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XVIII

»… und dann müssen Sie sich ruhig verhalten.«

Ich strengte mich sehr an, um zu verstehen, was das hieße. Undeutlich empfand ich, daß diese Worte für mich bestimmt seien und daß ich zuhören müßte. Aber was sollte das bedeuten? Und wem gehörte dieses blonde Männergesicht, das mir irgendwie bekannt vorkam, und dieses freundliche Frauengesicht, auf dem ich meine Augen mit Vergnügen ruhen ließ? Irgendwie bewegte mich dabei ein verschwommenes Gefühl von Dankbarkeit. Ein Licht tat mir weh, und überhaupt erschien mir alles um mich her feindlich mit Ausnahme dieser beiden Gesichter.

O wie furchtbar war es, nicht verstehen zu können! Und wie schrecklich, eine Welt von ungewissen Lasten, die doch irgendwie mir zu gehören schienen, auf den Schultern drücken zu fühlen! Seit einer Weile schon lebte ich in einer sonderbar leichten Welt; jetzt konnte ich mir alles erklären:

Wir waren ja auf der Galvánschen Estancia; waren unter den Paradiesbäumen des Patio. Der Patrón legte mir eine Hand auf die Schulter und sagte:

»Nun bist du durch die Welt gekommen und ein Mann geworden; besser noch und mehr: ein Gaucho. Wer um die Leiden dieser Welt weiß, weil er sie erlebt hat, der hat sich auch gestählt, um sie zu bezwingen. Geh jetzt. Hier wartet deine Estanzia auf dich, und wenn du mich brauchst … ich werde immer in deiner Nähe sein. Denke daran.«

Neben uns stand ein blühender Rosenbusch, und ein gelblicher Hund beschnupperte meine Stiefel. Meinen Schomberg hielt ich in der Hand und fühlte mich befriedigt, aber traurig. Weshalb? Sonderbare Dinge waren mir widerfahren und ich hatte die Empfindung, eigentlich ein anderer zu sein … ein anderer, der etwas Großes und Unbestimmtes gewonnen hatte, doch gleichzeitig das Gefühl des Todes in sich trug.

Aber dann nahm ich doch an, daß dies alles nicht wirklich sei. Wirklich, gewiß, war nur mein bedrückendes Nichtverstehenkönnen und mein erbitterter Kampf, diese lähmende Dumpfheit von mir zu schütteln. Das Licht schmerzte mich. Etwas weiter weg war Schatten und darin bewegte sich etwas, was mich veranlaßte, meine Aufmerksamkeit dahin zu lenken.

»… und dann müssen Sie sich ruhig halten.«

Ich gelangte zu einer Erinnerung, wie auf eine Waldlichtung.

»Patrocinio!«

»Ruhig, ruhig! Bewegen Sie sich nicht!«

Der ganze Körper tat mir auf der rechten Seite weh; und auch der Kopf.

»Was ist mit mir?«

»Sie haben sich das Schlüsselbein gebrochen und den Kopf verwundet. Sie scheinen sich bei dem Sturz mit dem Pferd gequetscht zu haben.«

Da fiel mir ein: Der Stier … Der Ruck des Lassos … und ich erlangte wieder das volle Verständnis für das Geschehene und meine gegenwärtige Lage.

Ich bat um ein Glas Wasser und sah mich um. Ich lag auf einer Pritsche in einem geräumigen Zimmer des Ranchos.

Patrocinio, der auf einem niedrigen Bänkchen saß, sah ab und zu beobachtend zu mir herüber. Ein unbekanntes hübsches Mädchen trat mit einem Wasserkrug ein und stützte mir den Kopf zum Trinken. Aus Eigenliebe hätte ich mir gern selbst geholfen; aber ich schwieg, weil ich solches Vergnügen empfand, als ihre Hand meinen Kopf hielt und ihr freundliches Lächeln eine seltsame Dankbarkeit in mir wachrief.

Ganz verschwunden war das nutzlose heiße Bemühen um Verständnis. Ich war zufrieden. Doch konnte ich mich nicht rühren.

»Schöne Geschichte!« sagte ich. »Immerhin hat mein Kadaver ja noch nicht ganz gestreikt.«

Patrocinio lachte; ich auch. Ich kam mir so köstlich unnütz vor, daß ich einschlief.

Aber das Erwachen war bitter.

Ohne mich an meinen Fall zu erinnern, wollte ich mich aufrichten. Da raste der Schmerz durch meinen Körper.

