Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen
Simplicius Simplicissimus
Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen

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Das 2. Kapitel

Simplicius bekommt einen bessern Kostherrn als er zuvor einen gehabt

Monsigneur Canard, so hieß mein neuer Herr, erbot sich, mir mit Rat und Tat beholfen zu sein, damit ich des Meinigen zu Köln nicht verlustigt würde, denn er sah wohl, daß ich traurig war. Sobald er mich in seine Wohnung brachte, begehrte er, ich wollte ihm erzählen, wie meine Sachen beschaffen wären, damit er sich drein finden und Ratschläg ersinnen könnte, wie mir am besten zu helfen sei. Ich gedachte wohl, daß ich nicht viel gülte, wenn ich mein Herkommen öffnen sollte, gab mich derhalben für einen armen teutschen Edelmann aus, der weder Vater noch Mutter, sondern nur noch etliche Verwandte in einer Festung hätte, darin schwedische Garnison läge. Welches ich aber vor meinem Kostherrn und beiden von Adel, als welche kaiserliche Partei hielten, verborgen halten müssen, damit sie das Meinige, als ein Gut so dem Feind zuständig, nit an sich zögen: Meine Meinung wäre, ich wollte an den Kommandanten bemeldter Festung schreiben, als unter dessen Regiment ich die Stell eines Fähnrichs hätte, und ihn nicht allein berichten, wasgestalten ich hieher praktiziert worden, sondern ihn auch bitten, daß er belieben wollte, sich des Meinigen habhaft zu machen, und solches bis ich wieder Gelegenheit kriege, zum Regiment zu kommen, indessen meinen Freunden zuzustellen. Canard befand mein Vorhaben ratsam und versprach mir, die Schreiben an ihren Ort zu bestellen, und sollten sie gleich nach Mexico oder in China lauten. Demnach verfertigte ich Schreiben an meine Liebste, an meinen Schwährvater und an den Obristen de S. A. Kommandanten in L., an welchen ich auch das Copert richtete und ihm die übrigen beiden beischloß: Der Inhalt war, daß ich mit ehestem mich wieder einstellen wollte, da ich nur Mittel an die Hand kriegte, ein so weite Reis zu vollenden, und bat beides meinen Schwäher und den Obristen, daß sie vermittels der Militiae das Meinige zu bekommen unterstehen wollten, ehe Gras darüber wachse, berichtete daneben, wieviel es an Gold, Silber und Kleinodien sei. Solche Brief verfertigte ich in duplo, ein Teil bestellt' Mons. Canard, das ander gab ich auf die Post, damit wenn irgend das eine nicht überkäme, jedoch das ander einliefe. Also wurde ich wieder fröhlich und instruierte meines Herrn zween Söhn desto leichter, die als junge Prinzen erzogen wurden, denn weil Mons. Canard sehr reich, also war er auch überaus hoffärtig und wollte sich sehen lassen; welche Krankheit er von großen Herren an sich genommen, weil er gleichsam täglich mit Fürsten umging und ihnen alles nachäffte; sein Haus war wie eines Grafen Hofhaltung, in welcher kein anderer Mangel erschien, als daß man ihn nit auch einen gnädigen Herrn nennete, und seine Imagination war so groß, daß er auch einem Marquis, da ihn etwa einer zu besuchen kam, nicht höher als seinesgleichen traktierte; er teilte zwar geringen Leuten auch von seinen Mitteln mit, er nahm aber kein gering Geld, sondern schenkte ihnen eher ihre Schuldigkeit, damit er einen großen Namen haben möchte. Weil ich ziemlich kurios war und wußte, daß er mit meiner Person prangte, wenn ich neben andern Dienern hinter ihm hertrat und er Kranke besuchte, also half ich ihm auch stets in seinem Laboratorio arzneien, davon wurde ich ziemlich gemein mit ihm, wie er denn ohnedas die teutsche Sprach gern redete, sagte derowegen einsmals zu ihm: Warum er sich nit von seinem adeligen Sitz schreibe, den er neulich nahend Paris um 20 000 Kronen gekauft hätte? item, warum er lauter Doctores aus seinen Söhnen zu machen gedenke und sie so streng studieren lasse, ob nicht besser wäre, daß er ihnen (indem er doch den Adel schon hätte) wie andere Kavalier irgends Ämter kaufe und sie also vollkommen in den adeligen Stand treten lasse? »Nein«, antwortet' er, »wenn ich zu einem Fürsten komme, so heißts: ›Herr Doktor, Er setze sich nieder‹; zum Edelmann aber wird gesagt: ›Wart auf!‹« Ich sagte: »Weiß aber der Herr Doktor nicht, daß ein Arzt dreierlei Angesichter hat, das erste eines Engels, wenn ihn der Kranke ansichtig wird, das ander eines Gottes, wenn er hilft, das dritte eines Teufels, wenn man gesund ist und ihn wieder abschafft: Also währt solche Ehr nicht länger, als solang dem Kranken der Wind im Leib herumgehet, wenn er aber hinaus ist und das Rumpeln aufhöret, so hat die Ehr ein End und heißts alsdann auch: ›Doktor, vor der Tür ists dein!‹ Hat demnach der Edelmann mehr Ehr von seinem Stehen als ein Doktor von seinem Sitzen, weil er nämlich seinem Prinzen beständig aufwartet und die Ehr hat, niemals von seiner Seiten zu kommen; der Herr Doktor hat neulich etwas von einem Fürsten in Mund genommen und demselben seinen Geschmack abgewinnen müssen, ich wollte lieber zehen Jahr stehen und aufwerten, ehe ich eines andern Kot versuchen wollte, und wenn man mich gleich auf lauter Rosen setzen wollte.« Er antwortet': »Das mußte ich nicht tun, sondern tats gern, damit, wenn der Fürst sähe, wie sauer michs ankäme, seinen Zustand recht zu erkundigen, meine Verehrung desto größer würde; und warum wollte ich dessen Kot nit versuchen, der mir etlich hundert Pistoln dafür zu Lohn gibt, ich aber hingegen ihm nichts gebe, wenn er noch gar was anders von mir muß fressen? Ihr redet von der Sach wie ein Teutscher, wenn Ihr aber einer andern Nation wäret, so wollte ich sagen, Ihr hättet davon geredt wie ein Narr!« Mit dieser Sentenz nahm ich vorlieb, weil ich sah, daß er sich erzürnen wollte, und damit ich ihn wieder auf ein gute Laun brächte, bat ich, er wollte meiner Einfalt etwas zugut halten, und brachte etwas Annehmlichers auf die Bahn.


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