sind, jetzt ist gerade der Augenblick der Adelskrisis gekommen, die rechte Adelsprobe, die eben darin bestehen wird, den moralischen Gehalt und Beruf des Adels gleichsam aus der zusammengeschmolzenen Schuldenmasse desselben auszuschmelzen und das Princip zu retten, welches ich wenigstens, meine Herren, in dem Gedanken finde, daß dem Adel die historische Initiative alles Werdenden gebühre, gerade im Gegensatz mit der gewöhnlichen Junkertheorie des Conservativsystems.«

Schlachtenmaler erlaubte sich hier, eine kleine Bemerkung zu machen. Er sagte nämlich: Vielleicht läge darum auch eine gewisse Nothwendigkeit und ein tiefer Sinn darin, daß man die größten Schwindler des Jahrhunderts Chevaliers d'industrie, Industrieritter nennt; der Zeitgeist ahne gleichsam die von dem Grafen aufgestellte neue Adelstheorie und bezeichne in jener, allerdings nur auf Spitzbuben und Gauner berechneten Benennung etwas von dem höhern Berufe des Adels, wie er ihnen hier angedeutet würde.

Der Graf lächelte huldvoll, um gleichsam den guten Einfall zu belohnen, und fuhr dann, ernster gestimmt und mit schwankender Stimme, fort: »Ich habe mir dies Schloß und die dazu gehörigen Grundstücke gekauft, ohne bis jetzt recht zu wissen, was ich damit anfangen soll. Eine bloße Besitzung, ohne höhern Zweck, scheint mir thöricht; doch muß ich gestehen, daß mir ein solcher noch nicht klar geworden ist oder wenigstens ausgebildet vor mir läge. Ich lasse nun, von einem unbestimmten Gefühle geleitet, bauen, graben, pflanzen. Was das Ende seyn wird, weiß ich zur Zeit noch nicht.«

»O,« meinte Schlachtenmaler, »wie leicht wär' es nicht, dieser Gegend hier den Charakter einer merkwürdigen zu geben und gleichsam – freilich, es sind keine Berge da und ein Echo wohl auch nicht.....«

Der Graf erröthete, ob er gleich sichtlich erfreut war, daß ihm der Spott seiner Gäste, die den Plan durchschauten, zuletzt unter allen Umständen doch das Verständniß erleichtern würde. »Nein,« sagte er, wie träumerisch sinnend und laut dazwischen auflachend, »das Ding wäre so übel nicht! Bleibt eine sinnig ordnende und schaffende Menschenhand doch immer etwas Merkwürdiges, wenn man zumal bedenkt, was diese Gegend ist, in welchem traurigen Rufe sie steht, und was sie durch vereinte Anstrengung und Erfindungsgabe einiger talentvollen Köpfe werden könnte!« – »Allerdings,« sagte Schlachtenmaler mit bewundernswürdigem Ernste: »gelang es doch dem Grafen von Hoditz im bayerischen Erbfolgekriege, Friedrich den Großen auf sein chinesisches Eldorado zu locken und – – so wenigstens seinem Gärtner und Verwalter königliche Trinkgelder auszuwirken.«

»Nein,« fuhr der Graf fort, »ich speculire nicht, sondern ich will nur Spuren einer gesegneten und kühnen Thätigkeit hinterlassen. Die Aufgabe, aus diesem Schlosse und seiner nächsten Umgegend so viel zu schaffen, daß Vorüberreisende den kleinen Umweg nicht scheuen, uns zu besuchen, ist eben so schwer, wie die Belohnung dafür wohlthuend.« – »Und,« meinte Schlachtenmaler, »ließe sich nicht, um wenigstens dem Geiste des Jahrhunderts entgegen zu kommen, der Versuch machen, hier irgend eine mineralische Quelle aufzufinden oder, im äußersten Falle, ein Schlammbad zu stiften, um unserer dann um so merkwürdigern Gegend das Interesse eines Karlsbades, Wiesbadener Kochbrunnens oder Emser Krähnchens zu geben?«