»Nicht rühren! Sie dürfen sich nicht rühren, Kamerad!« warnte mich eine Stimme.

Im schwachen Licht der ersten Morgendämmerung sah ich den Gaucho, der sich beim Angriff auf eine Kuh verwundet hatte. Er saß auf einer Satteldecke, lehnte den Rücken gegen die Wand und schmauchte gemächlich; ab und zu stieß er Rauchwölkchen aus. Ich begriff, daß er nicht geschlafen hatte und mußte daran denken, wie er nun schon seit dem vergangenen Tage – es mochte so gegen zwölf Uhr mittags gewesen sein – in derselben Stellung verharrte. »Zäher Kerl«, sagte ich zu mir selbst, und nahm mir vor, meinen eigenen Teil an Schmerzen ohne Klage zu ertragen.

»Geht es Ihnen noch nicht besser?« fragte ich.

»Immer dasselbe.«

»Haben Sie schlafen können?«

»Bis eben.«

Da drückte mich plötzlich die Bandage, mit der man meinen Arm unbeweglich festgebunden hatte. Ein Zügelriemen aus Schafleder, an dessen einer Seite noch das Fell saß, war in Form einer Acht unter der rechten Achselhöhle und um den linken Arm geschlungen und beengte mir den ganzen oberen Teil des Brustkastens und die Schulterblätter. Der Riemen war ungefähr vier Finger breit und drückte, daß es eine Lust war.

»Na, mich hat man aber hübsch gefesselt«, sagte ich laut.

»Der andere Fremde ist's gewesen, der mit Ihnen hergekommen ist.«

Da faßte ich Vertrauen, denn das, was Don Segundo getan hatte, war wohlgetan. Was wollte ich mehr? Mit gebrochenem Schlüsselbein, gequetschten Rippen und einem Knuff gegen den Kopf konnte ich mich natürlich nicht so wohlfühlen wie auf einem Ball.

Patrocinio brachte einen Kessel kochendes Wasser, setzte sich mitten ins Zimmer und fing an, uns gesüßten Mate zu brauen. Das dauerte über eine Stunde. Damit ich schlafen könnte, stopfte er mir einige Sattelfelle hinter den Kopf. Am Ende dieses friedlichen Plauderstündchens trat plötzlich eine naturheilkundige Frau aus dem Bezirk in unser Zimmer. Es war ein altes Weiblein, ausgetrocknet wie ein Stück gesalzenes Dörrfleisch und mit gekrümmter Wirbelsäule. Sie kam auf mich zu und begrüßte mich so zärtlich, als ob sie mich geboren hätte, sah sich meinen Verband an und stellte, ohne ihn zu lösen, fest, daß das Schlüsselbein gerade in der Mitte gebrochen wäre, daß ich einige Schürfungen an der rechten Seite hätte und daß das Loch im Kopf sich sehr bald wieder schließen würde. Dann fragte sie, wer mich so verbunden hätte und sagte, daß nichts daran zu verbessern wäre. Ich sah sie mit Augen groß wie bolivianische Silberstücke an und verstand nicht, wieso sie alles wissen konnte, ohne mich untersucht zu haben. Zuletzt legte sie mir die Hand aufs Haupt und sagte:

»Gott segne dich, mein Sohn. Nach drei Tagen werde ich mit Hilfe der heiligen Jungfrau wiederkommen und nach dir sehen. Du darfst dich aufrichten, wenn du magst, denn du bist verbunden von einem, der die Sache versteht; da ist keine Gefahr.«

Ohne mir Zeit zu einer Antwort zu lassen, schlurfte sie in ihren Hanfschuhen zu dem anderen Manne, um ihn zu behandeln. Sie ließ ihn die Hose über das Knie hinaufziehen. Dann sagte sie zu Patrocinio, er sollte einen Trensenzügel oder Kutschriemen holen; einen Gaucho aber, der sich aus Neugier an die Tür gestellt hatte, bat sie, heranzukommen und ihr zu helfen.

»Es ist ausgerenkt«, sagte sie.

Patrocinio mußte sich hinter den Kranken stellen, ihm die Zugleine über die Brust und unter den Armen durchleiten und sollte dann tüchtig festhalten, wenn der andere Gaucho am Fuß zöge in dem Moment, den sie bezeichnen würde.

»Sie wollen ihn wie eine Kuhhaut spannen«, dachte ich geängstigt.

»Jetzt!« rief die Alte und drückte mit beiden Händen in demselben Augenblick, als der Gaucho am Fuß zog und Patrocinio sich nach hinten bog, auf das kranke Knie. Der Schmerz mußte schon ganz ordentlich sein, denn der braunhäutige Landmann wurde gelber als ein frisch ausgekrochenes Entenküken.

»Es ist in Ordnung«, sagte die Heilkünstlerin und riet, den Mann auf einer Karre oder einem kleinen Wagen nach seinem Rancho zu fahren, denn er dürfe sich einige zwanzig Tage lang nicht rühren. Dann verband sie ihn mit einigen Fetzen, und nachdem sie ihn mit einem »Gott helfe dir!« gesegnet hatte, schlurfte sie mit gekrümmtem Rückgrat, wie sie gekommen war, wieder hinaus.

Kaum hatte die heilkundige Frau sich verabschiedet, als ich auch schon das junge Mädchen eintreten sah, das mir vor einigen Stunden beim Wassertrinken beigestanden hatte. Lächelnd ging sie hin und wider und besorgte den Verwundeten, damit man ihn nachher fortfahren könnte. Ich für meinen Teil verlor sie nicht einen Moment aus den Augen. Was für eine hübsche, knusprige Chinita! Sie war von mittlerer Größe. Ihr Gesicht war so reizend und schelmisch wie das Lied eines Stieglitzes, und jede Bewegung ihres Körpers fuhr mir wie ein Blitz durch die Augen. Da sie meine Regung bemerkte, warf sie mir einen Seitenblick zu und lachte in sich hinein. Ob sie wohl von hier war? Da hatte ich mir ja wirklich zur rechten Zeit den Knochenbruch zugezogen, denn die Heilung würde wenigstens einen halben Monat dauern.

Nach einer Weile holten sie den Gaucho. Sie legten ihn auf eine Kuhhaut, und zwei Männer hoben sie auf. Im Zimmer allein zurückgeblieben, erhob ich mich und ging bis an die Tür, um seiner Abfahrt zuzusehen. In einem kleinen Deichselwagen (in demselben, in dem man das geschlachtete Vieh zu befördern pflegte), setzten sie ihn so zurecht, daß er seinen Rücken an eine der Latten lehnen konnte.

»Gute Besserung!« rief ich ihm zu.

»Gleichfalls! Nun geht es uns ja schon wieder ganz gut!« antwortete er und blies die nötigen Rauchwölkchen in die Luft, um uns allen zu zeigen, daß er immer der alte geblieben sei.

Das Wägelchen fuhr fort, und die Leute, die es verabschiedet hatten, gingen in die Küche, um in aller Ruhe Mate zu trinken. Ich wollte auch gehen. Ich fühlte keinerlei Schmerz, und da man mich ja nicht entkleidet hatte, warf ich mir mein Halstuch um den Nacken. Ich nahm den einen Zipfel zwischen die Zähne, um den Knoten schlingen zu können, und mußte über meine lahme Ungeschicklichkeit lachen. Dann beeilte ich mich, in die Küche zu kommen, die in einem anderen winzigen Häuschen war, das quer zu dem unserigen lag. Gerade als ich aus der Tür trat, stieß ich mit dem heiter lächelnden Mädchen zusammen.

»Nun, wohin denn so vergnügt?«

»Vergnügt? … Ja, wirklich, das kann man wohl sagen, 'n halber Krüppel bin ich … für 'ne Weile wenigstens; und ich fange auch schon an, es zu merken.«

»Wollen Sie noch einmal wieder den Lasso werfen?«

»Das nicht … aber die Mädel werden jetzt Streit mit mir suchen, weil sie mich so hilflos sehen.«

»Armer Junge; 's ist wahr, daß Sie jetzt wenig dazu taugen, ein Mädchen zu sich aufs Pferd zu heben.«

Mitten in ihrem Scherz saß ein Haken. Ich wollte nicht als Unglücklicher betrachtet werden. Jetzt aber bekam ich Lust, dem Mädel an die schwache Seite zu rühren. Ernsthaft fragte ich sie:

»Sind Sie von hier?«

»Ich bin von daher, wo 's mir paßt.«

»Und woher paßt es Ihnen denn?«

»Aus dem Häuschen; woher sonst?«

»Ausgezeichnet! Auch ich würde gern aus dem Häuschen sein, solange Sie es sind.«

»Gott steh' mir bei!«

»Gott steh' mir bei? Bin ich denn so unangenehm und lästig, daß Sie nicht das geringste Mitleid mit mir haben?«

Während dieses ganzen Ruck- und Zuck-Spieles hatten wir uns angelächelt. Jetzt wurde auch sie ernst und sagte herzlich zu mir:

»Setzen Sie sich auf das Bänkchen dort. Ich will einen Mate holen, um ihn für Sie aufzugießen; sonst laufen Sie mehr herum als Ihnen gut ist.«

Sie ging. Ich gehorchte; setzte mich auf eine Bank und wartete etwa zehn Minuten.