Der Graf wurde blutroth und zerriß, von seiner innern Bewegung gepeinigt, mehrere Stücke Papiers in Fetzen, die immer kleiner wurden unter der krampfhaft bewegten Hand. Er sagte: »Nun, es wäre wenigstens nichts so Seltenes, daß man künstliche Mineralbäder und Heiltrinkwasseranstalten in Gegenden errichtete, die weder eine vulcanische, noch salzige Anlage hätten. Wären die Bäder überhaupt mehr durch die Zerstreuung heilsam, welche sie den Kurgästen gewährten, würden Acten- und Berufsmenschen schon dadurch gesund, daß sie eine Zeitlang ihre Geschäfte verlassen und die Annehmlichkeiten einer heitern und luftfreien Gegend genössen, so könnte selbst ein künstliches Bad nicht ohne Lockung für das Publicum seyn.«

»Es ist nur bedenklich,« fiel Schlachtenmaler ein, »daß auch bei den Bädern die größte Wirksamkeit im Glauben besteht, wie bei Allem, dem die Aerzte einmal eine gewisse Kraft zuschreiben wollen. Ich glaube nicht, daß eine künstliche Mineralquelle nur ein einziges Mal zum Sitz eines Congresses dürfte gewählt werden. Wenn wir demnach nicht vielleicht vorziehen, eine Molkenanstalt zu errichten, welche denn freilich nur von einer hiesigen veredelten Schafzucht abhangen würde, indessen auch nicht besonders einträglich ist, da wir nur Schwindsüchtige und Frauenzimmer in unserer Kurliste würden verzeichnen können, so meine ich immer noch, wir machten Anstalt, die chemischen Bestandtheile der hiesigen Brunnen zu untersuchen und die möglichen Brom- und Jod- und Schwefelbestandtheile dem Publicum bekannt zu machen. Zuletzt ist ja auch nichts heilsamer, als ein klares, schönes Brunnentrinkwasser, ein Gut, um das Hamburg, Mannheim und so mancher andere deutsche Ort uns beneiden würde, und ein Kenner sogar wohl Reisen deßhalb macht.«

Wäre der Graf ein Frauenzimmer gewesen, so hätte er dem Schlachtenmaler mit künstlicher Entrüstung einen Fächerschlag (und damit doch eine Einwilligung in das erbetene Stelldichein) gegeben; so aber lachte er übermäßig und ging im Zimmer auf und ab und ließ Schlachtenmalern Zeit, Folgendes zu erzählen:

»Ein Genie,« hieß es bei dem, »betrachtet die Interessen, Bedürfnisse, Thorheiten und Reichthümer der Menschen nur als Springstock, um an ihnen schneller zu seinem Ziele zu kommen. Sie sind ihm ein todtes Material, welches durch seinen Hauch erst Leben und Form bekömmt. So würd' ich mich, wenn ich z. B. ein Werk schreiben lassen wollte, für welches kein Buchhändler die materiellen Kosten und den Ehrensold wagen will, gar nicht besinnen, folgendes Mittel zu meinem Zwecke zu wählen: Die Pflasterung der Straßen mit Erdpech greift immer mehr um sich; ich habe gewissermaßen ein Werk darüber geschrieben; kein Buchhändler will sich zu dessen Verlag bequemen. Meine Kenntniß des deutschen Buchhandels kömmt meinem Interesse zu Hülfe. Ich schreibe an die Redaction des Leipziger Buchhändlerbörsenblatts im Namen irgend einer Buchhandlungsfirma, deren Handschrift von jener nicht gekannt ist. Ich lasse in jenes Blatt einrücken: Schriften über die Pflasterung der Straßen mit Erdpech erbitte mir in fünfzigfacher Anzahl! Zwei Andere rücken drei Tage später ein: Erdpechschriften erbitte mir schleunigst per Post in sechzig – siebenzig Exemplaren; nun rück' ich mit meinem Werke vor und trete damit einem Verleger unter die Augen. Der erschrickt, ein Werk schon fertig zu finden, das er eben bei einem Gelehrten bestellen wollte; die Nachfrage in dem Börsenblatt hat ihn ermuthigt, er bezahlt mein Werk, und ich verschwinde.«