Dann kam sie mit einem Teekessel, einem Matekürbis und einem Saugrohr an, setzte sich auf ein niedriges Stühlchen und versenkte sich mit großer Feierlichkeit, als ob sie die Sprache verloren hätte, in die Zubereitung des Aufgusses.

Ich sah sie an mit einem Hunger von Monaten. In mir war die Rührung des Gaucho, der sich nur bei seltenster Gelegenheit einmal einer hübschen Frau gegenübersieht. Und ob die hübsch war! Sie besaß die Geschmeidigkeit und Koketterie der erklärten Landschönen, die sich bewundert weiß. Wie zierlich waren ihre fleißigen Hände! Und wie sie aus Gefallsucht immerfort ihre Haltung veränderte; nur um mich ganz zu verwirren und wie eine Haarschleife an sich zu binden.

Die Zeit verstrich.

»Ernste Sache, nicht?« sagte ich schalkhaft.

»Nein, es ist alles nur Spaß.«

»Wollte Gott!«

Sie wechselte das Thema und fragte, immer spöttisch:

»Haben Sie gut geschlafen in dem Rancho auf der Niederung?«

Ich dachte, daß damit wohl der verhexte Rancho gemeint sei und fragte, indem ich an die dürre Gestalt Don Sixtos dachte:

»Was für ein Mann ist denn das?«

»Ein braver Mann. Arm …; wir haben gerade Nachricht von ihm bekommen. In derselben Nacht, als Sie mit ihm zusammen auf dem Rancho waren, ist ihm sein kranker Sohn gestorben.«

»Was Sie sagen?«

»Das, was Sie hören. Jedem kann einmal ein Kind sterben.«

Erschreckt über jenes Zusammentreffen und ergriffen von meiner Erinnerung, erzählte ich ihr von Don Sixtos Wahnsinn.

Die Kleine bekreuzigte sich. Ich aber dachte an den Schlußvers jenes Liedes, in dem es heißt:

»Einen Kuß möcht' ich dir geben,
Schiltst du mich auch noch so sehr.«

Dann sagte ich:

»Aber durch welches Wunder konnte nur in dieser rauhen Gegend eine Blume erblühen?«

Voller Natürlichkeit nahm sie die Schmeichelei an und erklärte:

»Ich bin nicht von hier. Ich bin mit meinem Bruder Patrocinio nur hergekommen, um in diesen Tagen hier zu helfen. Hier sind drei Frauen. Wenn Sie die gesehen hätten, würden Sie an so ein armes, von Gott vergessenes Wesen, wie ich es bin, kein Wort mehr verlieren.«

»Dann lieber nicht Gott sein, als Sie nach der Trennung so schnell vergessen!«

»Schmeichler«, sagte sie ohne ein Lächeln noch sonst ein Zeichen von Rührung.

»Ich weiß nicht, wie …«

In diesem Augenblick trat Patrocinio ein.

»Wie geht's denn, Schwager?«

Schwager? Ich hatte ihn den ganzen vergangenen Tag so genannt, ohne eine Ahnung davon zu haben, was für eine Auszeichnung das bedeutete.

»Fein geht's! Wissen Sie, daß ich mich schon kaum mehr an den Knuff erinnere?«

»Und ich dachte, daß Sie als Leiche hier ankommen würden. Dreimal haben Sie unterwegs die Besinnung verloren. Erinnern Sie sich noch, was für eine Arbeit es war, Sie aufs Pferd zu bringen?«

»Wie soll ich mich denn erinnern, wenn ich schon auf dem ganzen Weg halbtot war!«

»Nein, Señor. Für Augenblicke waren Sie wieder ganz ordentlich, und als ich Ihnen die Zügelleinen umband, um den Arm festzuhalten, da haben Sie mir geholfen und gesagt: ›Weiter rauf … Jetzt geht's … so …‹.«

Ich versuchte, mich zu erinnern, aber es war unmöglich. Ich mußte wie im Schlaf gesprochen haben. Welch' lange Zeit hatte ich mein Bewußtsein verloren!