Der Graf, von mehrfachen Empfindungen freudig bewegt, greift auf den Tisch und sagt: »Dies Werk ist von Ihnen?« Die Brüder Schlachtenmalers bestätigten es und fingen von einer Periode der größten Noth an, wo sie dies Experiment gerettet hätte. Schlachtenmaler schämte sich fast und meinte, ein Trost wäre nur der, daß das Buch in der That über jenen Gegenstand spräche: denn der Buchhändler hätte es nicht gelesen, sondern gleich in die Druckerei gegeben, und wär' es auch statt über die Erdpechpflasterung eine Schrift über die Kantische Philosophie gewesen. Der Graf aber dachte erstens, wie erwünscht ihm ein Mann käme, der über Erdpech schreiben könne und zugleich Maler und Schauspieler wäre; dann aber, daß man unter Dieben nie gehangen wird. Er sagte: »Meine Herren, ich bin überzeugt, daß wir uns bald verständigen werden, und Sie vielleicht sich selbst jene Fächer wählen, für die ich mir einen Jeden von Ihnen vorläufig zu bestimmen erlaubte. Doch darüber morgen! Nehmen Sie drüben Ihre Wohnung und Erfrischungen ein!« Damit empfahlen sich die Brüder und auch Schlachtenmaler; doch rief diesem der Graf nach: »Noch auf ein Wort!« Schlachtenmaler kehrte um, und der Riegel der Thüre fiel in's Schloß. Sie sprachen lange und leise, und die Muse weiß nur, was die Frucht der Unterredung war. Indessen schien es doch, als hätte sich rings um das Zimmer eine große Schlange gelagert und einen magischen Kreis gezogen, und allerhand kleine Teufelchen kugelten aus den Wänden hervor und sprängen an das Schlüsselloch, wo sie kichernd lauschten und sich zu verdrängen suchten, um zu hören, was drinnen verhandelt wurde. Und man behauptete unten im Schloßhofe, einige Male wäre das Fenster geöffnet worden, wo der Graf sein Zimmer hatte, und eine rothgekleidete, scheußliche Gestalt hätte hinausgeblickt, um Luft zu schöpfen, und hätte die Leute mit einer rothgefiederten Mütze begrüßt. Und, wer den Inhalt der dort oben abgeschlossenen Uebereinkunft gekannt hätte, der würde auch wohl nicht an dem Erdbeben gezweifelt haben, welches die Leute zur selben Stunde spüren wollten. Der Hund im Seitenhofe des Schlosses wimmerte, und die Männer, welche im Hofe das Bette gruben, in dessen Mitte der Pelikan stehen sollte, warfen entsetzt die Spaten weg, weil sie auf ein großes Rattennest gestoßen waren, dessen Bewohner ohne Zahl zu seyn schienen. Sie wimmelten aus dem Graben heraus und stürzten alle dem Keller zu, wo der Graf den Brunnen graben ließ. Dann war es aber wieder (und dies schien ganz gewiß), als stände an der Kelleröffnung eine weiße, jugendliche Frauengestalt. Jeder Arzt würde in ihr die Schwester Hygieens erkannt haben, die Nymphe der Bäder, eine zarte, trauerumhüllte Gestalt, mit einem Kranz von Kräutern und krystallisirten Fischaugen umwunden, die wie Edelsteine aussahen. Als der Rothe oben wieder das Fenster öffnete und Luft schöpfte, floh sie davon, und bald traten heiter und vergnügt, Arm in Arm, der Graf und der Schlachtenmaler aus dem Hause und gingen mit ironischem Lächeln an der sonderbaren Quelle vorüber, die der Graf in dem mystischen Gewölbe graben ließ.

 


 


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