»Paula, geh 'raus; in der Küche wirst du jetzt gebraucht.«

Gehorsam stand die Schöne auf, nahm ihre Sachen und ging. Patrocinio setzte sich nieder und kam wieder auf meine Pferde zu sprechen.

»Nun, Schwager, werden wir handelseinig?«

»Wie geht's dem Falben?«

»Er hinkt.«

»Und hat er denn solche Eile, den Besitzer zu wechseln?«

»Ich will Ihnen was sagen, Schwager: ich geh' morgen wieder auf meinen Rancho zurück.«

Fahr' wohl, dachte ich. Da gehen mir nun der Freund und das Mädchen durch die Lappen, und ich kann hier wie ein geschenktes Gürteltier im Hause bleiben, wo ich niemanden kenne.

Recht hatte der Spruch: »Wer nicht verwundet ist, lasse das Haus!« Wie gelähmt von der Nachricht, wußte ich mir keine Hilfe und »streckte mich zum Sterben« hin.

»Gut, so nehmen Sie ihn denn mit.«

»Wir müssen noch den Preis ausmachen.«

»Bestimmen Sie ihn.«

»Achtzig Pesos für den Falben und den Wolf zusammen.«

»Sie gehören Ihnen.«

Einen Augenblick noch blieb Patrocinio nachdenklich sitzen; dann sagte er: »Bis nachher!« und ließ mich allein.

Ich stand auf und machte einige Schritte; stieß an eines der Sitzbänkchen und schleuderte es – von plötzlicher Wut gepackt – mit einem Fußtritt fort.

Ich ging hinaus; kam an Paula vorbei und tat, als ob ich sie nicht sähe. Hinter den Häusern ging ich durch den Schatten der Paradiesbäume, lehnte mich an einen Pfosten der Drahtgitterumzäunung des Patio und sah auf den Kamp hinaus. Lahm oder nicht lahm, hinkend, und sei es selbst ohne Kopf, würde auch ich morgen davongehen. Ich hatte diese ungastliche Gegend satt; kein Teufel würde mich hier mehr zurückhalten, nicht mit einem drei Ellen langen Dolchmesser.

Ich nahm den Hut ab, kratzte mir den Kopf und pfiff ein Lied.

»Ich nehm' Abschied, ja, ich gehe;
hören wirst du nimmer mich,
und mein Rancho bleibt für sich.«

Von weitem sah ich Patrocinio auf meinen Pferdetrupp zugehen. Morgen – dachte ich bei mir – will ich mit meinen Tieren davon. Nirgends ist der Gaucho so daheim wie auf dem Rücken seiner Pferde; kein Bett ist ihm so lieb wie seine Satteldecken und Felle. »Ich brauch' keine anderen Mädchen als meine Flöhchen«, sagte ich zu mir.

Da hörte ich Paulas Stimme, die mich schelmisch schalt:

»Junge, lassen Sie sich Ihr Gehirn nicht von der Sonne anbrennen.«

Ich setzte mir den Hut wieder auf und ging auf sie zu. Ich hatte das Bedürfnis, meine Enttäuschung auf sie abzuwälzen.

»Sie werden wohl auch keine Zeit haben, für morgen Ihre Sonntagskleider zurechtzulegen?«

»Wollen wir auf einen Ball gehen?«

»Und warum nicht? Irgendwie werden wir doch unseren Abschied feiern müssen.«

»Wer geht denn fort? Sie? Wie ich sehe, sind Sie noch nicht wieder arbeitsfähig.«

Ihre Stimme hatte denselben Ton angenommen wie die meine, und zum ersten Male sah ich eine hochmütige Gebärde.

Ich wollte nicht nachgeben: »So wenig ich auch wieder hergestellt sein mag, so werde ich doch gehen, wenn Sie beide gehen.«

»Beide?«

Der Arm fiel mir am Körper herab, wie der Flügel eines ermüdeten Straußes. Ich verstand sie nicht und vermutete, daß ich einen ziemlich dummen Anblick böte.

»Ja, gehen Sie denn nicht mit Patrocinio zusammen?« fragte ich.

Da hob sie die Schultern, kräuselte verächtlich die Lippen und sagte:

»Bis jetzt habe ich noch keinen Herrn, der mir was zu befehlen hat.«

Da hatte ich den Verweis.


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